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Brüsseler Parteikonferenz der Kommunistischen Partei Deutschlands

Wilhelm Pieck

Referat:
Erfahrungen und Lehren der deutschen Parteiarbeit im Zusammenhang mit den Beschlüssen des VII. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale

4. Oktober 1935

 

 

Quelle:

Wilhelm Pieck: Der neue Weg zum gemeinsamen Kampf für den Sturz der Hitlerdiktatur - Referat und Schlußwort auf der Brüsseler Parteikonferenz der Kommunistischen Partei Deutschlands (Oktober 1935). Berlin, Verlag Neuer Weg, 1947. S. 5‑139.

Abgedruckt in:

Erwin Lewin, Elke Reuter, Stefan Weber (Hg.): Protokoll der "Brüsseler Konferenz" der KPD 1935 - Reden, Diskussion und Beschlüsse, Moskau vom 3.‑15. Oktober 1935. München, K. G. Saur, 1997. S. 74‑133.

 

 

 

 

 

 

Erstellt: Januar 2013

Druckversion
KPD 1918 1945 - Inhalt

 

 

 

 

 

 

Einleitung

1. Die Bedeutung der Beschlüsse des VII. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale

Genossen!

Der VII. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale hat sehr bedeutungsvolle Beschlüsse über eine neue taktische Orientierung und über die Anwendung der Einheitsfront auf neue Art gefaßt, die es den kommunistischen Sektionen ermöglichen sollen, die Einheitsfront der Arbeiterklasse und die antifaschistische Volksfront, die Aktionseinheit der gesamten werktätigen Massen im Kampfe gegen Kapitalsoffensive, Faschismus und imperialistische Kriegsgefahr, herzustellen. Diese Beschlüsse des VII. Weltkongresses beruhen auf der Veränderung der Weltlage, die durch den Sieg des Sozialismus in der Sowjetunion, durch die Weltwirtschaftskrise, die Offensive des Faschismus, die politische Krise in einigen Ländern und die Radikalisierung der werktätigen Massen in der ganzen kapitalistischen Welt herbeigeführt wurde. Sie beruhen auf den Erfahrungen, die die französische Arbeiterklasse in den Bemühungen zur Herbeiführung der Einheitsfront und der Gewerkschaftseinheit in Verbindung mit der Schaffung der Volksfront unter der kühnen Initiative unserer französischen Bruderpartei machte; sie beruhen nicht zuletzt auf den bitteren Erfahrungen, die die deutsche Arbeiterklasse dadurch machen mußte, daß sie den Sieg des Hitlerfaschismus nicht zu verhindern vermochte.

Die Beschlüsse des VII. Weltkongresses sind für die Kommunistische Partei Deutschlands und für die deutsche Arbeiterklasse von ganz besonderer Bedeutung. Diese Beschlüsse sollen ihnen helfen, die Einheitsfront und die Volksfront, die Aktionseinheit für den Sturz des Hitlerfaschismus, zu schaffen. Unsere Parteikonferenz hat die große Aufgabe, klar herauszuarbeiten, wie diese Beschlüsse des Weltkongresses unter den Bedingungen in Deutschland konkret angewandt werden sollen. Sie muß die Bedingungen dafür schaffen, daß diese Beschlüsse zur Durchführung gelangen. Das werden wir um so besser vermögen, je mehr wir uns über die von uns in der Vergangenheit gemachten Fehler und über die vorhandenen Mängel in unserer Parteiarbeit klar werden und daraus die richtigen Schlußfolgerungen für die künftige Parteiarbeit ziehen.

Die Parteikonferenz hat nicht nur die Frage zu beantworten, warum der Faschismus in einem Lande wie Deutschland mit seiner vorwiegend industriellen, gut organisierten Arbeiterschaft und bei dem Bestehen einer solchen Massenpartei, wie es die KPD war, siegen konnte. Die Parteikonferenz hat vor allem die Frage zu beantworten, was jetzt in Deutschland unter den Bedingungen der faschistischen Diktatur von den werktätigen Massen, besonders von der Arbeiterklasse, getan werden muß, um die faschistische Diktatur zu stürzen.

Aus dieser Aufgabenstellung ergibt sich schon von selbst, daß wir auf unserer Beratung nicht allzuviel Zeit der Vergangenheit zuwenden sollen, sondern uns in der Hauptsache mit den vor uns stehenden Aufgaben beschäftigen müssen. Mit der Vergangenheit sollen wir uns nur insoweit beschäftigen, als wir genötigt sind, aus den von der Partei begangenen Fehlern und den Mängeln ihrer Arbeit Lehren und Schlußfolgerungen für die vor uns stehende Arbeit zu ziehen.

Wir müssen mit einer sehr harten Selbstkritik an unsere bisherige Parteiarbeit herangehen. Wir dürfen uns nicht davor fürchten, daß diese Selbstkritik etwa von unseren Gegnern, besonders von der Sozialdemokratie, zur Rechtfertigung ihrer Politik ausgenutzt werden könnte. Klar und eindeutig steht vor der deutschen Arbeiterklasse die Tatsache, daß die Kommunistische Partei Deutschlands von dem einzigen Willen beseelt war, die Aktionseinheit der deutschen Arbeiterklasse gegen den Faschismus zur Verhinderung des Sieges der faschistischen Diktatur herzustellen. Ihre Angebote an die sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsführungen waren auf die Auslösung des breitesten Massenkampfes gegen den anstürmenden Faschismus gerichtet. Demgegenüber steht ebenso eindeutig und klar die Tatsache vor der Arbeiterklasse, daß diese Führungen die Angebote abgelehnt haben und nicht gewillt waren, die Massen zu diesem Kampfe aufzurufen, ja sogar alles taten, um diesen Kampf zu verhindern. Aber das alles enthebt uns nicht der Verpflichtung, selbstkritisch zu überprüfen, warum es uns trotz des Widerstandes der sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsführer nicht gelungen ist, die sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsmassen für den Kampf zu gewinnen.

So richtig es ist, was auf dem VII. Weltkongreß gesagt wurde, daß die historische Verantwortung für den Sieg des Faschismus in Deutschland die Sozialdemokratie trägt, so müssen wir uns selbst doch über die ernsten Verfehlungen klar sein, die von der Partei in ihrer Massenarbeit und auch in ihrer politischen Orientierung begangen wurden, weil wir daraus die Lehren ziehen müssen, was jetzt von uns getan werden muß, um die sozialdemokratischen Arbeiter, die deutsche Arbeiterklasse überhaupt für die Aktionseinheit zu gewinnen, um die faschistische Diktatur zu stürzen.

Wenn der VII. Weltkongreß für alle Sektionen der Kommunistischen Internationale die Aufgabe einer neuen taktischen Orientierung in ihrer Massenarbeit zur Gewinnung der Arbeiterklasse und der übrigen werktätigen Schichten für die Aktionseinheit zum Kampfe gegen Kapitalsoffensive, Faschismus und imperialistischen Krieg stellte, so gilt das besonders für die Kommunistische Partei Deutschlands. Wir müssen uns neu orientieren in unserem Verhältnis zur Sozialdemokratischen Partei, deren Lage sich unter den Bedingungen der faschistischen Diktatur grundlegend geändert hat. Das führt auch zu einer Veränderung ihrer Rolle. Wir müssen uns neu orientieren in unserer Gewerkschaftsarbeit, in unserer Arbeit in den von den Faschisten geleiteten Massenorganisationen, in die die gewerkschaftlich organisierten Massen hineingezwungen wurden. Das gilt ebenfalls für unsere Massenarbeit in den Betrieben, für unsere Arbeit unter den städtischen Mittelschichten, für unsere Arbeit im Dorfe.

Wir haben nicht nur mit anderen Bedingungen unserer Massenarbeit unter der faschistischen Diktatur zu rechnen, wir müssen nicht nur die sich im Lande vollziehenden Veränderungen der Lage, die Verschärfung der Klassengegensätze, den wachsenden Widerstand gegen das faschistische Regime in allen Schichten der werktätigen Massen beachten, wir müssen vor allem von uns aus die Initiative zur Formierung der Kampffront gegen den Faschismus, zur Schaffung der Einheits- und Volksfront ergreifen. Wir müssen neue Formen und Methoden in unserer gesamten Massenarbeit finden und anwenden. Das ist das Neue in unserer Aufgabe, vor das uns die Beschlüsse des VII. Weltkongresses stellen.

Darin liegt der tiefe Sinn der Direktive zur Anwendung der Einheitsfront auf neue Art. Die Parteikonferenz muß die Generallinie, die politische Plattform, schaffen und festlegen, mit der es der Partei gelingen wird, die Massen in Deutschland für die Aktionseinheit zum Sturz der faschistischen Diktatur zu gewinnen. Es handelt sich nicht etwa darum, daß wir unsere bisherige Massenarbeit nur verstärken, unsere Einheitsfronttaktik geschickter anwenden, sondern es handelt sich um eine grundlegende Änderung unserer Einheitsfronttaktik, um eine völlig neue taktische Orientierung, um eine wirkliche Wendung in unserer Massenarbeit, nicht in Worten, sondern in der Tat.

2. Die Entwicklung der Massenarbeit der Kommunistischen Partei Deutschlands

Wenn wir auf Grund unserer bisherigen Erfahrungen genötigt sind, ernste Selbstkritik an der Arbeit unserer Partei zu üben, die begangenen Fehler und vorhandenen Schwächen besonders stark hervorzuheben, um die zur Erfüllung unserer Aufgaben notwendigen Lehren für die Verbesserung unserer Arbeit, für die Ausrichtung unserer strategischen Linie und für die taktische Neuorientierung zu ziehen, so sollen dabei nicht die Erfolge in den Hintergrund gestellt werden, die die Kommunistische Partei trotz alledem aufzuweisen hat. Es darf vor allem nicht der große Anteil übersehen werden, den Genosse Ernst Thälmann als Führer der Partei an der Entwicklung der Massenarbeit der Partei hat, an der Durchführung ihrer revolutionären Linie und an der Heranbildung der heldenhaften Kader, die unter dem fürchterlichen Terror der faschistischen Diktatur ihre Feuerprobe bestanden haben.

Die Hervorkehrung dieser Erfolge der Kommunistischen Partei, die sie zu einer der besten Sektionen der Kommunistischen Internationale der kapitalistischen Länder machte, soll nicht eine innere Selbstzufriedenheit zum Ausdruck bringen, soll nicht die großen Mängel, die unserer Arbeit anhaften, verdecken und soll vor allen Dingen nicht die Fehler entschuldigen, die von uns gemacht wurden. Im Gegenteil, es soll mit dieser Aufzählung der Erfolge der Partei, die sie vor der Aufrichtung der faschistischen Diktatur hatte, aufgezeigt werden, was die Partei in der Gewinnung der sozialdemokratischen Arbeitermassen für den Kampf zur Verhinderung der faschistischen Diktatur hätte leisten können, wenn sie nicht in ihrer strategischen Orientierung und in ihren taktischen Maßnahmen ernste Verfehlungen begangen und wenn sie vermocht hätte, die Schwächen in ihrer Massenarbeit zu beseitigen.

Die KPD wurde zur Massenpartei im Kampfe gegen alle opportunistischen Strömungen, gegen den Brandlerismus, gegen das Versöhnlertum, gegen das Sektierertum, die in mehr oder weniger offenen fraktionellen Kämpfen gegen die bolschewistische Linie der Partei diese an der Erfüllung ihrer revolutionären Aufgabe zu hindern versuchten, sei es, daß sie die KPD zu einem Anhängsel der Sozialdemokratie machen wollten, sei es, daß sie die Partei von den Massen abzusperren versuchten, sei es, daß sie ein unzulässiges Kompromiß mit diesen der Partei schädlichen Gruppierungen herbeizuführen suchten. Nur indem die Partei diese Fraktionen und Abweichungen rücksichtslos schlug und fest auf der bolschewistischen Linie der Kommunistischen Internationale vorwärtsmarschierte, wurde sie zu einer großen selbständigen Kraft in der deutschen Arbeiterbewegung, gewann sie das Vertrauen der Arbeitermassen und wurde zu einer Massenpartei.

Den Einfluß, den die Partei bei den umfangreichen Wirtschaftskämpfen vor der Wirtschaftskrise im Herbst 1928 (Ruhrkampf[1] und München-Gladbacher Streik im Herbst 1928[2]) und während der Wirtschaftskrise in den Jahren 1930 bis 1932 erreichte (ich nenne nur den Bergarbeiterstreik im Ruhrgebiet[3] und den Mansfelder Streik[4] im Frühsommer 1930, den Streik der Berliner Metallarbeiter im Herbst 1930[5], den Streik der Bergarbeiter im Ruhrgebiet[6] und in Oberschlesien[7] im Frühjahr 1931, den Streik der Hamburger Hoch- und Straßenbahner 1932[8], die breiten Streikbewegungen aus Anlaß der Papenschen Lohnabbau-Notverordnungen im Sommer und im Herbst 1932, den Streik der Berliner Verkehrsarbeiter Anfang November 1932[9]) ‑ diesen Einfluß unter den werktätigen Massen hatte sich die Partei nur durch ihre klare Klassenpolitik erworben.

In der durch die Wirtschaftskrise herbeigeführten großen Massenerwerbslosigkeit von über 8 Millionen Erwerbslosen gelang es der Partei, durch ihren Kampf für die Unterstützung der Erwerbslosen, gegen die Verschlechterung der Erwerbslosenversicherung und den Abbau der Unterstützungssätze, gegen ihre zwangsweise Entfernung aus den Wohnungen wegen Mietrückständen, durch den Kampf für Winterhilfe und andere Forderungen, eine breite Erwerbslosenbewegung zu entfesseln und damit ebenfalls große Massen des Proletariats für die Partei und ihren Kampf zu gewinnen. Daß es der Partei nicht gelang, die Erwerbslosenbewegung gleichzeitig mit einer breiten Kampfbewegung der Betriebsarbeiter zu verbinden und damit ein Abflauen der Bewegung zu verhindern, hing nicht nur mit der Kapitulationspolitik der sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsführer, sondern auch mit den in unserer Massenarbeit vorhandenen Schwächen, besonders mit der Schwäche unserer Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, zusammen.

Bei den Betriebsrätewahlen erlangte die Partei trotz ihrer schwachen Betriebsarbeit einen solchen Einfluß auf die Besetzung der Betriebspositionen, daß es schon die Brüning-Regierung für notwendig hielt, im Frühjahr 1932 die Betriebsrätewahlen überhaupt nicht mehr vornehmen zu lassen, um die Betriebe nicht durch die Wahlen zu “beunruhigen”.

Auch die großen Wahlerfolge, die die Partei im März 1932 bei den Präsidentenwahlen mit 5 Millionen Stimmen für ihren eigenen Kandidaten, den Genossen Ernst Thälmann, dann bei der Reichstagswahl im Juli mit 5,3 Millionen und bei den Novemberwahlen des gleichen Jahres mit fast 6 Millionen Stimmen erreichte, wobei die Partei in einigen der entscheidendsten, wichtigsten Industriegebiete, wie Berlin, Ruhrgebiet, Niederrhein, Mitteldeutschland, von allen Parteien die größte Stimmenzahl auf sich vereinigte, waren der Ausdruck des wachsenden Vertrauens des deutschen Proletariats und großer Teile der übrigen werktätigen Schichten zur Kommunistischen Partei.

Der Erfolg der Kommunistischen Partei in dieser Zeit vor der Aufrichtung der faschistischen Diktatur zeigte sieh auch in dem Wachstum der mit der Partei verbundenen Massenorganisationen, der Roten Hilfe, der Internationalen Arbeiterhilfe, der Sportorganisationen, der Freidenkerorganisationen, die 1932 zusammen einen Mitgliederstand von 1,4 Millionen aufwiesen und mit breiten Schichten der Arbeiterklasse und darüber hinaus auf das engste organisatorisch verbunden waren.

Die Partei verstand es, eine verhältnismäßig gute Agitation zu betreiben, wenngleich der sektiererische Einschlag gerade an entscheidenden Punkten unserer Kampfgebiete, besonders gegenüber den sozialdemokratischen Arbeitern, stark hervortrat. Das betraf sowohl die Losungen wie auch die allgemeine Agitation. Trotzdem war der Erfolg unserer Agitation offensichtlich. Der Radikalisierungsprozeß, der sich in der Arbeiterschaft vollzog, war zu einem erheblichen Teil durch die Erfolge unserer Agitation hervorgerufen. Leider verstand es die Partei nicht, diese agitatorischen Erfolge organisatorisch zu festigen durch Einreihung der von unserer Agitation erfaßten und beeinflußten Massen in die Kampfbewegung, durch Schaffung fester organisatorischer Stützpunkte. Die Versuche hierzu, die in der Schaffung von Kampfkomitees, Einheitskomitees im Delegiertensystem und anderen Komitees bestanden, blieben meist in den Anfängen stecken.

Auch in der organisatorischen Verbreiterung und Festigung der Parteiorganisation hat die Partei gute Erfolge gehabt. Sie wurde zu einer Massenorganisation von über 300 000 Mitgliedern, die in 2210 Betriebszellen und 6000 Straßenzellen in fast 6500 Ortsgruppen erfaßt waren. Welche große Anziehungskraft die Partei für die Arbeiterschaft hatte, zeigen die großen Werbeerfolge in den Jahren 1931 und 1932, wo über 400 000 neue Mitglieder gewonnen wurden. Leider verstand es die Partei nicht, diese neugewonnenen Mitglieder zu halten und sie fest in die Parteiorganisation einzugliedern, so daß die Fluktuation eine der schlimmsten Erscheinungen des inneren Parteilebens wurde. Daß von den Mitgliedern der Partei vor der Wirtschaftskrise nur 48 Prozent in den Betrieben tätig waren und daß dieser Prozentsatz während der Krise bis zum Jahre 1932 auf 11 Prozent herabsank, war mit eine Folge unserer schwachen Betriebsarbeit.

Die Partei hat in dieser Zeit auch eine verhältnismäßig gute Schulungsarbeit geleistet, sowohl durch ihre ständige Reichsparteischule mit ihren Dreimonatskursen wie durch die Zwei- bis Dreiwochenkurse in allen Bezirken und Unterbezirken, die periodisch durchgeführt wurden. Dazu kam die Herausgabe der "Internationale", des "Propagandisten", des "Agitators" und des "Parteiarbeiters", wozu noch fast jeder Bezirk ein besonderes Funktionärorgan herausgab. Auch der Vertrieb unserer marxistisch-leninistischen Literatur hatte einen ziemlich großen Umfang angenommen.

Diese Schulungsarbeit hat nicht wenig zur Heranbildung jener heldenhaften Kader beigetragen, die unter den Schlägen des faschistischen Terrors so standhaft und ehrenvoll die Kommunistische Partei verteidigen und die das Verdienst haben, den Kampfgeist der deutschen Arbeiterschaft wachgehalten und die Massen für den unmittelbaren Kampf gegen das faschistische Regime mobilisiert zu haben. Kurz vor der Aufrichtung der faschistischen Diktatur waren ungefähr 50 Prozent der Parteimitgliedschaft Funktionäre der Partei. Diese Kader waren wirklich das Beste, was die Partei unter Führung des Genossen Thälmann hervorgebracht hat. Und wenn sich in der Arbeit der Partei ernste Fehler und Schwächen zeigten, so lag die Schuld daran nicht sosehr bei diesen Kadern, sondern in Ursachen, die ich noch in meinem Bericht behandeln werde.

Zum Abschluß möchte ich noch zwei Positionen der Partei erwähnen, auf denen wir allerdings keine großen Erfolge verbuchen konnten: das betrifft unsere Parteipresse, ferner die RGO und die roten Verbände. Die Partei hatte 37 Tageszeitungen, einschließlich der Kopfblätter, aber die Abonnentenzahl ist nie über die Zahl der Parteimitglieder hinausgekommen. Vor allem war das auf die große Schwäche unserer Redaktionen zurückzuführen, die nicht verstanden, die Sprache der Massen zu sprechen, die nicht verstanden, den Kampf der Partei zu organisieren, und die einen großen Teil der Verantwortung für die in der Parteiarbeit zutage getretenen Schwächen tragen, ja, die geradezu verhinderten, daß unsere Parteipresse zu einer wirklichen Massenpresse und zu einem organisierenden Faktor für die Partei wurde.

Die RGO mit ihren 160 000 Mitgliedern und die roten Verbände mit ihren 95 000 Mitgliedern sind niemals über die Zahl der Parteimitglieder hinausgekommen. Das trifft auch auf die revolutionäre Gewerkschaftspresse zu, die eine Höchstauflage von 183 500 Exemplaren erreichte.

Genossen! Damit möchte ich die Aufzählung der Erfolge der Partei beenden und zu dem vorwiegend selbstkritischen Teil meines Berichts übergehen. Ich werde dabei vielfach in der Kritik weitergehen, als die Kritik [gegangen ist], die auf dem VII. Weltkongreß an der Arbeit der deutschen Partei geübt wurde. Dabei möchte ich eine kleine Vorbemerkung machen. Es ist notwendig, auch die vor der Aufrichtung der faschistischen Diktatur von der Partei unter der Führung des Genossen Thälmann befolgte Linie sowohl in unserer Strategie wie auch in unserer Taktik in diese Kritik einzubeziehen, weil wir wirklich dabei ernste Verfehlungen hatten. Ich bin fest überzeugt, daß Genosse Thälmann, wenn er die Möglichkeit hätte, an unserer Parteikonferenz teilzunehmen, in der bei ihm gewohnten Art in schärfster, bolschewistischer Weise die Waffe der Selbstkritik handhaben, das Sektierertum bekämpfen und sich gegen die Genossen wenden würde, die sich immer auf ihn berufen, wenn sie ihre eigenen Fehler verdecken wollen.

Genossen! Ich werde meinen Bericht über die Erfahrungen und Lehren der deutschen Parteiarbeit in drei Hauptteile gliedern, und zwar:

I. Die zentralen Probleme unserer Strategie und Taktik.

II. Die Analyse der gegenwärtigen Lage in Deutschland.

III. Die Perspektive und die Generallinie der Partei.

I. Die zentralen Probleme unserer Strategie und Taktik

1. Die Waffe der marxistisch-leninistischen Analyse

Der VII. Weltkongreß hat für Deutschland als zentrale Aufgabe die Herstellung der Aktionseinheit aller Teile der Arbeiterklasse und die Schaffung der antifaschistischen Volksfront aller freiheitsliebenden deutschen werktätigen Menschen im Kampfe gegen die faschistische Diktatur gestellt. Die erste Voraussetzung zur Lösung dieser Aufgaben ist für die Kommunistische Partei eine richtige Analyse der Lage, eine richtige Perspektive, um fähig zu sein, eine richtige politische Linie in ihrer revolutionären Massenarbeit einzuschlagen.

In dem Schlußwort zu seinem Bericht auf dem VII. Weltkongreß sagte Genosse Dimitroff darüber, daß es notwendig ist, daß[10]

die Kommunisten die Waffe der marxistisch leninistischen Analyse geschickt gebrauchen, die konkrete Situation und die Gruppierung der Klassenkräfte in ihrer Entwicklung sorgfältig studieren und dementsprechend den Plan ihrer Tätigkeit und ihres Kampfes festlegen. Wir müssen den Hang zu ausgeheckten Schemen, leblosen Formeln, fertigen Schablonen, der oft auf unsere Genossen lähmend wirkt, aufs schonungsloseste ausrotten. Wir müssen mit einem Zustand Schluß machen, wo Kommunisten, denen es an Kenntnissen und an Fähigkeiten zu einer marxistisch-leninistischen Analyse fehlt, diese Analyse durch allgemeine Redensarten und allgemeine Losungen, wie “revolutionärer Ausweg aus der Krise”, ersetzen.

Und in seiner Schlußansprache auf dem Kongreß hob Genosse Dimitroff nochmals diese Aufgabe hervor und sagte[11]:

Der Kongreß verlangt auf das entschiedenste, daß alle taktischen Schritte der Parteien auf einer nüchternen Analyse der konkreten Wirklichkeit, auf der Berücksichtigung des Verhältnisses der Klassenkräfte und des politischen Niveaus der breitesten Massen basieren sollen.

Diese kategorischen Mahnungen des Genossen Dimitroff resultieren aus den Erfahrungen und aus der Praxis der kommunistischen Parteien, besonders aus der Praxis unserer Partei. Die richtige Einschätzung der Klassenkräfte in Deutschland, des Verhältnisses zwischen den Klassen, der Lage innerhalb unserer Klasse und der Lage der Bourgeoisie, ist das wichtigste Element für die Ausarbeitung einer richtigen politischen Linie, einer richtigen strategischen Orientierung und Taktik unserer Partei. Wir müssen die konkrete Situation in unserem Lande kennen und nüchtern einschätzen, nicht auf Grund unserer Wünsche, sondern auf Grund dessen, was in Wirklichkeit ist.

Der VII. Weltkongreß war ein Kongreß der Revidierung der taktischen Grundsätze der Kommunistischen Internationale entsprechend der veränderten Weltlage. Der Kongreß wird eine Wendung in der Arbeit der gesamten kommunistischen Weltbewegung bringen.

Die Kommunistische Partei Deutschlands braucht diese Wendung außerordentlich dringend, weil ihr die höchsten Aufgaben in der Gewinnung der Massen für den Sturz der faschistischen Diktatur gestellt sind. Wir müssen eine grundlegende Wendung auch in den Methoden der Ausarbeitung unserer politischen Linie vornehmen. Dazu gehört eine genaue Analyse der konkreten Situation. Wir müssen verstehen, daß wir das bisher nicht richtig vermocht haben, sondern sie mehr durch Deklamationen zu ersetzen versuchten. Nur eine nüchterne marxistisch-leninistische Analyse, die das wirkliche Niveau des Klassenbewußtseins der Massen, den Grad ihrer Revolutionierung richtig einschätzt, wird vermögen, uns das Vertrauen der Arbeitermassen in größerem Maße zu verschaffen und damit den notwendigen Erfolg unserer Arbeit zu sichern.

Angesichts der Tatsache, daß wir das bisher nicht in genügendem Maße vermochten, daß es uns nicht gelang, die Arbeiterklasse für die Einheitsfront zu gewinnen, daß es uns nicht gelang, den Sieg des Faschismus zu verhindern, entsteht die Frage, ob wir nicht in der Durchführung unserer politischen Linie in den letzten Jahren vor der Machtübernahme durch Hitler ernste Fehler gemacht haben. Diese Fragestellung hat nicht nur einen historischen Wert, sie steht im Mittelpunkt der Diskussionen der deutschen Arbeiterklasse. Ihre Beantwortung ist für die Bestimmung unserer Politik, unserer Strategie und Taktik im Kampf für den Sturz der faschistischen Diktatur von sehr großer Bedeutung.

Genosse Dimitroff stellte in seinem Bericht auf dem VII. Weltkongreß die Frage: Warum konnte der Faschismus in Deutschland siegen? Er sagte[12]:

War etwa der Sieg des Faschismus in Deutschland unvermeidlich? Nein, die deutsche Arbeiterklasse hätte ihn verhindern können.

Aber warum haben die deutschen Arbeiter den Sieg des Faschismus nicht zu verhindern vermocht? Große Teile der sozialdemokratischen Arbeiter, und zwar die aktivsten und besten Elemente, versuchen sich eine Erklärung dafür in der Form zu geben, daß die reformistische, arbeitsgemeinschaftliche Politik der Sozialdemokratie daran die Schuld trage, daß aber auch die KPD versagt hätte. Diese Gedankengänge fanden auch ihren Niederschlag in der Plattform des Arbeitskreises Revolutionärer Sozialisten, die daraus die Schlußfolgerung der Schaffung einer "neuen sozialistischen Partei" zogen.

Wir müssen selbstverständlich eine solche Auffassung, die unsere politische Linie in den Jahren vor der Machtergreifung durch Hitler, unsere Strategie und Taktik für falsch erklärt, mit aller Entschiedenheit zurückweisen und den sozialdemokratischen Arbeitern auseinandersetzen und verständlich machen, wo die wirklichen Ursachen dafür liegen, daß die Arbeiterklasse den Sieg des Faschismus nicht zu verhindern vermocht hat.

Es erübrigt sich, hier auf unserer Konferenz etwa beweisen zu wollen, daß der von uns eingeschlagene Weg, daß unsere Marschroute der proletarischen Revolution zur Aufrichtung der Diktatur des Proletariats und Schaffung eines Sowjetdeutschlands gegenüber dem von der Sozialdemokratie vertretenen demokratischen Weg der sozialistischen Ausgestaltung der bürgerlichen Demokratie auf friedlichem Wege der einzig richtige war. Aber auch das müssen wir den sozialdemokratischen Arbeitern beweisen, und zwar an Hand der Erfahrungen, die die Arbeiter selbst in dieser Entwicklungsperiode gemacht haben.

Die Richtigkeit der strategischen Zielsetzung der KPD ‑ die proletarische Revolution zur Errichtung der Diktatur des Proletariats ‑ wird von der Mehrheit der aktiven sozialdemokratischen Arbeiter in Deutschland und von vielen sozialdemokratischen Politikern zugegeben und anerkannt. Sie fangen bereits an, zu begreifen, daß der von der SPD seit 1914 eingeschlagene Weg die Arbeiterschaft ins Verderben geführt und dem Faschismus den Weg bereitet hat.

Anders aber ist ihre Stellungnahme zu der von der KPD eingeschlagenen Taktik der Schaffung der Einheitsfront. Sie machen diese Taktik der KPD in den Jahren 1930 bis 1933 dafür verantwortlich, daß es nicht zu Einheitsfrontabkommen mit der Sozialdemokratie gekommen sei, und verweisen dabei auf die von unserer französischen Bruderpartei eingeschlagene Taktik, die zu dem großen Erfolge der Schaffung eines Paktes über gemeinsame Aktionen mit der Sozialistischen Partei geführt und damit die Grundlage für die Einheitsfront und für die Volksfront wie auch für die Gewerkschaftseinheit in Frankreich vorbereitet hat. Aber in diesem Einwand der besten sozialdemokratischen Funktionäre wird der sehr gewichtige Umstand übersehen, daß zu einem Einheitsfrontabkommen mindestens zwei Partner gehören, also die Kommunistische und die Sozialdemokratische Partei. Die Bereitschaft dazu war aber sowohl vor der Aufrichtung der Hitlerdiktatur wie nachher weder bei der sozialdemokratischen Parteiführung noch auch bei der sozialdemokratischen Opposition, dem Arbeitskreis Revolutionärer Sozialisten, vorhanden.

Es wird aber bei diesem Hinweis auf Frankreich auch noch die sehr wichtige Tatsache übersehen, daß gerade die sehr bitteren Erfahrungen, die die deutsche Arbeiterklasse mit der Aufrichtung der faschistischen Diktatur hat machen müssen, die französische Arbeiterschaft dazu veranlaßten, stürmisch die Herstellung der Einheitsfront zu fordern und die Grundlage dafür in dem Abschluß von Einheitsfrontabkommen zu schaffen. Aber das ist nicht so leicht vor sich gegangen. Es ist fast ein halbes Jahr vergangen, vom 12. Februar bis zum 27. Juli, ehe der Pakt zwischen der Kommunistischen und der Sozialistischen Partei abgeschlossen wurde. Unsere Kommunistische Partei hat in diesem halben Jahr wiederholt Einheitsfrontangebote an die Sozialisten gemacht, die von ihnen abgelehnt wurden oder auf die sie mit Ausflüchten antworteten. Aber der Druck der französischen Arbeiterschaft auf die Sozialistische Partei steigerte sich mit jedem Tag, mit der steigenden Frechheit der Banden von de la Roque, mit jeder Nachricht über den faschistischen Terror und die Verschlechterung der Lage der Arbeiterschaft in Deutschland, und unter diesem Druck erklärte sich schließlich die Sozialistische Partei für den Abschluß eines Einheitsfrontabkommens mit der Kommunistischen Partei.

Wie war demgegenüber das Verhalten der Sozialdemokratischen Partei in Deutschland vor der Aufrichtung der Hitlerdiktatur? Gleich nach den Wahlen zum Preußischen Landtag wandte sich unser Zentralkomitee am 25. April 1932 mit einem Einheitsfrontangebot an alle sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Organisationen und Arbeiter mit der Erklärung[13]: "Wir sind bereit. mit jeder Organisation, in der Arbeiter vereinigt sind und die wirklich den Kampf gegen Lohn- und Unterstützungsabbau führen will, gemeinsam zu kämpfen!"[14]

Auch unsere Berliner Bezirksleitung wandte sich mit einem Angebot zum gemeinsamen Kampf an den Berliner SPD-Vorstand und den ADGB-Ausschuß. Aber diese Angebote wurden zurückgewiesen, ohne daß es uns gelang, die sozialdemokratischen Arbeiter dafür zu gewinnen.

Als am 20. Juli 1932[15] die Papen-Regierung die sozialdemokratische Preußenregierung absetzte und die sozialdemokratischen Minister, Polizeipräsidenten, Landräte und andere Staats- und Gemeindefunktionäre verjagte, wandte sich unser Zentralkomitee erneut direkt an die Vorstände der SPD und des ADGB mit dem Vorschlag, gemeinsam den Generalstreik auszurufen. Der SPD-Vorstand lehnte dieses Angebot mit dem Hinweis auf die am 31. Juli stattfindende Reichstagswahl ab und bezeichnete unsere Generalstreikparole als eine Provokation.

Als am 30. Januar 1933 die Bourgeoisie die faschistische Diktatur aufrichtete, wiederholte unser Zentralkomitee seinen Vorschlag an den SPD- und ADGB-Vorstand auf gemeinsame Ausrufung des Generalstreiks[16]. Wiederum wurde dieser Vorschlag abgelehnt mit dem Hinweis, daß Hitler auf legalem Wege zur Macht gekommen sei und man abwarten müsse, ob er den Weg der Legalität verlasse.

Nach der faschistischen Provokation der Reichstagsbrandstiftung, als der unerhörte Massenterror gegen die Arbeiterschaft und ihre Führer einsetzte, wandte sich unser Zentralkomitee am 1. März nochmals an den SPD- und ADGB-Vorstand mit dem Vorschlag der gemeinsamen Ausrufung des Generalstreiks. Auf diesen Vorschlag gaben die SPD- und ADGB-Führer überhaupt keine Antwort. Sie kapitulierten völlig kampflos vor der faschistischen Diktatur und gaben ihr sogar am 17. Mai im Reichstag noch die Zustimmung für ihre provokatorische Außenpolitik[17].

Das sind Tatsachen, die wir im Bewußtsein der deutschen Arbeiterklasse und auch der übrigen werktätigen Schichten wachhalten müssen, weil sie ihnen beweisen, daß die Kommunistische Partei bereit war, den Kampf zur Verhinderung der faschistischen Diktatur aufzunehmen, daß aber diese Absicht an dem Verhalten der sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsführer scheiterte, die alles unternahmen, um die Massen von diesem Kampfe zurückzuhalten.

Die historische Wahrheit ist, daß nicht die KPD, nicht der Kommunismus, nicht der Weg der proletarischen Revolution versagt hat, sondern der Weg der SPD, der Weg ihrer Klassenzusammenarbeit mit der Bourgeoisie, der Weg ihrer Koalitionspolitik.

Wie ist es aber zu erklären, daß wir Kommunisten die Arbeitermassen, vor allen Dingen die sozialdemokratischen Arbeiter, für unseren Weg, für den Weg des Kampfes zur Verhinderung der faschistischen Diktatur, nicht zu gewinnen vermochten? Wie ist es zu erklären, daß sie unsere Warnungen vor der Gefahr der faschistischen Diktatur in den Wind schlugen, daß sie in ihrer Mehrheit noch blindlings der Sozialdemokratie folgten, den Kampf ablehnten und damit zur eigenen Niederlage beitrugen und die Aufrichtung der faschistischen Diktatur ermöglichten?

Bei dieser Fragestellung beginnt unser ernstestes Problem, die Frage unserer Strategie und Taktik in unserem revolutionären Kampfe. Wir haben in den letzten zwei Jahren vor der Aufrichtung der Hitlerdiktatur in der Durchführung der politischen Linie ernste Verfehlungen begangen, teils in strategischer, teils in taktischer Hinsicht, die sich hauptsächlich auf die Einschätzung der Lage und der Klassenkräfte und auf die Bestimmung des Hauptstoßes unseres Kampfes beziehen.

So notwendig es war, daß wir den schärfsten Kampf führten gegen die Politik der Klassenzusammenarbeit der Sozialdemokratie mit der Bourgeoisie, gegen die Preisgabe der Interessen der Arbeiterklasse zugunsten der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Herrschaft, gegen den Terror, den die Sozialdemokratie als Regierungsmacht gegen die revolutionären Arbeiter zur Unterdrückung ihrer Bewegung anwandte, also den Hauptstoß gegen diese Politik richteten, so hätten wir doch bei einer richtigen marxistischen Analyse der Lage und der Klassenkräfte die Veränderungen bemerken müssen, die in dieser Zeit vor sich gingen, in der die faschistische Gefahr immer stärker in den Vordergrund trat. Wir hätten also unseren Kampf gegen die Sozialdemokratie in ein richtiges Verhältnis zu dem Kampf gegen den angreifenden Faschismus bringen müssen. Das ist nicht geschehen, und darin liegt unser schwerster Fehler bei der Ausarbeitung unserer politischen Linie.

Genosse Dimitroff hat auf dem VII. Kongreß in dem Schlußwort zu seinem Bericht diese Fehler sehr scharf herausgearbeitet. Ich will deshalb die betreffende Stelle etwas ausführlicher wiedergeben, weil hier auch Genossen sind, die nicht an dem Kongreß teilnahmen. Genosse Dimitroff sagte[18]:

Außerdem haben wir heute eine andere Lage als zum Beispiel in der Epoche der Stabilisierung des Kapitalismus. Damals bestand keine so aktuelle faschistische Gefahr wie heute. Damals hatten die revolutionären Arbeiter in einer Reihe von Ländern die bürgerliche Diktatur in der Form der bürgerlichen Demokratie vor sich, auf die sie das Hauptfeuer konzentrierten. In Deutschland kämpften sie gegen die Weimarer Republik nicht deshalb, weil sie eine Republik war, sondern deshalb, weil sie eine bürgerliche Republik war, die die revolutionäre Bewegung des Proletariats unterdrückte, besonders in den Jahren 1918 bis 1920 und 1923.

Konnten aber die Kommunisten diese Stellung auch dann noch einnehmen, als die faschistische Bewegung ihr Haupt zu erheben begann, als 1932 in Deutschland die Faschisten Hunderttausende von SA-Leuten gegen die Arbeiterklasse organisierten und bewaffneten? Natürlich nicht. Der Fehler der Kommunisten einer Reihe von Ländern, und im besonderen Deutschlands, bestand darin, daß sie die eingetretenen Veränderungen nicht berücksichtigten, sondern fortfuhren, jene Losungen zu wiederholen und auf jenen taktischen Positionen zu verharren, die vor einigen Jahren richtig waren, eben zu der Zeit, als der Kampf um die proletarische Diktatur einen aktuellen Charakter trug und als sich um das Banner der Weimarer Republik, wie das 1918‑1920 der Fall war, die ganze deutsche Konterrevolution scharte.

In diesen Ausführungen des Genossen Dimitroff liegt der Schlüssel zur Erkenntnis der Fehler, die die KPD in den letzten Jahren vor der Machtergreifung durch Hitler beging. Eine Taktik, die zu einer bestimmten Zeit richtig war, wurde auch dann fortgesetzt, als die Bedingungen des Kampfes andere wurden. Wir richteten unseren Hauptangriff gegen die Sozialdemokratie noch in einer Zeit, in der wir den Hauptangriff gegen die faschistische Bewegung hätten richten müssen.

Wir haben mit unserem Hauptangriff gegen die Sozialdemokratie zu der Zeit, als die Taktik richtig war, als in den Stabilisierungsjahren die sozialdemokratischen Illusionen der Wirtschaftsdemokratie und des organisierten Kapitalismus die Arbeiterhirne verkleisterten und die Arbeiter vom Kampfe zurückhielten, große Erfolge erzielt. Ohne diese Taktik wäre es nicht zu den entscheidenden Kämpfen an Rhein und Ruhr, in Berlin, an der Wasserkante, in Mitteldeutschland und Sachsen gekommen. Die Bourgeoisie hätte in noch viel rascherem Tempo den Lohnabbau und die Beschneidung der demokratischen Rechte und Freiheiten der Arbeiter durchzuführen vermocht.

Auch unser Kampf gegen die Weimarer Republik, gegen die bürgerliche Demokratie, war absolut notwendig und richtig, weil sie nicht nur die "ganze deutsche Konterrevolution" um sich scharte, sondern weil von ihr aus die schwersten Angriffe gegen die Arbeiterklasse gerichtet wurden. Wir haben mit dieser unserer Taktik gegen die Sozialdemokratie und gegen die Weimarer Republik in dieser Zeit das volle Verständnis großer Teile der deutschen Arbeiterklasse gefunden, wodurch die KPD zu einer Massenpartei wurde.

Aber die Mehrheit der deutschen Arbeiterklasse leistete der Sozialdemokratie Gefolgschaft und setzte ihre Hoffnung auf die bürgerliche Demokratie, auf die Koalitionspolitik der Sozialdemokratie. Und das um so mehr, als die faschistische Bewegung mächtig anschwoll und alle Rechte und Freiheiten der Arbeiterklasse bedrohte. Da wir selbst die faschistische Gefahr unterschätzten und sie der Arbeiterschaft nicht genügend signalisierten, im Gegenteil nach wie vor unseren Hauptstoß gegen die Sozialdemokratie und gegen die bürgerliche Demokratie richteten, so konnte es nicht ausbleiben, daß wir nicht vermochten, die Arbeiterklasse für den Kampf gegen den Faschismus zu mobilisieren.

Ich möchte das an einem Beispiel näher erläutern. Die Faschisten erzielten bei der Reichstagswahl am 14. September 1930 mit ihren 6,4 Millionen Stimmen gegenüber den 800 000 Stimmen, die sie noch bei den Maiwahlen 1928 erhalten hatten, einen großen Wahlerfolg. Die Faschisten überflügelten uns bei dieser Wahl um fast 2 Millionen Stimmen. Dieser Vormarsch der Faschisten hätte uns ernst genug die faschistische Gefahr aufzeigen und uns veranlassen müssen, in unserer strategischen Orientierung eine Wendung in der Richtung des Hauptstoßes gegen die Faschisten vorzunehmen und alle Anstrengungen zu machen, die Einheitsfront mit den sozialdemokratischen Arbeitern zum Kampf gegen den Faschismus zu schaffen.

Statt dessen führte die Partei mit ihrer Beteiligung an dem von den Faschisten eingeleiteten Volksentscheid gegen die Preußenregierung im August 1931 eine taktische Maßnahme durch, die die Durchführung dieser Aufgabe bedeutend erschweren mußte. Es lassen sich selbstverständlich sehr viele Umstände anführen, die in der arbeiterfeindlichen Politik der Preußenregierung liegen und diese Stellungnahme der Partei erklären. Erinnert euch des Verbots der Maidemonstration 1929 in Berlin durch den sozialdemokratischen Polizeipräsidenten Zörgiebel, der Erschießung von 33 Arbeitern bei dieser Demonstration, des Verbots des Roten Frontkämpferbundes durch Severing in der gleichen Zeit, der Begünstigung der faschistischen Mordbanden, des Schutzes ihrer SA-Kasernen durch die Preußenregierung.

Die Preußenregierung führte den Hauptstoß ihres Kampfes gegen die Kommunistische Partei und plante deren Verbot. Aber die Kommunistische Partei hätte sich doch in ihrer strategischen Orientierung nicht davon beeinflussen lassen dürfen, sondern in der Erkenntnis der faschistischen Gefahr ihren Hauptstoß gegen den Faschismus richten müssen. Wir haben damals, bevor wir uns für die Beteiligung entschieden, einen Brief an die sozialdemokratische Preußenregierung gerichtet, in dem wir an sie vier Forderungen zum Kampf gegen den Faschismus und im Interesse der Arbeiterklasse stellten, von deren Beantwortung durch die Preußenregierung wir unsere Entscheidung der Beteiligung am Volksentscheid abhängig machen wollten. Severing hat kurz und bündig die Forderungen abgelehnt und erklärt, daß er sich nicht unter Druck stellen lasse. Hätten wir die vier Forderungen schon längere Zeit zur Grundlage unserer Politik gemacht, dann hätten wir den Arbeitern auch verständlich machen können, warum wir uns nach Ablehnung dieser Forderungen für die Beteiligung am Volksentscheid entschieden haben.

Aber der strategische Fehler kam eben dadurch zustande, daß in der Partei infolge der besonders von Neumann betriebenen sektiererischen Politik eine Unterschätzung der faschistischen Gefahr bestand. Genosse Dimitroff hat bereits in seinem Bericht auf dem VII. Weltkongreß auf diese Fehler hingewiesen und eine Äußerung von Neumann erwähnt, der erklärte: "Wenn das “Dritte Reich” Hitlers einmal kommen sollte, dann nur anderthalb Meter unter der Erde, auf der Erde aber werden wir eine siegreiche Arbeitermacht haben[19]."

Der von der Partei gemachte Fehler der Beteiligung am Volksentscheid wurde dadurch noch vergrößert, daß wir nicht verstanden, den sozialdemokratischen Arbeitern unsere Stellungnahme verständlich zu machen, so daß diese nur die Tatsache sahen, daß wir, ebenso wie die Faschisten, gegen die Preußenregierung stimmten. Es kam noch hinzu, daß wir den Kampf nicht nur· gegen die Preußenregierung führten, sondern diesen Kampf schlechthin auch auf die Sozialdemokratie übertrugen und sogar auf die sozialdemokratischen Arbeiter. Ich erinnere nur an die Fehler, die im Anschluß an das Blutbad von Zörgiebel am 1. Mai 1929 dadurch gemacht wurden, daß wir die sozialdemokratischen Arbeiter dafür verantwortlich machten und die sozialdemokratischen Betriebsräte als "kleine Zörgiebels" bezeichneten. Die Theorie des Genossen Merker, eine Gleichstellung der sozialdemokratischen Arbeiter mit den reaktionären Führern der SPD, hat eine Verständigung mit den sozialdemokratischen Arbeitern zum gemeinsamen Kampf lange Zeit fast unmöglich gemacht. Merker wurde deswegen von der deutschen Parteiarbeit entfernt, aber seine Theorie, die von ihm selbst verurteilt wurde, hat sich noch lange in der Partei ausgewirkt, weil sie eben ihre Wurzel im Sektierertum hatte.

Die Unterschätzung der faschistischen Gefahr hat noch längere Zeit die Partei daran gehindert, ernsten Kurs auf die Schaffung der Einheitsfront mit den sozialdemokratischen Arbeitern zu nehmen. Zwar hat Genosse Thälmann wiederholt auf den Tagungen der Partei und in Artikeln auf die Notwendigkeit der Schaffung der Einheitsfront hingewiesen. Ich erinnere nur an die Februartagung des Zentralkomitees 1932, wo er unter anderem erklärte: "Wir sagen [...], daß die revolutionäre Einheitsfrontpolitik das Hauptkettenglied der proletarischen Politik in Deutschland darstellt."[20]

Aber es fehlte bei dieser Einstellung die Linie auf ein Herantreten an die sozialdemokratischen Organisationen, es überwog mehr der Versuch zur Gewinnung der sozialdemokratischen Arbeiter für die Partei. Vor allem verhinderte aber das in der Partei tief eingewurzelte Sektierertum, das sich in der Politik Neumanns widerspiegelte, ein wirklich ernstes Herangehen an die sozialdemokratische Arbeiterschaft, um die Einheitsfront zustande zu bringen oder wenigstens Verständnis bei ihr für die Losungen und die Politik der Partei zu erwecken.

In der schon erwähnten Februartagung des Zentralkomitees 1932, zu der auch die verantwortlichen Parteifunktionäre aus dem Reiche geladen waren, wurde vom Genossen Thälmann sehr ernst die faschistische Gefahr behandelt. Es kam hinzu, daß es der Partei nicht gelungen war, dem Mitte Dezember 1931 von der Brüning-Regierung in der 4. Notverordnung erstmalig staatlich angeordneten 12prozentigen Lohnabbau eine breite Massenmobilisierung und die Auslösung einer Streikbewegung durch ein Herantreten [an die] und eine Verständigung mit den sozialdemokratischen und freigewerkschaftlich organisierten Arbeitern entgegenzustellen. Das war ein sehr ernstes Versagen der Partei, das auch von der Kommunistischen Internationale sehr ernst kritisiert wurde.

Ich habe damals in der betreffenden ZK-Sitzung auf Grund dieses Mißerfolges über die faschistische Gefahr folgendes gesagt: "Wir haben eine Situation, daß der Faschismus in Deutschland zur Macht kommen kann, ohne daß die Kommunistische Partei vermöchte, auch nur ernste Kämpfe auszulösen. Wir haben eine Situation, in der es möglich ist, daß die Partei geschlagen wird von den Faschisten, ohne daß es ihr gelingt, die Massen in den Kampf zu führen. Eine solche Situation kann über die Partei hereinbrechen."[21]

Genossen, das ist ein Jahr später, im Januar 1933, tatsächlich eingetreten. Aber damals vermochten wir nicht, die Partei zu einer ernsten Wendung in ihrer Massenarbeit herumzureißen. Als im Frühjahr 1932 die ersten Versuche zu einer Verständigung mit den sozialdemokratischen Organisationen zum gemeinsamen Vorgehen unternommen wurden ‑ ich erinnere nur an das Abkommen unserer Organisation in Bernau bei Berlin mit dem Vorstand der SPD und dem Ortsausschuß des ADGB zu einer gemeinsamen Abwehr der faschistischen Überfälle und einer gemeinsamen Maidemonstration; an das Angebot unserer Berliner Organisation an den Bezirksvorstand der SPD zu gemeinsamen Demonstrationen; ich erinnere an die Erklärung unserer braunschweigischen Landtagsfraktion zur Unterstützung der Wahl eines sozialdemokratischen Landtagspräsidenten, um die Wahl eines Faschisten zu verhindern ‑, da wurden in einem Rundschreiben des ZK im Juni 1932 diese Anfänge zur Schaffung der Einheitsfront auf das schärfste verurteilt und als Fehler bei der Durchführung unserer Einheitsfrontpolitik bezeichnet.

Genossen! Es war einen Monat vor dem 20. Juli 1932, an dem die Reaktion mit dem Staatsstreich in Preußen gegen die Arbeiterklasse vorging. Wenn damals viele Arbeiter und auch viele unserer Genossen diesen Schlag der Reaktion und die damit verbundene Gefahr einer faschistischen Diktatur nicht begriffen, so lag das zweifellos daran, daß die Partei die bereits eingetretene Veränderung in der Lage und in den Klassenkräften nicht begriff und infolgedessen auch die dringliche Notwendigkeit der Schaffung der Einheitsfront nicht sah.

Es gibt drei entscheidende Termine, die uns ganz klar die Auswirkungen unserer Fehler in der Analyse und Taktik zeigen. Das sind der 20. Juli 1932, der 30. Januar 1933 und der 30. Juni 1934[22]. Das waren Tage der großen Messung der Klassenkräfte, Tage, die, wie Marx sagte, Jahrzehnten gleichkommen. In allen drei Fällen zeigte sich, daß die Partei keine richtige Einschätzung der Lage und der auf ihr begründeten Perspektive hatte. Das Herannahen dieser Ereignisse wurde den Massen nicht vorausgesagt und die Partei in ihrem Kampfe nicht auf eine Zuspitzung des Kampfes orientiert. Wäre das der Fall gewesen, dann hätte die Partei verstehen müssen, daß ihre alte taktische Orientierung eine falsche war und daß sie ihre Taktik auf den gemeinsamen Kampf mit der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften gegen die faschistische Gefahr hätte umstellen müssen, daß sie von ihrem Kampfe gegen die bürgerliche Demokratie zum Kampfe um die Verteidigung der demokratischen Rechte und Freiheiten hätte übergehen müssen. Das ist aber vor der Aufrichtung der Hitlerdiktatur nicht geschehen.

Aber auch der 30. Juni 1934 zeigte, daß wir aus den mit der Aufrichtung der Hitlerdiktatur gemachten Erfahrungen wenig gelernt hatten. Wiederum fehlte eine marxistische Analyse der Lage unter der Hitlerdiktatur, ihrer Maßnahmen und der wachsenden Differenzierungen im Lager der Bourgeoisie. Man braucht nur unsere Dokumente und "Die Rote Fahne" in der ersten Zeit der Hitlerdiktatur durchzulesen, um zu erkennen, daß die Partei keine klare Vorstellung von der konkreten Lage hatte.

Das war der Grund, warum auch wir von den Ereignissen des 30. Juni überrascht wurden und infolgedessen auch nicht in der Lage waren, die objektiv günstigen Bedingungen, die diese Differenzen im Lager der Bourgeoisie schufen, zur Steigerung der Kampfbewegungen auszunutzen. Wir hatten nicht die Bedeutung der Arbeit in den faschistischen Massenorganisationen verstanden und kannten deshalb auch nicht die in diesen Organisationen vorhandenen Stimmungen.

Wir hatten versäumt, eine wirkliche Einheitsfront mit den sozialdemokratischen Gruppen und Organisationen im Lande zu schaffen. Wir waren über kleine Verbindungen mit ihnen nicht hinausgekommen. Wir hatten im Gegenteil sehr starke sektiererische Tendenzen auch in der Führung der Partei, die der Schaffung der Einheitsfront hinderlich im Wege standen.

Genossen! Wir brauchen uns nur die gegenwärtigen Ereignisse im Lande vor Augen zu führen und uns die Frage vorzulegen, ob wir eine klare, einheitliche Vorstellung von der Lage im Lande haben. Wir haben eine Reihe von Versuchen, uns diese Vorgänge zu erklären. Aber zu einer wirklich marxistischen Analyse haben wir es bisher noch nicht gebracht. Wir müssen das auf dieser Parteikonferenz versuchen. Wir müssen klar die Veränderungen der Lage in Deutschland herausarbeiten und verstehen, daß die Zuspitzung der Kämpfe, die Maßnahmen der Hitlerregierung gegen die katholische Bewegung, gegen den Stahlhelm, gegen die Juden, gegen die "Staatsfeinde", vor allem gegen die Kommunisten und die Arbeiterklasse, daß die breite Entfaltung der Oppositionsbewegung gegen das faschistische Regime und die wachsende Opposition sogar im Lager der Nazis selbst sich auf der Grundlage der Aktivierung der Arbeiterklasse vollziehen.

Es sind nicht sosehr die einzelnen Widerstandsaktionen in den Betrieben, die das charakterisieren, sondern mehr die Summierung dieser kleinen und kleinsten Aktionen und die anschwellende Flut der Unzufriedenheit in den kleinbürgerlichen Massen, die das zum Ausdruck bringen. Wir sollen das natürlich nicht überschätzen und müssen verstehen, daß gerade von uns, von der kommunistischen Partei, noch eine sehr große Arbeit zu leisten ist, um diese kleinen Aktionen und die anschwellende Unzufriedenheit zu einem wirklich breiten Angriff auf das faschistische Regime zu gestalten.

Haben wir eine solche Orientierung? Ist unsere Arbeit und unsere Taktik auf die Erfüllung dieser Aufgabe eingestellt? Das sind sehr schwerwiegende Fragen, die wir beantworten müssen.

Ich möchte ein Beispiel aus der allerjüngsten Zeit unserer Parteiarbeit dafür anführen, wie wir in der Orientierung der Partei über die Lage und die weitere Entwicklung Fehler machen oder zumindest nicht genügende Klarheit verbreiten. Ich meine die Resolution des Politbüros zur Lage in Deutschland vom 7. Mai 1935. Diese Resolution sollte eine Ergänzung unserer Januarresolution[23] sein, die die Bestätigung des Präsidiums des EKKI gefunden hat. Die Januarresolution war das Ergebnis der Aussprache zwischen der Führung der Kommunistischen Internationale und den Mitgliedern des Politbüros über die Differenzen in der Führung. In der Resolution des EKKI-Sekretariats vom 19. Januar 1935 werden sehr scharfe Worte gegen die sektiererischen Tendenzen auch in der Führung gebraucht. In der Zwischenzeit waren nur drei Monate vergangen, in denen allerdings die faschistische Regierung unter Ausnutzung der durch die Saarabstimmung erzeugten chauvinistischen Welle das Militärdienstgesetz vom 16. März proklamiert hatte. Im Politbüro waren Genossen auf Grund eines Berichts des Genossen Wahls [Otto Börner] Mitte April im Mitteleuropäischen Ländersekretariat und einiger dort gehaltener Ergänzungsreferate der Auffassung, daß sich die Lage seit der Januarresolution grundlegend zuungunsten der Arbeiterklasse geändert habe und daß die in der Januarresolution enthaltene Analyse nicht mehr der Lage entspräche.

In der Resolution vom 7. Mai heißt es an der einzigen Stelle, die sich mit der Analyse der Lage in Deutschland beschäftigt, wie folgt[24]:

Diese Entwicklung erleichterte es dem Faschismus, bestimmte Manöver zu machen, vorübergehend die Differenzen in den eigenen Reihen, im Lager der Bourgeoisie und die Unzufriedenheit auch unter einigen Teilen der Werktätigen abzuschwächen.

In diesen Zeilen liegt eine völlig unrichtige Einschätzung der damaligen Lage. Es traf eben nicht zu, daß es dem Faschismus gelungen war, die Differenzen im Lager der Bourgeoisie abzuschwächen und die Unzufriedenheit auch nur von Teilen der werktätigen Massen zurückzudrängen. Schließlich machen wir doch keine Analyse für den Tag, sondern für eine größere Zeitspanne, die es uns ermöglicht, die weitere Entwicklung den Arbeitermassen zu signalisieren, also die Perspektive aufzuzeigen. Die Entwicklung der Lage in den weiteren Monaten hat die Unrichtigkeit dieser Einschätzung der Lage in der Resolution erwiesen. Dabei sollen in keiner Weise die Manöver unterschätzt werden, die der Faschismus zur Täuschung der Massen und zu ihrer Gewinnung für seine Politik unternimmt und die es uns erschweren, die Oppositionsbewegung zu steigern, größere Widerstandsbewegungen auszulösen. Ich habe die Mairesolution, die die Aufgaben der Partei in dieser Situation richtig aufzeigt, nur in bezug auf die darin enthaltene Bemerkung über die Lage als Beispiel dafür herangezogen, welche Mängel in der Herausarbeitung der Analyse in der Führung der Partei bestanden.

Die Parteikonferenz muß in der von ihr anzunehmenden Resolution eine wirklich den Verhältnissen und der Lage im Lande entsprechende Analyse und Perspektive und, entsprechend den Beschlüssen des VII. Weltkongresses, eine politische Plattform für die konkrete Anwendung dieser Beschlüsse geben.

2. Die Einheitsfront lind unser Verhältnis zur Sozialdemokratie

Der VII. Weltkongreß hat den kommunistischen Parteien die Verwirklichung der Einheitsfront als die nächste zentrale Aufgabe gestellt. Der Kongreß forderte, die Einheitsfronttaktik in neuer Weise anzuwenden, und stützte sich dabei hauptsächlich auf die Erfahrungen in der Durchführung der Einheitsfronttaktik in Frankreich. In seiner Schlußansprache auf dem Kongreß sagte Genosse Dimitroff[25]:

Der Kongreß hat den festen Beschluß gefaßt, daß die Einheitsfronttaktik auf neue Art angewendet werden muß [...] Der Kongreß verlangt die völlige Ausmerzung aller Überreste des Sektierertums aus der Praxis der kommunistischen Bewegung; des Sektierertums, das im gegebenen Augenblick das größte Hemmnis für die Durchführung einer wirklichen bolschewistischen Massenpolitik der kommunistischen Parteien ist.

Wie steht es mit der Einheitsfront in Deutschland? Wir haben einige Anfangserfolge in der Einheitsfrontbewegung, die aber noch sehr primitiv sind, obwohl die Voraussetzungen dafür sehr günstig sind. Es handelt sich meistens nur um Ansätze der Einheitsfrontbewegung, um ein loses Zusammengehen sozialdemokratischer, freigewerkschaftlicher und kommunistischer Arbeiter. Die Bestrebungen für ein solches Zusammengehen sind angesichts des faschistischen Terrors und der Unternehmerwillkür in den Betrieben ziemlich stark. Dieses Zusammengehen fand vorwiegend seinen Ausdruck in der Hilfeleistung für die politischen Gefangenen und ihre Familien, so in der regelmäßigen Sammlung und Ablieferung bestimmter Summen für die Gefangenen. Auch feste Abkommen zwischen den Organisationen zur regulären Hilfeleistung für die Verhafteten, zur Schaffung von Solidaritätsgruppen wurden getroffen. Es gibt im Lande zweifellos eine große Solidaritätsstimmung, die leider unsere Rote Hilfe bisher nicht zu organisieren und vorwärtszutreiben verstanden hat. Die Rote Hilfe muß ihre sektiererische Abkapselung aufgeben und zu einer breiten Hilfsbewegung für die Gefangenen werden. Vorschläge dazu wurden der Roten Hilfe vom Politbüro bereits gemacht.

Aber nicht nur die Solidaritätsbewegung, sondern auch die Vertrauensrätewahlen haben in den Betrieben eine Förderung dieser Ansätze zur Einheitsfront gebracht. Schwieriger ist es schon mit den Einheitsfrontabkommen von Organisation zu Organisation. Der Hauptmangel bei diesen Abkommen, von denen wir in Deutschland schon einige hatten, liegt darin, daß sie mehr als eine organisatorische Angelegenheit und nicht als ein Motor zur Steigerung der Bewegung betrachtet werden und daß wir nicht vermögen, breitere Schichten der Arbeiterschaft in sie einzubeziehen.

Die wichtigsten Dokumente der Einheitsfront in den letzten Monaten sind das Dortmunder Einheitsfrontabkommen und das Abkommen zwischen dem Berliner Bezirksvorstand der SPD und der Roten Hilfe. Das Dortmunder Einheitsfrontabkommen zeigt schon eine höhere Phase. Die Arbeiter werden aufgefordert, gemeinsam Solidaritätsgruppen in den Betrieben zu schaffen, gemeinsam bei den Vertrauensrätewahlen vorzugehen und gemeinsam die freien Gewerkschaften wiederaufzubauen. Auch das Berliner Abkommen der Roten Hilfe sieht gemeinsame Kampfmaßnahmen gegen Terror und Spitzelei, gemeinsame Unterstützung der Opfer des faschistischen Terrors und Maßnahmen zur Aufbringung der Mittel sowie die Schaffung organisatorischer Voraussetzungen für die Durchführung der Solidaritätsaktionen vor. Es muß natürlich auch bei diesen beiden Abkommen sich erst noch herausstellen, ob sie besser als bisher breitere Kreise der Arbeiterschaft erfassen und für die gestellten Aufgaben mobilisieren werden.

Genossen! Warum haben wir in Deutschland keine ähnlichen Erfolge in der Einheitsfrontbewegung aufzuweisen wie unsere Genossen in Frankreich und Österreich? Der Vergleich unserer Einheitsfrontbewegung mit der Bewegung in diesen beiden Ländern ist sehr nützlich, weil wir dadurch die besonderen Bedingungen für unsere Einheitsfrontarbeit in Deutschland und auch die grundlegenden Mängel unserer Taktik besser zu erkennen imstande sind.

In Frankreich bestanden zwischen der Kommunistischen Partei und der Sozialistischen Partei ebenfalls sehr starke Differenzen, wenn sie auch nicht so stark waren wie die zwischen der Sozialdemokratischen Partei und der Kommunistischen Partei in Deutschland. Der Kampf zwischen beiden war jedenfalls sehr heftig. Als aber in Deutschland der Hitlerfaschismus siegte und sich die Auswirkungen der faschistischen Diktatur auf die Arbeiterklasse zeigten, als die Erkenntnis offenkundig wurde, daß der Faschismus nur infolge der Spaltung der Arbeiterklasse siegen konnte, zog die Kommunistische Partei Frankreichs den einzig richtigen Schluß aus diesen Tatsachen, indem sie den sozialdemokratischen Arbeitern erklärte: Was auch bisher zwischen uns war, jetzt wollen wir gemeinsam auf die Straße gehen, um gegen die faschistischen Banden von de la Rocque zu kämpfen. Die gewaltigen Demonstrationen des 6. und 9. Februar und der Generalstreik vom 12. Februar 1934 brachten den ersten großen Erfolg dieser Taktik. Wenn auch die Sozialistische Partei Frankreichs sich anfangs noch gegen ein gemeinsames Abkommen mit den Kommunisten sträubte, so wurde sie doch dazu auf Grund der kommunistischen Taktik, durch die wachsende Einheitsfrontbewegung gezwungen. Als die Sozialistische Partei mit der Forderung der Schaffung einer Einheitspartei ein Manöver gegen die Einheitsfront unternahm, griff die Kommunistische Partei diesen Vorschlag in kühner Weise auf; sie erreichte dadurch eine positive Steigerung der Einheitsfrontbewegung für die Schaffung einer einheitlichen Partei und fand damit die Zustimmung der breitesten Massen der französischen Arbeiterschaft.

Auch unsere Österreichische Bruderpartei vollzog nach den Ereignissen des 12. Februar 1934[26] eine sehr scharfe Wendung zur Einheitsfront und schreckte nicht vor einer sehr scharfen Kritik an ihren bisherigen sektiererischen Fehlern zurück. Es gelang der Partei durch ihre Teilnahme an den bewaffneten Kämpfen gemeinsam mit den Schutzbündlern und durch Aufstellung von den sozialdemokratischen Arbeitern verständlichen Losungen, den Willen zur Einheitsfront in der Arbeiterschaft auszulösen. Als auch hier in Österreich von Otto Bauer der Versuch unternommen wurde, mit der Parole "Zurück zu Hainfeld!", also der Schaffung einer einheitlichen Partei, die Einheitsfront zu durchkreuzen, antwortete unsere Bruderpartei mit einer zustimmenden Erklärung zur Schaffung einer revolutionären proletarischen Einheitspartei und schlug dafür als Grundlage eine Plattform von zwölf Punkten vor, die für alle Mitglieder der österreichischen Revolutionären Sozialisten annehmbar war. Natürlich hatten die sozialdemokratischen Führer mit ihrer Parole nicht das erreichen wollen und zogen sich schleunigst zurück, denn sie fürchteten die Vereinigung der Arbeiter auf der Grundlage dieser Plattform, die die proletarische Revolution, die Diktatur des Proletariats und die Schaffung eines Sowjetösterreichs vorsah.

Eine der entscheidenden Fragen bei der Schaffung der Einheitsfront ist unser Verhältnis zur Sozialdemokratischen Partei und ihren Organisationen, vor allem zu den sozialdemokratischen Arbeitern. Eine besondere Rolle in unserer Stellung zur Einheitsfront spielte immer die Frage der Einheitsfront von unten und der Einheitsfront von oben. Wir haben diese bei den Formen lange Zeit schematisch gegenübergestellt und sie sogar als gegensätzlich betrachtet. Als wir uns von diesem Fehler befreiten, haben wir zwar beide Aufgaben gleichzeitig gestellt, aber sie doch nicht in einen dialektischen Zusammenhang gebracht, sondern mehr als ein gesondertes Herantreten an die sozialdemokratischen Arbeiter und ein gesondertes Herantreten an die Organisationen praktiziert.

Dabei müssen wir die starken Hemmungen beachten, die in der Partei beim Herantreten an die sozialdemokratischen Organisationen bestanden. Das Herantreten geschah infolgedessen mehr oder weniger in Form einer Werbearbeit für die Kommunistische Partei. Das kommt in dem Offenen Brief an die sozialdemokratischen Arbeiter[27] und auch in dem Aufruf "Zur sozialistischen Freiheitsaktion"[28] im Juli 1933 zum Ausdruck, wobei wir von den Auffassungen ausgingen, daß die Sozialdemokratie als Organisation zerschlagen sei und nie wieder als Partei aufgebaut werden könnte. Damit befanden wir uns aber völlig im Gegensatz zu den Auffassungen der sozialdemokratischen Arbeiter, die sich nach wie vor mit der Sozialdemokratischen Partei verbunden fühlten. Unsere Losung an sie: "Kommt zu uns!" stellte an sie die Forderung des Bruches mit ihrer Organisation und hatte darum nur verhältnismäßig geringen Erfolg. Gewiß sind zahlreiche sozialdemokratische Arbeiter und Funktionäre zu unserer Partei übergetreten, und in einigen Ortsgruppen und sogar Bezirken bekam dadurch unsere Parteiorganisation ein ganz anderes Gesicht. Sie haben meist sehr gute Arbeit geleistet. Aber eine Einheitsfront war das nicht.

Die sozialdemokratischen Arbeiter müssen, wenn wir an sie zur Schaffung der Einheitsfront herantreten, die Überzeugung gewinnen, daß wir sie als Angehörige ihrer Partei respektieren und mit ihnen gemeinsam eine bestimmte Aufgabe erfüllen wollen, eine Kampfaufgabe, die ihnen auch von ihrem Standpunkt aus als real erscheint. Es kommt uns dabei zugute, daß in allen Teilen des Reiches sozialdemokratische Gruppen, Reichsbannergruppen, SAJ-Gruppen vorhanden sind, die in ihren politischen Auffassungen sich von denen, die der sozialdemokratische Parteivorstand vertritt, weit entfernt haben, die in Opposition zu der Politik des Parteivorstandes stehen und dessen Losungen des Abwartens und der Bekämpfung der Kommunisten ablehnen. Aber auch ihnen gegenüber dürfen wir uns nicht einer falschen Einschätzung der Sozialdemokratie und ihrer gegenwärtigen Rolle schuldig machen, weil wir sonst von ihnen nicht ernst genommen werden oder diese Schichten sogar von uns abstoßen.

Eines der wichtigsten Hindernisse für das Zustandekommen einer Einheitsfront mit den sozialdemokratischen Gruppen war das starre Festhalten an der Kennzeichnung der Sozialdemokratie als soziale Hauptstütze der Bourgeoisie. Wenn es noch unter der Hitlerdiktatur in der Entschließung des Zentralkomitees zur Lage und den nächsten Aufgaben vom Mai 1933 folgendermaßen heißt[29]: "Die völlige Ausschaltung der Sozialfaschisten aus dem Staatsapparat, die brutale Unterdrückung auch der sozialdemokratischen Organisationen und ihrer Presse ändern nichts an der Tatsache, daß sie nach wie vor die soziale Hauptstütze der Kapitalsdiktatur darstellen", so war eine solche Kennzeichnung natürlich nicht dazu geeignet, uns den Sozialdemokraten näherzubringen, die zwar schon in Opposition zu der Politik des Parteivorstandes standen, aber nicht den völligen Bruch mit der Sozialdemokratie vollzogen hatten.

Besonders war es unsere Einstellung zu den Linken in der Sozialdemokratie, die uns die Schaffung der Einheitsfront außerordentlich erschwerte. Sehr richtig wird auf die Notwendigkeit der Differenzierung innerhalb der Sozialdemokratie in der vom VII. Weltkongreß zum Referat des Genossen Dimitroff angenommenen Resolution hingewiesen, wo es heißt[30]:

Indem die Kommunisten vor den Massen den Sinn der demagogischen Argumente der rechten sozialdemokratischen Führer gegen die Einheitsfront aufdecken und den Kampf gegen den reaktionären Teil der Sozialdemokratie verstärken, müssen sie die engste Zusammenarbeit mit denjenigen linken sozialdemokratischen Arbeitern, Funktionären und Organisationen herstellen, die gegen die reformistische Politik kämpfen und für die Einheitsfront mit der Kommunistischen Partei eintreten.

Wir haben uns leider in unserer taktischen Orientierung nicht entsprechend einer solchen Direktive verhalten, sondern das Gegenteil getan, indem wir die linken sozialdemokratischen Führer als die gefährlichsten Gegner hinstellten. In der erwähnten Resolution des Zentralkomitees vom Mai 1933 heißt es[31]:

Der Einfluß dieser “linken” maskierten Führer ist desto gefährlicher, weil sie durch die Verfolgung des Faschismus sich eine Märtyrerpopularität zu verschaffen suchen.

Weiter heißt es in der Resolution, daß Spitzenangebote zu gemeinsamen Aktionen bei bestimmten Situationen zwar notwendig sind, daß es aber die Aufgabe dieser Angebote sei, "die Sabotage jeder antifaschistischen Aktion durch die sozialfaschistische Führung vor den Augen der breiten Arbeiterschaft klarzustellen"[32]. Genossen! Es ist klar, daß wir mit einer solchen Taktik nicht die Einheitsfront herzustellen vermochten, sondern im Gegenteil dem Prager SPD-Vorstand halfen, seinen Einfluß auf die sozialdemokratischen Gruppen auch organisatorisch wieder zu festigen.

Besonders schwere Fehler beging unsere Redaktion der "Roten Fahne", die einen völlig sektiererischen Standpunkt gegenüber der Sozialdemokratie einnahm und nicht verstand, die oppositionellen Stimmungen und Anschauungen der sozialdemokratischen Arbeiter und Funktionäre zur Herstellung der Einheitsfront mit ihnen zu verwerten. Statt zu erkennen, daß Aufhäuser und andere Wortführer der Opposition diese Stimmungen der Arbeiter im Lande zum Ausdruck brachten, schrieb "Die Rote Fahne"[33]:

Ob Wels[34] oder Miles[35], Aufhäuser[36] oder Neuendorf[37], ihre ganze Kunst in der Herannahung der revolutionären Entscheidung wird darin bestehen, die Arbeiter daran zu hindern, ganze, d. h. bolschewistische Arbeit zu machen.

In dieser sektiererischen Einstellung trat auch mit den Ereignissen des 30. Juni 1934 keine Änderung ein, so daß es dem SPD-Vorstand tatsächlich gelang, sich wieder eine organisatorische Basis im Lande zu schaffen. Bis zu diesem Zeitpunkt bestand eine Verbindung zwischen dem Parteivorstand und den Organisationen im Lande nur in ganz geringem Maße, und erst nach dem 30. Juni wurde sie wieder enger und regelmäßiger.

Diese falsche Politik der Führung der Partei, die es der Partei immer mehr erschwerte, den Kontakt mit den sozialdemokratischen Arbeitern zu finden, veranlaßte die Kommunistische Internationale, energisch eine Abänderung dieser Politik und eine ernste taktische Wendung in der Linie der Partei zu fordern.

In der Resolution des Polbüros vom 1. August[38] werden die Aufgaben zur Schaffung der Einheitsfront, der Gewerkschaftseinheit, der Volksfront gestellt und eine Wendung zur Einheitsfront mit den sozialdemokratischen Arbeitern angekündigt. Es sind in dieser Resolution noch nicht alle Fragen so klar herausgearbeitet, wie wir sie heute sehen, aber doch war mit dieser Resolution die richtige Linie der Partei, die taktische Wendung zur Einheitsfront aufgezeigt.

Aber wie wurde diese Linie vom Polbüro durchgeführt? Anstatt das Einheitsfrontabkommen unserer Frankfurter Parteiorganisation mit der sozialdemokratischen Bezirksorganisation breit zu publizieren und es als Beispiel zur Nachahmung hinzustellen, wurde dieses Abkommen wegen angeblicher opportunistischer Mängel kritisiert. Auch in der Herstellung der Einheitsfront im Saargebiet zur Durchführung der Kampagne für den Status quo waren anfänglich starke Hemmungen vorhanden. Noch schlimmer war es aber, daß gerade in dieser Zeit von Mitgliedern der Parteiführung in unserer Presse ein Kampf gegen die linken Sozialdemokraten eröffnet wurde, mit dem praktisch die Augustbeschlüsse sabotiert wurden.

Die im September 1934 von dem Arbeitskreis Revolutionärer Sozialisten publizierte Plattform[39] und ein Artikel von Aufhäuser in der "Neuen Weltbühne", in denen Anknüpfungsmöglichkeiten für eine Diskussion über die Schaffung der Einheitsfront und für ein praktisches Herantreten an die Linken gegeben waren, wurden nicht nach dieser Richtung hin ausgenutzt, sondern im Gegenteil zum Anlaß einer Kampagne gegen die Linken genommen. "Die Rote Fahne" schrieb unter dem Titel "Prag ruft Aufhäuser zu Hilfe" folgendes[40]:

Worauf laufen also Aufhäusers Absichten hinaus:

Erstens, die Vereinigung der sozialdemokratischen Massen in einer Partei, in der KPD, zu verhindern;

zweitens, den Prager Parteivorstand im Wiederaufbau der Sozialdemokratie zu unterstützen und der einzig revolutionären Plattform des Marxismus-Leninismus eine “neue” andere gegenüberzustellen;

drittens, die unten in den Massen sich anbahnende Aktionseinheit zwischen den kommunistischen und sozialdemokratischen Arbeitern durch ein Spitzenmanöver des Prager Parteivorstandes zu torpedieren.

Es liegt im Interesse der proletarischen Aktionseinheit zum Sturze der Hitlerdiktatur, solche “linke” Manöver, wie sie Aufhäuser macht, schnell und sachlich zu durchkreuzen.

Zu der Plattform des Arbeitskreises schrieb "Die Rote Fahne" in einem an eine sozialdemokratische Arbeitergruppe gerichteten Brief des Zentralkomitees folgendes[41]:

Was ist das für eine “Plattform”? Das ist die Plattform der bürgerlichen Demokratie, der Koalition mit der Bourgeoisie, der Aufrechterhaltung der Spaltung der Arbeiterklasse und ihre Bindung an den kapitalistischen Staat.

Und dazu wurde den sozialdemokratischen Arbeitern mit großer Überlegenheit gesagt[42]:

Wir sind überzeugt, daß Ihr Euch recht bald als gleichberechtigte Mitglieder mit uns in unserer Partei auf einer höheren politischen Stufe der Organisiertheit vereinigen werdet.

Ich will es mit diesen Zitaten genug sein lassen. Es wurde noch ähnliches mehr geschrieben. Es war ganz klar, daß eine solche Stellungnahme in dem Zentralorgan der Partei in schärfstem Gegensatz zu der in der Augustresolution angekündigten Wendung unserer taktischen Linie zur Einheitsfront stand und geeignet war, die Kluft zwischen den sozialdemokratischen Arbeitern und der Kommunistischen Partei zu vergrößern.

Der Fehler der Argumentation lag darin, daß nicht zwischen den verschiedenen Gruppierungen der Sozialdemokratie differenziert wurde. Es war doch damals schon absolut erkennbar, daß sich ein starker Differenzierungsprozeß auch in den Spitzen der Sozialdemokratie vollzog. Ein Teil der Funktionäre fing an, zu begreifen, daß mit der Politik, die der Parteivorstand auch nach der Aufrichtung der faschistischen Diktatur weiter verfolgte, der Politik des Abwartens und der Spekulation auf eine neue Koalition mit der Bourgeoisie, der Arbeiterschaft nicht geholfen wurde und die sozialdemokratischen Arbeiter nicht mehr bei der Partei zu halten waren. Sie sahen, daß sich auch im Lande eine ganz offene Opposition gegen diese Politik entwickelte.

Wieweit nun dieser Teil der Funktionäre es ehrlich meinte oder nicht, war nicht das Entscheidende, entscheidend war die Tatsache, daß er unter dem Druck der wachsenden Opposition gegen die Parteivorstandspolitik genötigt war, sich von dieser Politik abzugrenzen. Selbstverständlich wurden damit diese Funktionäre noch nicht aktive Freunde der Einheitsfront, sondern unterlagen großen Schwankungen, die besonders in ihrer Stellungnahme zu den Kommunisten zum Ausdruck kamen. Wir mußten selbstverständlich die Schwankungen und Halbheiten, die falschen Auffassungen dieser Funktionäre kritisieren, aber kameradschaftlich, ohne Übertreibung, ohne die eine oder die andere ihrer Behauptungen aufzubauschen, jedenfalls mit der Absicht, sie in die Einheitsfront einzubeziehen. Das haben wir leider nicht getan, sondern im Gegenteil, wir haben sie zurückgestoßen.

Die Kommunistische Internationale war genötigt, erneut das Polbüro der Partei zu korrigieren. In einer von der Politkommission am 27. Oktober 1934 angenommenen Resolution wird in sehr scharfer Weise gerügt, daß "eine Reihe von verantwortlichen Funktionären der KPD und Mitarbeitern der “Roten Fahne” der Linie des EKKI eine andere politische Linie entgegengestellt" hätten. Die veröffentlichten Artikel über die Aufhäuser-Gruppe, die ein "sinnloses Geschimpfe gegen sie und eine Darstellung ihres Vorgehens als einfache Arbeitsteilung mit dem Prager Parteivorstand enthalten", wurden als linkssektiererische Abweichungen verurteilt. Ebenso wurde die "sektiererhafte administrative Abwürgung" der Initiative der Frankfurter Organisation, des ersten ernsthaften Erfolges der KPD auf dem Gebiete der Einheitsfront seit Errichtung der faschistischen Diktatur, verurteilt.

Aber auch diese sehr ernste Korrektur der Kommunistischen Internationale an der von der Mehrheit des Polbüros durchgeführten sektiererischen Linie hat nicht dazu beigetragen, daß eine Änderung herbeigeführt wurde. Wohl wurde in Worten die Berechtigung der Kritik anerkannt, aber gleichzeitig wurde versucht, einzelne Parteibezirke im Lande zu veranlassen, sich mit dieser sektiererischen Linie einverstanden zu erklären und gegen einen Artikel von Walter [Ulbricht] Stellung zu nehmen, der der von der Kommunistischen Internationale geforderten Linie entsprach. Dabei tauchten bereits sehr gefährliche Elemente eines beginnenden Gruppenkampfes in der Partei auf. In der Landesleitung war sogar unter Führung von Wahls der Plan erwogen worden, ein Protesttelegramm an die Kommunistische Internationale wegen der von ihr verlangten Korrektur der sektiererischen Linie zu schicken. Die Genossen haben vernünftigerweise diesen Plan wieder aufgegeben, aber er scheint von ihnen doch auch über ihren Kreis hinaus verbreitet worden zu sein, denn er wurde zweien unserer Polbüro-Mitglieder mitgeteilt.

Die Kommunistische Internationale hatte deshalb Ende Dezember 1934 das gesamte Polbüro zu einer gemeinsamen Beratung aufgefordert. In der Januaraussprache, über die die meisten Delegierten der Parteikonferenz durch Einsichtnahme in das Protokoll informiert sind, wurde erneut diese sektiererische Linie scharf verurteilt, die dazu geführt hat, "daß der günstigste Moment für die Herstellung der Einheitsfront mit den sozialdemokratischen Gruppen und für die Wiederherstellung der freien Gewerkschaften verpaßt"[43] wurde. Es wurde festgestellt: "Die Mehrheit des Polbüros aber (Richter [Hermann Schubert] und andere) rutschte dabei selber zum Sektierertum und linken “Doktrinärtum” ab."[44]

In der Resolution des Politsekretariats des EKKI vom 19. Januar 1935, der die vorstehenden Ausführungen entnommen sind, wurden die Partei, das Zentralkomitee der Partei verpflichtet, einen entschlossenen Kampf gegen das Sektierertum und das linke "Doktrinärtum" zu beginnen und in breitem Maßstab die Taktik der Einheitsfront mit allen sozialdemokratischen Gruppen und Organisationen zur Organisierung des Kampfes gegen das faschistische Regime auf dem Boden konkreter Tagesforderungen der Arbeitermassen zu entfalten. Dabei sollen auch Vorschläge an den Prager Parteivorstand der SPD unter passenden Bedingungen und in passender Form nicht ausgeschlossen sein. Weiter ist in der Resolution die Verpflichtung zum Kampf um die Wiederherstellung der freien Gewerkschaften und die Frage der Organisierung einer breiten antifaschistischen Volksfront gestellt.

Es wurde die Einberufung einer Parteikonferenz vereinbart, deren Vorbereitung in den Organisationen in breitester Weise zur Überwindung der sektiererischen Fehler ausgenutzt werden sollte. Das Polbüro wurde verpflichtet, auf der Grundlage der Direktiven der Resolution des Politsekretariats eine Resolution auszuarbeiten, die den Genossen bekannt ist und die die Bestätigung des EKKI-Präsidiums gefunden hat.

Zweifellos haben uns diese Januarbeschlüsse in der Verbesserung unserer Einheitsfrontpolitik geholfen. Aber es wäre übertrieben, zu sagen, daß die in der Resolution angekündigte Wendung schon wirklich vollzogen ist. Es hat sehr langer Zeit bedurft, bis die Resolution in die Hände der unteren Einheiten gelangte. Manche haben sie überhaupt nicht bekommen. Es sind auch in der Führung der Partei noch Hemmungen vorhanden, die der Ausdruck der Überreste sektiererischer Einstellungen sind. Genosse Dimitroff hat sehr richtig diese Einstellungen beurteilt, als er auf dem Kongreß sagte[45]:

Gibt es denn jetzt, Genossen, in unseren Reihen noch wenig solcher Doktrinäre, die in der Einheitsfrontpolitik immer und überall nur Gefahren wittern? Für solche Genossen bildet die ganze Einheitsfront eine einzige Gefahr. Aber diese sektiererische “Prinzipienfestigkeit” ist nichts anderes als politische Hilflosigkeit gegenüber den Schwierigkeiten der unmittelbaren Leitung des Kampfes der Massen.

Trotz alledem hat die Einheitsfrontbewegung in der letzten Zeit gewisse Fortschritte gemacht, und auch wir haben es schon etwas besser verstanden, diese Bewegung zu fördern und auch stärker innerhalb der Sozialdemokratie zu differenzieren. Wenn auch die Linken noch immer nicht zum Abschluß offener Einheitsfrontabkommen bereit sind, um nicht deswegen in Konflikt mit dem Prager Parteivorstand zu kommen, macht sich doch bei ihnen, wenigstens ideologisch, eine Linksentwicklung bemerkbar. Das kommt in den von ihnen in der letzten Zeit veröffentlichten Dokumenten und Artikeln, in ihren Bulletins und in dem "RS-Brief" vom September dieses Jahres deutlich zum Ausdruck. Sie haben ihre reservierte Stellung zur Sowjetunion, die sie noch in ihrer Plattform eingenommen haben, korrigiert; sie erklären sich jetzt vorbehaltlos für die Friedenspolitik der Sowjetunion und anerkennen die sozialistischen Erfolge des Sowjetstaates. Das wichtigste aber ist ihre Stellung zur Einheitsfront, wo sie noch große Hemmungen haben, zum Teil sogar sich offen dagegen aussprechen.

Die Gruppe der Revolutionären Sozialisten erklärt sich zwar für die Einheitsfront, aber sie stellt sich dabei als nächstes Ziel "die Revolutionierung der Sozialdemokratie, um sie für die Einheitsfront und die Einheit reif zu machen". Damit sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, um "von Macht zu Macht" mit den Kommunisten verhandeln zu können, also erst die sozialdemokratischen Organisationen mehr zu festigen, um bei den Vereinbarungen mit uns ein größeres Gewicht zu haben.

Sehr viel weiter haben sich bereits solche linken sozialdemokratischen Führer entwickelt, die in den Bezirken Frankfurt, Württemberg, Pfalz, Südbaden sich eindeutig für die Einheitsfront aussprechen, die Verbreitung solcher Materialien des Parteivorstandes und der Miles-Gruppe, die gegen die Einheitsfront sind, ablehnen, obwohl diese Funktionäre auch für die Schaffung einer neuen sozialistischen Partei eintreten und sich gegen die Kommunistische Partei aussprechen. Immerhin haben wir doch vermocht, in diesen Gebieten einige beachtenswerte Erfolge in der Schaffung von Einheitsfrontabkommen mit sozialdemokratischen Organisationen zu erzielen.

Gegenüber der von den Linken vertretenen Auffassung von der Notwendigkeit der Schaffung der politischen Einheit der Arbeiterklasse, also der Schaffung einer einheitlichen Partei, haben wir zuerst den Fehler gemacht, darauf mit dem Hinweis zu antworten, daß sie nur eine Restaurierung der alten Sozialdemokratie anstreben, statt daß wir selber die Initiative zur Schaffung der Einheitspartei ergriffen.

Die Stellungnahme des VII. Weltkongresses zu dieser Frage veranlaßt uns, jetzt dieses Versäumnis nachzuholen. Es ist in der deutschen Arbeiterklasse ein sehr starker Wille zur Schaffung einer Einheitspartei vorhanden, und wir können der Förderung der Einheitsfront nur auf das beste dienen, wenn wir auch die Initiative zur Schaffung der Einheitspartei ergreifen. Wir haben dafür allerdings eine Reihe von Bedingungen als Voraussetzung zu stellen, die aber solche Bedingungen sind, welche von der übergroßen Mehrheit der sozialdemokratischen Arbeiter angenommen werden.

Dasselbe betrifft auch die Herbeiführung der Gewerkschaftseinheit, die wir mit der Forderung des Wiederaufbaus der freien Gewerkschaften anstreben. Wir haben aber noch nicht recht verstanden, diese Forderung in engen Zusammenhang mit der Schaffung der Einheitsfront zu bringen. Immerhin haben wir bereits die Revolutionären Sozialisten genötigt, sich mit dieser Forderung zu beschäftigen. In ihrem Bulletin schreiben sie darüber: "Die Revolutionären Sozialisten lehnen es auch entschieden ab, eigene gewerkschaftliche Gruppen zu bilden, sondern unterstützen die illegale gewerkschaftliche Arbeit. Wir stellen ihren Trägern soziales und wirtschaftliches Material zur Verfügung, halten uns aber nicht für berufen, Anweisungen zu betrieblichen und gewerkschaftlichen Aktionen zu geben. Eine gleiche Haltung sollte die SOPADE einnehmen, und auch die Kommunisten sollten auf die Gründung gewerkschaftlicher Organisationen, wie zum Beispiel Wiederaufbaukomitees der freien Gewerkschaften, verzichten und sich der einheitlichen Gewerkschaftsfront zur Verfügung stellen. Es geht um keine Partei, sondern um die Reaktivierung der gesamten Arbeiterklasse."

Diese Stellungnahme der Revolutionären Sozialisten, zu denen auch Aufhäuser gehört, ist sehr typisch. Sie stellen sich immer wieder jeder ernsthaften Fortentwicklung der Einheitsfront und damit auch der Schaffung der Gewerkschaftseinheit in den Weg. Sie wollen natürlich die Gewerkschaftseinheit, aber nicht auf dem Boden der Einheitsfront, sondern losgelöst von ihr und im Grunde genommen auf dem Boden der Sozialdemokratie. Uns ist eine Mitteilung zugegangen, wonach eine neue Auslandsvertretung der deutschen Gewerkschaften auf Initiative von Schevenels[46], Schliestedt[47] und Aufhäuser gebildet worden ist, die sich bereit erklärt haben soll, wohl mit der SPD, aber nicht mit der KPD zusammenzuarbeiten.

Unter dem Druck der Aktivierung der Betriebsarbeiterschaft, die sich auch in dem Willen zum Wiederaufbau der freien Gewerkschaften bemerkbar macht, hat sich auch der sozialdemokratische Parteivorstand genötigt gesehen, in seinem illegalen Auslandsorgan "Die Sozialistische Aktion" die Parole für den Wiederaufbau der freien Gewerkschaften auszugeben, aber mit der Forderung, daß sich dieser Aufbau unter der Führung der SPD vollziehen soll.

Wir Kommunisten unterschreiben durchaus die Formulierung, die in dem Dortmunder Einheitsfrontabkommen enthalten ist, das zwischen der Unterbezirksleitung der KPD und der Kreisleitung der SPD abgeschlossen wurde. Es heißt dort: "Wir als Einheitsfrontkomitee zum Wiederaufbau der freien Gewerkschaften erklären, daß diese Gewerkschaften kein Anhängsel der Sozialdemokratischen oder der Kommunistischen Partei sind noch werden dürfen, daß sie aber auf dem Boden der proletarischen Demokratie die Kräfte der Arbeiterklasse in breitestem Maße organisieren zum Kampfe gegen die wirtschaftliche und politische Versklavung der Arbeiter durch den Faschismus in Betrieb und Arbeitsfront[48], für die Herstellung der Einheit der Arbeiterklasse auf revolutionärer Grundlage."

Wir Kommunisten sind also dagegen, daß die wiederaufzubauenden freien Gewerkschaften oder die zu ihrer Förderung zu schaffenden Einheitsfrontkomitees unter der Führung einer Partei stehen, und dafür, daß sie völlig selbständig die ihnen zustehenden Aufgaben zu lösen haben. Nur so werden sie die breitesten Schichten der Arbeiter erfassen.

Zur Förderung der Einheitsfrontbewegung und der Herbeiführung von Abkommen über gemeinsame Kampfaktionen haben wir uns in der letzten Zeit mehrmals an den Prager Parteivorstand der deutschen Sozialdemokratie gewandt. Das erste dieser Einheitsfrontangebote machten wir allerdings an die Linken in Person von Aufhäuser und Böchel[49]. Das war Ende Oktober 1934 und betraf die Forderung einer gemeinsamen Aktion zur Unterstützung der von der Konterrevolution verfolgten spanischen Revolutionäre. Die Linken haben dieses Angebot abgelehnt, vorwiegend mit der Begründung, daß ein solches Zusammengehen mit den Kommunisten dem Prager Parteivorstand den erwünschten Anlaß zu organisatorischen Maßnahmen gegen die Linken bieten würde. Sie waren sogar so ängstlich, daß sie nicht einmal das ihnen persönlich überreichte Dokument in die Hand nehmen wollten und es auch tatsächlich nicht an sich genommen haben.

An den Prager Parteivorstand sind wir am 11. Februar 1935 mit dem Angebot zu einem gemeinsamen Aufruf für die Aufstellung von Arbeiterkandidaten zu den Vertrauensrätewahlen herangetreten. Das Angebot, das wir dem Prager Parteivorstand schriftlich übermittelten, ist in der März-Sondernummer der "Roten Fahne" abgedruckt. Wir machten darin dem Parteivorstand den Vorschlag, gemeinsam mit uns einen Aufruf für die Durchsetzung legal gewählter Belegschaftsvertretungen an die Arbeiter im Lande zu richten, also einen Aufruf zum Kampf um die Aufstellung von Arbeiterkandidaten zwecks Durchbrechung des faschistischen Führerprinzips im Betriebe. Der Prager Parteivorstand hat dieses Angebot abgelehnt, und auch die Linken brachten in ihren Äußerungen zum Ausdruck, daß sie die Verwirklichung unserer Vorschläge für irreal hielten.

Zum zweiten Mal wandten wir uns an den Prager Parteivorstand der Sozialdemokratie am 1. April 1935 mit der Aufforderung zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen die Militarisierung und gegen die Kriegsvorbereitungen der Hitlerregierung. Wir hatten dabei nicht irgendwelche fest umrissenen Einzelvorschläge gemacht, sondern um einen Meinungsaustausch über ein zweckmäßiges gemeinsames Vorgehen ersucht. Der Prager Parteivorstand wies aber auch dieses Angebot zurück und ließ durchblicken, daß ihn jede Einheitsfrontvereinbarung mit uns in seinem Bestreben, Einfluß auf bürgerliche Schichten zu gewinnen, störe.

Darauf wandte sich mit unserem Einverständnis der Zentralvorstand der Roten Hilfe Deutschlands an den Prager Parteivorstand mit der Aufforderung zu einem gemeinsamen Aufruf für die Unterstützung der Opfer des faschistischen Terrors in Deutschland, wobei darauf hingewiesen wurde, daß sich unter diesen Opfern auch eine große Anzahl Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei befänden und im Lande bereits ein gemeinsames Zusammengehen sozialdemokratischer und kommunistischer Arbeiter zur Unterstützung dieser Opfer vorhanden sei. Wegen der Stellungnahme zu diesem Angebot soll es im Prager Parteivorstand zu einer heftigen Auseinandersetzung gekommen sein, wozu besonders die Tatsache beitrug, daß in Berlin und in anderen Orten eine große Anzahl frei gewerkschaftlicher Funktionäre, die den ADGB-Apparat im Lande bildeten, verhaftet wurde. Mit diesen Verhaftungen wurden auch die Illusionen, die man im Prager Parteivorstand über eine indirekte Unterstützung durch die Reichswehrgeneralität hatte, zerschlagen. Aber ein Eingehen auf dieses Einheitsfrontangebot der Roten Hilfe wurde doch vom Parteivorstand abgelehnt.

In Anbetracht der neuen Terrorwelle und der wachsenden Unzufriedenheit im Lande haben wir uns am 1. Juni erneut an den Prager Parteivorstand gewandt, und zwar mit dem Angebot zur Bildung eines gemeinsamen Komitees zur Hilfe für die Opfer des Terrors und deren Angehörige, unter Einbeziehung von Katholiken, Intellektuellen und anderen antifaschistischen Kreisen. Dabei bezogen wir uns auf die von dem Büro der II. Internationale und dem Ausschuß des IGB gegen den faschistischen Terror gerichteten Erklärungen. Auch dieses Angebot wurde abgelehnt.

Aber unter dem Einfluß der hervortretenden Einheitsfrontbewegung in Frankreich und vor allen Dingen unter den Auswirkungen der Beschlüsse des VII. Weltkongresses für die Einheits- und Volksfront werden sich unter dem Druck der Stimmungen in den sozialdemokratischen Organisationen im Lande die Differenzen im Parteivorstand wegen der Zurückweisung der Einheitsfrontangebote verschärfen und wird schließlich auch die Mehrheit dieses Vorstandes genötigt werden, entweder den Einheitsfrontangeboten näherzutreten oder aber es auf eine offene Spaltung im Parteivorstand ankommen zu lassen. Es hat natürlich wenig Wert, auf den Einfluß irgendwelcher Personen im Parteivorstand zu spekulieren, wenngleich Hertz versuchen sollte, mehr und mehr den Kampf gegen die völlig ablehnende Haltung der Mehrheit des Vorstandes aufzunehmen. Mit dem Ausschluß von Aufhäuser und Böchel aus dem Vorstand durch Wels und Stampfer ist ohnehin ein ziemlicher Riß in diese Körperschaft gekommen. Aber die Mehrheit des Prager Parteivorstandes, besonders Wels, verfügt über die Kasse, und das ist für die Opposition im Prager Parteivorstand ein wichtiger Grund, der sie immer wieder von einer ernsten Entscheidung zurückhält.

Bemerkenswert ist die Stellungnahme des Prager Parteivorstandes zu den Beschlüssen des VII. Weltkongresses in der Nummer des "Neuen Vorwärts" vom 8. September 1935. Abgesehen davon, daß der Prager Parteivorstand die von uns geübte Selbstkritik zur Rechtfertigung seiner Politik auszunutzen versucht, ist es seine Stellungnahme zur Einheitsfront, die ich in einem Zitat aus diesem Artikel im "Neuen Vorwärts" charakterisieren möchte. Es heißt dort: "Es ist, in der Vorstellung der Kommunisten, die Einheitsfront zwischen Kutscher und Pferd, wobei der eine Teil den Wagen der Verantwortung zieht und der andere mit der Peitsche der Agitation dazu knallt. So geht's natürlich nicht! Wenn die Selbstkritik des Kominternkongresses mehr sein soll als eine bloße Episode, geboren aus der schwierigen internationalen Lage der Sowjetregierung und dementsprechend beherrscht von den schwankenden Interessen der russischen Staatspolitik, so müssen die Kommunisten aus ihrer Selbstkritik auch die entsprechenden Konsequenzen gegenüber der sozialistischen Arbeiterbewegung ziehen und zur Erkenntnis gelangen, daß im gemeinsamen Kampf gegen den Faschismus und für die Wiederherstellung der Einheit der Arbeiterbewegung grundsätzlich Neues zu schaffen ist, nicht als Diktat von oben, sondern als Ergebnis einer grundlegenden Wandlung in den Methoden der Massenarbeit und Parteipolitik."

Und am Schluß dieses Artikels heißt es: "Unsere Aufgabe muß es sein, durch Aufklärung in den Massen diese beginnende Wandlung vorwärtszutreiben und durch Herstellung der notwendigen geistigen Voraussetzungen die Grundlage zu schaffen für die wirkliche Einheit der sozialistischen Arbeiterbewegung."

Zu dem von dem Parteivorstand in diesen Ausführungen gebrauchten Bilde von dem Kutscher und dem Pferd erklären wir, daß wir den Abschluß eines Abkommens oder auch nur das Zusammentreten zu einer Besprechung über gemeinsam zu treffende Maßnahmen nur unter dem Gesichtswinkel der beiderseitigen gleichen Verantwortung betrachten und daß es uns bei diesen Angeboten nicht auf Agitation, sondern auf den ernsten Willen ankommt, das Zustandekommen der Einheitsfront zwischen den kommunistischen und den sozialdemokratischen Arbeitern und Organisationen zu fördern.

Der sozialdemokratische Parteivorstand versteht aber die Beschlüsse des VII. Weltkongresses sehr schlecht, wenn er sie dahin auslegt, daß, wie er sagt, "die bisher verfemte Koalitionspolitik mit bürgerlichen Parteien jetzt akzeptiert wird". Die in den Beschlüssen des VII. Weltkongresses unter den Voraussetzungen einer politischen Krise vorgesehene Regierung der Einheitsfront oder der antifaschistischen Volksfront hat nichts Gemeinsames mit den Koalitionsregierungen, den sozialdemokratischen sogenannten Arbeiterregierungen oder der Koalitionspolitik der Sozialdemokratie, sondern ist das strikte Gegenteil, eine Regierung des Kampfes gegen das Finanzkapital, gegen die Faschisten, gegen die Reaktion.

Wir werden immer wieder an den sozialdemokratischen Parteivorstand mit dem Angebot gemeinsamer Abkommen oder Besprechungen zur Herbeiführung der Einheitsfront zwischen sozialdemokratischen und kommunistischen Organisationen herantreten. Wir machen der Parteikonferenz auf Grund der zugespitzten Lage im Lande, des gesteigerten faschistischen Terrors, der wachsenden Widerstandsbewegung in den Betrieben, des vom Finanzkapital geplanten neuen Wirtschaftskurses der Lohnsenkungen, weiteren Steuern, des weiteren Abbaus der sozialen Leistungen den Vorschlag, ein Manifest[50] zu beschließen, in dem der Appell an die sozialdemokratischen Organisationen und Mitglieder zur Schaffung der Einheitsfront gegen die Hitlerdiktatur gerichtet wird. Wir werden an den sozialdemokratischen Parteivorstand das formelle Angebot richten, zum Teil unter Zugrundelegung der in seinem Kampfprogramm vom Januar 1934[51] aufgestellten Forderungen der Sicherung und Verbesserung der Lebenshaltung der Arbeiter, der Wiedereroberung demokratischer Rechte, der Organisationsfreiheit, der Sicherung des Friedens und unter Vereinbarung konkreter Kampfmaßnahmen ein Einheitsfrontabkommen abzuschließen.

Außerdem werden wir den Vorschlag machen, gemeinsam ‑ Kommunisten und Sozialdemokraten ‑ an die Katholiken mit dem Angebot einer Kampfgemeinschaft auf Grund der Kampfankündigungen Hitlers an die Katholiken und der bereits erfolgten Auflösung der katholischen Arbeitervereine im Münsterland heranzutreten. Es wird dabei selbstverständlich sehr viel davon abhängen, ob wir verstehen, im Lande unter den sozialdemokratischen Organisationen und Mitgliedern die Erkenntnis von der Notwendigkeit der Einheitsfront und der Schaffung der Volksfront auf Grund der Beschlüsse des VII. Weltkongresses so zu vertiefen und diese Beschlüsse so zum Gemeingut der deutschen Arbeiterklasse zu machen, daß auch der sozialdemokratische Parteivorstand nicht mehr unsere Angebote abzulehnen oder einer Antwort auszuweichen vermag.

3. Der Kampf um den Wiederaufbau der freien Gewerkschaften

Einen sehr ernsten Teil in unseren Bestrebungen zur Schaffung der Einheitsfront nehmen die Fragen des Wiederaufbaus der freien Gewerkschaften ein, wie wir sie in unserer Augustresolution im Jahre 1934 formulierten.

Da in Deutschland die reformistischen Gewerkschaftsorganisationen zerschlagen und deren Mitglieder zwangsweise in die Arbeitsfront eingereiht wurden, ist es klar, daß wir die Hauptarbeit zur Popularisierung und zum Kampfe um diese Losung in der Arbeitsfront zu leisten haben. Aber damit sieht es noch sehr schlecht aus, weil sehr starke Hemmungen bei unseren Genossen vorhanden sind, die es für unter ihrer revolutionären Würde halten, Funktionen in der Arbeitsfront anzunehmen.

Schon in der legalen Zeit stand es ziemlich schlecht mit unserer Gewerkschaftsarbeit, die sich besonders in den Krisenjahren noch mehr verschlechterte. Es waren die starken sektiererischen Tendenzen in unserer Partei, die dieser Arbeit in den Gewerkschaften entgegenwirkten. Indem wir uns von dieser Arbeit isolierten, isolierten wir uns auch gleichzeitig von der Masse der frei gewerkschaftlich organisierten Arbeiter. Wir erleichterten dadurch der reformistischen Gewerkschaftsbürokratie ihre Politik des Ausweichens vor allen ernsten Kämpfen. Wir haben zwar mit Hecht die Brandler-Parole "Zwingt die Bonzen!" und ihre Schlußfolgerung bekämpft, daß nichts zu machen sei, wenn von den Gewerkschaftsbürokraten die Kampfforderungen abgelehnt werden. Wir versäumten aber, die Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder für die Kampfforderungen und für den Kampf zu gewinnen; nur dann hatte es einen Sinn, an die Gewerkschaftsbürokratie mit Forderungen heranzutreten. Aber unsere Genossen wichen diesen Schwierigkeiten meist aus und verzichteten auf einen beharrlichen Kampf innerhalb der Gewerkschaften.

Die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition (RGO) wurde von unseren Genossen immer mehr in eine Gewerkschaft verwandelt, wodurch unsere Arbeit in den freien Gewerkschaften noch mehr beengt wurde. So richtig es war, daß wir die von der Gewerkschaftsbürokratie aus den Verbünden ausgeschlossenen Gewerkschaftskollegen zusammenfaßten, um gemeinsam mit den oppositionellen Arbeitern in den Gewerkschaften für die Wiederaufnahme zu kämpfen, so falsch war es, aus diesen Organisationen der Ausgeschlossenen rote Verbände zu machen. Wir haben uns damit die Schaffung der Einheitsfront mit den freigewerkschaftlich organisierten Arbeitern sehr erschwert.

Das mußte sich besonders nach der Aufrichtung der Hitlerdiktatur bemerkbar machen, als diese den Schlag gegen die freien Gewerkschaften führte. Obwohl wir sofort, am 2. Mai 1933, unter der Losung "Verteidigt die Gewerkschaften!" den Kampf gegen die faschistischen Kommissare und gegen die Entrechtung und Zerschlagung der Gewerkschaften aufzunehmen versuchten, gelang es uns nicht, eine breite Bewegung zustande zu bringen. Die Erklärung dafür lag in der Tatsache, daß wir auf Grund unserer sektiererischen Politik nicht in den freien Gewerkschaften verankert waren, keinen Kontakt mit den freigewerkschaftlich organisierten Arbeitern hatten und deshalb nicht die Einheitsfront mit ihnen herzustellen vermochten.

Als nach Aufrichtung der Hitlerdiktatur die ersten Versuche zu einer richtigen Gewerkschaftspolitik auftauchten und an die Kommunisten und RGO-Anhänger Aufforderungen zum Eintritt in die freien Gewerkschaften gerichtet wurden, nahm das Zentralkomitee in einem Beschluß vom August 1933[52] dagegen Stellung. Es heißt in diesem Beschluß, daß "durch zu langes Festhalten bzw. Nichtabsetzen kurzfristiger Aktionslosungen [...] (“Rettet die Gewerkschaften” durch eine direkte Kampagne gegen Austritte aus den “gleichgeschalteten” Organisationen, durch die irreführende Losung des “antifaschistischen” ADGB, während Hunderttausende von früheren Gewerkschaftsmitgliedern im Begriff waren, ihre Gewerkschaftsbücher zu zerreißen.) [...] das Auftreten liquidatorischer Stimmungen in der RGO"[53] begünstigt wurde. Weiter wird in dem Beschluß zur Gewerkschaftsfrage folgende Aufforderung erlassen: "Es ist jetzt unabweisbare Klassenpflicht aller Arbeiter, die RGO, jede Betriebsgruppe, jeden roten Verband durch aktive Mitgliedschaft sofort und bedingungslos zu unterstützen und unter Führung der RGO den Kampf gegen die Pläne der Unternehmer und Faschisten an allen Fronten aufzunehmen[54]."

Mit der von uns herausgegeben Losung der Schaffung "unabhängiger Klassengewerkschaften" setzten wir die alte, sektiererische Linie fort, anstatt die RGO-Gruppen und die roten Verbände in den neuaufgebauten freigewerkschaftlichen Gruppen aufgehen zu lassen. Es war nur zu natürlich, daß es uns mit dieser sektiererischen Linie nicht gelang, auch nur in nennenswertem Maße Gruppen der unabhängigen Klassengewerkschaften aufzubauen. Wir sind kaum über den Kreis der bisherigen RGO-Mitglieder hinausgekommen.

Die Ursache lag auch darin, daß wir keine Oppositionsarbeit in der Deutschen Arbeitsfront leisteten. Das bestätigte sich auch bei den Vertrauensrätewahlen im Jahre 1934. Die damaligen Erfolge wurden nur dort erzielt, wo unsere Genossen zusammen mit den freigewerkschaftlichen Arbeitern, die zwangsweise in der Arbeitsfront waren, den Kampf gegen die Unternehmerkandidaten führten und, wenn auch noch zaghaft, versuchten, dabei Positionen zu erringen. Diese Erfolge wären zweifellos noch bedeutend breiter gewesen, wenn eine solche Einstellung allgemein in unsere!' Partei vorhanden gewesen wäre.

Gegen die Beschlüsse des EKKI-Präsidiums vom Juli 1934, in denen die Notwendigkeit des Wiederaufbaus der freien Gewerkschaften klar formuliert war, bestanden auch in der Parteiführung sehr starke sektiererische Bedenken. In der "Roten Fahne" wurde diese Losung anfänglich verschwiegen und dann durch die sektiererische Losung "Erst Aktionseinheit, dann Gewerkschaftseinheit" ersetzt. Diese Losung hat sich auch im Saarkampf bei den Versuchen zur Schaffung der Gewerkschaftseinheit ziemlich hemmend ausgewirkt.

4. Die Arbeit in den faschistischen Massenorganisationen

Das Sektierertum machte sich noch in einer anderen Weise bei der Durchführung unserer Forderung des Wiederaufbaus der freien Gewerkschaften bemerkbar; es wurde nicht verstanden, daß dazu die Hauptarbeit in der Deutschen Arbeitsfront geleistet werden muß. Ich möchte dafür ein Beispiel anführen. Noch Mitte November 1934 schrieb der Genosse Starke [Fritz Schulte] in der "Internationalen Gewerkschafts-Pressekorrespondenz" auf Grund der Hitlerverordnung vom 24. Oktober 1934 über" Wesen und Ziele der Arbeitsfront"[55] einen Artikel, in dem wohl von der allgemeinen politischen Arbeit in der Arbeitsfront gesprochen, aber kein Wort von der Notwendigkeit der gewerkschaftlichen Arbeit gesagt wurde. Im Gegenteil. In dem Artikel wird die Behauptung aufgestellt, daß es in der Arbeitsfront unmöglich sei, auch nur in bescheidenem Rahmen die Arbeiterinteressen zu vertreten. Es heißt in dem Artikel:

Die hitlerische DAF-Verordnung zieht einen gewissen Schlußstrich unter die Entwicklung der Arbeitsfront. Jenen DAF- und NSBO[56]-Mitgliedern wie auch -Funktionären, die noch glaubten, die Arbeitsfront würde in bescheidenem Rahmen die Arbeiterinteressen vertreten, werden dadurch weitere Illusionen genommen. Diese Erkenntnis steigert bei den breitesten Arbeitermassen, vor allem bei den Mitgliedern der Arbeitsfront, den Drang zur Schaffung gewerkschaftlicher Organisationen aus eigener Kraft.

Die Schlußfolgerung, die sich aus dieser Einstellung ergibt, richtet sich gegen die gewerkschaftliche Betätigung in der Arbeitsfront; denn wenn es in der Arbeitsfront keine Möglichkeit der Vertretung von Arbeiterinteressen auch nur in bescheidenem Rahmen gibt, wie sollen dann die Arbeiter dazu gebracht werden, sich in der Arbeitsfront gewerkschaftlich zu betätigen?

Starke schreibt zwar an anderer Stelle, daß sich die klassenbewußten Arbeiter in der Arbeitsfront zusammenschließen sollen, um den Kampf gegen die Diktatur der braunen Bürokratie zu organisieren, aber damit weist er den Arbeitern in der Arbeitsfront nur eine rein politische Aufgabe zur Entlarvung der faschistischen Führer zu.

Eine solche Auffassung wie die in diesem Artikel war keineswegs vereinzelt; es lag ihr eine bestimmte Linie zugrunde, eine sektiererische Auffassung über unsere Arbeit innerhalb der Arbeitsfront. Sie war geeignet, die sektiererischen Stimmungen auf Unterlassung der gewerkschaftlichen Arbeit in der Arbeitsfront zu unterstützen. Aber das nicht allein. Diese Stellungnahme ist auch völlig undialektisch. Nicht der Verzicht auf die gewerkschaftliche Betätigung in der Arbeitsfront führt zur Schaffung freigewerkschaftlicher Organisationen, sondern umgekehrt, die gewerkschaftliche Betätigung in der Arbeitsfront ist der Weg zum Wiederaufbau der freien Gewerkschaften.

Die Ausnutzung der legalen Möglichkeiten, die die Arbeit in der Arbeitsfront bietet, ist unerläßlich für den Aufbau der freien Gewerkschaften. Die Arbeitsfront ist der beste Rahmen für unsere Massenarbeit. Dazu gehört allerdings eine völlige Umstellung in unserer Arbeit. Wir müssen unsere sektiererische Linie rücksichtslos ausmerzen, unseren Blick auf die Millionen von Arbeitern in den faschistischen Massenorganisationen richten und sie nehmen, wie sie sind, und nicht, wie wir sie wünschen.

Genosse Dimitroff hat uns die Notwendigkeit der Arbeit in den faschistischen Massenorganisationen mit aller Eindringlichkeit eingehämmert. Er gebrauchte dabei das treffende Beispiel vom Trojanischen Pferd. Aber, Genossen, wie soll das Pferd in das faschistische Troja hineingebracht werden? Wir müssen dazu alle Möglichkeiten ausnutzen, die uns die faschistische Demagogie, welche die Faschisten zum Betrug der Arbeitermassen anwenden, bietet. Ich möchte dafür ein Beispiel geben. Als Ley[57] die Parole des "Kampfes um den gerechten Lohn" aufstellte, um damit die wachsende Empörung der Betriebsarbeiterschaft gegen die Lohnverschlechterung einzudämmen, wurde in einer unserer Zeitungen unter Anführung eines Zitates von Engels, daß es im Kapitalismus keinen gerechten Lohn gebe, versucht, wissenschaftlich gegen diese Parole zu polemisieren. Anstatt daß wir diese Parole kühn aufgriffen und damit die Diskussionen über den Lohn in den Betrieben legalisierten und in den Mittelpunkt stellten, wurde hier die Aufgabe verschoben und zum Gegenstand einer theoretischen Diskussion gemacht.

Diese Losung von Ley gibt uns die beste Möglichkeit, in jedem Betrieb, in jeder Betriebsversammlung uns auf diese Losung zu berufen, die Frage zu stellen, ob der Lohn etwa in Anbetracht der hohen Dividenden und Gehälter der Direktoren und in Anbetracht der wachsenden Teuerung ein gerechter genannt werden könne, und, daran anknüpfend, die Forderung auf Erhöhung der Löhne zu stellen. Wenn wir so die legalen Möglichkeiten ausnutzen, die faschistische Demagogie als Basis für unseren Kampf in den Betrieben nehmen, dann heißt das in der Tat das Trojanische Pferd in das faschistische Troja bringen. Wir müssen den Faschismus mit den Massen schlagen, die er in die von ihm beherrschten Massenorganisationen hineingezwungen hat. Wir müssen in diesen Organisationen den Kampf für seinen Sturz organisieren.

Und noch ein Beispiel. In der führenden Wirtschaftszeitschrift der NSDAP, der "Deutschen Volkswirtschaft", wird ein Aufsatz gebracht, in dem die Forderung der Senkung der Preise der Schwerindustrie, der Preise für Brennstoffe, Eisen, Energie und Verkehrstarife gestellt wird, damit der Reallohn erhalten und erhöht werde. Wie sollen wir auf diese Demagogie reagieren? Solche Vorschläge zu einer angeblichen Erhaltung und Erhöhung des Reallohnes wurden auch schon in der Zeit vor Hitler von den Reformisten gemacht. Wir haben uns damals darauf beschränkt, die Demagogie dieser Vorschläge zu entlarven. In einem Flugblatt aus dem Ruhrgebiet 1932, das die Überschrift trug: "Kannst Du Eisen auf Dein Brot schmieren?", nahm die Partei zu dieser Demagogie Stellung und deckte auf, daß die Senkung der Preise in der Schwerindustrie den Arbeitern nichts bringen werde, daß die ganze Sache nur ein Schwindel sei. Wir sollten jetzt aber anders dazu Stellung nehmen und angesichts der Teuerung die Parole der Preissenkung aufgreifen, allerdings mit der Forderung, sie auch auf andere Produkte, besonders auf die Massenprodukte, auszudehnen, und so in den Betrieben die Diskussion über die Notwendigkeit der Erhaltung und Erhöhung des Reallohnes unter Bezugnahme auf diese Stellungnahme in der offiziellen Wirtschaftszeitschrift der Nazis legalisieren.

Auch als der "Völkische Beobachter" vor kurzem, um die Arbeiter zu beruhigen, einen demagogischen Artikel darüber brachte, daß in der nächsten Zeit Lohnerhöhungen bevorstehen, hätten unsere Genossen in den Betrieben den Artikel ausschneiden und im Betrieb ankleben sollen, um damit die Lohndiskussion im Betrieb zu legalisieren. Der "Betriebsführer" kann doch unmöglich den Arbeitern verbieten, über einen Artikel des "Völkischen Beobachters" zu diskutieren. Natürlich muß das von unseren Genossen geschickt angefangen werden. Es bietet sich sicher noch eine Reihe von anderen Gelegenheiten, Diskussionen und Bewegung in die Betriebe zu bringen.

Wir müssen verstehen, mit den Massen heute in der Sprache zu reden, die dieser Situation entspricht. Die Massen von heute sind anders als die Massen der legalen Zeit. Millionen von Menschen sind in den letzten Jahren in das politische Leben hineingezogen worden, der Nationalsozialismus packte sie mit seiner nationalistischen und antikapitalistischen Demagogie. Sie wurden von ihm mit neuen Vorstellungen und mit neuen Schlagworten beeinflußt. Wollen wir den Kontakt mit den Massen, so müssen wir diese neue Sprache sprechen, an diese neuen Vorstellungen und Schlagworte anknüpfen, die uns die Möglichkeit zu Diskussionen bieten und die diese Diskussionen legalisieren. Aber gerade das wird von uns noch sehr wenig verstanden.

Die Bewegungen in der letzten Zeit haben gezeigt, daß die Naziarbeiter beginnen, in ihnen eine aktive Rolle zu spielen. Wir müssen auch mit diesen Naziarbeitern Kontakt gewinnen, mit ihnen in ein gutes Verhältnis zu kommen versuchen. Dazu benötigen wir die genaue Kenntnis der Mentalität des Naziarbeiters. Der Haß, mit dem die gesamte revolutionäre Arbeiterschaft gegen die NSDAP erfüllt ist, ist ein gesunder Haß. Er darf sich aber nicht gegen die von den Nazis irregeführten nationalsozialistischen Arbeiter richten, sondern wir müssen zwischen den braunen Bonzen und den Massen in der nationalsozialistischen Bewegung differenzieren. Gegenüber der Sorge der unteren Nazifunktionäre und SA-Leute, was später, wenn die werktätigen Massen Hitler gestürzt haben, mit ihnen werden wird, müssen wir offen zum Ausdruck bringen, daß die wahren Schuldigen der Hitlerschen Terror- und Katastrophenpolitik vor Gericht gestellt und abgeurteilt werden, daß aber die übrigen Funktionäre der Hitlerpartei nicht verfolgt und an ihnen keine Vergeltung wegen der unerhörten Blutopfer, die der Faschismus von den werktätigen Massen gefordert hat, geübt werden wird.

Wir müssen vor allen Dingen auch den Unterschied, der in der Stimmung der Betriebsarbeiterschaft und in der Möglichkeit ihres Kampfes gegenüber der legalen Zeit vor Hitler liegt, erkennen und daraus die Schlußfolgerungen für unsere Arbeit ziehen. Die antikapitalistische Demagogie der Nazis ist nicht ohne Auswirkung auf die Betriebsarbeiterschaft geblieben. Es ist heute in Deutschland eher möglich, eine Betriebsbewegung gegen die hohen Dividenden und Direktorengehälter als für eine Lohnerhöhung zu entfachen. Das war in der legalen Zeit weniger der Fall, obwohl wir auch damals gegen die Gehälter und Tantiemen agitiert haben. Jetzt ist das Neue, daß in dem Protest gegen die hohen Direktorengehälter und Dividenden sich in neuen Formen die Unzufriedenheit der Arbeiter offenbart. Natürlich muß im Zusammenhang mit diesen neuen Formen die Frage des Kampfes um den "gerechten Lohn", um die Erhöhung der Löhne und Gehälter gestellt werden.

Noch eines ist für unsere Arbeit in der Arbeitsfront von Bedeutung. Wir dürfen nicht zu den Mitgliedern der Arbeitsfront als Außenseiter, sondern müssen zu ihnen vom Standpunkt der unzufriedenen, oppositionellen Mitglieder der Arbeitsfront sprechen, die ihre Beiträge zahlen und durch die Arbeitsfront ihre Interessen wahrnehmen wollen. Auch zu den Vertrauensräten sollen wir als ein Teil von ihnen sprechen, wir sollen fordern, daß ihnen die Möglichkeit zur Vertretung unserer Interessen und das Recht gegeben wird, die verschiedenen Betriebsabteilungen zu besuchen und andere Rechte aus dem alten Betriebsrätegesetz wahrzunehmen.

Das alles sind Beispiele, wie wir das Trojanische Pferd in das faschistische Troja hineinbringen müssen.

Ich möchte im Zusammenhang mit der Notwendigkeit unserer Arbeit in den faschistischen Massenorganisationen noch auf die Mängel unseres Jugendverbandes auf diesem Gebiet eingehen. Die Jugendfrage und die Arbeit unseres Jugendverbandes wie auch der Kampf der Partei um die werktätige Jugend sollen auf unserer Parteikonferenz noch in einer besonderen Rede etwas eingehender behandelt werden, so daß ich mich nur auf einige Merkmale beschränken will, die zeigen, wie auch in unserer Jugendarbeit sehr stark die sektiererischen Tendenzen zutage traten, die sich in dem Widerstand gegen eine organisierte Arbeit in den faschistischen Jugendorganisationen äußerten.

Wir brauchen uns nur des wütenden Kampfes zu erinnern, der in den letzten zwei Monaten gegen die Katholiken von den Nazis geführt wurde und der sich besonders gegen die Organisationen der katholischen Jugend richtete. Die Organisationen der katholischen Jugend sind die größten noch legal existierenden Jugendorganisationen in Deutschland, die sich ihre Unabhängigkeit von den Nazis bewahrt haben. Jetzt wird von den Nazis der Kampf zur Vernichtung dieser Organisationen geführt. Wir haben sehr große Möglichkeiten, uns mit der katholischen Jugend zu verbinden, um gemeinsam mit ihr den Kampf gegen das Naziregime zu führen. Aber wir haben diese Möglichkeiten bisher noch nicht aufgegriffen und stehen eigentlich abseits von diesem Kampf der katholischen Jugend. Es sind starke, sogar moralische Hemmungen vor einem Eintritt in die katholischen Organisationen bei unseren Jugendgenossen vorhanden, die sich durch die Notwendigkeit des Kirchenbesuches, des Betens usw. davon abhalten lassen. Wir müssen aber im Interesse der Verbreiterung unserer Einheitsfront diese Hemmungen überwinden und auch eine gemeinsame Sprache mit der katholischen Jugend finden.

Genosse Kuusinen hat auf dem VII. Weltkongreß sehr kühn die Frage der kommunistischen Arbeit unter den Jugendlichen gestellt, gerade an Hand der Erfahrungen des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands. Wir müssen feststellen, daß unser Jugendverband seine große Aufgabe, entscheidende Teile der werktätigen Jugend für den Kommunismus zu gewinnen, nicht gelöst hat, daß er nicht vermocht hat, sich in den Jugendmassen fester zu verankern und sie mit Begeisterung für unsere Kampfziele zu erfüllen.

Wir sollen demgegenüber sehen, daß es der faschistischen Bewegung sehr viel besser gelungen ist, die Jugend in ihren Bann zu ziehen. Wir brauchen uns nur der nationalsozialistischen Demonstrationen in den Jahren 1931 und 1932 zu erinnern, wie in ihren Reihen große Massen der proletarischen Jugend mit Begeisterung marschierten.

Der Aufmarsch der Jugendmassen anläßlich des diesjährigen Naziparteitages, die dort an die Jugend gehaltenen Ansprachen zeigen, wie sich der Faschismus alle erdenkliche Mühe gibt, die Jugend mit seiner Ideologie zu erfüllen, und er geht dabei ziemlich geschickt zu Werke. Er begnügt sich nicht mit der chauvinistischen Verhetzung, er versucht auch, die Jugend durch eine Reihe demagogischer Maßnahmen an sich zu fesseln. Die Erhöhung der Urlaubstage für verschiedene Gruppen der Arbeiterjugend, die Kampagne um das Berufsausbildungs- und Arbeitsschutzgesetz, eine gewisse Umschmeichelung der Jugend, das große Theater in Nürnberg ‑ das alles sind demagogische Versuche der Faschisten, sich in der Jugend ein festes Bollwerk zu schaffen.

In den letzten drei Jahren haben nicht weniger als zwei Millionen Jugendliche die Schulen verlassen; sie werden von der Hitler-Jugend und anderen faschistischen Massenorganisationen im Geiste des Faschismus erzogen. Vor uns steht die große Aufgabe, durch unsere Arbeit in den faschistischen Jugendorganisationen einen engen Kontakt mit der dort organisierten Arbeiterjugend zu schaffen. Wir müssen dabei an die Sprache und die Versprechungen der Faschisten anknüpfen. Wir müssen die Durchführung der in dem Berufsausbildungs- und Arbeitsschutzgesetz enthaltenen Bestimmungen fordern, den Kampf darum organisieren, wir müssen in den Betrieben dagegen auftreten, daß die Jungarbeiter zu niedrigeren Löhnen als die erwachsenen Arbeiter beschäftigt werden, daß sie minderen Rechtes sind, und vor allen Dingen dagegen, daß sie als Kanonenfutter für den kommenden Krieg im Heere gedrillt werden. Die Faschisten werden natürlich versuchen, den militärischen Ausbildungsdienst geschickt der Psyche der Jugend anzupassen, sie mit sportlicher Ausbildung zu beschäftigen, und auch sonst versuchen, den militärischen Betrieb durch Veranstaltungen von "Kraft durch Freude" und andere Ablenkungsmittel erträglich zu machen. Wir werden sehr ernste Anstrengungen machen müssen, um der chauvinistischen Verhetzung und der faschistischen Beeinflussung der Jugend auch im Heere entgegenzuwirken.

Es ergibt sich dabei die ernste Frage, ob der Kommunistische Jugendverband in seiner gegenwärtigen Organisationsform und mit seinen bisherigen Arbeitsmethoden dazu in der Lage sein wird. Er war es bisher nicht, und es wird sehr grundlegender Änderungen bedürfen, um eine breite proletarische Jugendorganisation zu schaffen, die bisherige Abkapselung unseres Jugendverbandes von der werktätigen Jugend zu überwinden und auf dem Boden der breitesten Einheitsfront für die Interessen der werktätigen Jugend zu kämpfen. Wir müssen unbedingt mit der sozialdemokratischen Jugend den engsten Kontakt herstellen, um eine Vereinigung auf der Grundlage des Klassenkampfes herbeizuführen, um dadurch die Kraft für die Auslösung und Steigerung einer breiten antifaschistischen Massenbewegung der jungen Generation zu schaffen.

Aber, Genossen, eines ist vor allem notwendig: Die Gewinnung der werktätigen Jugend muß zu einer Aufgabe der gesamten Partei werden. Wir haben auch hier mit einem sehr starken Sektierertum in unserer Partei zu rechnen, einem Sektierertum, das nicht die große Bedeutung dieser Aufgabe für die Partei begreift und gleichgültig allen Beschlüssen und Anforderungen der Partei zur Lösung dieser Aufgabe gegenübersteht. Wir müssen eine gemeinsame sozialistische Freiheitsbewegung der gesamten Jugend schaffen und Formen und Methoden unserer Arbeit finden, um die gesamte antifaschistische Jugend in den Kampf gegen das faschistische Regime einzureihen. Die Erfüllung dieser Aufgabe hängt aber eng zusammen mit der für die gesamte Massenarbeit der Partei notwendigen taktischen Wendung und der Schaffung der Einheitsfront auf neue Art.

5. Die Schaffung der Volksfront als wichtigste und nächste Aufgabe

In der Januarresolution des EKKI-Präsidiums 1935 wurde das Zentralkomitee angewiesen, die Frage der Wege und Möglichkeiten der Organisierung einer breiten antifaschistischen Volksfront zu erörtern, die nicht nur kommunistische und sozialdemokratische, sondern auch katholische Arbeiter und unzufriedene Elemente der Bauernschaft, des Mittelstandes und der Intellektuellen, also alle diejenigen erfassen soll, die bereit sind, gegen die faschistische Diktatur zu kämpfen. Es war das eine neue Aufgabe, die der Partei gestellt wurde, obwohl die Einbeziehung des städtischen Mittelstandes und der werktätigen Bauernschaft in die antifaschistische Kampffront eine besondere Aufgabe für die Partei seit dem Auftauchen der faschistischen Gefahr war.

Daß es dem Faschismus gelang, diese Schichten zu seiner Massenbasis zu machen, hat seine Ursachen darin, daß für diese Schichten die Arbeiterklasse infolge ihrer Spaltung und damit der Beschränkung ihrer Kampffähigkeit gegen den Faschismus nicht die selbständige Kraft war, die die städtischen Mittelschichten und die Bauernschaft auf ihre Seite zu ziehen vermocht hätte. Sie wurden deshalb das Opfer der faschistischen Demagogie.

Die Erfahrungen, die unsere französische Bruderpartei durch die einheitlichen Kampfaktionen mit den Sozialisten und die Förderung der Einheitsfront in der Beeinflussung der kleinbürgerlichen und kleinbäuerlichen Massen und ihrer Einbeziehung in die antifaschistische Volksfront, wie das bei den großen Massendemonstrationen am 14. Juli 1935 zum Ausdruck kam, gemacht hat, haben auch ihren Niederschlag in den Beschlüssen des VII. Weltkongresses gefunden, der die Zusammenschweißung der Werktätigen um die Arbeiterklasse in einer breiten Volksfront gegen Kapital und Reaktion, gegen Faschismus und Kriegsgefahr in jedem einzelnen Lande auf dem internationalen Kampfplatz als wichtigste und nächste Aufgabe gestellt hat.

Diese Aufgabe, die Schaffung der antifaschistischen Volksfront und die Schaffung der Einheitsfront im Kampfe gegen die faschistische Diktatur, muß erfüllt werden. Genosse Dimitroff hat sich mit Recht über die Scholastiker lustig gemacht, die die Frage nach der Reihenfolge stellen, in der die Einheits- und Volksfront zu verwirklichen ist. Er hat dabei auf die konkreten Bedingungen in jedem Lande verwiesen und gezeigt, daß die Entwicklung der Einheits- und Volksfront ein dialektischer Prozeß ist, daß die proletarische Einheitsfront aber die führende Kraft der Volksfront sein muß.

Wie ist die Lage in Deutschland, wie sind die Aussichten für die Schaffung der Volksfront? Wie in der Arbeiterklasse, so haben wir auch in den städtischen Mittelschichten und in der werktätigen Bauernschaft große Möglichkeiten, sie in die Kampffront gegen den Faschismus, in die antifaschistische Volksfront, einzubeziehen. Gerade diese beiden Schichten sind am meisten vom Faschismus enttäuscht worden, weil sie die größten Hoffnungen auf ihn gesetzt und erwartet hatten, daß er sie aus ihrer Not und ihrer Bedrängnis befreien würde. Haben ihnen doch die Faschisten vor ihrer Machtergreifung Versprechungen in sehr großem Umfange gemacht.

Ich will nur eine dieser demagogischen Forderungen der Nationalsozialisten herausgreifen, die "Brechung der Zinsknechtschaft". Gerade die Handwerker und Bauern, die genötigt sind, Darlehen für ihre Betriebe aufzunehmen, werden durch die Zinsknechtschaft am meisten bedrückt. Warum sollten wir nicht diese Parole "Brechung der Zinsknechtschaft" in unserer Massenagitation unter diesen Schichten aufgreifen und zu Kämpfern für diese Parole werden? Wir brauchen uns doch nicht daran zu stoßen, daß die Nazis einmal diese Forderung aufgestellt haben, ohne sie je verwirklichen zu wollen. Das gleiche betrifft eine ganze Reihe der sozialen Punkte aus dem Naziprogramm, die wir in unserer Agitation aufgreifen sollten, um damit die werktätigen Massen für den Kampf um diese Punkte zu gewinnen und damit am besten die soziale Demagogie der Nazis zu entlarven. Gleichzeitig müssen wir den Kampf gegen die Faschisten organisieren, die sich selbstverständlich einer Mobilisierung der werktätigen Massen für die von ihnen aus demagogischen Gründen aufgestellten sozialen Punkte widersetzen werden.

Ich möchte für unsere Massenagitation noch auf eine weitere günstige Gelegenheit zur Mobilisierung der Bauern verweisen, und zwar unter Anlehnung an die Blut-und-Boden-Terminologie (Blubo-Theorie) der Nazipropaganda. Da wir für die Befriedigung der Bodennot der werktätigen Bauern durch die Enteignung des Großbesitzes sind, so könnten wir in unserer Bauernagitation den Punkt 17 des Naziprogramms[58] herausgreifen, in dem die "Schaffung eines Gesetzes zur unentgeltlichen Enteignung von Boden für gemeinnützige Zwecke" und die "Abschaffung des Bodenzinses" gefordert werden. Warum sollen wir uns diese günstige Gelegenheit entgehen lassen, unter Berufung auf das Naziprogramm unsere Bauernagitation zu betreiben?

Bei der allgemeinen Unterdrückung, die von den Faschisten gegen jede freiheitliche Bewegung mit aller Rigorosität durchgeführt wird, ist die Schaffung einer Ideologie des Freiheitskampfes und einer Freiheitsbewegung, die auch breite Kreise des Bürgertums erfaßt, dringend notwendig. Der Haß gegen die Willkür der braunen Bonzen, gegen ihre Korruption, gegen ihr gutes Leben, die Empörung über die Rechtlosigkeit, über die Unterdrückung und die faschistische Barbarei, der Wille zur Freiheit, zum Mitbestimmungsrecht des deutschen Menschen im Staat und in der Wirtschaft ‑ das alles muß von uns für die Schaffung dieser Freiheitsideologie ausgewertet werden.

Millionen von Menschen sind heute in Deutschland von dem faschistischen Regime beengt und bedrückt und über die eine oder andere Maßnahme dieses Regimes empört. Alle diese Ströme der Unzufriedenheit müssen in das große Meer des Volkswiderstandes gelenkt werden. So werden wir die wahre antifaschistische Volksfront in Deutschland zum Sturz der faschistischen Diktatur schaffen. Aber eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Sprache, die wir in unserer Agitation und in der Organisierung des Kampfes führen. Sie muß gerade auf diese Freiheitsideologie außerordentlich stark eingestellt werden, damit wir wirklich das Verständnis des werktätigen Volkes und den Kontakt mit ihm finden.

Von großer Bedeutung für die Schaffung der antifaschistischen Volksfront ist der Kampf, der gegenwärtig von den Nazis mit aller Rücksichtslosigkeit gegen die Katholiken als eine Art von Kulturkampf geführt wird. Im Regierungsbezirk Münster wurden sofort im Anschluß an den Naziparteitag in Nürnberg alle katholischen Arbeitervereine wegen "staatsfeindlicher Betätigung" von der Gestapo verboten. Es ist das der Kampf, der auch gegen die katholischen Jugendorganisationen geführt wird und der eine völlige Zerschlagung der katholischen Organisationen zum Ziele hat. Es werden davon mindestens fünf Millionen Menschen betroffen, die um die Existenz ihrer Organisationen kämpfen. Da 30 Prozent der deutschen Bevölkerung katholisch sind, werden, weit über diese fünf Millionen hinaus, breite Kreise von diesem Kampf berührt.

Wir müssen den Katholiken in ihrem gerechten Kampf gegen die faschistische Diktatur reale Hilfe leisten und uns mit ihnen in diesem Kampfe verbünden. Das wird uns die größten Möglichkeiten in der Schaffung der Volksfront geben. Natürlich wollen die katholischen Kirchenfürsten keine Revolution gegen Hitler, aber wenn erst einmal die katholischen Massen gegen Hitler in Bewegung geraten sein werden, dann wird es nicht mehr von dem Willen der Kirchenfürsten abhängen, wohin diese Bewegung geht, wenn wir verstanden haben werden, sie in die Volksfront einzubeziehen.

Haben wir nun in unserer bisherigen Massenagitation eine solche Linie gegenüber den katholischen Organisationen verfolgt? Niemand wird das behaupten wollen; im Gegenteil, wir haben auch hier ein sehr starkes Sektierertum und bedürfen einer sehr ernsten radikalen Wendung auf diesem Gebiet. Wir dürfen keine Angst vor einer solchen Massenbewegung haben, auch wenn sie gegenwärtig von Losungen getragen wird, die noch nicht die unsrigen sind. Ich möchte als Beispiel, wie notwendig eine Wendung in dieser Arbeit für die Partei ist, auf einen Artikel in der "Internationale" vom Herbst 1934 verweisen, zu einer Zeit also, als die katholische Opposition schon breite Formen angenommen hatte. Es heißt dort:

In manchen Teilen des Landes sind wir im Bewußtsein der Massen die Verbündeten der katholischen Opposition gegen das Regime, anstatt daß wir als die Führung der gesamten werktätigen Opposition gegen das Hitlerregime anerkannt werden. In diesen Gebieten bedarf es noch einer besonderen Arbeit, denn die irregeführten katholischen Werktätigen könnten mit den vom Prager Vorstand beeinflußten Sozialdemokraten zusammen bei einer Formveränderung der faschistischen Diktatur (zum Beispiel nach der Seite der Monarchie hin) eine neue Massenbasis für eine veränderte Kapitalsdiktatur darstellen, wenn wir dies nicht heute schon durch unsere ideologische Arbeit und durch die Organisierung der Massenkämpfe verhindern, wenn wir nicht zum Hegemon des antifaschistischen Kampfes im ganzen Lande werden.

Es wird also die Forderung der Anerkennung der Partei als Hegemon, als Führerin des antifaschistischen Kampfes, gestellt. Zum Hegemon des antifaschistischen Kampfes werden wir Kommunisten aber nur dann werden, wenn wir es verstehen, uns kühn in alle Bewegungen gegen die faschistische Diktatur einzuschalten und, von den Interessen der werktätigen Massen ausgehend, die breite Kampffront zu organisieren. Von diesen Massen aber fordern, daß sie uns als ihre Führung anerkennen, heißt von vornherein das Zustandekommen der Einheits- und Volksfront in Frage stellen.

Von sehr großer Bedeutung für die Schaffung der antifaschistischen Volksfront ist die Gewinnung der werktätigen Bauernschaft. Unsere Bauernagitation in der Zeit vor Hitler hatte gewisse außerordentliche Schwächen. Das betraf sowohl die Sprache unserer Agitation wie auch den Mangel an organisatorischen Stützpunkten im Dorfe. Die Agitation wurde sehr sporadisch, meistens durch gelegentliche Landsonntage oder durch unsere aufs Land ziehenden Sportler betrieben. Es fehlte dieser Agitation jede Systematik und vor allen Dingen die Kenntnis der Verhältnisse im Dorfe, die sehr unterschiedlich in den verschiedensten Teilen des Reiches sind. Immerhin hatten wir doch gewisse Erfolge in unserer Bauernagitation, was sich zum Teil auch bei den Parlamentswahlen im Dorfe bemerkbar machte.

Genosse Ernst Thälmann hat, besonders gelegentlich der Wahlagitation, wiederholt sehr gute Versuche unternommen, einen engeren Kontakt der Partei mit der Bauernschaft herzustellen. Ich erinnere nur an seine Verbindungen mit den Eifelbauern und an seine Bauernagitation in Oldenburg, wo er im Mai 1931 das erste Bauernhilfsprogramm[59] proklamierte. Der Erfolg dieser Agitation war, daß eine Gruppe norddeutscher Bauernführer, die früher mit den Faschisten verbunden waren, sich der Kommunistischen Partei zuwandte. Aber die Partei hat doch nicht verstanden, die Erläuterung dieses Bauernhilfsprogramms richtig in Angriff zu nehmen und damit dem wachsenden Einfluß der Faschisten auf dem Lande entgegenzutreten.

Unter der Hitlerdiktatur verloren wir fast alle Verbindungen mit dem Dorfe, wo der Faschismus seine volle Herrschaft aufrichtete. Erst allmählich ist es wieder gelungen, zum Dorfe die Verbindungen herzustellen, was durch den Stimmungsumschwung im Dorfe wesentlich begünstigt wurde. Die Lage der werktätigen Bauernschaft hat sich in den zwei Jahren und acht Monaten der faschistischen Herrschaft keineswegs gebessert, sondern merklich verschlechtert, was eine wachsende Enttäuschung und teilweise Erbitterung unter den Klein- und Mittelbauern und den Landarbeitern auslöst.

Von den Faschisten wurden drei große Maßnahmen im Dorfe durchgeführt: 1. die agrarische Marktordnung, 2. das Erbhofgesetz und 3. die Bindung der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte. Diese Maßnahmen waren im wesentlichen diktiert von den Interessen der imperialistischen Rüstungspolitik und von den ökonomischen Interessen der Großagrarier und Großbauern.

Die agrarische Marktordnung enthält die Zwangsablieferungspflicht, das Verbot des Selbstmarktens und damit die Unterbindung jedes freien Verkaufs der selbständigen Erzeuger. Da die staatlich festgesetzten Preise erheblich unter den Preisen liegen, die auf dem freien Markt von den Bauern erzielt werden können, ist es klar, daß die Bauern sehr unzufrieden mit dieser Regelung sind und die Vorschriften in jeder Weise zu umgehen versuchen, was andererseits zu Zusammenstößen mit den faschistischen Amtspersonen führt.

Die Einführung des Erbhofgesetzes bedeutete die Heraushebung einer privilegierten Schicht wohlhabender Bauern als Massenstütze des Faschismus im Dorfe. Von den rund 3 Millionen landwirtschaftlicher Betriebe sind etwa 845 000 Betriebe mit ungefähr der Hälfte des landwirtschaftlich genutzten Bodens Erbhöfe. Den Erbhofbauern sind gewisse Sonderrechte eingeräumt. Sie erhalten staatliche Subventionen und Steuererleichterungen, während die übrigen Bauern wachsender Not ausgesetzt sind. Der durch das Erbhofgesetz aus dem Grundstücksverkauf herausgenommene Bodenbesitz hat den für den freien Markt verfügbaren Boden außerordentlich vermindert, was zu einem unerhörten Bodenwucher und zu einer Steigerung der Bodenpreise geführt hat.

Das alles sind Maßnahmen, die die Existenz des Bauern im Dorfe immer mehr gefährden. Von der Not des Klein- und Mittelhauern zeugt die wachsende Zahl der Pfändungen landwirtschaftlichen Bodens. Die Zwangsvollstreckungen haben 1934 um 24 Prozent zugenommen. In einzelnen klein- und mittelbäuerlichen Bezirken, wie im Rheinland, in Hessen, in der Pfalz, ist die Zahl der Zwangsvollstreckungen sogar um 300 Prozent gestiegen.

Die Bindung der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte, der Landarbeiter und werktätigen Bauern, durch das Gesetz vom 15. Mai 1934 hat die Freizügigkeit dieser Schichten vollständig aufgehoben. Dazu kommt die massenhafte Verschickung jugendlicher Arbeitsloser als Landhelfer und schulentlassener Proletarierkinder in Form des "Landjahres" auf die großen Güter, wo sie als fast unbezahlte Zwangsarbeiter den Landarbeitern eine große Konkurrenz bereiten und deren wirtschaftliche Lage bis zur Unerträglichkeit verschlechtern. Die ansässigen Gutsarbeiter werden unter Anwendung fronwirtschaftlicher Überreste, insbesondere durch die Wiedereinführung der Arbeitspacht, auf das schlimmste ausgebeutet.

Wenn es auch bisher zu elementaren Ausbrüchen der Massenerbitterung im Dorfe nur in vereinzelten Ausnahmen gekommen ist, so wächst doch diese Erbitterung im Dorfe von Tag zu Tag. In vielen Teilen des Reiches machte sich diese angehäufte Mißstimmung der werktätigen Dorfbevölkerung auf dem Gebiete des Kirchenkampfes Luft. In Bayern, Württemberg, Ostpreußen, Brandenburg, in der Pfalz und im Rheinland kam es zu größeren Massenprotesten und Widerstandsaktionen, die auch zu gelegentlichen Zusammenstößen mit der bewaffneten Macht führten.

Die Bauernschaft ist gegen die Zwangsablieferung, gegen die Zinsknechtschaft, gegen die braunen Bonzen. Es ist unsere Aufgabe, diese wachsende Unzufriedenheit für die Schaffung der Volksfront im Dorfe auszunutzen. Wir müssen die Forderungen der Bauernschaft formulieren und ihren Protest in die Bahn organisierter Kämpfe lenken. Unsere bisherigen Versuche, unter der Hitlerdiktatur an die werktätigen Bauern heranzukommen, waren noch von wenig Erfolg. Unsere Agitation war viel zu allgemein, als daß wir damit das Vertrauen der Bauern hätten gewinnen hinnen. Wir haben nicht genügend die unterschiedlichen Verhältnisse in den verschiedenen agrarischen Gebieten des Landes berücksichtigt. In dem von uns im Herbst 1934 herausgegebenen Brief "An die werktätigen Bauern Deutschlands" sind nicht nur einige grundsätzliche taktische Fehler (Drohungen an die Mittelbauern) enthalten, das Dokument ist auch viel zu ausgeklügelt, als daß es eine ernste Wirkung in der Bauernschaft auslösen könnte.

Wo überhaupt Bewegungen auf dem Lande ausgelöst wurden, wie zum Beispiel beim Milchlieferungsstreik in Sachsen 1934, geschah das mehr auf dem Boden der von den Faschisten geleiteten Bauernorganisationen, ohne daß wir als Partei dabei genügend in Erscheinung traten. Jedenfalls stellt uns die wachsende Mißstimmung im Dorfe vor die sehr ernste Aufgabe, die engste Verbindung mit den werktätigen Bauern und organisatorische Stützpunkte für unsere Agitation im Dorfe zu schaffen. Wir werden bei der· Konkretisierung der vom VII. Weltkongreß gestellten Aufgaben besonders auf diese Aufgabe im Dorfe sehr eingehend Bezug nehmen müssen.

Die Lage des städtischen Kleinbürgertums ist beinahe noch schlechter als die der werktätigen Bauernschaft. Auch hier ist eine große Enttäuschung über das faschistische Regime vorhanden. Von all den Versprechungen, die die Faschisten ihnen vor der Machtübernahme machten, haben sie überhaupt nichts gehalten. Nicht einmal solche staatlichen Maßnahmen, wie sie die Hitlerdiktatur für das Dorf traf, wurden für den städtischen Mittelstand ergriffen. Die soziale Demagogie der Faschisten hat am ehesten an der wachsenden Not des städtischen Kleinbürgertums Schiffbruch erlitten. Wenn wir auch dem städtischen Kleinbürgertum bei unserer Agitation viel näher stehen, als uns das im Dorfe bei den Bauern möglich ist, so ist es uns doch ebensowenig gelungen, stärkere Verbindungen mit diesen Schichten aufzunehmen.

Wir haben zwar in unsere Januarresolution in dem Kapitel über die Schaffung der Volksfront auch für das städtische Kleinbürgertum und die Intelligenz eine Reihe von Forderungen aufgenommen. Aber das will wenig bedeuten, wenn wir nicht verstehen, eine der Psychologie des städtischen Kleinbürgers angepaßte Agitation zu betreiben und an ihn mit den Fragen heranzutreten, die ihn besonders beschäftigen, über die er entweder empört ist oder durch die eine Verbesserung seiner Lage erwartet. Da der städtische Mittelstand, die bürgerliche Intelligenz wie auch die Bauernschaft die soziale Basis der faschistischen Diktatur bilden, ist es klar, daß wir bei der wachsenden Empörung dieser Schichten, die die Massenbasis des Faschismus äußerst gefährdet, unsere Agitation in diesen Schichten außerordentlich steigern, in ihren Organisationen arbeiten müssen, um dadurch die Einbeziehung dieser Schichten in die antifaschistische Volksfront zu beschleunigen.

Die Notwendigkeit der Gewinnung dieser Schichten ergibt sich besonders aus der Kriegsgefahr, die durch die Rüstungspolitik und die provokatorische Außenpolitik des Hitlerfaschismus sehr akut geworden ist. Die werktätigen Massen wollen nicht den Krieg. Die ungeheuren Kriegsrüstungen in Deutschland und die Einführung der allgemeinen Militärdienstpflicht erfüllen sie mit großer Sorge um die Erhaltung des Friedens. Es ist deshalb von außerordentlicher Bedeutung, wenn wir in den Mittelpunkt der Schaffung der Volksfront der großen deutschen Freiheitsbewegung den Kampf um die Erhaltung des Friedens und gegen den imperialistischen Krieg stellen.

In Deutschland steht es mit dem Kampf um die Erhaltung des Friedens etwas anders als in den meisten anderen kapitalistischen Ländern. Das Versailler Diktat hat den werktätigen Massen in Deutschland große Lasten auferlegt, und die Bourgeoisie versuchte, alle Schwierigkeiten der Nachkriegszeit auf die Bestimmungen des Versailler Vertrages zurückzuführen. Auch die faschistische Bewegung ist zu einem großen Teile unter Ausnutzung der Stimmungen gegen das Versailler Diktat zur Macht gelangt. Wir Kommunisten hatten demgegenüber große Versäumnisse in diesem Kampf und verstanden es nicht, das nationale Gefühl der Massen bei unserer Agitation zu berücksichtigen.

Genosse Dimitroff hatte durchaus recht mit seinen Ausführungen auf dem VII. Kongreß, wenn er sagte[60]:

In Deutschland haben unsere Genossen lange Zeit das verletzte Nationalgefühl und die Empörung der Massen gegen den Versailler Friedensvertrag nicht genügend berücksichtigt. Sie haben sich zu den Schwankungen der Bauernschaft und des Kleinbürgertums geringschätzig verhalten. Sie sind mit dem Programm der sozialen und nationalen Befreiung zu spät hervorgetreten. Und auch in der Folge verstanden sie nicht, es den konkreten Bedürfnissen und dem Niveau der Massen entsprechend anzuwenden, ja sie verstanden nicht einmal, es unter den Massen umfassend zu popularisieren.

Das ist durchaus richtig. Die Faschisten versuchen, mit Hilfe des Chauvinismus unter Ausnutzung des verletzten Nationalgefühls auch in solche Kreise einzudringen, die sonst dem Faschismus ablehnend gegenüberstehen. Der Chauvinismus ist eine scharfe Waffe in den Händen der Faschisten.

Die Reden, die Hitler, Goebbels, Frank, Rosenberg wie Überhaupt fast alle Redner auf dem Naziparteitag in Nürnberg gegen die Sowjetunion und gegen den Bolschewismus gehalten haben, sind auf die chauvinistische Verhetzung der Volksmassen berechnet. Wir müssen demgegenüber sehr konkret die Frage stellen, wie wir am besten den Chauvinismus bekämpfen können. Dabei müssen wir beachten, daß unsere Argumentation gegen den Chauvinismus in der Arbeiterklasse eine andere sein muß als unter dem Mittelstand, unter den Intellektuellen und unter der Bauernschaft.

In der Arbeiterklasse müssen wir der chauvinistischen Propaganda, die eine Abart. der faschistischen Volksgemeinschaftspropaganda ist, die Idee des Klassenkampfes und des proletarischen Internationalismus entgegenstellen, den unüberbrückbaren Gegensatz zwischen den Ausgebeuteten und den Ausbeutern aufdecken und nachweisen, daß nur die Ausbeuter ein Interesse am Kriege und an der Eroberung fremder Länder haben.

In den anderen sozialen Schichten müssen wir zur Bekämpfung der chauvinistischen Propaganda an ihre speziellen Interessen, ihre besonderen Erlebnisse und ihre eigenen Erfahrungen anknüpfen, um von diesem Standpunkt aus ihnen begreiflich zu machen, daß die chauvinistische Hetze nur der Vorbereitung des Krieges dient, und ihnen in diesem Zusammenhang die Folgen eines imperialistischen Krieges für ihre ganze materielle Lage aufzeigen. Auch das muß wieder gesondert nach den einzelnen Schichten geschehen, wenn auch der Krieg sich allgemein auf die gesamten werktätigen Klassen in der fürchterlichsten Weise auswirkt. Aber die Mentalität dieser Schichten ist eben sehr unterschiedlich, und wir kommen an sie nicht heran, wenn wir bei ihnen Argumente verwenden, die nur von Arbeitern verstanden werden. Wir müssen darauf bei unserer Agitation Rücksicht nehmen.

Der Faschismus versucht, das Versailler Diktat für die chauvinistische Verhetzung der Massen und für seine Kriegspolitik auszunutzen. Wir müssen verstehen, daß das Versailler Diktat im Bewußtsein der Massen auch jetzt noch eine große Rolle spielt. Wir Kommunisten sind für die restlose Beseitigung des Versailler Diktats und für die freiwillige Wiedervereinigung aller durch dieses Diktat auseinandergerissenen Teile des deutschen Volkes in einem freiheitlichen Deutschland. Das soll nicht durch den Krieg, sondern auf dem Wege der Freiwilligkeit und einer friedlichen Verständigung mit den anderen Völkern erfolgen. Hitlers Politik aber treibt Deutschland in den Krieg und führt zu einer neuen Niederlage. Unter dieser Parole müssen wir unseren Kampf für die Erhaltung des Friedens führen.

In diesem Kampf für die Erhaltung des Friedens müssen wir sehr stark die Friedenspolitik der Sowjetunion in den Vordergrund stellen. All das, was von der Sowjetunion in den letzten Jahren zur Erhaltung des Friedens getan wurde, der Eintritt in den Völkerbund, der Abschluß von Nichtangriffspakten, der Abschluß von Sicherheitsverträgen und nicht zuletzt auch die große Verstärkung der Roten Armee, Flotte und Luftflotte, muß eng mit den Interessen der werktätigen Massen verbunden und ihnen gezeigt werden, daß wir wahrscheinlich längst schon den Weltkrieg hätten, wenn nicht die Sowjetunion sich im Interesse der werktätigen Massen der ganzen Welt für die Erhaltung des Friedens eingesetzt hätte. Wir müssen in allen unseren Schriften, Flugblättern, Zeitungsartikeln diese Friedensrolle der Sowjetunion zeigen und ihr die provokatorische Außenpolitik der Hitlerregierung und deren Hetze gegen die Sowjetunion gegenüberstellen; an Hand von Tatsachen, besonders der Nürnberger Parteitagsreden, müssen wir beweisen, daß unsere These "Hitler ist der Hauptbrandstifter des Weltkrieges" absolut den Tatsachen entspricht und richtig ist.

Ich möchte dieses Kapitel nicht abschließen, ohne an die Ausführungen zu erinnern, die Genosse Dimitroff auf dem VII. Weltkongreß über die Sprache unserer Schriften, Zeitungen und Flugblätter gemacht hat. Es waren gerade Erfahrungen unserer Partei, die dem Genossen Dimitroff den Anlaß zu einer scharfen Kritik gaben. Ein paar Sätze seien aus dieser Kritik und diesen Ratschlägen hervorgehoben[61]:

Jeder von uns muß sich folgende elementare Regel wie ein Gesetz, wie ein bolschewistisches Gesetz gründlich zu eigen machen: Wenn du schreibst und sprichst, so mußt du stets an den einfachen Arbeiter denken, der dich verstehen, deinem Rufe glauben und dir mit Bereitschaft folgen soll! Du mußt daran denken, für wen du schreibst und zu wem du sprichst.

Wir sollten uns das alle sehr genau einprägen und immer daran denken, wenn wir die Feder zur Hand nehmen. Leider können wir unter den illegalen Bedingungen nicht in Versammlungen zu den Arbeitern sprechen. Wenn wir Rückschau auf unsere bisherige Agitation halten, auf den Inhalt unserer "Roten Fahne" vor und nach Hitlers Machtergreifung, auf unsere Flugblätter, so darf es uns nicht wundernehmen, wenn wir trotz der günstigen Lage und des großen Vertrauens, das die Kommunistische Partei bei den Massen besitzt, nicht größere Erfolge in der Gewinnung der Massen erzielten. Wir haben einfach nicht verstanden, den Massen klarzumachen, wofür und warum der Kampf geführt werden muß. Wir sprachen zu den Massen wie zu Parteifunktionären, und leider haben auch diese uns vielfach nicht verstanden. Statt daß wir uns bemühten, an Hand von Tatsachen die Notwendigkeit unserer Forderungen zu beweisen, statt daß wir unsere Losungen an die die Massen bewegenden Fragen anknüpften, glaubten wir den Massen durch eine gewisse Prahlerei imponieren oder in Form von Anweisungen Befehle erteilen zu können. Was in unserer Presse vor und nach Hitlers Machtergreifung in dieser Beziehung geleistet worden ist, hier wiederzugeben, würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Ich möchte nur ein Beispiel aus der letzten Zeit herausgreifen. Als der Hitlerfaschismus bei dem Plebiszit an der Saar einen überraschenden Sieg errungen hatte, schrieb unsere "Arbeiterzeitung" in Saarbrücken am Tage nach der Abstimmung mit großer Schlagzeile auf der ersten Seite: "Hitler an der Saar geschlagen!" Wie sollen uns da die Arbeiter ernst nehmen?

Natürlich hängt die Wendung in der Massenarbeit, sowohl was den Inhalt wie die Sprache unserer Massenagitation angeht, sehr viel von der Qualität unserer Kader ab. Unsere illegale Literatur muß mit vieler Mühe und unter großen Gefahren hergestellt und verbreitet werden. Viele unserer Genossen haben diese Arbeit schon mit ihrem Leben bezahlen müssen. Um so mehr sollten wir uns genau überlegen, was und wie wir schreiben sollen, um auf dem kleinsten Raum so verständlich wie möglich für den Arbeiter zu werden. Einen Artikel für unsere "Rote Fahne" von zwei bis drei Schreibmaschinenseiten zu schreiben ist eine sehr große und sehr verantwortliche Arbeit. Wir müssen da sehr sorgfältig versuchen, die besten Argumente, die besten Wortbilder zu finden, an die Argumente unserer Gegner anknüpfen, jedes ihrer Schlagworte in geschickter Weise ausnutzen, das bekanntgewordene Tatsachenmaterial geschickt einflechten, dabei nicht übertreiben, sondern in der einfachsten Weise die Dinge behandeln. Jede Nummer unserer "Roten Fahne" muß geeignet sein, unseren Genossen im Lande zu helfen, sie politisch zu erziehen, ihnen eine Anleitung zum Handeln zu geben. Sie muß für den Arbeiter zu einem Erlebnis werden, sie muß ihm immer wieder neuen Mut und neue Kraft zu der sehr gefährlichen illegalen Arbeit geben. Das alles trifft auch für unsere Flugblätter, Broschüren. Traktätchen und andere Literatur zu.

6. Das Problem unserer Kaderpolitik

Aus den Ausführungen, die Genosse Dimitroff in dem Schlußwort zu seinem Referat über die Kaderfrage machte, müssen gerade wir außerordentlich viel lernen, sie gehen uns ganz besonders an.

Wir haben durch die Aufrichtung der faschistischen Diktatur einen sehr großen Verlust an Kadern gehabt. Es gelang den Faschisten, viele unserer Funktionäre zu verhaften. Viele von ihnen sitzen noch in den Konzentrationslagern, viele waren genötigt, in die Emigration zu gehen, und viele wurden erschlagen.

Wir haben eine Aufstellung über den Verbleib unserer zentralen Funktionäre gemacht, also der Genossen aus dem Zentralkomitee, der leitenden Funktionäre aus den Bezirken und Massenorganisationen. Diese Aufstellung umfaßt 422 Funktionäre. Davon wurden 219 verhaftet und größtenteils verurteilt, 125 mußten in die Emigration gehen, 24 wurden ermordet.

Prozentual ergibt sich folgendes Bild: von den 422 in der Statistik erfaßten Funktionären wurden 52 Prozent verhaftet, 5 Prozent ermordet, 10 Prozent schieden aus der Partei aus. 33 Prozent befinden sich noch in Freiheit. Dieses Verhältnis trifft allerdings nicht auf den gesamten Kaderbestand der Partei zu, weil die Faschisten am meisten die führenden Genossen verfolgten und einkerkerten, aber es ist sicher, daß unsere Kaderverluste durch den faschistischen Terror außerordentlich umfangreich sind.

Wir müssen hier ernste Kritik an uns selbst üben, besonders auch an der Führung der Partei, daß wir nicht genügend Sicherungen für den Schutz der Kader getroffen haben, daß wir die Partei nicht rechtzeitig und ausreichend für die Umstellung auf die Illegalität erzogen haben und daß wir selbst das Opfer einer gewissen Legalitätsillusion nach Aufrichtung der Hitlerdiktatur geworden sind. Die Tatsache, daß die Hitlerregierung nach ihrem Machtantritt Reichstagswahlen ausschrieb, hat nicht nur die Sozialdemokratie dazu veranlaßt, unsere Kampfangebote zum Generalstreik mit dem Hinweis abzulehnen, daß erst abgewartet werden müsse, ob sich Hitler in den legalen Grenzen halten werde, auch wir wurden durch die Ausschreibung der Reichstagswahl veranlaßt, nicht sofort bei Aufrichtung der faschistischen Diktatur die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen für unsere Kader zu treffen.

Nur so ist es zu verstehen, daß am frühen Morgen nach der Reichstagsbrandprovokation die Faschisten vermochten, eine große Anzahl unserer führenden Funktionäre in allen Teilen des Reiches zu verhaften, meistens in ihren legalen Wohnungen. Viele haben das mit ihrem Leben bezahlen müssen. Es wurden aber auch sonst sehr schwere Verstöße gegen die Regeln der Konspiration begangen, die uns in der ganzen Zeit seit der Aufrichtung der Hitlerdiktatur sehr ernste Verluste unserer Kader gebracht haben.

Aus einer Zusammenstellung ergibt sich, daß bis Anfang Juni 1933 von 22 Bezirksleitungen 17 verhaftet wurden. Eine andere Zusammenstellung, die Anfang April 1935 abgeschlossen wurde, ergibt in bezug auf den Wechsel der Leitungen infolge von Verhaftungen folgendes Bild:

Die 8. Leitung, wo also 7 Leitungen vorher verhaftet wurden, hat der Bezirk Baden.

Die 7. Leitung haben 3 Bezirke (Wasserkante, Ruhrgebiet, Hessen-Frankfurt).

Die 6. Leitung hat Südbayern.

Die 5. Leitung haben 7 Bezirke (Ostpreußen, Oberschlesien, Schlesien, Magdeburg, Thüringen, Bremen, Niederrhein).

Die 4. Leitung haben 9 Bezirke (Berlin, Brandenburg, Dresden, Halle-Merseburg, Niedersachsen, Hessen-Kassel, Saargebiet, Württemberg, Nordbayern).

Die 3. Leitung haben 3 Bezirke (Pommern, Danzig, Leipzig).

Die 2. Leitung hat Mecklenburg.

Gegenwärtig sind ohne Leitungen Saargebiet, Thüringen, Halle-Merseburg, Bayern.

Vielfach bestehen die Leitungen aus uns unbekannten Genossen. Es ist aber charakteristisch, daß immer wieder sofort Genossen an die Stelle von verhafteten Genossen treten, nur daß wir es erst nach längerer Zeit erfahren.

Diese Verluste zeigen nicht nur die Fehler und Mängel in der Behandlung unserer Kader, daß wir nicht genügend versucht haben, rechtzeitig die verantwortlichen Funktionäre nach einer längeren Tätigkeit an einem Orte auszuwechseln, um sie vor Verrat oder faschistischer Verfolgung zu schützen, daß wir nicht genügend Gewicht auf die Erziehung zur Konspiration gelegt haben, sie zwingen uns auch, alle Maßnahmen zu ergreifen, um neue Kader zu gewinnen und zu erziehen und in der Behandlung unserer Kader viel größere Sorgfalt als bisher zu üben. Das Wort von Stalin, daß die Kader alles entscheiden, gilt im besonderen auch für die Lage unserer Partei in der gegenwärtigen Situation.

Wir können mit Stolz auf unsere unter der Führung des Genossen Thälmann erzogenen Kader blicken. Unsere Genossen im Lande beseelt nicht nur Standhaftigkeit, Kühnheit und Opfermut, sondern sie sind es auch, die fortgesetzt neue Methoden in der Agitation unter den illegalen Bedingungen erfinden und die das große Verdienst daran tragen, daß weder die Partei zertrümmert noch ihr bolschewistischer Kampfgeist unterdrückt werden konnte.

Es ist sehr richtig, was Genosse Dimitroff auf dem Kongreß forderte, daß wir die Vorbilder, die wir in unseren besten Kadern haben, popularisieren, erzieherisch ausnützen und neben ihnen die Fälle von Kleinmut, Spießertum, Fäulnis und Schwäche in das rechte Licht stellen müssen.

Der Umstand, daß die Partei nicht arm ist an heldenhaften Vorbildern und fähigen Kräften und daß uns auch der Übertritt sozialdemokratischer Arbeiter und Funktionäre zur Kommunistischen Partei neuen Zufluß an Kräften gebracht hat, gibt uns die Gewähr, daß wir auch in Zukunft unseren Kaderbestand nicht nur auf gleicher Höhe zu halten, sondern auch in bedeutendem Maße zu verbessern in der Lage sein werden. Die kommenden Kämpfe der Partei werden noch höhere Anforderungen an die Standhaftigkeit, die Kühnheit und den Opfermut unserer Kader stellen, als sie bisher unter der faschistischen Diktatur bereits an sie gestellt wurden. Gerade darum ist es eine dringende Notwendigkeit, daß sich die Parteiführung in der sorgfältigsten Weise um die Heranbildung, Auslese, Erhaltung und Behandlung unserer Kader kümmert. Genosse Dimitroff hat uns darauf verwiesen, daß eine richtige Kaderpolitik für uns eines der wesentlichsten Probleme ist. Wir werden zur Erfüllung dieser Aufgabe sehr konkrete Maßnahmen beschließen, die nicht nur von der Parteiführung, sondern auch von unseren Leitungen im Lande unbedingt durchgeführt werden müssen.

7. Das Problem der Führung der Partei

Mit der Verhaftung des Genossen Ernst Thälmann wurde der Partei nicht nur der eigentliche Führer, sondern auch dem Politbüro die stärkste Kraft bei der Durchführung der von der Kommunistischen Internationale in Gemeinschaft mit der deutschen Partei beschlossenen Linie und ihrer konkreten Anwendung in Deutschland genommen. Die Autorität, die der Genosse Thälmann sowohl innerhalb der Parteiführung als auch in der gesamten Partei und in der deutschen Arbeiterklasse besaß, stützte sich darauf, daß er wie kaum ein anderer das Wesen der Massenpolitik begriffen hatte und neben seiner politischen Orientierung ein außerordentlich feines Fingerspitzengefühl für die Probleme hatte, die vor der Partei standen.

Den Genossen sind die Differenzen bekannt, die sich 1932 in der Führung der Partei entwickelten, als unter Führung von Neumann gegen die Politik des Genossen Thälmann, die die Politik der Kommunistischen Internationale war, ein ernster Kampf geführt wurde. Er verhinderte es, daß die Wendung der Partei zur Einheitsfront im Kampfe gegen die faschistische Gefahr, daß die Einstellung der Partei auf diese Politik konsequent durchgeführt wurde.

Ich möchte aus der Periode dieses Kampfes in der Führung nur ein paar Beispiele für die sektiererische Politik von Neumann hervorheben, weil sie uns die Schwierigkeiten aufzeigen, warum in der Zeit vor der Hitlerdiktatur die Partei es nicht vermochte, eine wirklich konsequente Einheitsfrontpolitik und eine richtige Gewerkschaftspolitik durchzuführen.

Ich habe schon an anderer Stelle auf die von Neumann vertretene sektiererische Politik hingewiesen, die auf einer Unterschätzung der faschistischen Gefahr, auf einer falschen Einstellung gegenüber den sozialdemokratischen Arbeitern und auf einer direkten Sabotage der Einheitsfront beruhte, die Neumann mit der Losung "Rote Arbeiterfront" zu ersetzen versuchte. Bekannt ist auch die von Neumann ausgegebene Losung "Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft!", die uns einen Einbruch in die Arbeiteranhängerschaft der Nazis fast unmöglich machte. Unter starker Beeinflussung von Neumann wurde von verschiedenen Genossen auch versucht, unsere Gewerkschaftspolitik in absolut sektiererische Bahnen zu drängen, und zwar mit den Losungen der Beitragssperre, der Gründung roter Verbände und der "Zertrümmerung des ADGB" und der Bezeichnung der Gewerkschaften als "Lohnraub-Gewerkschaften". Diese Politik von Neumann, die Remmele unterstützte, machte es notwendig, Neumann und Remmele aus der Führung der Partei zu entfernen. Das geschah auf der Oktoberkonferenz 1932.

Aber, Genossen, die Zeit vom Oktober 1932 bis zum Januar 1933, als die faschistische Diktatur errichtet wurde, bis zum Eintritt in die Illegalität, war zu kurz, um nach der Entfernung von Neumann und Remmele aus der Führung es dem Genossen Thälmann zu ermöglichen, wieder eine feste, einheitliche, kollektive Führung zu schaffen. Zwar herrschte in den politischen Fragen meistens Übereinstimmung, aber die durch Neumann in die Führung hineingetragenen sektiererischen Einstellungen waren keineswegs überwunden. Das gibt eine Erklärung dafür, daß diese sektiererischen Einstellungen wieder stärker in Erscheinung traten, als es den Faschisten gelungen war, den Genossen Thälmann durch die Verhaftung der Führung der Partei zu entreißen.

Was ich in dem Kapitel über unser Verhältnis zur Sozialdemokratie an Entgleisungen in der Führung darlegte, sind die Überreste der sektiererischen Politik, deren Prototyp Neumann war, die sich auch in anderen Fragen unserer Parteipolitik bemerkbar machten und dazu führten, daß es seit der Verhaftung von Thälmann keine homogene Führung der Partei gab, sondern von der Mehrheit des Politbüros eine durchaus sektiererische Politik betrieben wurde, die im offenen Gegensatz zu der von der Kommunistischen Internationale befolgten Linie stand. Das ist gewiß nicht von den Genossen gewollt worden, und das mag der Mehrheit des Politbüros nicht immer zum Bewußtsein gekommen sein, aber das Ergebnis war das gleiche. Diese sektiererischen Abweichungen der Mehrheit des Politbüros beruhten auf einer unmarxistischen oder jedenfalls falschen Einschätzung der Lage, einer unrichtigen Einschätzung des Faschismus und der Sozialdemokratie und der Kraft der Partei. Deshalb mußte auch die Perspektive dieser Genossen falsch sein.

Die außerordentlich komplizierte Lage in Deutschland und die sich daraus für die Partei ergebenden ebenso komplizierten Aufgaben erfordern eine völlig einheitliche, von der Richtigkeit und der Notwendigkeit der vom Kongreß beschlossenen neuen taktischen Orientierung überzeugte kollektive Führung. Es steht also vor der Parteikonferenz die nicht minder wichtige Aufgabe, neben der Herausarbeitung einer klaren marxistischen Analyse der Lage und Perspektive, der neuen taktischen Orientierung und der konkreten Aufgaben für die Anwendung der Beschlüsse des VII. Weltkongresses die Garantien für deren Durchführung auch in der Wahl einer festen, homogenen Parteiführung zu schaffen. Es ist leider eine Tatsache, daß die Partei seit der Verhaftung des Genossen Thälmann eine solche Führung nicht mehr besessen hat.

II. Die Analyse der gegenwärtigen Lage in Deutschland

1. Was geht in der Arbeiterklasse vor?

Die gegenwärtige Lage in Deutschland wird durch eine neue Steigerung der Massenunzufriedenheit gekennzeichnet, wobei das Neue darin liegt, daß diese Steigerung der Unzufriedenheit mit einer beginnenden Aktivierung der Betriebsbelegschaften zusammenfällt.

In Deutschland spielen sich in den letzten Monaten Vorgänge ab, die von einer außerordentlichen Verschärfung der Situation durch die wachsende Opposition gegen das Hitlerregime und durch die von diesem ergriffenen Maßnahmen zur Niederringung der Opposition zeugen. Die Reden, mit denen die faschistischen Führer, wie Hitler, Goebbels, Frick, Göring, Streicher, Rosenberg und andere Naziführer, in der letzten Zeit, besonders auf ihrem diesjährigen Nürnberger Parteitag, auftraten, enthalten fast durchweg: Drohungen gegen die verschiedenen "Staatsfeinde" , denen mit ihrer Ausrottung gedroht wird.

Wir haben in Deutschland eine gesteigerte Aktivität der deutschen Arbeiterklasse, und auch die Unzufriedenheit der übrigen werktätigen Schichten, der städtischen Kleinbürger und der werktätigen Bauernschaft, macht sich in immer stärkerer Opposition gegen das Regime bemerkbar. Die faschistische Diktatur hat die größte Angst vor der Vereinigung dieser Ausbrüche der Unzufriedenheit des Kleinbürgertums und der Bauernschaft mit der immer stärker werdenden Widerstandsbewegung der Arbeiterklasse. Sie sucht sie teils durch gesteigerten Terror, teils durch Manöver zu verhindern, die bisher unbekannt waren und etwas Neues in der Taktik der Hitlerregierung darstellen.

Ich habe schon an anderer Stelle aufgezeigt, daß die Maßnahmen der Hitlerregierung gegen die katholische Bewegung, gegen den Stahlhelm und gegen die Juden wie vor allem gegen die Kommunisten der Versuch sind, die Oppositionsbewegung einzuschüchtern und ihr jede organisatorische Basis zu nehmen, andererseits aber gewisse Konzessionen an diese Oppositionsströmungen darstellen, um ihnen, wie die Faschisten glauben, den "Wind aus den Segeln zu nehmen". Gegenüber der Arbeiterklasse wird die tatsächlich vorhandene Teuerung in der faschistischen Presse zugegeben und sogar die Lohnfrage gestellt. Auch der Opposition in den eigenen Reihen, innerhalb der SA und SS, werden gewisse Konzessionen gemacht, wie zum Beispiel in der Ernennung des Grafen Helldorf zum Polizeipräsidenten von Berlin und jetzt auf dem Naziparteitag in der von Hitler angekündigten Übertragung von Staatsfunktionen an die Nazipartei.

Worin liegt das Neue in diesen Maßnahmen der Hitlerregierung? Während sie am 30. Juni 1934 noch mit äußerster Brutalität gegen die Opposition im eigenen Lager vorging, vermag sie das heute nicht mehr. Die Ursache hierfür liegt darin, daß in der Arbeiterklasse eine Widerstandsbewegung eingesetzt hat, die es der Hitlerregierung für geraten erscheinen läßt, vorsichtiger gegen die Opposition im eigenen Lager vorzugehen. Die auf dem Hitlerparteitag erhobenen Drohungen gegen die Staatsfeinde sollen diese Schwäche des Regimes verschleiern.

Seit dem Juni dieses Jahres zeigt sich in Deutschland eine Belebung des Widerstandes in den Betrieben, die ihre Ursache teils in objektiven, teils in subjektiven Faktoren hat. Wir können seit der Errichtung der faschistischen Diktatur drei Widerstandswellen in den Betrieben feststellen. Die erste Welle war im Sommer 1933, wo es zu einer Anzahl kleiner Streiks gegen die Maßregelung von Betriebsräten, gegen die Verhaftung populärer Arbeiter und die Schikanen der Nazikommissare kam. Dann folgte über ein ganzes Jahr, wo fast keine Widerstandsaktionen bemerkbar waren, und erst im Herbst und Winter 1934 setzte wieder eine kleine Belebung in den Betrieben ein, die hauptsächlich gegen die Zwangsabzüge für Winterhilfe, Luftfahrtspenden und Arbeitsfront-Beiträge gerichtet war. Ich erinnere dabei an die Widerstandsbewegungen in Oberschlesien, besonders auf der Königin-Luise-Grube, wo es gelang, einen Erfolg gegen den Abzug der Arbeitsfront-Beiträge vom Lohn zu erreichen. Erwähnen will ich noch die passive Resistenz in der AEG-Brunnenstraße in Berlin gegen die Abzüge für die Winterhilfe. Dann folgte wieder eine Pause, bis im Juni dieses Jahres die dritte Welle des Widerstandes einsetzte, die sich durch eine Reihe von passiven Resistenzen und auch Streiks auszeichnet, bei der es fast ausschließlich um Lohnforderungen geht, wofür die Ursache die vorhandene Teuerung bildet.

Die faschistische Presse verschweigt natürlich diese Bewegungen in den Betrieben. Nur von Zeit zu Zeit sickert etwas davon durch. So bringt zum Beispiel die "Deutsche Allgemeine Zeitung" vom 9. Juli eine Bekanntmachung des Treuhänders der Arbeit für Sachsen, Stiehler, mit folgendem Inhalt: "Die dem Treuhänder der Arbeit in den vergangenen Monaten vorgetragenen und von ihm bearbeiteten Fälle von Betriebsstreitigkeiten und Störungen des Arbeitsfriedens waren in der großen Mehrzahl verursacht durch: konfessionelle Fanatiker, Sektierer, ernste Bibelforscher, Vereinsmeier, besserwissende Eigenbrötler, unbelehrbare Sozialreformer und vom Standesdünkel Besessene. Die staatspolitisch interessante Entdeckung dabei war: in 90 von hundert Fällen waren die Streitbeschwörer Nichtmitglieder der Deutschen Arbeitsfront. Es war notwendig, in meinen Reden im Rahmen der Werbeveranstaltungen der Deutschen Arbeitsfront im Monat Juni 1935 darauf hinzuweisen und anzukündigen, daß die Störer des Arbeitsfriedens in Zukunft ohne Schonung aus den Betrieben entfernt werden. Ich bin entschlossen, mit der gebotenen und gesetzlich möglichen Strenge zu handeln."

Wenn ein Treuhänder des faschistischen Regimes schon in solchen Tönen Bekanntmachungen erlassen muß, so ist daraus zu entnehmen, daß diese "Störungen des Arbeitsfriedens" schon sehr umfangreich und sehr ernster Natur sein müssen.

In der offiziellen nationalsozialistischen Wirtschaftszeitschrift "Die Deutsche Volkswirtschaft" erschien in der Nr. 16 vom Juni 1935 ein Leitartikel, der die wachsende Beunruhigung der führenden Nazikreise über die in der Arbeiterklasse vor sich gehenden Prozesse ausdrückt. Es wird in dem Artikel offen zugegeben, daß die Finanzierung der Arbeitsbeschaffung nur den Industriellen und den Banken zugute kam und daß der Lohn der beschäftigten Arbeiter sich auf dem Niveau des Krisentiefpunktes von 1932 und, wie es heißt, "zum Teil wohl auch darunter" befindet. Die Zeitschrift erklärt aber, daß Lohnerhöhungen unmöglich seien, weil dadurch die Ausfuhr und die Rüstungen gefährdet würden.

Noch interessanter ist ein Artikel im "Völkischen Beobachter" vom 18. August, der sich mit der Lohnfrage beschäftigt und die Arbeiter von Lohnforderungen abzuhalten versucht. Es heißt dort: "Es hat keinen Zweck, die Löhne gewaltsam emporzutreiben. Das Interesse der Betriebsführer an guten Arbeitern besorgt das auf die Dauer viel wirkungsvoller."

Der Artikel trägt die bezeichnende Überschrift: "Der entscheidende Augenblick"; gemeint ist der Moment, in dem Lohnerhöhungen einsetzen werden und der viel näher herangerückt sei, als es äußerlich den Anschein habe. Hitler hätte selbst zugegeben, daß die Löhne unbefriedigend seien, aber sie würden einfach dadurch wachsen, daß durch die Vermehrung der Einstellungen von Arbeitern ein Mangel an Arbeitern einsetzen werde, der zu Lohnerhöhungen führen müsse.

Noch einen interessanten Beitrag zur Lage in den Betrieben bringt der "Völkische Beobachter" vom 21. August über eine Entscheidung des Reichsarbeitsgerichts unter der Überschrift: "Tariflohn-Verzicht ist unzulässig und strafbar!", worin auseinandergesetzt wird, daß die Zahlung eines untertariflichen Lohnes sowie ein Verzicht auf tarifliche Ansprüche nicht nur unzulässig, sondern auch strafbar seien.

Die Belebung des Widerstandes in den Betrieben zeigt auch die Entwicklung in der Deutschen Arbeitsfront. Ich habe schon an anderer Stelle auf die Verordnung Hitlers über die Aufgaben der Deutschen Arbeitsfront vom 24. Oktober 1934[62] hingewiesen. Im Punkt 7 dieser Verordnung wird der Arbeitsfront die Aufgabe gestellt: "[...] zwischen den berechtigten Interessen aller Beteiligten jenen Ausgleich zu finden, der den nationalsozialistischen Grundsätzen entspricht und die Anzahl der Fälle einschränkt, die nach dem Gesetz vom 20. Januar 1934[63] den zur Entscheidung allein zuständigen, staatlichen Organen zu überweisen sind."

Mit dieser Verordnung wurden gleichzeitig Beiräte der Reichsbetriebsgemeinschaften vorgesehen, die sich aus Unternehmern und Arbeitern zusammensetzen und die erreichen sollen, daß "nur einige wenige Fragen durch Eingreifen des Treuhänders ihre Erledigung finden" sollen. Die Tätigkeit der Treuhänder zugunsten der Unternehmer hat bereits einen ziemlich starken Widerstand sogar in den Reihen der Naziarbeiter hervorgerufen.

Ich habe schon in dem Kapitel über die Arbeit in der Arbeitsfront auf eine Reihe von Tatsachen hingewiesen, die die veränderte Lage in der Arbeitsfront auf Grund der wachsenden Widerstandsbewegung in den Betrieben kennzeichneten. Das sind die Äußerungen von Ley über den "Kampf um den gerechten Lohn" und die von ihm in der Arbeitsfront gestellten Aufgaben, "die gesunden und berechtigten Interessen der schaffenden Menschen wahrzunehmen". Ebenso die Anordnung auf Schaffung von Organen, die sich mit den Lohn- und Arbeitsfragen beschäftigen sollen: der Reichsarbeitskammer, der Reichswirtschaftskammer und in 18 Wirtschaftsbezirken bezirklicher Arbeits- und Wirtschaftskammern. Außerdem werden örtliche Arbeitsausschüsse nach Industriegruppen geschaffen, die paritätisch aus Unternehmern und Arbeitern zusammengesetzt werden und sich mit Lohn- und Arbeitsfragen beschäftigen sollen. Die Rede von Ley auf der diesjährigen Jahrestagung der Arbeitsfront spiegelt trotz aller Aufschneiderei und Reklame die Schwierigkeiten wider, die sich für das faschistische Regime aus dem Widerstand in der Arbeiterschaft ergeben.

Ich will nicht größeres Zahlenmaterial über die wirtschaftliche Lage der Arbeiter vorlegen, die eine Verschlechterung durch die wachsende Teuerung erfahren hat und damit auch die objektive Ursache der neuen Widerstandsbewegung in den Betrieben ist. Die anhaltende Belebung der Wirtschaft und auch die Neueinstellung von einigen Millionen Erwerbslosen hat für den Lohnkampf günstigere Bedingungen geschaffen.

Nach den Angaben der faschistischen Statistik läßt sich errechnen, daß die nominellen Stundenlöhne 1934 um mindestens 10 Prozent niedriger sind als 1932. Wenn dazu noch die Steigerung der Ernährungskosten von der faschistischen Statistik selbst mit mindestens 8 Prozent angegeben wird, so ist der Lohn nach zwei Jahren Hitlerdiktatur um 18 Prozent niedriger als 1932, am Tiefpunkt der Krise. Und obwohl 2,5 Millionen Arbeiter und Angestellte in Deutschland wieder Arbeit gefunden haben, ist doch das nominelle Gesamteinkommen der Lohn- und Gehaltsempfänger nur um 8 Prozent gestiegen, die aber wieder durch die Steigerung der Ernährungskosten ausgeglichen werden, so daß tatsächlich eine Steigerung des Gesamteinkommens nicht erfolgt ist. Das bedeutet, daß die deutsche Bourgeoisie 2,5 Millionen Arbeiter und Angestellte mehr beschäftigt, ohne daß sie dafür eine höhere Lohnsumme auszugeben braucht. Wenn auch das durchschnittliche Monatseinkommen der neu eingestellten Arbeiter und Angestellten nur mit je 100 Mark angesetzt wird, so ergibt sich daraus für die deutsche Bourgeoisie ein Mehrprofit von 3 Milliarden Mark. Es ist natürlich nützlich, wenn wir das den Arbeitern in der ihnen verständlichen Sprache begreiflich machen und sie damit für die Erkämpfung höherer Löhne in Bewegung bringen.

Neben den objektiven Faktoren (Verschlechterung der Lage der Arbeiter, Belebung der Wirtschaft) ist es auch der subjektive Faktor (Kampfbereitschaft der Arbeiter, Arbeit und Losungen der Partei usw.), der die wachsende Widerstandsbewegung in den Betrieben hervorruft. Dabei müssen wir aber auch die Schwierigkeiten beachten, die der Auslösung von offenen Lohnbewegungen in den Betrieben gegen die faschistische Diktatur entgegenstehen. Ich habe schon an einer anderen Stelle darauf hingewiesen, daß die Arbeiter auf Grund der antikapitalistischen Demagogie heute viel leichter geneigt sind, gegen die hohen Tantiemen und Direktorengehälter Stellung zu nehmen. Aber um so mehr sollten wir in den Betrieben gerade im Hinblick auf die hohen Profite und Tantiemen der kapitalistischen Unternehmer und Aktienbesitzer die Forderung von Lohnerhöhungen propagieren.

Es wurde in der Parteiführung in der letzten Zeit die Frage diskutiert, ob wir den Kampf für Lohnerhöhungen als eine zentrale gewerkschaftliche Losung aufstellen sollen. Es bestanden bei einigen Genossen Bedenken in der Richtung, daß der Zeitpunkt für eine solche Losung noch nicht gekommen sei, daß sie noch nicht zu einer Massenlosung werden würde. Die inzwischen immer stärker in Erscheinung tretende Teuerung schafft aber die Möglichkeit, in den Betrieben mit der Losung der Lohnerhöhung als Ausgleich für die Teuerung und Leistungssteigerung breiteste Schichten der Betriebsarbeiterschaft zu mobilisieren. Eine solche Forderung, zu einer allgemeinen zentralen gewerkschaftlichen Losung erhoben, würde auch eine Verbreiterung der Widerstandsbewegung, die sich heute vielfach nur auf einzelne Betriebsabteilungen oder Arbeitergruppen erstreckt, über den gesamten Betrieb hinaus ermöglichen.

Wir müssen auch sehen, daß sich erfahrungsgemäß eine solche Lohnbewegung immer erst allmählich entwickelt und nicht gleich die große Masse der Lohnarbeiter erfaßt, sondern zuerst die entgegengesetzten Pole, die schlechtestbezahlten und die bestbezahlten Gruppen. Das findet seine Bestätigung auch in der gegenwärtigen Lohnbewegung. Die aktivsten Elemente sind die schlechtestbezahlten Arbeiter der Autostraßen und der Textilbetriebe und andererseits die qualifizierten Arbeiter in den Metallbetrieben. Natürlich wäre es falsch, nun etwa in jedem Betrieb oder in jeder Betriebsabteilung sofort mit einer solchen zentralen Losung aufzutreten, sondern wir müssen uns nach den jeweiligen konkreten Bedingungen und der Stimmung der Arbeiterschaft richten. Doch sollten wir die Initiative hierzu ergreifen.

Gerade die Meldungen aus Deutschland über die Teuerungsdemonstrationen der Hausfrauen, die Empörung auf den Märkten über die ungeheure Verknappung der wichtigsten Fette, Butter, Schweinefleisch usw., die Mahnungen der Faschisten an die Arbeiter, im Interesse des Wohles des deutschen Staates weniger Fleisch, Butter und Eier zu verzehren - all das sind die Anzeichen einer sehr starken in den Massen vorhandenen Gärung. Wir wollen diese Gärung zur Mobilisierung der Betriebsarbeiter für Lohnforderungen benutzen, natürlich im Zusammenhang mit unserer groβen Aufgabe der Bildung der Einheitsfront gegen die faschistische Diktatur.

Zur Belebung der Widerstandsbewegung in den Betrieben haben auch die Vertrauensrätewahlen beigetragen. Sie haben fast in jedem Betrieb und in jeder Abteilung Diskussionen ausgelöst, wobei die Lohn- und Arbeitsbedingungen stark hervortraten. Der Erfolg der diesjährigen Vertrauensrätewahlen liegt darin, daß die Unternehmer genötigt waren, viel mehr auf diese Stimmungen in der Belegschaft bei der Aufstellung der Kandidaten Rücksicht zu nehmen. Die Folge davon ist, daß auch die gewählten Vertrauensräte viel mehr unter dem Einfluß der Betriebsbelegschaft stehen und geeignet sind, stärker im Interesse der Arbeiter gegen den Unternehmer aufzutreten. Jedenfalls kann sich daraus eine Reihe von Konflikten ergeben, die geeignet ist, die Widerstandsaktion in den Betrieben auf eine höhere Stufe zu heben. Der Umstand, daß die Unternehmer genötigt waren, bei der Aufstellung der Kandidatenlisten auf die Stellungnahme der Belegschaft Rücksicht zu nehmen, wie auch die bei der Wahl von den Arbeitern angewandte Taktik der differenzierten Abstimmung hat sich günstig auf die Entwicklung des Willens zur Einheitsfront im Betriebe ausgewirkt.

Ich möchte noch die vielfach aufgeworfene Frage berühren, ob es dem Faschismus gelungen ist, tiefer in die Arbeiterklasse einzudringen, und ob er in der Lage ist, die alte Arbeiteraristokratie für sich zu gewinnen. Diese Frage hat bei der Diskussion im Mitteleuropäischen Ländersekretariat eine sehr große Rolle gespielt. Der Faschismus gibt sich gewiß alle Mühe, die Arbeiterschaft für sich zu gewinnen, und verwendet darauf seine ganze soziale Demagogie: die von ihm geschaffene Organisation "Kraft durch Freude", die Urlaubsgewährung, die Überführung einiger Arbeitergruppen in ein Angestelltenverhältnis, der Leistungslohn, der Kündigungsschutz für einige Angestelltengruppen, die Festsetzung sogenannter Ehrentage für bestimmte Berufe und anderes mehr.

Aber die Profitsucht der Unternehmer und die großen Schwierigkeiten in der deutschen Wirtschaft gestatten ihm nicht, solche Vergünstigungen auf breiter Grundlage durchzuführen. Die Entwicklung zeigt, daß sich die Lage der Arbeiter und Angestellten zusehends verschlechtert. Besonders wird der neue Wirtschaftskurs dazu beitragen und immer stärkere Empörung und Unzufriedenheit gegen das faschistische Regime hervorrufen.

Bei der alten Arbeiteraristokratie, dieser hochqualifizierten Schicht, ist die Tatsache offenkundig, daß diese Schicht sich ablehnend gegenüber der faschistischen Ideologie verhält, weil der Faschismus ihr nicht die demokratischen Rechte und gewerkschaftliche Bewegungsfreiheit einräumen kann, die sich diese Schicht früher auf Grund ihrer Qualifikation und ihrer hohen gewerkschaftlichen Organisiertheit erkämpft hatte und die auch die Grundlage für ihren Einfluß und ihre Rolle in der Belegschaft bildeten. Wir dürfen uns selbstverständlich mit dieser Feststellung nicht zufriedengeben, sondern müssen sehen, daß der Faschismus sehr geschickt in der Arbeiterschaft zu differenzieren versteht, um ein einheitliches Vorgehen der Arbeiterschaft zu erschweren und ihre Schlagkraft zu mindern. Aber Tatsache ist, was Genosse Dimitroff auf dem VII. Weltkongreß ausführte, daß die Hauptmassen der deutschen Arbeiterklasse dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüberstehen. Wir müssen jedoch diese Hauptmassen in die offene Kampffront gegen den Faschismus hineinziehen und so die Einheitsfront der deutschen Arbeiterklasse gegen die Hitlerdiktatur schaffen.

2. Die Differenzen im Lager der Bourgeoisie

Ich komme nunmehr zu den Differenzen im Lager der Bourgeoisie, die sich in der letzten Zeit zweifellos gesteigert haben und deren genaue Analyse für eine richtige Einschätzung der gegenwärtigen Lage in Deutschland und deren Ausnutzung für unsere Politik von Bedeutung ist. Wir haben das nicht immer gut verstanden, und daraus folgte auch ein Teil der von uns gemachten Fehler und der Mängel unserer Politik. Ich möchte dabei nur auf den 30. Juni 1934 verweisen. Daß wir damals nicht vermochten, diese Ereignisse zur Steigerung unseres Einflusses in der Arbeiterklasse und der Widerstandsbewegung gegen das faschistische Regime auszunutzen, lag erstens daran, daß wir die Arbeit innerhalb der faschistischen Massenorganisationen unterließen und infolgedessen auch die Stimmung der Massen in diesen Organisationen nicht kannten, und zweitens daran, daß wir die innerhalb der Bourgeoisie vor sich gehenden Prozesse nicht studierten, so daß sie uns mehr oder weniger unbekannt blieben.

Wir dürfen diesen Fehler nicht wiederholen, sondern müssen sehr aufmerksam die innerhalb der deutschen Bourgeoisie vorhandenen Gegensätze und die vor sich gehenden Reibereien studieren, um daraus die Schlußfolgerungen für unsere Politik, insbesondere bei der konkreten Anwendung der vom VII. Weltkongreß gefaßten Beschlüsse in bezug auf die Einheitsfront und die Volksfront, zu ziehen. Ich möchte hierüber einige Ausführungen machen.

Zunächst das Verhältnis zwischen der Generalität der Reichswehr und der Nazipartei. Es sind ziemlich ernste Reibungen zwischen ihnen vorhanden, aber es wäre eine Übertreibung, wenn man daraus schließen würde, daß etwa die Generalität der Reichswehr das Hitlerregime in Deutschland stürzen will. Die Reichswehr hat bei diesem Regime in den 2 Jahren 8 Monaten so viel erreicht, daß ein anderes Regime der Reichswehr kaum mehr zu gehen vermöchte. Die Differenzen liegen auf einem anderen Gebiete. Die Armee eines jeden kapitalistischen Landes ist dazu da, um Krieg zu führen. Das Hitlerregime tut alles, um der Reichswehr zu ermöglichen, dies mit dem besten Erfolge zu erreichen. Aber die Innenpolitik des Hitlerregimes, der weltanschauliche und Rassenkampf der Hitlerpartei sind nicht geeignet, die erforderliche Einmütigkeit im Volke zu schaffen, deren die Bourgeoisie bedarf; diese Politik der Hitlerpartei zerklüftet die Volksmassen und muß damit die Massenbasis der Diktatur immer mehr einengen. Hier liegen die Besorgnisse der Reichswehrgeneralität, die sich nicht mit dem Nationalsozialismus identifizieren will, sondern gegen den sie im Gegenteil ihre Selbständigkeit, auch aus einem gewissen Standesdünkel heraus, bewahren will. Die Reichswehr will wegen der ihr gestellten Aufgabe sozusagen über dem Staat, über dem Hitlerregime stehen, um breitere Massen für den Krieg bereit zu haben.

Andererseits sind in der Hitlerpartei und bei ihren Vertretern in der Reichswehr die Tendenzen sehr stark, die Reichswehr zu einem Teil des neuen, nationalsozialistischen Deutschlands zu machen und sie dem Naziregime zu unterstellen. Diese Differenzen haben letzthin einen krassen Ausdruck in der Entfernung des Generalmajors von Reichenau und des Majors Foertsch aus dem Reichswehrministerium gefunden, die beide als die Verfechter des Nationalsozialismus in der Reichswehr bekannt waren. Reichenau war der spezielle Vertrauensmann Hitlers in der Reichswehrgeneralität. Er war es, der in der Zeitschrift der Deutschen Arbeitsfront, dem "Arbeitertum", einen Artikel veröffentlichte, der von der ganzen deutschen Presse übernommen wurde, in dem es heißt: "Die Wehrmacht wurzelt also im Heute. Sie ist ein lebendiger, ihrer Verantwortung bewußter Teil des neuen, nationalsozialistischen Deutschlands, dem sie ihre Größe und innere Kraft verdankt [...] Die Wehrmacht eines nationalsozialistischen Volkes kann selbst nur nationalsozialistisch sein."

Ich glaube, daß gerade in diesem Artikel, in diesem Versuch der völligen Identifizierung der Reichswehr mit der Hitlerpartei, die Ursache liegt für die Entfernung Reichenaus und des Majors Foertsch, der der Leiter der Inlandsabteilung des Reichswehrministeriums war und der militärpolitische Schriftsteller der Nazipartei ist.

Noch eine Reihe anderer Tatsachen kennzeichnet diese Differenzen bezüglich des Verhältnisses der Reichswehr zur Hitlerpartei. Von der Reichswehr ist die Aufstellung eines Landesverteidigungsrates vorgeschlagen worden, um dessen Zusammensetzung seit Monaten ein heftiger Kampf zwischen der Nazipartei und der Generalität geführt worden ist. Die Generalität wollte nur Hitler und Göring in diesen Rat aufnehmen, ihn im übrigen aber aus Generalen und einflußreichen Industriellen zusammensetzen. Nach dem Vorschlag der Reichswehr sollte General Seeckt an die Spitze dieses Rates berufen werden. Diese Mitteilungen sind, da die Beteiligten schweigen, natürlich niemals auf ihre unbedingte Richtigkeit zu kontrollieren. Aber es ist doch aufgefallen, daß Seeckt aus Anlaß seines 50jährigen Dienstjubiläums von der Reichswehr sehr gefeiert wurde, während ihn die nationalsozialistische Parteipresse mit keinem Wort erwähnte.

Die Reichswehr hat durch das Kompromiß, das Hitler, um zum Reichspräsidenten gewählt zu werden, mit ihr einging und das sie zur einzigen Waffenträgerin im Lande machte, eine große Bedeutung erlangt. Ihr spezifisches Gewicht ist dadurch außerordentlich gewachsen. Die Leitung der Reichswehr ‑ das sind hauptsächlich die aus den alten deutschnationalen und konservativen Kadern hervorgegangenen Offiziere und die mit ihnen verbundenen Elemente im Staatsapparat. Sie erstreben eine Zurückdrängung der Bürokratie der Hitlerpartei, der sie lediglich die Aufgabe der Agitation und Propaganda überlassen wollen. Die Schlußrede Hitlers auf dem Nürnberger Parteitag versuchte die Kompetenzen von Partei, Staat und Armee abzugrenzen, wobei er offenbar im Einvernehmen mit der Reichswehrgeneralität handelte. Es war der Versuch, die Generale von den Konservativen zu trennen.

Ein ähnlicher Distanzierungsprozeß, wie er sich zwischen der Reichswehr und der Nazipartei vollzieht, geht auch zwischen der Kirche und der Hitlerpartei vor sich. So wie die Bourgeoisie, ganz unabhängig von der Art der Ausübung der Diktatur, die Reichswehr für ihre Zwecke verwendet, so natürlich auch die Kirche. Doch die bürgerliche Demokratie überläßt der Kirche eine bestimmte äußere Selbständigkeit und Bewegungsfreiheit. Das aber gerade kann die faschistische Diktatur nicht, weil jede von ihr nicht direkt kontrollierte und geleitete Organisation sich in einen Konzentrationspunkt der Opposition verwandeln und in kritischen Zeiten zu einer Gefahr für das Regime werden kann. Das ist auch der Grund, warum die faschistische Diktatur mit der Zerschlagung der katholischen Massenorganisationen beginnt und ein wahres Trommelfeuer gegen jede Selbständigkeit der katholischen und auch der sehr zahmen protestantischen Kirche richtet. Die gegenwärtige Kirchenbewegung in Deutschland ist eine primitive Form der Protestbewegung der Massen gegen die faschistische Unterdrückung.

Daß sich auch die höhere Geistlichkeit dagegen wehrt, ist völlig verständlich. Die Schärfe, mit der dieser Kampf in der letzten Zeit geführt wird, hat ihre tieferen sozialen Ursachen. In Anbetracht der wachsenden Unzufriedenheit der Massen mit dem Hitlerregime sehen sich die Kirchenfürsten gezwungen, sich von der Hitlerpartei abzugrenzen, um nicht diese Unzufriedenheit auf die Kirche zu übertragen, und andererseits, um von der wachsenden Opposition einen Gewinn für die Kirche zu erzielen.

Diese Bestrebungen der Reichswehrgeneralität und der Kirchenfürsten zur Distanzierung von der Hitlerpartei finden die Unterstützung führender Kreise des deutschen Finanzkapitals. Diese Kreise haben wohl der Hitlerpartei die Ausübung der faschistischen Diktatur übertragen, sind aber keineswegs für die nationalsozialistische These, daß die Hitlerpartei der Staat und die Nation sei. Sie sind gegen die Identifizierung des Staates mit der Hitlerpartei, gegen die restlose Verschmelzung des Staatsapparates mit dem Apparat dieser Partei.

Interessant ist dafür ein Urteil des Reichsgerichts, das den Organen der Hitlerpartei und ihren Gliederungen den Beamtencharakter abgesprochen und in einer umfangreichen Begründung die Frage nach dem Verhältnis von Staat und Partei gestreift hat. Sofort erschien ein Aufsatz in der nationalsozialistischen Parteikorrespondenz, in dem diese Auffassung des Reichsgerichts als eine "grundsätzlich irrige Auffassung vom Wesen der NSDAP" und eine "völlig schiefe Beantwortung der Frage Partei und Staat" verurteilt wird. Es entspann sich eine Diskussion darüber, wobei die Schacht nahestehende Presse sich ziemlich offen das Urteil und die Begründung des Reichsgerichts zu eigen machte.

Diese Differenzen, Ausdruck des Versuches der führenden Kreise des deutschen Finanzkapitals, sich von der Hitlerpartei zu distanzieren, bestehen schon seit längerer Zeit. Im Zusammenhang mit der zugespitzten wirtschaftlichen Lage erhält diese Frage aber jetzt eine größere Bedeutung. Es sind sehr tiefgehende Meinungsverschiedenheiten über die weitere Wirtschaftspolitik des Dritten Reiches in der deutschen Bourgeoisie vorhanden. Führende Kreise des Finanzkapitals drängen auf einen wirtschaftlichen Kurs, der von der jetzigen sozialdemagogischen Wirtschaftspolitik des Hitlerregimes abweicht. Die Nazibürokratie aber verteidigt diese gerade deshalb, weil sie sie zur Erhaltung ihrer Massenbasis benötigt.

Es handelt sich, um es kurz vorwegzunehmen, um die Frage, wie die Bourgeoisie aus den wachsenden Produktions- und Absatzschwierigkeiten, aus der wachsenden staatlichen, besonders kurzfristigen Verschuldung herauskommt und die mangelnde Initiative des Privatkapitals behebt. Sie macht dazu Vorschläge auf einen neuen Wirtschaftskurs, besonders eine neue Rationalisierung der Industrie, was bedeutet: Lohnsenkung und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die Arbeiter, Einschränkung der Ausgaben für den Staatsapparat und damit Abbau der braunen Bürokratie, Erhebung neuer Steuern zur Finanzierung der Staatsaufträge und damit vermehrte Belastung der werktätigen Massen und Verschlechterung ihrer Lebenshaltung, Abbau der Arbeitsbeschaffung auf staatliche Kosten und damit eine Steigerung der Erwerbslosigkeit.

Die Hitlerbürokratie sträubte sich zunächst gegen diesen neuen Wirtschaftskurs der führenden Finanzkreise, weil er in seiner Auswirkung auf die Lebenshaltung der werktätigen Massen zu einer weiteren Einschränkung der Massenbasis der Hitlerpartei führen muß. Das weiß auch die Bourgeoisie, aber es bleibt ihr keine andere Wahl, und deshalb unterstützt sie auch die Reichswehr und die Kirche in ihrem Bestreben, sich von der Hitlerpartei zu distanzieren.

Um das noch im einzelnen zu begründen, will ich einige der wichtigsten Tatsachen der deutschen Wirtschaftsprobleme hervorheben. Zunächst den Gegensatz zwischen der ungeheuren Steigerung der Produktion in der Schwerindustrie, hauptsächlich infolge der Kriegsrüstungen, und dem Rückgang der Produktion von Konsumtionsmitteln. Bei einem Ansteigen der gesamten industriellen Produktion im Laufe des letzten Jahres um 12 Punkte erreichte die Produktion von Produktionsmitteln eine Steigerung um 22,8 Punkte, dagegen ging die Produktion von Konsumtionsmitteln um 13,6 Punkte zurück. Das ergibt eine gewaltige Schere zwischen der aufgeblähten Kriegsindustrie und der rückläufigen Produktion von Konsumtionsmitteln. Der Rückgang der letzteren ist vorwiegend eine Folge der Stagnation der Kaufkraft der breiten Massen.

In dieser Schere sind die Wirtschaftssorgen des Dritten Reiches begründet. Dafür ein Beispiel aus der Textil- und Schuhindustrie, die beide zusammen fast die Hälfte der gesamten Konsumtionsmittelindustrie ausmachen. Während noch Mitte 1934 die Faschisten gegen die Hamsterpsychose, gegen die Angstkäufe von Textil-, Schuh- und anderen industriellen Konsumwaren wetterten und behördliche Maßnahmen gegen die Hamsterkäufe getroffen wurden, ist jetzt ein Überfluß an Vorräten eingetreten, weil es keine Käufer gibt. Die Berichte der Fachpresse der Textil- und Schuhfabriken sind voll von Klagen über Anhäufung der Vorräte und Mangel an Aufträgen.

Die jetzige Finanzierung der Schwerindustrie aus Staatsgeldern schafft ebenfalls für die Bourgeoisie immer größere Schwierigkeiten durch die ungeheure Verschuldung des Staates. Die gegenwärtige Konjunktur wird deshalb offen von der Bourgeoisie als “Staatskonjunktur” bezeichnet, im Gegensatz zu einer “Privatkonjunktur”, die auf der Initiative des Privatkapitals beruht. In einer Artikelserie ihres Wirtschaftsredakteurs Wolf begründete Anfang dieses Jahres die "Frankfurter Zeitung" näher, daß der gegenwärtige Stand der Produktion nur erhalten werden kann, wenn der Staat unaufhörlich weiter Aufträge erteilt und die Aufträge finanziert.

Es entsteht dann aber die weitere Sorge für die Bourgeoisie, woher der Staat die Mittel nehmen soll, um den gegenwärtigen Produktionsumfang zu erhalten und zu finanzieren. Diese Frage hängt eng zusammen mit der ungeheuer wachsenden Verschuldung des Reiches, die nach den Angaben des Reichsfinanzministers von Schwerin-Krosigk im "Deutschen Volkswirt" über 30 Milliarden Mark beträgt (er bezog das allerdings auf die Schulden des Reiches, der Länder und Gemeinden), wovon etwa 10 Milliarden kurzfristige Schulden sind. Die Weltpresse aber, die sich auf Schätzungen in den Berliner Bankkreisen stützt, berechnet allein die Reichsschulden auf 30 Milliarden Mark, wovon die kurzfristige Verschuldung etwa 20 Milliarden Mark beträgt. Gerade die Kurzfristigkeit der Verschuldung macht der Bourgeoisie die größten Sorgen, weil sie den Staatsbankrott oder die Inflation in eine sehr gefährliche Nähe rückt. Es gibt für die Bourgeoisie nur zwei Wege, sich aus dieser Gefahr zu befreien: entweder die Verwandlung der kurzfristigen Schulden in langfristige oder die Aufbringung neuer Steuern, um die Steuereinkünfte zur Abdeckung der kurzfristigen Schulden zu verwenden. Den ersten Weg zu gehen, der als Konsolidierung der Staatsschuld bezeichnet wird, dazu braucht die Bourgeoisie entweder das Vertrauen der Geldgeber, und dieses Vertrauen ist sehr gering, oder sie muß, was in der letzten Zeit schon geschieht, zur Aufnahme von Zwangsanleihen greifen, also die vorhandenen Spargelder in den Sparkassen und bei den Banken dafür verwenden. Die Bourgeoisie geht beide Wege, wobei der Weg der Erhebung neuer Steuern die werktätigen Massen in außerordentliche Gärung gegen das Hitlerregime bringen muß.

Aber es handelt sich für die Bourgeoisie nicht nur um die Deckung der vorhandenen Schulden, sondern auch um die Erhaltung des gegenwärtigen Produktionsumfanges. Das erfordert eine Finanzierung von jährlich etwa 5 Milliarden Mark durch den Staat, wozu noch die anderen Staatsausgaben kommen.

Es ist wenig wahrscheinlich, daß die Bourgeoisie zu einer Abwertung der Mark, zur Devalvation, greifen wird, obwohl die große Verschuldung des Reiches und auch die Schwierigkeiten in der Exportindustrie sehr danach drängen. Aber die Erfahrung, die die Nazis mit ihrem Experiment in Danzig, in diesem kleinen Staate, gemacht haben, macht es wenig wahrscheinlich, daß sie etwa eine solche Aktion für das Reich unternehmen werden. Daß aber die Devalvation sogar von den sachkundigen Börsenjobbern in den Bereich der Möglichkeit gezogen wird, zeigt die Tatsache, daß an der Berliner Börse monatelang eine Kurssteigerung von Industriepapieren, also eine Flucht in die Sachwerte, vor sich ging. Die gegenwärtige Kriegsgefahr hat eine Änderung herbeigeführt. Schacht hat sich in seiner Königsberger Rede vom 18. August gegen diese "Sachwertpsychose" gewandt und gegenüber den Kapitalisten, die ihr Kapital durch die Flucht in die Sachwerte retten wollten, folgendes interessante Bild gebraucht: "Wir sitzen alle in einem Boot, und es wird niemandem Gelegenheit gegeben auszusteigen. Es gibt nur eins: Vertrauen in die Seetüchtigkeit dieses Bootes und in die Führung des Kapitäns, der dem deutschen Reichsschiff befiehlt."

Ich habe nur die wichtigsten Wirtschaftsschwierigkeiten der deutschen Bourgeoisie erwähnt. Es wären noch die bekannten Schwierigkeiten in der Beschaffung der Rohstoffe hinzuzufügen, die wiederum eine Exportfrage sind, mit der es ebenfalls äußerst schwierig steht. Gerade über den neuen Wirtschaftskurs, durch den die Bourgeoisie aus dieser schwierigen Lage herauskommen will, gibt es in der Bourgeoisie heftige Meinungsverschiedenheiten, die ihren Ausdruck besonders in den Differenzen zwischen den mit Schacht verbundenen Kreisen des deutschen Finanzkapitals und den Wirtschaftspolitikern der Nazipartei finden.

Das Finanzkapital sieht die Rettung in der allmählichen Ersetzung der “Staatskonjunktur” durch die “Privatkonjunktur”, das heißt in der stärkeren Beteiligung des Privatkapitals an der Finanzierung der Produktion. Aber dazu wird das Privatkapital nur geneigt sein, wenn ihm eine noch höhere Rentabilität als bisher gesichert wird. Als wichtigste Voraussetzung dazu soll eben eine neue Rationalisierung mit Lohnsenkungen und Erhöhung der Arbeitsintensität durchgeführt werden. Auch die Ausgaben für die Arbeitsbeschaffung sollen allmählich vermindert werden, was eine rapide Steigerung der Erwerbslosenzahl zur Folge haben muß. Hitler hat sich zwar auf dem Parteitag sehr entschieden dagegen ausgesprochen, aber im übrigen hat er diesen Kurs akzeptiert.

In einem Artikel der "Deutschen Allgemeinen Zeitung" vom 19. Mai 1935 wird von der Umschaltung der staatlichen “Arbeitsbeschaffungskonjunktur” auf eine “Privatkonjunktur” gesprochen, die von ausschlaggebender Wichtigkeit für die Rentabilität der eingelegten Privatkapitalien sein soll. Und in einem Artikel des "Deutschen Volkswirts", der Zeitschrift Schachts, vorn 19. Juli 1935 wird die Senkung der Produktionskosten durch eine neue Rationalisierung gefordert, dazu neue Steuern und sogar eine "Beeinträchtigung der normalen Konsumsphäre zugunsten vordringlicherer wirtschaftlich-politischer Zwecke". Das bedeutet Lohnsenkung und Herabsetzung der Kaufkraft der werktätigen Massen. Dazu wird weiter gefordert die Senkung der sozialen Abgaben und auch die Senkung der Ausgaben für den Staatsapparat.

Diesem Wirtschaftskurs, wie er von den Finanzkreisen um Schacht eingeschlagen wird, wird von den Wortführern der Hitlerpartei die Fortsetzung und Verschärfung des bisherigen Wirtschaftskurses gegenübergestellt, der ebenfalls die Lage der werktätigen Massen fortgesetzt verschlechtert. Der Wirtschaftsredakteur des "Völkischen Beobachters", Nonnenbruch, und andere Wirtschaftsredakteure der Nazis fordern, daß alle Redereien, daß die Staatskonjunktur zu einer nur auf der privaten Initiative beruhenden Konjunktur werden könnte, aufhören müßten. Die Staatskonjunktur könne nie aufgegeben werden, weil sie ein Fundamentalsatz des Nationalsozialismus sei. Auch die Verschuldung des Staates sei keine Gefahr, wohl aber die Erwerbslosigkeit die Gefahr für den Staat. Es wird über die “alten Tanten” gehöhnt, die sich den Kopf zerbrechen, wo das Geld hergenommen werden soll.

Von den Nationalsozialisten wurde demagogisch vorgeschlagen, die Mittel zur Arbeitsbeschaffung durch eine progressive Gewinnbesteuerung aufzubringen. Sie versuchen, mit ihren antikapitalistischen Phrasen die Arbeiter zu täuschen und zu belügen. Hitler hat auf dem diesjährigen Naziparteitag offen ausgesprochen, daß trotz der Teuerung eine Steigerung der Löhne nicht in Frage käme, weil das Inflation bedeute. Er hat sich zwar auch gegen Preissteigerungen ausgesprochen, aber die Tatsachen zeigen, daß die Preise immer mehr in die Höhe schnellen. Die Löhne werden also nicht erhöht, aber die Teuerung geht weiter, und damit tritt eine weitere Verschlechterung der Lage der Arbeiter ein. Dazu kommt die ungemein gesteigerte Arbeitsintensität. Ley hat sie auf der Tagung der Arbeitsfront als ein "nahezu unfaßbares" Arbeitstempo bezeichnet.

Während Schacht in seiner Königsberger Rede am 18. August sich scharf gegen die Außerachtlassung der Schwierigkeiten für die Aufbringung der Staatsmittel, für die Finanzierung der Produktion wandte, hat er darüber auf der Tagung der Arbeitsfront in Nürnberg nicht gesprochen und ist dort auch den ernsten Wirtschaftsproblemen aus dem Wege gegangen. Tatsächlich hat aber Hitler die Schachtsche Wirtschaftspolitik mit Ausnahme des Abbaus der Arbeitsbeschaffung akzeptiert und damit dem Finanzkapital die Zusicherung gegeben, daß die Hitlerregierung diesen Kurs der Lohnsenkung, Steigerung der Arbeitsintensität, Steuererhöhung, des Abbaus der sozialen Leistungen unter gesteigertem Terror gegen die "inneren Staatsfeinde" durchführen wird. Damit sind aber keineswegs die Differenzen in der Bourgeoisie behoben, die sich infolge der wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der wachsenden Radikalisierung der Massen weiter verstärken werden.

3. Wie müssen wir diese Differenzen ausnutzen?

Inwiefern ist nun die Kenntnis der innerhalb der Bourgeoisie vorhandenen Differenzen und der in verschiedenen Schichten mehr oder minder offen geführten Kämpfe von Bedeutung für unsere Taktik? Wie müssen wir verstehen, diese Differenzen im Interesse des Kampfes der Arbeiterklasse und der werktätigen Schichten auszunutzen? Wir müssen uns vor einer Unter- oder Überschätzung dieser Differenzen bewahren, um sie richtig bei der Beurteilung der· weiteren Entwicklung in Deutschland einzukalkulieren.

Das trifft besonders auf die Differenzen zwischen der Reichswehrgeneralität und der Hitlerpartei zu. Wir dürfen nicht annehmen, daß etwa durch die Reden von Hitler auf dem Parteitag, besonders durch die in seiner Schlußrede enthaltene Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Partei und Armee, diese Differenzen beseitigt seien. Dazu sind die Tendenzen in der Hitlerpartei, die Armee der Parteigewalt unterzuordnen, und die Unzufriedenheit der Generale mit verschiedenen Maßnahmen der Hitlerdiktatur viel zu stark, als daß sie durch solche Reden von Hitler abgeschwächt werden könnten. Andererseits müssen wir verhindern, daß etwa anläßlich dieser Differenzen die Illusion wieder auftaucht, die besonders durch den sozialdemokratischen Parteivorstand genährt wurde, daß die Arbeiterschaft auf eine Befreiung von der Hitlerdiktatur durch die Reichswehr hoffen könne.

Diese Differenzen sind für den Kampf der Arbeiter nicht zuletzt von Bedeutung im Zusammenhang mit den Auswirkungen dieser Differenzen auf das Kleinbürgertum, das in seiner politischen Orientierung von diesen Differenzen viel mehr beeinflußt wird als die Arbeiterklasse. Die Ausnutzung dieser Differenzen durch die Arbeiterklasse besteht also gerade darin, das in Gärung begriffene Kleinbürgertum auf seine Seite zu ziehen. Das wird um so eher möglich sein, je größer die Differenzen in der Bourgeoisie sind, und insofern ist die Arbeiterklasse an der Steigerung dieser Differenzen interessiert.

Von sehr viel größerer Bedeutung ist die genaue Kenntnis der wirtschaftspolitischen Auseinandersetzungen zwischen Teilen der Bourgeoisie und der Hitlerpartei, wobei die beiden Exponenten Schacht und Nonnenbruch sind. Die Hitlerpartei verfolgt hierbei selbstverständlich in erster Linie den Plan, die Erhaltung ihrer Massenbasis mit den Interessen ihrer Auftraggeber zu verbinden, während die Bourgeoisie in erster Linie ihre Profitinteressen verfolgt und die wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten auf Kosten der werktätigen Massen zu beheben sucht, was auf die Dauer die Massenbasis der Faschisten einschränken muß. Die Hitlerpartei ist bei der Verfolgung ihres Parteiinteresses, die Massen durch Versprechungen zu beruhigen und von Kämpfen zurückzuhalten, genötigt, eine starke antikapitalistische Phraseologie anzuwenden. Das bietet sehr gute Möglichkeiten zur Auslösung von Diskussionen in den Betrieben und zur Mobilisierung der Arbeiterklasse, so zum Beispiel, wenn die Faschisten von dem Profit- und Dividendenhunger der Kapitalisten sprechen, wenn sie gegen die Preissteigerung und gegen Tarifverletzungen auftreten, wenn sie von "gerechtem Lohn" sprechen und ähnliches mehr.

Wir müssen außerdem sehr stark die Differenzen ausnutzen, die sich besonders zwischen der katholischen Kirche und der Hitlerpartei in außerordentlich scharfem Maße zuspitzen und die uns Gelegenheit geben, die breitesten katholischen Massen bis in die Schichten der katholischen Bourgeoisie hinein für den gemeinsamen Kampf gegen das faschistische Regime zu gewinnen und damit eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Volksfront zu schaffen.

Das trifft auch auf die Differenzen der Deutschnationalen und der mit ihnen politisch verbundenen Stahlhelmorganisationen und Studentenverbindungen mit der Hitlerpartei zu, die sich auch auf die in ihrer Mehrheit politisch mit den Deutschnationalen verbundene Reichswehrgeneralität erstrecken. Das rigorose Vorgehen der Nazipartei, besonders gegen die Stahlhelmorganisationen, denen große bäuerliche und auch kleinbürgerliche Schichten angehören, muß von uns in der stärksten Weise dahingehend ausgenutzt werden, daß wir mit diesen Organisationen Verbindung aufnehmen, ihnen das offene Angebot machen, sie in ihrem Kampfe gegen die Hitlerpartei zu unterstützen, und dadurch auch diese Schichten für die Volksfront gewinnen. Die bestehenden politischen Gegensätze zu den Führungen dieser Organisationen dürfen uns hieran nicht hindern.

III. Die Perspektive und die Generallinie der Partei

1. Die Perspektive

Was haben wir auf Grund der Analyse der neuen Momente in der gegenwärtigen Lage Deutschlands festgestellt:

1. Den Beginn einer Aktivierung in den Betriebsbelegschaften.

2. Wachsende Unzufriedenheit im Kleinbürger- und Bauerntum, die für die faschistische Diktatur besonders drohend ist, weil sie mit der Aktivierung in der Arbeiterklasse zusammenfällt.

3. Neue Differenzen im Lager der Bourgeoisie.

4. Wachsende Schwierigkeiten in der Wirtschaft, die zu einem neuen Wirtschaftskurs drängen.

5. Weitere Verschlechterung der Lage der Arbeiter, Kleinbürger und Bauern im Zusammenhang mit der Durchführung dieses neuen Kurses.

6. Die unmittelbare Gefahr eines Krieges, begünstigt durch die gegenwärtige kritische Lage in Europa.

Bei den sich aus dieser Lage ergehenden Perspektiven ist von ausschlaggebender Bedeutung, ob Möglichkeiten für die Hitlerdiktatur bestehen, ihre Schwierigkeiten auf dem einen oder anderen Wege zu mildern, oder ob die Schwierigkeiten sich zwangsläufig weiterentwickeln und sich aus dieser Entwicklung günstige Bedingungen für die weitere Verschärfung der Gegensätze, für ein schärferes Aufeinanderprallen der Klassenkräfte und für die Auslösung einer politischen Krise ergeben werden.

Wir müssen selbstverständlich die Faktoren, die bei dieser Entwicklung eine Rolle spielen, so nehmen, wie sie sind, und nicht etwa so, wie wir sie uns wünschen. Das hat auch Genosse Dimitroff in seinen Ausführungen auf dem Kongreß besonders hervorgehoben.

Die Entwicklung wird entscheidend beeinflußt von dem subjektiven Faktor des proletarischen Klassenkampfes, von der Entwicklung der Kampffähigkeit der Arbeiterklasse und in Verbindung damit auch von der Orientierung der Mittelschichten zur Arbeiterklasse. Hier liegt eben die große Aufgabe der Kommunistischen Partei, inwieweit sie es versteht, diesen subjektiven Faktor zu entwickeln. Aber das geschieht doch wiederum unter den Bedingungen, die der Kapitalismus schafft, auf der Basis der kapitalistischen Wirtschaft. Damit ist also die Frage verbunden, ob die Bourgeoisie die Möglichkeit hat, die Lage der werktätigen Massen zu verbessern und damit die Ursache ihrer wachsenden Unzufriedenheit und ihres Widerstandes zu beheben, oder ob sie durch Gewalt die werktätigen Schichten an ihrem Kampfe zu hindern suchen muß. Deshalb ist die Untersuchung der objektiv wirkenden Faktoren in der Gegenwart und in der nächsten Zukunft die Voraussetzung für die Herausarbeitung einer richtigen politischen Linie.

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten bestehen für die Hitlerdiktatur vorwiegend in den Exportschwierigkeiten und damit in Devisennot und mangelnder Rohstoffversorgung, in der mangelnden Initiative des Privatkapitals, in der ungeheuren Verschuldung des Reiches, der Länder und Gemeinden, wobei die kurzfristige Verschuldung besonders gefährlich ist; eng damit zusammen hängt die Gefahr der Inflation.

Selbstverständlich werden von der Bourgeoisie Anstrengungen gemacht, diese Schwierigkeiten herabzumindern, sowohl im Interesse der Erhaltung und Steigerung der Profite wie auch wegen der sozialen Auswirkungen auf die Lage der werktätigen Massen. Aber alle von der Bourgeoisie unternommenen Versuche haben bisher keine Abschwächung, sondern eher eine Vermehrung dieser Schwierigkeiten herbeigeführt. Die Schwierigkeiten des Weltmarktes machen eine wesentliche Steigerung des Exports ziemlich aussichtslos: die Versuche, Ersatzstoffe für die fehlenden Rohstoffe herzustellen, haben bisher keine günstigen Resultate erzielt. Die Versuche der Exportsteigerung rufen Gegenmaßnahmen der anderen Länder hervor, die den Export noch mehr vermindern. Auch die Versuche des Dritten Reiches, aus den Devisenschwierigkeiten durch Aufnahme einer Auslandsanleihe herauszukommen, waren bisher ergebnislos. Die Möglichkeiten, durch Zwangsanleihen im Lande aus der Gefahr herauszukommen, die die kurzfristige Verschuldung mit sich bringt, sind sehr begrenzt und auch in Anbetracht der hohen Summen der kurzfristigen Verschuldung und ihres weiteren Wachstums nur sehr bedingt wirksam. Das Privatkapital, das sich bisher in der Investierung sehr zurückhielt, kann nur durch eine Steigerung der Profitrate mobilisiert werden.

Gerade aus diesem Grunde schlägt das Finanzkapital einen Wirtschaftskurs ein, der in einer neuen Rationalisierung der Wirtschaft besteht, durch die aber die Lage der werktätigen Massen wesentlich verschlechtert wird. Das trifft sowohl auf die mit dieser Rationalisierung verbundene Lohnsenkung, die Steigerung der Arbeitsintensität, den Abbau der sozialen Leistungen und Unterstützungen wie auch auf die Erhebung neuer Massensteuern und den Abbau der Arbeitsbeschaffung durch Staatsgelder zu.

Die Hitlerdiktatur wird also kaum in der Lage sein, die wachsende Unzufriedenheit der Massen einzudämmen. Sie wird im Gegenteil durch ihre Maßnahmen zu ihrer Steigerung beitragen. Natürlich vermag sie die Massen über die Ursachen der Verschlechterung ihrer Lage zu täuschen und die Unzufriedenheit der Massen in solche Bahnen zu lenken, die ihr nicht gefährlich sind und die die Massen vom Klassenkampf ablenken, wie das besonders durch die Judenhetze versucht wird. Aber auf die Dauer versagen auch diese Mittel. Andererseits versucht die Hitlerdiktatur, mit Gewalt, mit verstärktem Terror die werktätigen Massen, besonders die Arbeiterklasse, am Klassenkampfe zu hindern. Aber auch hier zeigt die Entwicklung der letzten Zeit, daß ihr das immer weniger gelingt.

Gerade der diesjährige Nürnberger Parteitag der Nazis, die Reden Hitlers und der anderen Naziführer zeigen, daß selbst durch den stärksten faschistischen Terror der Bourgeoisie nicht die Ruhe in der Arbeiterklasse und in den übrigen werktätigen Schichten verschafft wurde, die sie zur Durchführung ihres neuen Wirtschaftskurses braucht. Die Auswirkung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten trägt außerdem dazu bei, daß das Kleinbürgertum und die Bauernschaft infolge ihrer sich verschlechternden Lage immer rebellischer werden, die Massenbasis des Faschismus sich verengt und für die Bourgeoisie die große Gefahr entsteht, daß sich diese Schichten mit der Arbeiterklasse im Kampf gegen das faschistische Regime verbinden.

Der Nürnberger Parteitag der Nazis zeigt in allen Reden von Hitler, Goebbels, Rosenberg den Willen zur Fortsetzung und Steigerung des extremen Kurses der letzten Monate bei der Verfolgung der Gegner und der sozialen Demagogie, in Verbindung mit der Durchführung des neuen Wirtschaftskurses und der provokatorischen Kriegspolitik.

Die Perspektive, die sich für den Klassenkampf aus dieser Entwicklung ergibt, zeigt die Möglichkeiten der Verschärfung des Klassenkampfes auf, und zwar bei einer richtigen Politik der Kommunistischen Partei in einer Ausbreitung und Schärfe, die bis zum Sturz der faschistischen Diktatur rührt.

Wir müssen dabei selbstverständlich auch die großen Schwierigkeiten beachten, die unseren Versuchen der Mobilisierung der Massen gegen die faschistische Diktatur entgegenstehen. Wir müssen sehr ernst die Quellen studieren, aus denen der Faschismus seine Kraft schöpft, seine teilweisen außenpolitischen Erfolge, die Großmachtideologie, den Nationalismus, womit er die großen Massen des Kleinbürgertums immer wieder an sich heranzieht. Dazu kommt, daß er alle ihm entgegenstehenden Organisationen im Lande aufgelöst oder gleichgeschaltet hat, daß er seine fast vollständige Totalität aufgerichtet und sich einen ungeheuren Staatsapparat, verbunden mit der Organisation der SA und der SS, geschaffen hat. Auch die verminderte Erwerbslosigkeit wird von der faschistischen Diktatur zur Täuschung der Arbeitermassen ausgenutzt. Wenn auch die Opposition gegen das faschistische Regime bereits breitere Ausmaße angenommen hat, so fehlt doch bisher ihre Zusammenfassung und Organisierung. Dadurch wird es dem Faschismus erleichtert, mit den Mitteln des Terrors gegen jeden einzeln auftretenden Widerstand vorzugehen. Es entsteht also die Aufgabe, mit verstärkter Kraft zu versuchen, die Einheitsfront und die Volksfront zu organisieren und Widerstandsaktionen gegen das faschistische Regime auszulösen.

Die Hitlerdiktatur versucht aus den wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der Verschärfung des Klassenkampfes durch den Krieg herauszukommen. Gerade hier liegt die Erklärung für die provokatorische Außenpolitik der Hitlerregierung, die sie natürlich im Auftrage des deutschen Finanzkapitals betreibt. Der letzte Parteitag der Nazis war in seiner Hetze gegen die Sowjetunion, in seinen Drohungen gegen Litauen eine einzige Provokation, wobei die Hitlerregierung die Verschärfung der internationalen Lage durch den italienisch-englischen Konflikt um Abessinien nicht nur im Auge hatte, sondern direkt darauf spekulierte, um dadurch Handlungsfreiheit in Litauen zu erhalten und sich dort ein Aufmarschgebiet gegen die Sowjetunion zu verschaffen.

Wir haben noch keine Meldungen über den Ausgang der Wahlen im Memelgebiet. Das hängt nicht nur damit zusammen, daß außer am 29. auch noch am 30. September gewählt, sondern daß auch für die Auszählung der Resultate eine ganze Woche festgesetzt wurde. Offenbar ist das mit der Völkerbundskommission vereinbart worden, um die ersten Tage nach der Abstimmung vorbeigehen zu lassen. Was sich aus der Abstimmung ergehen wird, ist noch nicht abzusehen. Die Drohungen, die Hitler ausgesprochen hat, lassen aber erkennen, daß er daraus Konsequenzen ziehen will, die zu einem Krieg führen können.

Die Verschärfung dieser Konflikte hat bereits einen Grad erreicht, bei dem jeden Tag der offene Kriegsfall eintreten kann. Wir müssen ganz klar diese Perspektive vor Augen haben.

Die Stimmung der werktätigen Massen im Lande ist keineswegs für den Krieg. Die Versuche der Hitlerregierung, diese Kriegsstimmung im Lande durch ihre chauvinistische Hetze zu schaffen, haben bisher keinen ernsten Erfolg gehabt. Wenn wir auch klar sehen müssen, daß der Erfolg der Saarabstimmung, die Durchbrechung der Versailler Militärbestimmungen durch die Einführung der allgemeinen Militärdienstpflicht, durch die offene Demonstration der schwersten Kriegswaffen in den letzten Manövern, auf dem Hitlerparteitag und jetzt am 6. Oktober bei dem sogenannten Erntedankfest auf dem Bückeberg einen starken Eindruck auf bestimmte Teile der Bevölkerung machten und der Hitlerregierung einen Prestigegewinn verschafften, so bedeutet das noch keineswegs, daß sie damit die Massen für den Krieg gewonnen hat. Aber wir müssen uns daran erinnern, was Lenin über das Geheimnis des Kriegsausbruchs geschrieben hat. Es wäre ein schwerer Fehler, wenn wir uns etwa auf die Antikriegsstimmung der Massen verlassen und nicht alles tun würden, um Verständnis in den Massen dafür zu erwecken, daß nur durch die Schaffung der Einheits- und Volksfront die Garantien für ein erfolgreiches Auftreten gegen diese Kriegsprovokationen geschaffen werden können.

Hitler hat sich in den 2 Jahren 8 Monaten seiner Diktatur durch die Gleichschaltung aller bürgerlichen Parteien und Organisationen sehr darum bemüht, diese Kräfte der Totalität der Nazipartei unterzuordnen und dadurch die Differenzen in der Bourgeoisie auszugleichen und eine Konsolidierung seiner Diktatur zu sichern. Das ist ihm nicht gelungen. Im Gegenteil, er mußte auf dem Nürnberger Parteitag von der Verschärfung dieser Differenzen sprechen. Diese Differenzen haben sowohl für die Bourgeoisie wie auch für die Arbeiterklasse eine sehr große Bedeutung, und zwar in bezug auf die Orientierung der Mittelschichten, des städtischen Mittelstandes und der Bauernmassen. Je stärker diese Differenzen in der Bourgeoisie hervortreten, um so zwangsläufiger werden die Mittelschichten in diese Differenzen hineingezogen, da sich jeder der widerstreitenden Teile der Bourgeoisie um die Gefolgschaft der Mittelschichten bemüht. Wenn aber von keinem dieser Teile den Mittelschichten eine Erleichterung in ihrer schlechten Lage verschafft wird und sie mehr oder weniger nur das Objekt sind, das man mit Versprechungen zu ködern sucht, so übt das eine starke zersetzende Wirkung auf diese Schichten aus, und um so größer wird die Möglichkeit, diese Schichten für den gemeinsamen Kampf mit der Arbeiterklasse zu gewinnen.

Die Hitlerregierung versucht, den Bestrebungen der Deutschnationalen, diese Schichten für sich, gegen die Hitlerdiktatur zu gewinnen, mit dem Verbot der Stahlhelmorganisationen, der Studentenverbindungen und mit anderen Maßnahmen zu begegnen. Dasselbe macht sie gegenüber dem Zentrum, das durch die katholische Kirche und die noch bestehenden katholischen Organisationen seinen Einfluß auf die Mittelschichten auszuüben versucht, um dadurch die Wahrung der politischen und materiellen Interessen der katholischen Kirche zu sichern: Die Hitlerregierung geht mit dem Verbot der katholischen Organisationen, der Verhaftung renitenter Geistlicher, dem Terror gegen die katholische Jugend und ähnlichen Mitteln dagegen vor.

Die Differenzen in der Bourgeoisie über die Wirtschaftspolitik des Dritten Reiches haben ihre Ursachen teils in den unterschiedlichen Interessen der Großindustrie und der Großagrarier, teils in den unterschiedlichen Interessen der Exportindustrie und der mehr für den Inlandsbedarf produzierenden Industrie, besonders der Rüstungsindustrie, hauptsächlich aber in einem bestimmten Widerspruch zwischen den unmittelbaren Profitinteressen einflußreicher Teile des Finanzkapitals und den Bestrebungen der Nazibürokratie zur demagogischen Beeinflussung der werktätigen Massen. Diese Widersprüche werden sich ebenfalls keineswegs vermindern, sondern sich durch die wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten vermehren. Damit ergibt sich auch die Perspektive der wachsenden Differenzen innerhalb der Bourgeoisie und deren Auswirkung auf die werktätigen Massen, insbesondere auf die Mittelschichten.

Am entscheidendsten für die weitere Entwicklung ist die begonnene Aktivierung in den Betriebsbelegschaften. Wenn auch die bis jetzt bekannt gewordenen Vorgänge in den Betrieben noch keinen hohen Grad dieser Aktivierung zeigen, sehr unterschiedlich in der Form des Widerstandes und in den Forderungen sind, so ist doch eine Verbreiterung dieses Widerstandes festzustellen, wie ich das schon an einzelnen Stellen nachgewiesen habe. Wird dieser Widerstand wachsen, und wird er breitere und aktivere Formen annehmen, oder wird es den Faschisten gelingen, die Arbeiter hiervon abzuhalten oder durch Terror zurückzuschrecken? Der neue Wirtschaftskurs weist alle Elemente der Verschlechterung der Lage der Arbeiter auf, und es ist nicht anzunehmen, daß die Arbeiter das kampflos hinnehmen werden, auch nicht die der Nazipartei angehörenden Arbeiter. Die Auswirkungen dieses Kurses werden also sowohl die Arbeiterschaft zu gesteigertem Widerstand treiben wie auch die Differenzen in der Nazipartei vermehren. Das wird um so eher eintreten, je besser wir es verstehen, in den Betrieben und in der Arbeitsfront die antikapitalistische Demagogie der Faschisten und die legalen Möglichkeiten zur Auslösung von Diskussionen über die Arbeiterforderungen und die Organisierung des Kampfes auszunutzen. Jedenfalls bestehen große Möglichkeiten für die Steigerung dieses Widerstandes bis zu Streiks oder passiver Resistenz und der weiteren Zuspitzung des Klassenkampfes.

2. Die Generallinie der Partei

Die Hauptaufgabe der Kommunistischen Partei besteht bei dieser Perspektive der Zuspitzung des Klassenkampfes und der Verschiebung der Klassenkräfte darin, die Initiative zur Erfassung aller mit dem faschistischen Regime und mit ihrer Lage unzufriedenen Kräfte zu ergreifen und ihre vereinigten Anstrengungen auf ein Ziel zu richten ‑ auf den Sturz der Hitlerdiktatur. Das bedeutet natürlich keineswegs die Zurückstellung des revolutionären Endzieles, das wir uns mit der proletarischen Revolution, mit dem Sturz des kapitalistischen Systems und der Aufrichtung der Sowjetmacht gestellt haben. Wir müssen verstehen, daß die Erreichung dieses Zieles nur durch die Heranführung der Massen an den Kampf um dieses Ziel auf Grund ihrer eigenen Erfahrungen und der Erkenntnis von der Notwendigkeit dieses Zieles möglich ist. Wir sollen auch beachten, daß wir in Anbetracht. der objektiv günstigen Bedingungen, die durch die wachsende Radikalisierung der Arbeitermassen, die wachsende Unzufriedenheit der Mittelschichten und die Differenzen im Lager der Bourgeoisie gekennzeichnet sind, einen Tempoverlust in der Zusammenschweißung der Kräfte zu verzeichnen haben. Das ist auf das Unverständnis in unseren Reihen und teilweise sogar auf einen gewissen Widerstand dagegen zurückzuführen, die gemeinsame Kampffront in der Arbeiterklasse und mit den Mittelschichten und sogar mit Teilen der Bourgeoisie gegen die Hitlerdiktatur zu schaffen.

Hitler hat auf dem Nürnberger Parteitag die ihm gegenüberstehenden Kräfte wie folgt charakterisiert: "1. der jüdische Marxismus und die mit ihm verwandte parlamentarische Demokratie, 2. das politisch und moralisch verderbliche Zentrum, 3. gewisse Elemente eines unbelehrbaren, dummreaktionären Bürgertums", und daraus geschlußfolgert: "Alle diese Erscheinungen sind nur einig im Negativen, das heißt, sie sehen im heutigen Staat den gemeinsamen Feind. Allein ihnen allen ist nicht zu eigen auch nur die geringste gemeinsame Idee." Darin hat Hitler vorläufig recht. Aber hier ist gerade der Punkt, an dem wir Kommunisten mit unserer neuen taktischen Orientierung zur Schaffung der Einheits- und Volksfront einsetzen müssen. Wir müssen diese positive gemeinsame Idee, die politische Plattform für die Sammlung aller Gegner der Hitlerdiktatur schaffen.

Der VII. Weltkongreß hat allen kommunistischen Sektionen die Aufgabe der Schaffung der Einheitsfront und Volksfront gestellt, und es ist unsere Pflicht, diese Aufgabe an Hand der Lage in Deutschland und der Perspektive konkret zu entwickeln, das heißt, die Formen und Methoden und die Losungen zu finden, durch die wir alle diese Kräfte in dem einen Ziel vereinen: in dem Ziel des Sturzes der Hitlerdiktatur.

Für die Schaffung der Einheitsfront in der Arbeiterklasse ist die wichtigste Voraussetzung, daß wir in erster Linie die sozialdemokratischen Arbeiter für sie gewinnen. Dazu ist wiederum eine wichtige Voraussetzung, daß wir unser Verhältnis zur Sozialdemokratie völlig neu gestalten. Wir müssen alle Hemmungen, die sich aus unserem Verhältnis zur Sozialdemokratie vor der faschistischen Diktatur ergaben, restlos überwinden. Die Lage der Sozialdemokratie hat sich doch seit dieser Zeit grundlegend geändert, und damit wird sich auch ihre Rolle in der Arbeiterklasse ändern. Sie wurde durch die Aufrichtung der faschistischen Diktatur, durch das Verbot ihrer Partei und die Verfolgung ihrer Mitglieder in eine Kampfstellung gegen das faschistische Regime gedrängt und vermochte deshalb ihre frühere Rolle als soziale Hauptstütze der Bourgeoisie nicht mehr zu erfüllen.

Wir haben diese Veränderung nicht beachtet, und das hat uns gehindert, unser Verhältnis zur Sozialdemokratie zu ändern. Es kommt in der Politik nicht darauf an, alte Wahrheiten, die auf frühere Verhältnisse paßten, mechanisch zu wiederholen, unabhängig davon, ob sich die Verhältnisse inzwischen geändert haben. Im Gegenteil, Politik machen heißt, in der jeweiligen Situation alle Kräfte für die Erreichung eines Kampfzieles zusammenreißen und in Bewegung setzen. Und davon muß auch unser Herantreten an den sozialdemokratischen Parteivorstand ausgehen. Das soll nicht formell, sondern auf Grund bestimmter Voraussetzungen und unter entsprechender Vorbereitung geschehen. Die Vorbereitung liegt in dem völligen Wandel unserer bisherigen Methoden zur Schaffung der Einheitsfront, des Herantretens an die sozialdemokratischen Arbeiter. Mit aller Schärfe müssen Methoden zurückgewiesen werden, die den Eindruck erwecken können, daß es uns dabei nur auf Agitation, nur auf eine Werbung für die Kommunistische Partei, nur auf eine Entlarvung der sozialdemokratischen Führer ankommt.

Wir müssen klar und eindeutig unser Ziel vor den sozialdemokratischen Arbeitern entwickeln, ihnen beweisen, daß es unser ehrlicher Wille ist, mit ihnen und ihrer Partei eine gemeinsame Kampffront, die auf gleichen Voraussetzungen, auf gleichen Rechten und Pflichten beruht, zu schaffen, mit ihnen gemeinsam die Kampfforderungen aufzustellen. Jedes Kommandieren, jede Schulmeisterei muß dabei auf unserer Seite vollständig verschwinden.

Wir dürfen uns aber auch die Entwicklung der Einheitsfront nicht so mechanisch vorstellen, daß etwa das Zustandekommen der Einheitsfront stufenmäßig vor sich geht, erst die unteren Einheiten und Gruppen, dann die Organisationen, dann die Spitzen. So richtig es ist, daß der sozialdemokratische Parteivorstand erst durch den Druck des Willens der Mitglieder seiner Partei sich zu Verhandlungen über Einheitsfrontabkommen mit uns bereit erklären wird, so können wir doch mit dem Herantreten an ihn nicht warten.

Die Lage in Deutschland ist so, daß wir alles an die Schaffung dieses Einheitsfrontabkommens setzen müssen, weil es eine wichtige Voraussetzung für die Verbreiterung der Einheitsfront auch über den Kreis der kommunistischen und sozialdemokratischen Arbeiter hinaus ist. Wir haben eine Lage, wo das Herantreten an die katholischen Arbeiter und auch an die katholischen Organisationen, sogar an die Spitzen, dringend notwendig ist. Aber solange wir nicht vermocht haben, mit dem sozialdemokratischen Parteivorstand oder seinem oppositionellen Teil ein Einheitsfrontabkommen abzuschließen, wird das Herantreten an die katholischen Organisationen kaum zu einem Resultat führen.

Die gleiche Bedeutung hat das Zustandekommen eines solchen Einheitsfrontabkommens auch für die Schaffung der antifaschistischen Volksfront. Solange uns die Erfüllung dieser Aufgabe nicht gelungen ist, wird die Arbeiterklasse für die Mittelschichten nicht der Magnet sein, der sie anzieht, wird die Arbeiterklasse nicht die Kraft sein, auf die sie sich orientieren. Gerade für die Lage in Deutschland ist die Schaffung der Einheitsfront in der Arbeiterklasse eine wichtige Voraussetzung für das Zustandekommen der Volksfront, nicht nur weil die Arbeiterklasse in Deutschland zahlenmäßig von entscheidender Bedeutung ist, sondern weil große Massen der Mittelschichten sich heute noch, wenn auch weniger aus innerer Überzeugung, in der Gefolgschaft des Faschismus befinden. Erst wenn sie in der Einheitsfront der Arbeiterklasse die führende Kraft sehen, die fähig ist, den Faschismus zu schlagen, werden sie sich vom Faschismus abwenden und sich der Arbeiterklasse anschließen.

Natürlich müssen für die Schaffung der Volksfront noch andere Voraussetzungen geschaffen werden. In den Schichten, die dafür gewonnen werden müssen, sind sehr viel mehr unterschiedliche Interessen und politische Auffassungen vorhanden als in der Arbeiterklasse. Darauf müssen wir bei dem Versuch, sie in dem Kampfziel des Sturzes der Hitlerdiktatur zu vereinen, natürlich Rücksicht nehmen, jedenfalls dürfen wir das nicht ignorieren. Das erfordert in den Formen und Methoden unserer Arbeit eine noch größere Beweglichkeit, Vermeidung jedes Schematismus und die Änderung der uns geläufigen politischen Formeln und Sprache. Es liegt also sehr viel Neues vor uns, und wir müssen sehr viel neu lernen, wenn wir unsere Aufgaben erfüllen wollen. Wir sollen nicht etwa annehmen, daß wir unsere bisherige Einheitsfronttaktik nur ungenügend oder schlecht durchgeführt haben und daß wir sie nur zu verstärken brauchen. Das hieße vollkommen verkennen, worauf es jetzt ankommt. Wir müssen wirklich lernen, die Einheitsfronttaktik auf neue Art, auf Grund einer neuen taktischen Orientierung anzuwenden.

Noch eines möchte ich hervorheben, was von großer Bedeutung für die Konsolidierung der Kraft der Arbeiterklasse in der Einheitsfront ist: die Verwirklichung der politischen Einheit der Arbeiterklasse, die Schaffung einer einheitlichen revolutionären Massenpartei des deutschen Proletariats. Auch dieser Gedanke und diese Aufgabe sind vom VII. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale völlig neu gestellt worden. Diese Losung ist auch von den Linken in der Sozialdemokratie, vom Arbeitskreis Revolutionärer Sozialisten, in ihrer Plattform der Schaffung einer "Revolutionären Sozialistischen Einheitspartei" aufgestellt worden. Es kommt aber nicht allein auf die Aufstellung einer politischen Parole an, wichtiger sind die Wege und Methoden ihrer Verwirklichung. Von den Linken ist seit der Veröffentlichung ihrer Plattform nichts getan worden, um die Einheitsfront in Deutschland zu schaffen.

Die Einheitspartei des Proletariats kann aber nur im gemeinsamen Kampfe entstehen, und durch sie soll die Kampfkraft des Proletariats gesteigert werden. Darum sind die Bedingungen, die in dem Referat des Genossen Dimitroff und in den Thesen des VII. Weltkongresses als Voraussetzung für die Schaffung der Einheitspartei aufgestellt wurden, von entscheidender Bedeutung. Wir müssen die Initiative zur Schaffung dieser Einheitspartei ergreifen und den in der Arbeiterklasse vorhandenen Willen zur Verwirklichung bringen.

Ich will nochmals die Notwendigkeit der Schaffung der Gewerkschaftseinheit hervorheben, die in Deutschland, wo die freien Gewerkschaften zerschlagen sind, nur in der Form angestrebt werden kann, daß wir in den Betrieben und in der Arbeitsfront die ehemals freigewerkschaftlich organisierten Arbeiter für den Wiederaufbau der freien Gewerkschaften gewinnen. Wir müssen durch die Gewerkschaftsgruppen in der Arbeitsfront und in den Betrieben die organisatorischen Stützpunkte für eine freigewerkschaftliche Bewegung schaffen.

Auf dem VII. Weltkongreß ist vom Genossen Dimitroff das Beispiel vom Trojanischen Pferd für unsere Arbeit in den faschistischen Massenorganisationen gewählt worden. Wir müssen sehr gut verstehen, welch große Bedeutung dieses Beispiel hat. Der Faschismus hat durch die faschistischen Massenorganisationen, die er beherrscht und unter seiner ständigen Kontrolle hält, wie auch durch den faschistischen Terror eine Art Mauer zum Schutze seines Regimes gegen die feindlichen Kräfte aufgerichtet. Wir werden den Faschismus nicht stürzen, wenn wir nicht verstehen, in die Festung einzudringen und dort unsere Kräfte zu entwickeln, um so durch das Zusammenwirken dieser Kräfte von innen und der antifaschistischen Kräfte von außen die Möglichkeit seines Sturzes zu schaffen.

Darum müssen wir ganz konsequent und energisch die Hemmungen in unseren Reihen beseitigen, die noch vor der Arbeit in den faschistischen Massenorganisationen bestehen. Das ist wiederum nicht nur die Frage eines Beschlusses oder der Disziplin, sondern der Überzeugung, daß diese Arbeit unbedingt notwendig zur Erreichung unseres Kampfzieles ist. Es hängt das auch mit unserer Fähigkeit zusammen, alle legalen Möglichkeiten in diesen Organisationen zur Gewinnung der Arbeiter für die Einheitsfront und für den Tageskampf auszunutzen.

Für die politische Plattform zur Schaffung der Einheits- und Volksfront ist von entscheidender Bedeutung, welche Losungen wir für diese Bewegung aufstellen und wieweit wir es verstehen, diese Losungen in den Massen zu popularisieren, sie zu ihrem Gemeingut zu machen, so wie uns das auch als Aufgabe durch die Beschlüsse des VII. Weltkongresses gestellt ist.

Auch hier müssen wir eine gründliche Änderung unserer bisherigen Taktik vollziehen. Wir haben gewiß immer Losungen aufgestellt, die unserem kommunistischen Programm entsprechen. Wenn wir also eine Wendung vornehmen, so soll das nicht bedeuten, daß wir etwa nicht mehr unser revolutionäres Endziel oder unser kommunistisches Programm propagieren und popularisieren, sondern es soll bedeuten, daß wir in unserem Kampfe für unser Teilziel, für den Sturz der faschistischen Diktatur, solche Losungen aufstellen, die geeignet sind, auch alle die Schichten für den Kampf um dieses Ziel zu gewinnen, die noch nicht von der Richtigkeit des kommunistischen Programms und unseres Endziels überzeugt, ja, die vielleicht sogar dagegen sind.

Große Teile des werktätigen Volkes sind unzufrieden und empört über die faschistische Diktatur, die ihnen jegliche Freiheit genommen hat. Sie sind empört über die Willkür der braunen Bonzen, der Kommissarwirtschaft. Nichts liegt näher, als daß wir, um diese Schichten für die antifaschistische Volksfront zu gewinnen, die Losungen der demokratischen Freiheiten in den Vordergrund stellen, um deren Erringung der gemeinsame Kampf geführt werden soll. Es gibt eine Anzahl solcher Forderungen, für die es möglich ist, breite Massen, ohne Unterschied ihrer politischen Richtung, der Religion und der Weltanschauung, zu gewinnen, und die wir selbstverständlich auch verbinden müssen mit den Losungen zur Verbesserung der materiellen Lebenshaltung dieser Schichten. Dazu kommen Losungen für die Erhaltung des Friedens, die Verhinderung des Krieges, Losungen gegen den faschistischen Terror, für die Freilassung der politischen Gefangenen, die gegenwärtig in Deutschland fast allen Schichten der Bevölkerung angehören. Wir sollten sehr kühn an die Formulierung solcher Losungen herangehen, besonders was die demokratischen Losungen betrifft, und nicht etwa besorgt sein, daß wir damit von unserem revolutionären Endziel ablenken.

Sehr richtig hat Genosse Dimitroff an folgende Worte Lenins erinnert, die uns den Kampf um die Demokratie verständlich machen[64]:

Es wäre ein großer Irrtum zu glauben, daß der Kampf um die Demokratie imstande wäre, das Proletariat von der sozialistischen Revolution abzulenken oder auch nur diese Revolution in den Hintergrund zu schieben, zu verhüllen und dergleichen. Im Gegenteil, wie der siegreiche Sozialismus, der nicht die vollständige Demokratie verwirklicht, unmöglich ist, so kann das Proletariat, das den in jeder Hinsicht konsequenten, revolutionären Kampf um die Demokratie nicht führt, sich nicht zum Siege über die Bourgeoisie vorbereiten.

Der VII. Weltkongreß hat die völlig neue Frage behandelt, daß in dem Vormarsch der revolutionären Massenbewegung eine Situation eintreten kann, bei der die Massen wohl zum Sturz der faschistischen Diktatur entschlossen sind, aber noch nicht bereit sind, den Kampf um die Sowjetmacht aufzunehmen. Unter solchen Bedingungen werden die Kommunisten für die Schaffung einer Regierung der proletarischen Einheitsfront oder der antifaschistischen Volksfront, die noch keine Regierung der proletarischen Diktatur ist, die aber die Durchführung entschlossener Maßnahmen gegen Faschismus und Reaktion garantiert, eintreten, sie unterstützen und unter gewissen Voraussetzungen auch selbst an ihr teilnehmen. Die wesentliche Voraussetzung dafür ist das Vorhandensein einer politischen Krise, die dann gegeben ist, wenn die herrschenden Klassen nicht mehr imstande sind, mit der mächtig anwachsenden Massenbewegung fertig zu werden, und die Schaffung einer solchen Regierung nicht mehr zu hindern vermögen. Unter solchen Voraussetzungen werden die Kommunisten auch für die Wahl einer Nationalversammlung auf Grund einer gesicherten freien, allgemeinen, gleichen und direkten Wahl eintreten.

Eine derartige Situation, die der Weltkongreß für die Schaffung einer Regierung der Einheitsfront als möglich angenommen hat, kann durch die Entwicklung der Einheitsfront und der antifaschistischen Volksfront in Deutschland bei Durchführung der Aktionseinheit der werktätigen Massen für den Sturz der Hitlerdiktatur eintreten. In dieser Situation werden wir grundlegende revolutionäre Losungen aufstellen, die darauf gerichtet sind, die wirtschaftliche und politische Macht der Bourgeoisie noch mehr zu erschüttern, die Kräfte der Arbeiterklasse zu steigern, alle Widerstände gegen die Zuspitzung des Kampfes zu überwinden und so die Massen unmittelbar an die revolutionäre Machtergreifung heran zuführen.

Mit unseren freiheitlichen Losungen und unserem Kampf für die demokratischen Rechte und Freiheiten werden wir breite Massen in Deutschland für den gemeinsamen Kampf gewinnen, die zwar noch nicht mit unserem revolutionären Endziel der Schaffung der Sowjetmacht einverstanden sind, die aber doch bereit sind, mit uns gemeinsam für den Sturz der Hitlerdiktatur zu kämpfen. Mit diesen Losungen werden wir sogar Teile der Bourgeoisie in die Volksfront einbeziehen. Wir handeln damit durchaus nach der Lehre von Lenin, daß wir "die Form des Übergehens zur proletarischen Revolution oder des Herangehens an sie ausfindig"[65] machen müssen.

Der sozialdemokratische Parteivorstand versteht aber die Beschlüsse des VII. Weltkongresses sehr schlecht, wenn er sie dahin auslegt und schreibt[66]: "Selbst die bisher verfemte Koalitionspolitik mit bürgerlichen Parteien wird jetzt akzeptiert." Damit ist er vollständig im Irrtum. Eine Regierung der Einheitsfront hat nichts mit einer Koalitionsregierung oder mit einer sogenannten sozialdemokratischen Arbeiterregierung zu tun, sondern ist ein Organ der Zusammenarbeit der revolutionären Avantgarde des Proletariats mit anderen antifaschistischen Parteien im Interesse des gesamten werktätigen Volkes, das entschlossene Maßnahmen gegen Faschismus und Reaktion, gegen Großkapitalisten und Großagrarier durchführt und den Kampf der Arbeiterklasse und die Tätigkeit der Kommunistischen Partei in keiner Weise einschränkt.

Diese vom Kongreß gestellte neue Aufgabe hat auch eine besondere Bedeutung für die Lage in Deutschland. Unter den führenden bürgerlichen Politikern und Intellektuellen, die sich in der Emigration befinden, sind Bestrebungen im Gange, ein Auslandszentrum für den Kampf gegen die Hitlerdiktatur zu schaffen. Es sind dies Leute wie Wirth, Treviranus, Brüning, Bernhard und andere. Diese Kreise sind natürlich sehr genau über die Differenzen im Lager der Bourgeoisie, über die Bestrebungen zur Beseitigung der Totalität der Nazipartei in der Regierung und allen Amtsstellen sowie für eine Änderung der Außenpolitik der Naziregierung informiert und träumen von einer Wiederherstellung der alten Zustände vor Hitler. Die Drohungen Hitlers auf dem Nürnberger Parteitag gegen diese Kreise werden ihren Bestrebungen einen noch größeren Nachdruck verleihen. Es wäre eine schwere Unterlassung, wenn wir nicht alles versuchen würden, mit diesen Kreisen in engste Fühlung zu kommen, um deren Kampf gegen Hitler mit dem Kampfe der Volksfront zu verbinden. Das trifft auf alle oppositionellen Teile der Bourgeoisie zu.

Das Polbüro hat deshalb bereits Direktiven für solche Verhandlungen mit diesen Kreisen ausgearbeitet. Die Direktiven bewegen sich im Rahmen meiner Ausführungen über die demokratischen Losungen des Kampfes gegen den faschistischen Terror, gegen die Verbote der Organisationen und gegen die provokatorische Kriegspolitik der Hitlerregierung. Das Entscheidende ist, daß wir Kommunisten die Initiative ergreifen und vor den werktätigen Massen Deutschlands als die Organisatoren dieses Kampfes auftreten und alle schwankenden und noch unentschlossenen Kräfte in diesen Kampf hineinreißen.

Schlußbemerkung

Genossen! Das ist die Generallinie der Partei, die politische Plattform für unsere Einheitsfronttaktik, für unsere revolutionäre Massenarbeit. Wir müssen eine radikale Wendung in den Formen, den Methoden und der Taktik unserer Massenarbeit vornehmen. Diese Aufgabe ist uns vom VII. Kongreß der Kommunistischen Internationale gestellt. Diese Aufgabe stellt uns auch das deutsche Proletariat, das vom Hitlerfaschismus geknebelte und unterjochte deutsche Volk. Von uns, Genossen, hängt das Schicksal der deutschen Arbeiterklasse, das Schicksal Deutschlands ab.

Wir haben eine Partei, die in sich die besten und opferfreudigsten Elemente der deutschen Arbeiterklasse aufgenommen hat. Wir haben eine Partei, auf die die Kommunistische Internationale und die Arbeiterklasse der ganzen Welt stolz sind.

Unsere Partei wurde von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gegründet, die ihr Leben bis zum letzten Atemzuge der Arbeiterklasse, der proletarischen Revolution hingegeben haben. Unsere Partei wurde zu einer bolschewistischen Massenpartei unter der Führung unseres Genossen Ernst Thälmann, der zum Symbol des antifaschistischen Kampfes in der ganzen Welt geworden ist. Unsere Partei hat Tausende proletarischer Helden. Sie sind das beste Blut, das die Arbeiterklasse besitzt. Es ist unsere Pflicht, diese Kräfte der Partei so einzusetzen, daß wir die größtmöglichen Erfolge im Kampfe für den Sturz des Faschismus erreichen.

Das Sektierertum in unserer Partei, das uns bisher daran hinderte, müssen wir restlos ausrotten. Wir haben aus den Erfahrungen, aus den Fehlern und Mängeln unserer Arbeit, aus den Erfahrungen unserer französischen Bruderpartei und ihrem Erfolg bei der Schaffung der Einheits- und Volksfront sehr ernste Lehren zu ziehen. Es darf nicht wieder nur ein Lippenbekenntnis zur Wendung in unserer Arbeit sein. Wir brauchen Enthusiasten unserer neuen Generallinie, unserer neuen taktischen Orientierung, unserer politischen Plattform. Wir müssen sie mit Leidenschaft und größter Initiative ins Leben umsetzen.

Auf dieser Generallinie müssen wir alle Kräfte der Partei zusammenreißen, müssen wir eine starke Konzentration aller Kräfte herbeiführen, die aus innerster Überzeugung diese Linie vertreten und durchführen wollen, müssen wir die stärkste Agitation in unseren Reihen für diese Linie durchführen und jeden unserer Genossen von ihrer Notwendigkeit überzeugen. Wir wollen uns mit größter Kameradschaftlichkeit und Geduld mit allen Genossen auseinandersetzen, die von dieser Linie noch nicht überzeugt sind. Wir brauchen jeden einzelnen für den groβen Kampf, den wir um die Befreiung des werktätigen Volkes Deutschlands aus dem Hitlerjoch und darüber hinaus aus der kapitalistischen Knechtschaft führen.

Die Entwicklung in Deutschland bietet uns, der Kommunistischen Partei, große Möglichkeiten, die Massen zu gewinnen. Aber wir müssen uns ganz diesen Massen zuwenden, wir müssen die für die Massen verständliche, zündende Sprache finden. Wir müssen uns die Arbeitsmethoden aneignen, die uns mit den Massen verbinden und die dieses Band unzerreißbar machen.

Genossen! Wir gehen in Deutschland großen Kämpfen entgegen. Es hängt von uns, von unserer Arbeit ab, daß wir diese Kämpfe zum Ausgangspunkt für den Sturm machen, für den Sturm von Millionen gegen die faschistische Sklaverei und kapitalistische Unterdrückung, für den Sturm zur Durchführung der proletarischen Revolution, zur Aufrichtung der proletarischen Diktatur und zur Schaffung eines freien, sozialistischen Sowjetdeutschlands!

 

 

 

 

 



[1]. Am 2. Januar 1930 begann im Ruhrgebiet der Arbeitskampf, der sich gegen die von den Unternehmern angedrohte Kündigung der Belegschaften aller Schachtanlagen zur Durchsetzung einer generellen Lohnkürzung richtete. Am ersten Streiktag nahmen 33 Schachtanlagen mit 45 000 Bergarbeitern den Kampf auf, am nächsten Tag kamen noch 10 Zechen mit 15 000 Mann Belegschaft hinzu. Von 300 000 Bergarbeitern des Ruhrgebiets nahm also nur ein Fünftel am Streik teil. Er wurde von der Revolutionären Gewerkschafts-Organisation (RGO) geführt, während die reformistischen und christlichen Gewerkschaftsführer den Streik ablehnten und sich mit der Lohnkürzung abzufinden bereit waren. Am 9. Januar erließ die Brüning-Regierung eine Notverordnung zur Änderung der Schlichtungsordnung. Zur gleichen Zeit fällte das diktatorisch eingesetzte Schiedsgericht einen Spruch, der den Bergarbeitern des Ruhrgebiets einen Lohnraub von über 6 Prozent brachte. Die zentrale Streikleitung im Ruhrgebiet empfahl daher den Belegschaften, die noch im Streik standen, den Kampf abzubrechen und die Arbeit wieder aufzunehmen unter der Bedingung, daß keine Maßregelung erfolgte.

[2]Am 17. Juli 1928 kündigte der Verein der Textilindustriellen von München-Gladbach/Rheydt an, daß alle Bezahlungen von Stücklohn, soweit sie den Tariflohn überschritten, abgeschafft würden. In der Folge kündigten Unternehmer und Arbeiter die laufenden Tarifverträge. Am 1. Oktober erklärten die Unternehmer eine Aussperrung, die 45 000 Arbeiter und Arbeiterinnen betraf. Gleichzeitig waren die Textilbetriebe in Düren bestreikt, wo die Unternehmer ebenfalls die Aussperrung der 5000 Arbeiter und Arbeiterinnen beschlossen. Am 15. und 16. Oktober erzwang ein Schiedsspruch das Ende des Konflikts.

[3]. Im Ruhrgebiet begann am 1. Juli 1930 eine Streikbewegung, an der etwa 30 000 Bergarbeiter teilnahmen, insbesondere in Mülheim, Essen, Duisburg, Dortmund, Gelsenkirchen, Hamm, Düsseldorf und Bochum. Die Streikleitung war mit der RGO in Verbindung. Die Bewegung endete am 10. Juli.

[4]. Am 1. Juli 1930 begann im Gebiet von Mansfeld eine Streikbewegung, an der bis zu 25 000 Bergarbeiter der Kupferbergwerke teilnahmen. Die Streikleitung war mit der RGO in Verbindung. Die Bewegung endete am 25. Juli.

[5]. Im Oktober 1930 wurde eine Streikbewegung im Metallbereich in Berlin durchgeführt. Sie endete mit einem von der Regierung durchgesetzten Schiedsspruch.

[6]. Am 2. Januar 1930 begann im Ruhrgebiet der Arbeitskampf, der sich gegen die von den Unternehmern angedrohte Kündigung der Belegschaften aller Schachtanlagen zur Durchsetzung einer generellen Lohnkürzung richtete. Am ersten Streiktag nahmen 33 Schachtanlagen mit 45 000 Bergarbeitern den Kampf auf, am nächsten Tag kamen noch 10 Zechen mit 15 000 Mann Belegschaft hinzu. Von 300 000 Bergarbeitern des Ruhrgebiets nahm also nur ein Fünftel am Streik teil. Er wurde von der Revolutionären Gewerkschafts-Organisation (RGO) geführt, während die reformistischen und christlichen Gewerkschaftsführer den Streik ablehnten und sich mit der Lohnkürzung abzufinden bereit waren. Am 9. Januar erließ die Brüning-Regierung eine Notverordnung zur Änderung der Schlichtungsordnung. Zur gleichen Zeit fällte das diktatorisch eingesetzte Schiedsgericht einen Spruch, der den Bergarbeitern des Ruhrgebiets einen Lohnraub von über 6 Prozent brachte. Die zentrale Streikleitung im Ruhrgebiet empfahl daher den Belegschaften, die noch im Streik standen, den Kampf abzubrechen und die Arbeit wieder aufzunehmen unter der Bedingung, daß keine Maßregelung erfolgte.

[7]Als am 2. Januar 1930 der Arbeitskampf im Ruhrgebiet begann, lag im oberschlesischen Bergbau ein unmittelbarer Angriff der Unternehmer nicht vor, da hier bereits ein tarifloser Zustand herrschte. Es wurden deshalb zwar auf allen oberschlesischen Schachtanlagen Streikvorbereitungen getroffen, der Beginn des Kampfes sollte aber vom Verlauf des Streiks im Ruhrgebiet abhängig gemacht werden. Die oberschlesischen Bergarbeiter sollten nur in den Kampf eingreifen, wenn es die Situation im Ruhrgebiet erforderlich machte, d. h., wenn sich davon starke Impulse für die Intensivierung des Kampfes der Ruhrbergarbeiter erwarten ließen. Diese Situation schien am 5. Januar gegeben. An diesem Tag wurde auf einer Schachtdelegiertenkonferenz die Frage des Streikbeginns gestellt. Am gleichen Abend gab ich den versammelten Delegierten nach einem Telefongespräch mit dem Zentralkomitee der Partei die Losung für den Streikbeginn. Daraufhin traten am anderen Morgen 4 Zechenbelegschaften in den Streik, denen sich mittags die Arbeiter von 6 Schachtanlagen anschlossen. Nach dem den Ruhrbergarbeitern aufgezwungenen Schiedsspruch begannen auch die oberschlesischen Bergarbeiter am 9. Januar wieder zu arbeiten. (Quelle: Fritz Selbmann: Alternative, Bilanz, Credo - Versuch einer Selbstdarstellung. Halle an der Saale, Mitteldeutscher Verlag, 1969. S. 193‑194.)

[8]. Cf. dazu Ernst Thälmann auf der 3. Reichskonferenz der KPD im Oktober 1932 (Text .):

"Die Streikwelle im Hamburger Gebiet hat ebenfalls hauptsächlich beim Streik der Hochbahner, Straßenbahner usw. zu einer mächtigen Verstärkung unseres Einflusses geführt. Das Monopol der Reformisten in der Hamburger Hoch- und Straßenbahn ist durchbrochen. Während die RGO bei der letzten Betriebsratswahl nur knapp 300 Stimmen erhalten hat, haben bis zum zweiten Tag nach dem Streikverrat der Reformisten bereits 180 Straßenbahner und Hochbahner, davon die Mehrzahl freigewerkschaftlich organisierte Kollegen, ihren Eintritt in die RGO vollzogen."

[9]. Am 30. September 1932 lief der Gültigkeitstermin für den Kollektivvertrag der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) ab. Die Betriebsleitung kündigte eine Lohnverminderung an, die fünfte seit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise; das Ergebnis wäre ein Lohnverlust von 50 % seit 1929. Die Gewerkschaft des betroffenen Bereiches (Gesamtverband der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs) führte eine Befragung der Belegschaft bezüglich eines Streiks durch; diese erhält nicht die nach der offiziellen Regelung erforderliche Mehrheit von 75 %. Am 3. November begann jedoch trotzdem ein Streik. Eine Streikleitung von ungefähr fünfzig Vertretern wurde gebildet unter Beteiligung von gewerkschaftlich nicht Organisierten, von Mitgliedern der KPD/RGO, der SPD und auch der NSDAP/NSBO. Die Lahmlegung der öffentlichen städtischen Verkehrsmittel war quasi-total, bei 22 000 Streikenden. Zusammenstöße mit der Polizei traten ein, es gab mehrere Tote unter den Streikenden. Auf Grund der von bürgerlicher Seite kommenden Proteste zog die NSDAP sich aus der Streikleitung zurück. Die Leitung des Gesamtverbandes stand ebenfalls dem Streik feindlich gegenüber. Die Leitung der BVG führte ungefähr 1000 Entlassungen durch. Am. 8. November beschloß das Streikkomitee die Aufhebung des Streiks, der die Lohnverminderung nicht verhindern konnte. Insgesamt wurden 2500 Arbeiter und Angestellte in Zusammenhang mit dem Streik entlassen.

[10]Georgi Dimitroff: Ausgewählte Schriften, Band 2, Berlin 1958, S. 627. Cf. den Text .

[11]Ebenda, S. 678. Cf. den Text .

[12]Ebenda, S. 557. Cf. den Text .

[13]. Veröffentlicht am 25. April 1932 in der "Roten Fahne". Abgedruckt in:

Heinz Karl, Erika Kücklich (Hg.): Die antifaschistische Aktion - Dokumentation und Chronik Mai 1932 bis Januar 1933. Berlin, Dietz, 1965. S. 65‑69.

[14]Die Rote Fahne, Nr. 89 vom 26. April 1932.

[15]. Am 30. März 1930 folgte auf die von Hermann Müller (SPD) geführte Koalitionsregierung eine von Heinrich Brüning (Zentrum) gebildete Koalitionsregierung, an der die SPD nicht mehr teilnahm. In Preußen bestand weiterhin eine am 5. April 1925 gebildete Koalitionsregierung unter Führung von Otto Braun (SPD). Infolge der Änderung des Kräfteverhältnisses auf nationaler Ebene setzte sich nach und nach innerhalb der Rechtsparteien eine Ausrichtung auf einen Bruch mit der SPD auch in Preußen durch. Nach den Landtagswahlen vom 24. April 1932, bei denen die NSDAP 162 Sitze erhielt und die SPD 94, dankte die preußische Regierung ab. Die Bemühungen, eine vom Landtag eingesetzte neue Regierung zu bilden, blieben erfolglos.

Am 20. Juli 1932 erklärt der Reichskanzler Franz von Papen, daß auf sein Verlangen der Reichspräsident eine "Verordnung betreffend die Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gebiete des Landes Preußens" unterzeichnet hat. Die Verordnung ernennt den Reichskanzler zum Reichskommissar für das Land Preußen. Papen teilt mit, daß er den preußischen Ministerpräsidenten Braun und den preußischen Innenminister Carl Severing (ebenfalls SPD) absetzt und Franz Bracht mit der Leitung des Innenministeriums beauftragt. Die anderen Minister werden ebenfalls entlassen.

[16]. Cf. den Text .

[17]. Am 17. Mai 1933 trat der Reichstag zu einer Sitzung zusammen, in der Adolf Hitler eine Regierungserklärung präsentierte. Er führte unter anderem folgendes aus:

"Wenn ich in diesem Augenblicke bewußt als deutscher Nationalsozialist spreche, so möchte ich namens der nationalen Regierung und der gesamten nationalen Erhebung bekunden, daß gerade uns und dieses junge Deutschland das tiefste Verständnis beseelt für die gleichen Gefühle und Gesinnungen sowie für die begründeten Lebensansprüche der anderen Völker. Die Generation dieses jungen Deutschlands, die in ihrem bisherigen Leben nur die Not, das Elend und den Jammer des eigenen Volkes kennenlernte, hat zu sehr unter dem Wahnsinn gelitten, als daß sie beabsichtigen könnte, das gleiche anderen zuzufügen. Unser Nationalismus ist ein Prinzip, das uns als Weltanschauung grundsätzlich allgemein verpflichtet. Indem wir in grenzenloser Liebe und Treue an unserem eigenen Volkstum hängen, respektieren wir die nationalen Rechte auch der anderen Völker aus dieser selben Gesinnung heraus und möchten aus tiefinnerstem Herzen mit ihnen in Frieden und Freundschaft leben."

Der Parteivorstand der SPD im Exil hatte sich gegen eine Teilnahme der SPD-Abgeordneten an der Tagung ausgesprochen. Die Reichstagsfraktion erörterte die Frage in einer Sitzung an der 65 der 120 am 5. März gewählten Abgeordneten teilnahmen. Es wurde mit 48 Stimmen gegen 17 beschlossen, an der Tagung des Reichstages teilzunehmen und eine Erklärung im Namen der SPD-Fraktion vorzulegen. Schließlich stimmten die 48 anwesenden Abgeordneten für die Regierungserklärung, ohne durch eine Erklärung Stellung zu nehmen.

[18]Georgi Dimitroff: Ausgewählte Schriften, Band  2. S. 645/646. Cf. den Text .

[19]Zit. in: Ebenda, S. 541. Cf. den Text .

[20]Ernst Thälmann: Der revolutionäre Ausweg und die KPD. Rede auf der Plenartagung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Deutschlands am 19. Februar 1932 in Berlin, Berlin o. J., S. 59. Cf. den Text .

[21]Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Zentrales Parteiarchiv, 2/44/2.

[22]. Ernst Röhm, Stabschef der Sturmabteilung (SA), hegte die Absicht, diese Organisation zu einer Volkmiliz umzugestalten, in der die Reichswehr einbezogen würde. Er strebte auch eine sogenannte "zweite Revolution" an, die eine radikale soziale Umgestaltung bringen sollte. Adolf Hitler, in Übereinstimmung mit innerparteilichen Rivalen Röhms (Heinrich Himmler, Hermann Göring) entschied sich gegen Röhm. Anläßlich einer Führertagung der SA ließ er am 30. Juni 1934 die gesamte SA-Führung durch SS-Einheiten liquidieren. Gleichzeitig wurden andere störende Personen aus dem Wege geräumt, darunter sowohl Mitglieder der NSDAP wie, unter anderen, Kurt von Schleicher.

[23]Cf. den Text .

[24]Rundschau über Politik, Wirtschaft und Arbeiterbewegung, Basel, 1935, Nr. 22, S. 1103.

[25]Georgi Dimitroff: Ausgewählte Schriften, Band 2, S. 678. Cf. den Text .

[26]. Im April 1923 wurde der österreichische "Republikanische Schutzbund" gegründet, eine aus den Ordnerschaften des Arbeiterrats und den Arbeiter- und Fabrikswehren der Jahre 1918 und 1919 hervorgegangene proletarische Militärorganisation. Er war durch die Entstehungsumstände sowie die mitgliedermäßige Zusammensetzung mit der SPÖ verbunden; am Höhepunkt seiner Entwicklung, im Jahr 1928, zählte er 80 000 Mitglieder. Die Angehörigen wurden im Waffengebrauch unterwiesen, in geheimen Depots stand eine große Zahl von Waffen zur Verfügung.

Im März 1933 streikten die österreichischen Eisenbahner. Am 4. März sollte im Parlament über die Vorgehensweise gegen die Streikenden abgestimmt werden. Bundeskanzler Engelbert Dollfuß benutzte auf die Geschäftsordnung bezug nehmende Vorwände und erklärte die "Selbstauflösung" des Parlaments. Von nun an regierte Dollfuß unter Berufung auf das durch das Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz aus dem Jahre 1917 etablierte und nie formell abgeschaffte Notverordnungrecht und wandelte die Republik in einen "autoritären Ständestaat" um. Er verbot alle Parteien einschließlich des Schutzbundes, mit Ausnahme der Vaterländischen Front (einer Vereinigung der Christlichsozialen mit einigen Wehrverbänden).

Am 21. Jänner 1934 wurde der Verkauf der sozialdemokratischen Arbeiterzeitung verboten, drei Tage später kam es zur endgültigen Entmachtung der Sozialdemokraten, und der Befehl zur Durchsuchung von Parteigebäuden und Wohnungen nach Waffen des Schutzbundes erging. Karl Renner, Otto Bauer und andere führende Funktionäre hatten bis in die letzten Tage vor den Februarereignissen der Regierung Dollfuß Beschwichtigungsangebote unterbreitet. Zum Wortführer einer sozialdemokratischen Linksopposition wurde der oberösterreichische Landesparteisekretär und Schutzbundobmann Richard Bernaschek. Als am frühen Morgen des 12. Februar 1934 sich in Linz Schutzbündler unter der Führung Richard Bernascheks einer Waffensuche der Polizei in der Landesparteizentrale bewaffnet entgegenstellten, begann ein vier Tage währender blutiger Bürgerkrieg. Der Kampf stand durch die Schuld und Versäumnisse der sozialdemokratischen Führung von Beginn an unter äußerst ungünstigen Voraussetzungen: Die meisten höheren Schutzbundkommandanten waren schon vorher verhaftet worden, wodurch viele geheime Waffendepots unzugänglich blieben; der unbedingt notwendige Generalstreik der Masse der Werktätigen kam nicht oder nur lückenhaft zustande; wo man sich an den Sammelpunkten bewaffnete, wurde in der Regel der Befehl befolgt, von den Waffen erst dann Gebrauch zu machen, wenn die Exekutive angreifen sollte. Die KPÖ hatte nur beschränkten Anteil an den Kampfhandlungen, die Kommunisten hatten keinen Zugang zu den Waffenbeständen des Schutzbundes.

Der bewaffnete Arm der bürgerlichen Staatsmacht, das Bundesheer, die Polizei, die Gendarmerie und die als Hilfstruppe eingesetzten austrofaschistischen Heimwehren gingen gegen die Arbeiter mit äußerster Härte und Brutalität vor. Die Wohnhäuser der Arbeiter in Wien, Linz, Steyr, Bruck an der Mur standen unter Artilleriebeschuß. Im standrechtlichen Verfahren wurden vom 14. bis zum 21. Februar 21 Todesurteile verhängt und an neun Personen durch Erhängen vollstreckt. Über 10 000 Februarkämpfer, Schutzbündler und Arbeiterfunktionäre wurden verhaftet; davon 1200 zu schweren Kerkerstrafen in der Höhe von 1400 Jahren verurteilt.

[27]Siehe Rundschau... , 1933, Nr. 23, S. 783‑787.

[28]. Siehe ebenda, Nr. 25, S. 883‑885.

[29]. Ebenda, Nr. 17, S. 545. Cf. den Text .

[30]. Wilhelm Pieck, Georgi Dimitroff, Palmiro Togliatti: Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunisten im Kampf für die Volksfront gegen Krieg und Faschismus. Referate auf dem VII. Kongreß der Kommunistischen Internationale (1935), Berlin 1960, S. 279. Cf. den Text .

[31]Rundschau... , 1933, Nr. 17, S. 546. Cf. den Text .

[32]Ebenda. Cf. den Text .

[33]Die Rote Fahne, Ende Juni 1934.

[34]. Otto Wels (SPD).

[35]. Walter Loewenheim war zunächst Mitglied der KPD, trat aber 1927 aus der Partei aus. Im August 1933 verfaßte er unter dem Pseudonym Miles eine Programmschrift "Neu Beginnen! Faschismus oder Sozialismus", die vom Parteivorstand in Prag als Heft 2 der Schriftenreihe "Probleme des Sozialismus" veröffentlicht wurde.

[36]. Cf. Fußnote 39.

[37]. Cf. Fußnote 39.

[38]Cf. den Text .

[39]. 1934 bildete sich um Karl Böchel (Pseudonym K. B. Neuendorf) und Siegfried Aufhäuser, beide Mitglieder des Parteivorstandes der SPD im Exil, der “Arbeitskreis revolutionärer Sozialisten Deutschlands” (RSD) heraus. Diese Gruppe veröffentlichte im September/Oktober 1934 eine Plattform "Der Weg zum sozialistischen Deutschland. Eine Plattform für die Einheitsfront", in der über die schrittweise Annäherung der Arbeiterparteien und ‑organisationen zur Bildung von "revolutionären Vollzugsausschüssen" mit dem langfristigen Ziel der Bildung einer "sozialistischen Einheitspartei" aufgerufen wurde. Im Januar 1935 wurden Böchel und Aufhäuser aus dem Parteivorstand ausgeschlossen.

Weiteres Gründungsmitglied des RSD war Max Seydewitz. Dieser wurde 1931 aus der SPD ausgeschlossen und nahm danach an der Gründung der “Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands” (SAP). 1934 trat er in die KPD ein, 1937 wurde er deswegen aus dem RSD ausgeschlossen.

[40]. Die Rote Fahne, Ende September 1934.

[41]. Die Rote Fahne, Mitte Oktober 1934.

[42]. Ebenda.

[43]. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Zentrales Parteiarchiv, NL 36/538.

[44]. Ebenda.

[45]Georgi Dimitroff: Ausgewählte Schriften, Band 2, S. 615. Cf. den Text .

[46]. Walter Schevenels. Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes.

[47]. Im Sommer 1935 schuf eine Auslandskonferenz illegaler Gewerkschafter in der CSR die "Auslandsvertretung der deutschen Gewerkschaften" (ADG). Leiter wurde Heinrich Schliestedt, ehemals Mitglied des Vorstandes des Deutschen Metallarbeiterverbandes.

[48]. Die Deutsche Arbeitsfront (DAF) wurde am 10. Mai 1933 gegründet. Sie sollte als neue einheitliche Organisation "durch Bildung einer wirklichen Volks- und Leistungsgemeinschaft, die dem Klassenkampfgedanken abgeschworen hat" die Interessen "aller schaffenden Deutschen" wahrnehmen. Die Vertreter der Großindustrie setzten sich gegen die Perspektive ein, daß die DAF sich zu einer Institution der Vertretung der Arbeiterinteressen entwickle. Das am 19. Mai 1933 angenommene Gesetz über Treuhänder der Arbeit schuf dann zur Regelung der Arbeitsverträge und zur "Aufrechterhaltung des Arbeitsfriedens" öffentliche Verwalter, was dem Wunsch der Unternehmer entgegenkam. Letzten Endes wurde der DAF ein Tätigkeitsbereich zugewiesen, der die Betriebe ausschloß. Die DAF zählte zwar 1942 25 Millionen Mitgliedern, aber mit 44 000 hauptamtlichen und 1,3 Millionen ehrenamtlichen Mitarbeitern war sie zu einer rein bürokratisch-zentralisierten Organisation geworden.

[49] Cf. Fußnote 39.

[50] Cf. den Text .

[51]Am 28. Januar 1934 veröffentlichte der Parteivorstand der SPD im Exil in Prag einen Text "Kampf und Ziel des revolutionären Sozialismus. Die Politik der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.", der geläufig als "Prager Manifest" bezeichnet wird. Cf. den Text .

[52]. Beschluß des ZK der KPD zur Gewerkschaftsfrage vom 25. August 1933. In: Rundschau, Basel, Nr. 40/27.10.1933, S. 1552‑1556. Abgedruckt in:

Dokumente des ZK der KPD 1933‑1945, Offenbach, Verlag Olga Benario und Herbert Baum, 2002. S. 81‑85.

[53]. Ebenda, S. 1554/1555.

[54]. Ebenda, S. 1552.

[55]Cf. den Text der Verordnung .

[56].. Am 1.‑4. August 1929 fand der 4. Kongreß der NSDAP statt. Es wurde die Gründung der “Nationalsozialistischen Betriebszellen-Organisation” (NSBO) beschlossen, die alle Mitglieder der Partei in den Betrieben zusammenschloß. Nach der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur übernahm die NSBO zunächst in gewissere Hinsicht die Rolle der Gewerkschaften, sie wurde jedoch allmählich neutralisiert, und 1936 war ihre Auflösung innerhalb der Deutschen Arbeitsfront vollendet.

[57]. Robert Ley: Reichsführer der Deutschen Arbeitsfront (DAF).

[58]. Gottfried Feder: Das Programm der NSDAP. und seine weltanschaulichen Grundgedanken. München, F. Eher Nachf., 1934.

[59]Cf. den Text .

[60]Georgi Dimitroff: Ausgewählte Schriften, Band 2, S. 541/542. Cf. den Text .

[61]Ebenda, S. 652. Cf. den Text .

[62]. Cf. Fußnote 55.

[63]Cf. den Text des Gesetzes .

[64]W. I. Lenin: Die sozialistische Revolution und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen. In: Werke, Band 22, Berlin 1960, S. 145.

[65]W. I. Lenin: Der "linke Radikalismus"... In: Ebenda, Band 31, S. 79.

[66]Neuer Vorwärts (Karlsbad), Nr. 117 vom 8. September 1935, Beilage.