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Ernst Thälmann

Plenartagung des Zentralkomitees der KPD:
Der revolutionäre Ausweg und die KPD

20. Februar 1932

 

 

Quelle:

Broschüre, herausgegeben von der KPD, Berlin, o. J. [1932][1].

Andere Quelle:

Ernst Thälmann: Reden und Aufsätze 1930‑1933 - Band 1 - September 1930‑Februar 1932. Köln, Verlag Rote Fahne, 1975. S. 358‑455[2].

 

 

 

 

 

 

Erstellt: Januar 2013

Druckversion
KPD 1918 1945 - Inhalt

 

 

 

 

 

 

I. Die internationale Lage

Genossen, eine kurze Vorbemerkung: Auf früheren Tagungen des Plenums des ZK wurde den Referenten meist die Aufgabe gestellt, alle auf der Tagesordnung stehenden wichtigen Fragen und Gebiete der Parteiarbeit im Referat zu behandeln. In der heutigen Tagung des ZK wollen wir von dieser früheren Regel abgehen. Das Referat wird sich deshalb, wie ich ausdrücklich betonen möchte, bewußt darauf beschränken und konzentrieren, bestimmte Hauptprobleme aufzurollen und den Standpunkt der Parteiführung dazu wiederzugeben.

Hierbei lenke ich die Aufmerksamkeit der Gesamtpartei auf zwei wichtige Ergänzungen.

1. auf die Tatsache, daß den ZK-Mitgliedern ein besonderes statistisches Material unterbreitet wurde, um dadurch mein Referat zeitlich abzukürzen und größere Möglichkeiten zu schaffen, die Grundfragen zu behandeln, und

2. darauf, daß wir versuchen müssen ‑ das ist Aufgabe der Diskussion ‑, zu den verschiedenen Fragen Stellung zu nehmen und das Referat konkret aus den verschiedensten Gebieten der Arbeit und Politik zu ergänzen. Auf diese Weise wollen wir versuchen, in stärkerem Maße die kollektive Arbeit der gesamten Plenartagung des ZK anzuregen und zu steigern.

Es muß genügen, wenn im Referat die wesentlichen Grundzüge der Entwicklung klargelegt werden, aus denen wir unsere Schlußfolgerungen für die Strategie und Taktik der Partei zu ziehen haben. Ich erinnere an das Januarplenum 1931, wo wir uns ausführlich beschäftigten mit dem Charakter und den Entwicklungsperspektiven der Weltwirtschaftskrise. Wir stellten dabei fest, daß eine ganze Reihe von Faktoren die Überwindung der Krise hemmen und ihre Dauer und Tiefe vergrößern.

Das XI. Plenum des EKKI erweiterte diese Feststellungen und schuf äußerste Klarheit in allen entscheidenden Fragen der Entwicklung der Krise. Seit dem XI. Plenum des EKKI und der Plenartagung des ZK im Mai vorigen Jahres ergeben sich eine Reihe neuer Tatsachen, durch die sich die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise von allen früheren periodischen Krisen unterscheidet.

Die Zersetzung des kapitalistischen Kredit- und Finanzsystems

Wir erleben seit dem vergangenen Sommer international und in den verschiedenen Ländern eine weitgehende Zersetzung des kapitalistischen Kreditsystems. Das Neue ist ‑ verglichen mit den früheren zyklischen Krisen der kapitalistischen Wirtschaft ‑ die Tatsache, daß diese Erschütterung des Kreditsystems, und bald überall auch des Finanzsystems, in der Hauptsache erst aus den höheren Formen der Weltwirtschaftskrise erwächst, während sie in früheren Krisen meist schon mit der Entfaltung der Krise, mit ihrer ersten Phase verbunden war. Durch die außerordentliche Erschütterung des kapitalistischen Kreditsystems im verschärften Stadium der Wirtschaftskrise in den verschiedenen Ländern wird die Überwindung der Krise noch mehr erschwert.

Das Übergreifen der Krise auf das kapitalistische Kredit- und Finanzsystem gibt seinerseits der industriellen Handelskrise einen neuen Auftrieb.

In welchen Tatsachen äußert sich nun diese Zersetzung des kapitalistischen Kredit- und Finanzsystems?

Eine Krise des Kreditsystems haben wir bald in allen kapitalistischen Ländern, während eine Krise der Währung noch nicht überall in Erscheinung tritt.

In solchen Ländern wie in Deutschland, Österreich, Ungarn, Rumänien, Estland sehen wir eine wachsende Verschärfung der Krise des Kreditsystems seit dem Sommer vorigen Jahres. Der Zusammenbruch größerer Banken, wie wir ihn in Deutschland und anderen Ländern ‑ siehe Danatbank usw., der Creditanstalt in Österreich, der Nationalen Creditbank in Frankreich, der Commerziellen Bank in Italien, der Transamerikanischen Bank in den Vereinigten Staaten usw. ‑ erlebt haben, ist eine weitere Tatsache.

Die Abschaffung des Goldstandards für das Pfund Sterling in England ermöglichte es der englischen Bourgeoisie, vorläufig ihr Finanzsystem vor dem Bankrott zu retten. Durch die Senkung des Kurses des Pfund Sterling um 20 Prozent wurden an einem einzigen Tag die inneren Schulden des Landes um ungefähr 30 Milliarden Mark und die ausländischen Kapitaleinlagen um etwa 20 Milliarden Mark gesenkt.

Wir haben weiter die Tatsache, daß die Staatsfinanzen der meisten kapitalistischen Staaten zerrüttet sind und riesige Fehlbeträge aufweisen, so daß wir in einzelnen Ländern vom Beginn eines Staatsbankrotts sprechen müssen.

Schließlich noch den Sturz der Aktien und Wertpapiere an allen Börsen (ausgenommen die Aktien der Kriegs- und Rüstungsindustrie) und insbesondere die Tatsache, daß bereits in 36 kapitalistischen Ländern das Währungssystem aufs heftigste erschüttert ist und die Inflation begonnen hat.

Unsere Resolution sagt über alle diese Erscheinungen mit vollem Recht, daß sie

die letzten Reste der sozialdemokratischen Legende über den ”organisierten Charakter” des Monopolkapitalismus zertrümmert

haben. So sehen wir in einer ganzen Reihe von kapitalistischen Ländern eine außerordentliche Verschärfung der Krise, während zugleich auch diejenigen Länder, die am längsten von der Krise verschont blieben, wie Frankreich, die Niederlande, Schweiz und Skandinavien, gleichfalls eine Ausdehnung und Verschärfung der Krise aufweisen.

Der Index der Produktion, der Umsätze im Handelsverkehr und der Weltmarktpreise ist in allen kapitalistischen Ländern in beispiellosem Ausmaße gesunken. Die Massenerwerbslosigkeit hat einen noch nie dagewesenen Grad erreicht. Ein kapitalistischer Ausweg aus der Krise wird für die Bourgeoisie immer schwieriger.

Das Problem der Neuaufteilung der schon verteilten Welt wird immer mehr in den Vordergrund der internationalen Politik gestellt. Die Frage des imperialistischen Krieges gegen die Sowjetunion nimmt mit jedem Tag neue und aktuellere Formen an.

Fakten, die die Weltwirtschaftskrise verschärfen

Welche Faktoren sind es in der Hauptsache, die den besonderen Charakter der Krise, ihre Tiefe und Dauer hervorrufen und steigern?

1. Der weltumspannende Charakter der Krise in allen kapitalistischen Ländern;

2. demgegenüber das Bestehen der krisenlosen sozialistischen Wirtschaft der Sowjetunion;

3. die Verflechtung der industriellen Krise mit der Weltagrarkrise;

4. der verschärfte Kampf um neue Märkte und die Tatsache der monopolistisch gebundenen Preise und

5. als eine neue Erscheinung die schon erwähnte Störung des Kreditsystems.

Wir sehen also eine Fülle von Erscheinungen, die zur weiteren Verschärfung und Entfaltung der Weltwirtschaftskrise beitragen. Die ganzen Hoffnungen der Weltbourgeoisie und der internationalen Sozialdemokratie, die Hoffnungen der bürgerlichen Ökonomen und der sozialdemokratischen Papageien, die die Melodien der Bourgeoisie nachplappern, auf eine Abschwächung der Krise im Jahre 1931, haben sich als Lug und Trug erwiesen. Unsere Beschlüsse vom Januarplenum des Jahres 1931 und vor allem die Perspektiven des XI. Plenums des EKKI über eine weitere Verschärfung der Krise sind durch die tatsächliche Entwicklung restlos bestätigt worden. Wir müssen viel mehr als bisher die Feststellung in den Massen popularisieren, daß sich in dieser Bestätigung die Richtigkeit unserer Linie und Beschlüsse die klare Erkenntnis des Marxismus-Leninismus, des wissenschaftlichen Sozialismus widerspiegelt. Noch niemals zuvor hat die geschichtliche Entwicklung die Autorität des Marxismus-Leninismus so leuchtend, so unzweideutig, so überwältigend erhärtet wie gerade bei den Erscheinungen der jetzigen Weltwirtschaftskrise.

Die Verschärfung des Kampfes um die Märkte

Ich komme jetzt zur Frage der Verschärfung des Kampfes um die Märkte, die für die gegenwärtige Phase der Krise in ökonomischer und politischer Hinsicht von großer Bedeutung ist.

Seit dem Maiplenum unseres Zentralkomitees hat der internationale Kampf um die Märkte auf der Grundlage der verschärften Krise eine riesige Erbitterung und Zuspitzung erfahren. Die Kapitalisten streben auf der Suche nach einem Ausweg aus der Krise nach einer neuen Ausplünderung der Kolonien. Sie entfalten eine immer rücksichtslosere Konkurrenz untereinander. Sie wenden alle Mittel und Methoden an, um sich gegenseitig die Märkte abzujagen.

Die Schutzzollpolitik, die Einfuhrkontingente und Einfuhrverbote, die Kündigung von Handelsverträgen und die Devisenzwangswirtschaft, schließlich die bewußte Inflationspolitik, wie sie im besonderen der englische Imperialismus mit der Aufgabe des Goldstandards und der Entwertung der Pfundwährung eingeleitet hat, das alles sind Kampfmittel der Imperialisten, um sich die Märkte gegenseitig strittig zu machen.

Der Zollkrieg hat nicht begonnen mit der Wendung in der Handels- und Zollpolitik Englands. Die Zollpolitik des Protektionismus entsteht aus der Natur des monopolistischen Kapitalismus. Die Politik des Protektionismus hat sich besonders zugespitzt im Verlauf der ökonomischen Weltkrise und spitzt sich immer weiter zu, entsprechend dem Ausmaß der Tiefe dieser Krise. Der englische Pfundsturz in Verbindung mit der Aufgabe des Freihandels in England, die neue Schutzzollpolitik des englischen Imperialismus spielt eine besondere Rolle. Diese Politik der englischen Bourgeoisie, die von der MacDonald-Regierung betrieben wird, richtet sich gleichermaßen gegen die werktätige Bevölkerung Englands, deren Lebenshaltung durch die Inflation gesenkt wird, wie gegen die Konkurrenz der übrigen kapitalistischen Länder.

Auf der Grundlage der Inflation versucht der englische Imperialismus auf dem Weltmarkt die Preise zu unterbieten, einen Dumpingexport zu betreiben. Der englische Sozialfaschismus, der diese Politik der englischen Bourgeoisie unterstützt, versucht diese Politik vor den Massen durch eine Scheinopposition gegen das Kabinett MacDonald zu verschleiern. Die Politik des englischen Imperialismus führt zu einer neuen Verschärfung der imperialistischen Gegensätze und spitzt die vorhandenen Widersprüche zwischen dem imperialistischen England und seinen Kolonien immer mehr zu.

Der imperialistische Krieg ist zur Tatsache geworden!

Aber nicht nur die englische Pfundpolitik, sondern überhaupt der verschärfte Kampf des Imperialismus um die Märkte spitzt alle imperialistischen Konflikte zu. Der Kampf um die Neuaufteilung der Welt und die Eroberung der Märkte verschärft sich. Die Regierungen der kapitalistischen Länder wenden die Methoden und Waffen des ökonomischen Angriffs mit besonderer Schärfe gegen die Sowjetunion an (Erhöhung der Zölle, administrative Einfuhrverbote usw.). Besonders aggressiv handelt der amerikanische Imperialismus gegen die Sowjetunion. Die Kriegsgefahr nimmt neue und aktuellere Formen an, sowohl in der Zuspitzung der Konflikte der Imperialisten untereinander, wie ganz besonders in der Richtung des unmittelbar drohenden Interventionskrieges der Imperialisten gegen die Sowjetunion. Die Ereignisse im Fernen Osten zeigen, daß der imperialistische Krieg aus einer Gefahr zu einer Tatsache geworden ist, auf die wir die allergrößte Wachsamkeit und den entschlossenen Kampfwillen der Massen einstellen müssen.

Was zeigt der räuberische Überfall des japanischen Imperialismus in China? Er ist die Illustration für unsere Feststellung, daß die Imperialisten zum Kriege greifen als zu einem Mittel der Überwindung der Krise auf kapitalistischem Wege.

Der japanische Imperialismus, der mit voller Unterstützung des französischen Imperialismus sowohl seinen Einbruch in die Mandschurei als auch seinen Überfall auf Schanghai, Kanton und die übrigen großen Hafenstädte Chinas unternommen hat, will die Aufteilung Chinas unter die imperialistischen Mächte erzwingen. Wir haben immer ausgesprochen, daß die ungleiche Entwicklung des Imperialismus früher oder später die Neuaufteilung Welt mit Hilfe imperialistischer Kriege auf die Tagesordnung stellen wird. Die Aufteilung Chinas spielt hierbei eine besonders große und aktuelle Rolle. Heute handelt es sich nicht mehr um bloße Tendenzen und Pläne der Imperialisten, sondern schon um konkrete Tatsachen. Die Klassenwirklichkeit hat hier erneut die Voraussagen der Kommunisten restlos bestätigt und alle von der Bourgeoisie und Sozialdemokratie künstlich gezüchteten Illusionen zerschlagen. Wir müssen lernen, an Hand solcher Tatsachen den Massen klar zu machen, daß nur die Kommunisten ihnen die Wahrheit gesagt haben.

Um was geht es beim chinesisch-japanischen Krieg?

Wie steht es heute in China?

Wir sehen das ungeheuerliche Verbrechen des Weltimperialismus, eingeleitet durch die japanische Räuberbande, gegen ein 400‑Millionen-Volk.

Wir sehen den schamlosen Versuch, das chinesische Volk mit seiner vieltausendjährigen Kultur zwischen den imperialistischen Mächten einfach aufzuteilen, so wie man es im vergangenen Jahrhundert mit den Negersklaven machte. Wir müssen unzweideutig erkennen, daß dieser blutgierige Angriff des japanischen Imperialismus in der Spitze sich nicht nur gegen die chinesische Sowjetrevolution und gegen die chinesische Arbeiterklasse richtet, sondern in seiner ganzen strategischen Orientierung, in seinem ganzen Aufmarschgebiet, wie die Besetzung von Charbin usw. zeigt, gegen die Sowjetunion, das einzige Land des Sozialismus in der ganzen Welt, im besonderen richtet.

Es ist kein Zufall, daß gerade das rote Tschapei, die Arbeiterstadt von Schanghai, am meisten Opfer der Bombenangriffe und der Beschießung durch die Japaner wurde.

Nehmen wir z. B. das in unserer Presse und in unserer Partei gar nicht genügend ausgenutzte Memorandum von Tanaka, dem bekannten japanischen Premierminister. Man kann die Lage im Osten nur verstehen, wenn man die Enthüllungen dieses verbrecherischen Dokuments überall in den Millionenmassen Deutschlands und der Welt popularisiert. Was finden wir in dem Tanaka-Memorandum? Er sagt z. B. an einer Stelle:

Wenn wir uns in Erinnerung rufen, daß die Chinesen unsere einzigen Käufer sind, so müssen wir den Tag fürchten, an dem sich China vereinigen wird und seine Industrie zu blühen beginnt.

Und welche Methoden schlägt Tanaka für die japanische Politik in Ostasien vor? Er sagt:

Japan wird nicht imstande sein, um der Selbstverteidigung willen und zum Schutz anderer, die Schwierigkeiten in Ostasien zu beseitigen, wenn es nicht eine Politik von ”Blut und Eisen” durchführt.

Gegen wen soll sich die Politik von ”Blut und Eisen” richten außer gegen das chinesische Volk? Einmal gegen den wichtigsten imperialistischen Konkurrenten, gegen die Vereinigten Staaten, zum anderen gegen die Sowjetunion als den Hort des Freiheitskampfes aller unterdrückten Völker und Klassen. Und Tanaka zieht auch die praktischen Schlußfolgerungen, wobei er sich auf die Erfahrungen des vergangenen Weltkrieges stützt:

Mandschurei und Mongolei ‑ das ist das Belgien des Fernen Ostens. Im großen Weltkrieg ward Belgien zum Schlachtfeld. In unseren Kriegen mit Rußland und den Vereinigten Staaten werden wir die Mandschurei und die Mongolei allen Schrecken des Krieges aussetzen müssen.

Gegenwärtig zeigt die außerordentliche Zurückhaltung der Vereinigten Staaten gegenüber dem japanischen Vorgehen in Schanghai die große Gefahr, daß die Imperialisten ihre Konflikte untereinander vertagen, zugunsten des japanischen Überfalls auf die Sowjetunion. Es ist klar, daß der japanische Imperialismus in diesem Falle die Rolle eines Kettenhundes der Weltimperialisten spielen würde, der mit Genehmigung und stärkster Unterstützung der Vereinigten Staaten, Frankreichs, Englands usw. den Angriff auf die Sowjetunion eröffnet. Was sagt Tanaka über diese Politik des Krieges gegen Sowjetrußland?

Er schreibt:

Wird die Sowjetrußland gehörige Ostchinesische Bahn sich in diesem Gebiet entwickeln, so wird unsere neue Kontinentalpolitik dadurch beeinträchtigt, und dies wird in der nächsten Zukunft unfehlbar zu einem Konflikt mit Sowjetrußland führen… Das Programm unserer nationalen Entwicklung schließt augenscheinlich die Notwendigkeit ein, in der Mongolei unsere Waffen mit Rußland zu kreuzen, um uns der Reichtümer der Nordmandschurei zu bemächtigen. Wenn wir Japans Zukunft betrachten, so müssen wir die Unvermeidlichkeit eines Krieges mit Rußland in der Nordmandschurei zugeben. Wenn diese Bahn (gemeint ist die Bahn Kirin-Hoinin und Taschantschun-Talaij gebaut ist, können wir Talai zum Ausgangspunkt eines Angriffs auf Sibirien nach drei Richtungen hin machen. Und zwar über Taonan, über Anschan und über Tsitsihar. Die Reichtümer der Nordmandschurei werden dann in unseren Händen sein.

Der strategische Plan des japanischen Imperialismus

Der strategische Plan des japanischen Imperialismus geht also dahin:

Erstens: Finanzielle und ökonomische Durchdringung der Mandschurei;

Zweitens: Militärische Eroberung der Mandschurei und Mongolei bei gleichzeitiger Unterdrückung des chinesischen Volkes, insbesondere unter den heutigen Verhältnissen, die Tanaka noch nicht voraussah, der chinesischen Sowjetrevolution.

Drittens: Krieg gegen die Sowjetunion zur Losreißung nicht nur der ostchinesischen Eisenbahn und Wladiwostoks, nicht nur der mit der Sowjetunion freundschaftlich verbundenen Volksrepublik der äußeren Mongolei, sondern zur Eroberung Sibiriens, um einen Pufferstaat zu schaffen.

Viertens: Krieg gegen die Vereinigten Staaten, um die Vorherrschaft des japanischen Imperialismus in ganz Asien und im Stillen Ozean zu schaffen.

Ich will nur noch hinzufügen, daß das Tanaka-Memorandum in der weiteren Perspektive dann auch noch die Eroberung Indiens und schließlich sogar Europas durch den japanischen Imperialismus vorsieht. Aber während diese weiteren Perspektiven ebenso phantastisch und wahnwitzig erscheinen, wie die Weltherrschaftsträume der Imperialisten aller Länder ‑ man braucht nur an die Kriegsziele der Hindenburg und Ludendorff zu denken ‑, währenddessen zeigt die Praxis des japanischen Imperialismus, daß er bereits mit aller Entschiedenheit dazu übergegangen ist, die ersten Teile des Tanaka-Planes zu erfüllen. Wir müssen uns also klar sein, daß dieses Tanaka-Memorandum von 1927 absolut die Linie für die gesamte Politik Japans abgibt. Und das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als daß der japanische Imperialismus den Krieg gegen die Sowjetunion so rasch als möglich entfesseln will. Den ganzen blutigen Ernst dieser Tatsache gilt es zu erfassen und den breitesten Massen klar zu machen.

Bei diesem räuberischen Schachergeschäft in China werden sich weiterhin die Konflikte der Imperialisten untereinander zuspitzen. Aber vor der Verschärfung der Gegensätze der imperialistischen Mächte untereinander tritt immer stärker in den Vordergrund das gemeinsame Handeln der imperialistischen Mächte in der Vorbereitung des Krieges gegen die Sowjetunion. Neben dem amerikanisch-englischen Hauptgegensatz der Imperialisten untereinander rückt der amerikanisch-japanische Gegensatz wieder mehr in den Vordergrund, ohne daß dadurch die Kriegsaktionen des japanischen Imperialismus und aller anderen Imperialisten gegen die Sowjetunion eingeschränkt werden.

Die Rolle des deutschen Imperialismus

Für uns deutsche Kommunisten ist selbstverständlich von größter Bedeutung die Rolle des deutschen Imperialismus in der Frage des japanischen Krieges.

Was sehen wir hier? Genau wie bei dem Problem des Anti-Sowjetkrieges nimmt die deutsche Bourgeoisie auch bei dem Vorgehen des japanischen Imperialismus eine solche Stellung ein, daß sie unter allen Umständen bei dem blutigen Geschäft beteiligt sein und von der Beute profitieren will.

Ich verweise hier nur auf die schmutzige Rolle der deutschen faschistischen Offiziere in China, die dort als militärische Ratgeber seit Jahren an allen Kämpfen gegen die chinesische Revolution und die Roten Armeen teilnehmen. Heute ist es vor allem die Frage der Munitions- und Waffentransporte, in der sich die Teilnahme der deutschen Bourgeoisie an dem Verbrechen der Imperialisten ausdrückt.

Ich weise darauf hin, daß kürzlich in der "Deutschen Bergwerkszeitung" auf diesem Gebiet schon die Linie des wichtigsten Teiles der deutschen Industrie aufgezeigt wurde, sich im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Verschiebungen und der Belebung der Konjunktur der Kriegsindustrie an diesem Geschäft zu beteiligen. Es heißt z. B. dort:

Die Weltbörsen begegnen den Ereignissen im Fernen Osten mit einer nicht nur erstaunlichen Ruhe, sondern in einigen Fällen sogar mit einer Art von Hoffnungsfreudigkeit. Die Spekulationswelt hält die sich aus einem Kriege ergebenden wirtschaftlichen Verschiebungen zu einem großen Teil schon für konjunkturbelebend. Wir sehen mit jeder neuen Ausdehnung dieses ostasiatischen Konflikts neue Aktien- und Rohstoffgruppen an den Börsen in Bewegung kommen.

Weiter: In einer Bezirksversammlung des GdA in Hamburg erklärte der Gewerkschaftssekretär Möhring u.a.:

Wir müssen feststellen, welche arbeitsfördernde Bedeutung der chinesisch-japanische Konflikt auch für die deutschen Angestellten gewinnt.

Die Vorgänge im Fernen Osten, der Krieg in der Mandschurei und in den anderen chinesischen Hafenstädten bringen aber zugleich mit dem Angriff gegen die werktätigen chinesischen Massen auch die stärkste Bedrohung der Sowjetunion; damit tritt der Interventionskrieg in ein neues akutes Stadium. Die Besetzung von Charbin, die fortgesetzten japanischen Übergriffe im Gebiet der ostchinesischen Eisenbahn, die verstärkte Ansammlung weißgardistischer Elemente an der Grenze der Sowjetunion, die imperialistischen Pläne auf Schaffung eines Pufferstaates, unter Losreißung von Teilen der Sowjetunion und Einbeziehung der äußeren Mongolei, die mit der Sowjetunion in Frieden und enger Freundschaft lebt, das alles zeigt uns, wie außerordentlich bedrohlich die Lage für den Frieden der Sowjetunion ist.

In derselben Linie liegt der imperialistische Gewaltstreich der litauischen Regierung auf Memel. Litauen, das auf direkte Anweisung und unter Kontrolle imperialistischer Staaten handelt, reiht sich mit diesem Gewaltakt in die Antisowjetfront der Interventionsmächte ein.

Bedrohung der Sowjetunion durch den imperialistischen Krieg

Wir haben schon des öfteren betont, daß die Konflikte der Imperialisten untereinander keine Abschwächung der Gefahr eines Interventionskrieges gegen die Sowjetunion darstellen. Das gilt für die gegenwärtige Situation im besonderen Maße. Heute weiß keiner von uns, was morgen schon an dieser Kriegsfront im Fernen Osten sich ändert. Der japanische Imperialismus will im Bunde mit anderen imperialistischen Mächten seine Raub- und Kriegspolitik auch gegenüber der Sowjetunion einleiten. Hier müssen die KPD und die revolutionäre Arbeiterschaft und mit ihr die internationale Arbeiterklasse schon heute alles einsetzen, um dieses Weltverbrechen mit allen seinen Konsequenzen auf das schärfste zu bekämpfen.

Die Kräfte der Arbeiterklasse müssen mobilisiert werden gegen die Aufteilung Chinas durch die imperialistischen Räuberstaaten, für die Verteidigung der Sowjetunion und Sowjetchinas!

Nach wie vor erweist sich die ganze Politik der Sowjetunion als die Politik des Friedens. Kaum jemals in der Vergangenheit hatten wir es so leicht, den breitesten Massen, insbesondere auch den sozialdemokratischen Arbeitern die Rolle der Sowjetmacht als Hort und Bollwerk des Friedens klar zu machen.

Und dem steht gegenüber die Welt der Imperialisten, die Welt des Kapitalismus.

Es gilt die Leninsche Losung der Komintern "Krieg dem imperialistischen Krieg" in ihrer ganzen Tragweite zu begreifen. Wir müssen nicht nur in Worten, sondern in unserer revolutionären Massenarbeit und Aktionen den bolschewistischen Kampf gegen den Krieg organisieren und führen. Wir müssen die Haager Instruktion Lenins und die Beschlüsse des VI. Weltkongresses der Komintern zum Allgemeingut der Partei und der Arbeiterklasse machen.

Ich will hier nicht viele Worte verlieren über die schändliche Rolle des Völkerbundes, dieses Kriegsinstruments der imperialistischen Mächte, die heute auch jedem sozialdemokratischen Arbeiter klar zu werden beginnt. Oder nehmen wir die ungeheuerliche Heuchelei der Imperialisten, die sich in Genf zur sogenannten Abrüstungskonferenz vereinigen, während zugleich im Fernen Osten die japanischen Kanonen und Geschütze donnern und Bombenflugzeuge über den Städten kreisen. Ist es nicht blutiger Hohn, wenn dasselbe Japan, das ohne Zögern und ohne die geringsten Hemmungen seinen Raubzug gegen das chinesische Volk durchführt, zugleich eine führende Rolle bei der Genfer Abrüstungskomödie spielt?

In Genf hat Genosse Litwinow den alten Vorschlag der Sowjetregierung erneut aufgenommen und im Namen der Arbeiterklasse der ganzen Welt die völlige und absolute Abrüstung vorgeschlagen. Klar und eindeutig unterstrich Genosse Litwinow die drohende Gefahr neuer Kriege. In glänzender Weise geißelte Genosse Litwinow den begeistert von der II. Internationale begrüßten Plan der französischen Imperialisten, durch die Gründung einer Völkerbundsarmee eine Armee der Imperialisten gegen die Sowjetunion auf die Beine zu stellen.

Genosse Litwinow hat auf dieser Tagung der Imperialisten noch einmal vor allen Proletariern der Welt ausgesprochen, daß die Sowjetregierung vom ersten Tage ihres Bestehens an den imperialistischen Krieg nicht nur mit Worten, sondern durch ihre Taten verurteilt hat, daß die Sowjetunion sich gegen alle Kriegstribute, gegen jede nationale Unterdrückung eines Volkes durch das andere gewendet hat.

Die Imperialisten und ihre Presse haben diese Rede des Genossen Litwinow, die zur selben Stunde gehalten wurde, in der ein Granatenhagel japanischer Flugzeuge und Geschütze auf das Arbeiterviertel Tschapei niederging, mit offenem Hohn aufgenommen. Wir müssen diese Rede Millionen Proletariern und Werktätigen zugänglich machen, wir müssen all die heuchlerischen Abrüstungsmanöver der Imperialisten vor der Arbeiterklasse entlarven und sie zu aktiven Massenaktionen gegen den imperialistischen Krieg, für die Verteidigung der Sowjetunion mobilisieren.

Ist es nicht völlig klar, daß diese Abrüstungskonferenz nur die Kulisse für die Kriegsrüstung der Imperialisten abgibt? Nehmen wir dazu noch die Tatsache, daß Paul Boncour, der Vorsitzende der Völkerbundskonferenz die Frechheit besitzen kann, von ”Mißverständnissen” zu reden im Zusammenhang mit dem Krieg des japanischen Imperialismus gegen das chinesische Volk. Nur eine Macht, die auf der Abrüstungskonferenz vertreten ist, kämpft wirklich für den Frieden, ist wirklich zur Abrüstung bereit: die Sowjetunion.

Alle anderen Teilnehmer, einschließlich Deutschlands, spielen eine Komödie zur Täuschung der Massen.

Die Sozialdemokratie und der Krieg im Fernen Osten

Die II. Internationale, diese Agentur des kapitalistischen Völkerbundes zeigt anläßlich des japanisch-chinesischen Krieges unzweideutig von neuem ihr wahres Gesicht, wie im August 1914. So, wie sich der Sozialpatriotismus von damals zum heutigen Sozialfaschismus entwickelt hat, so ist auch in der Frage des imperialistischen Krieges die Politik der II. Internationale und der einzelnen sozialdemokratischen Parteien heute nur noch skrupelloser und verbrecherischer als in den damaligen Jahren der Bewilligung der Kriegskredite. Nehmen wir z. B. die japanische Sozialdemokratie, welche Stellung sie einnimmt zur Frage des Krieges. Die “linke” sozialdemokratische Partei Japans hat durch den Mund ihres Abgeordneten Matzutani vor Pressevertretern folgende Erklärung abgegeben:

Die Operationen der japanischen Truppen in der Mandschurei werden durchaus nicht zum Schutze der kapitalistischen Interessen durchgeführt, sie wurden im Gegenteil durch die Notwendigkeit der Lösung des nationalen Problems hervorgerufen. Deshalb unterscheidet sich die jetzige Lage in der Mandschurei wesentlich von einem Kriege der Kapitalisten.

Und als Matzutani aus der Mandschurei, wohin er eine “Studienreise” unternommen hatte, zurückkehrte, stellte er folgende Losungen auf:

1. Verteidigung der japanischen Vorrechte in der Mandschurei;

2. liefert die Mandschurei in die Hände der japanischen Arbeiter und Bauern.

3. Zwei Millionen japanische Arbeitslose sollen nach der Mandschurei auswandern und dort die Vorrechte Japans verwalten;

4. die Partei soll alle Kräfte auf den Kampf für diese Losungen konzentrieren.

Ich weise ferner darauf hin, daß der Parteivorstand der Rono-Teischuto (“linke” sozialdemokratische Partei) Ende Oktober die japanische Aktion in der Mandschurei als eine “Schicksalsfrage der japanischen Nation” darstellte und zuletzt auf die Tatsache, daß die sozialdemokratische Jugend Japans ein Manifest erließ, in dem es heißt:

In den Feldern der Mandschurei, wo die Rohstoffquellen des Exports des japanischen Kapitals und japanischer Waren auf Grund der politischen Vorrechte Japans eine entscheidende Rolle für die japanische Volkswirtschaft spielen, sehen wir den aggressiven Schritt der Sowjetunion, die sonst theoretisch den pazifistischen Internationalismus betonte, des amerikanischen und des englischen Kapitals, sowie den Boykott der feudalen chinesischen Generale gegen die japanischen Waren. Aus diesem Grunde brach der gegenwärtige japanisch-chinesische Konflikt aus. Bei der schnellen Entfaltung der objektiven Situation müssen wir die schematische Strategie aufgeben und statt dessen vom Standpunkt der proletarischen Jugend eine wirklich objektive Taktik durchführen. Wir müssen, um unsere Ziele zu verwirklichen, zuerst auf der Grundlage der Volkswirtschaft den nationalen Sozialismus aufbauen, um dann allmählich zum internationalen Sozialismus vorzudringen, wobei es unsere Aufgabe ist, den fantastischen Idealismus der Kommunistischen Jugend aufs entschiedenste zu bekämpfen.

Zuletzt noch die Tatsache, Genossen, daß Anfang Februar d. J. die “rechte japanische Sozialdemokratie” folgende Thesen aufstellte:

1. Es sind alle nur irgendmöglichen Schritte zu unternehmen, um ganz Japan darüber aufzuklären, daß die japanische sozialdemokratische Partei das Gebäude des japanischen Imperialismus schützt und hochhält.

2. Die sozialdemokratische Partei weist kategorisch die Theorie zurück, die behauptet, daß der Staat eine Waffe zur Unterdrückung der einen Klasse durch die andere sei und unterstützt die Theorie, welche erklärt, der Staat ist ein System der Vereinigung und der Kontrolle. Die Partei ist lediglich bestrebt, den Staatsapparat zu demokratisieren.

Genossen, ich betone, daß diese drei sozialdemokratischen Organisationen der II. Internationale die Politik des japanischen Imperialismus unterstützen.

Wir sind die einzige Partei, die für den Frieden kämpft

Angesichts dieser Tatsachen, angesichts der Erkenntnis, daß wir uns nicht mehr vor dem, sondern schon im imperialistischen Krieg befinden, daß der japanische Imperialismus die Brandfackel des imperialistischen Krieges bereits entzündet hat, daß der Funke auf andere imperialistische Mächte überzuspringen droht, und - was das wichtigste ist - daß die Imperialisten offen bestrebt sind, den Frieden der Sowjetunion und ihren sozialistischen Aufbau zu stören, müssen wir Kommunisten unser Banner des proletarischen Internationalismus und der aktiven revolutionären Solidarität kühner und entschlossener denn je entfalten. Wir sind die einzige Partei und die Vertreterin der einzigen Klasse, die wirklich gegen den Imperialismus und für den Frieden kämpft.

Aber es genügt nicht, daß wir das wissen. Die Millionenmassen in Deutschland müssen es wissen, von uns in der Propaganda hören, und verstehen. Der Niedergang und die Fäulnis des kapitalistischen Systems, die immer stärkere Formen annehmen, demgegenüber die krisenlose aufsteigende Entwicklung des einzigen Landes der Welt, des Landes des Sozialismus, zeigen vor den Millionen werktätigen Massen immer krasser ihren gewaltigen prinzipiellen Unterschied. Die Imperialisten der kapitalistischen Länder und die ihr treu ergebenen Sozialdemokraten suchen für den kapitalistischen Ausweg aus der Krise durch gewaltsame Neuaufteilung der Märkte, durch bewußte Aufteilung Chinas und durch die neuen, sehr ernst zu nehmenden Kriegsoperationen gegen die Sowjetunion, Millionenmassen für ihre räuberischen Pläne einzufangen und zu gewinnen. Die Kommunistischen Parteien der ganzen Welt und ganz besonders die KPD müssen sich des Ernstes dieser Situation vollauf bewußt sein. Niemals seit der Zeit des Bürgerkriegs und des imperialistischen Angriffs auf die Sowjetunion in den Jahren von 1917 bis 1920 ist die Stunde des Angriffskrieges des Imperialismus gegen die Sowjetunion so nahe gerückt wie in diesen vor uns stehenden Wochen und Monaten. Unsere große historische Losung der Verteidigung der Sowjetunion durch die Millionenmassen des Weltproletariats kann schnell und überraschend von einer Agitations- zu einer Aktionslosung für die KPD und die mit ihr verbundene revolutionäre Arbeiterschaft werden. Diese unsere Hauptlosung birgt in sich den unversöhnlichen Kampf gegen alle imperialistischen Räuber und ihre sozialfaschistischen und faschistischen Kriegsunterstützer im eigenen Lande. Unsere Klassenfeinde beginnen bereits mit neuen Methoden der Vergiftung und der Verleumdung gegen uns und gegen das einzige Land des wirklichen Friedens, gegen die Sowjetunion, ihren ideologischen Feldzug, neben den steigenden Kriegsoperationen, neu zu eröffnen.

Nehmen wir z.B. die "Hamburger Nachrichten", wie sie auf dieser Basis ein Beispiel geben, wie die klassenbewußte Presse der Bourgeoisie diesen Verleumdungsfeldzug inszeniert. Es heißt in den "Hamburger Nachrichten" u. a. in einem Artikel "Moskau organisiert den Bürgerkrieg in Deutschland" an einer Stelle folgendermaßen:

Die Kommunistische Internationale habe für die deutschen Kommunisten eine Million Goldrubel von der russischen Partei angefordert, die auch sofort bewilligt wurden. Außerdem seien 40 Agenten der GPU zur Organisierung von Terrorakten, Demonstrationen und planmäßigen Unruhen, sowie für die Organisierung der Industriespionage eingetroffen.

Wir sehen also, daß mit diesen Plänen der Imperialisten zu gleicher Zeit die Verleumdungen auf diesem Gebiet neue Formen annehmen.

Appell des Zentralkomitees an das deutsche Proletariat!

Wir müssen in der Agitation und Propaganda das größtmöglichste an Intensität und revolutionärer Leidenschaft entfesseln für die stärkste internationale Solidarität und das engste Bündnis der deutschen revolutionären Arbeiterschaft mit den Millionen der russischen Arbeiter und Bauern, die unbeirrbar kämpfen und ringen für die Politik des Friedens und die Unantastbarkeit ihres wirklichen sozialistischen Vaterlandes. So wie die kapitalistischen Räuber und die sozialdemokratischen und faschistischen Führer den tiefen Haß gegen die Existenz der Sowjetunion und ihre welthistorische Entwicklung zu erzeugen versuchen, so muß es umgekehrt unsere große, kühne und revolutionäre Aufgabe im unermüdlichen Tageskampf und in allen unseren Kampagnen sein, das internationale Band der tiefsten Solidarität und den gemeinsamen revolutionären Massenkampf überall zu organisieren und zu entfalten, nicht nur unmittelbar in der Stunde des kriegerischen Angriffs gegen die Sowjetunion, sondern schon heute im Zusammenhang mit allen vor uns stehenden Aufgaben in ganz Deutschland. Man kann sagen, daß gerade in der jetzigen Situation in der Agitation und Propaganda der leidenschaftlichste bolschewistische Kampf gegen den imperialistischen Krieg viel umfassender und konkreter geführt werden muß, als es in der Vergangenheit der Fall war.

Wir tragen eine große Verantwortung. Mehr als einmal seit 1918 wurde der drohende Überfall des Weltimperialismus auf die Sowjetunion durch die Massenaktionen der Komintern in allen Ländern verhindert. Mehr als jemals zuvor hängt von unserer Kampfentschlossenheit und Aktionsfähigkeit die weitere Entwicklung ab. Heute fallen japanische Bomben auf Wusung und Tschapei, marschieren japanische Truppen gegen die chinesischen Sowjetgebiete. Wenn es nach dem Willen der imperialistischen Mächte ginge, würden vielleicht morgen schon die Flugzeuggeschwader sowjetrussische Gebiete bombardieren.

Ich spreche im Namen der gesamten Plenartagung des Zentralkomitees, wenn ich von dieser Stelle den stärksten Appell an das gesamte deutsche Proletariat und an alle Werktätigen richte, ihre ganze Kraft für den Kampf gegen das imperialistische Kriegsgemetzel in die Waagschale zu werfen.

Im Namen des gesamten Plenums des ZK der KPD richte ich die Aufforderung an alle klassenbewußten Arbeiter in den Hafenstädten, an die Seeleute und Hafenarbeiter, an die Eisenbahner, an die Arbeiter der Kriegs- und Munitionsindustrie: Wendet eure Kampfmittel des Streiks und alle übrigen Kampfmethoden zur Verhinderung jeder Unterstützung des imperialistischen Krieges durch Munitions- und Waffentransporte an! Ich deute hierbei an, daß besondere Überwachungsausschüsse in einigen Hafenstädten schon gebildet wurden, und daß das der erste Anfang dieser großen Arbeit ist.

An die chinesischen Arbeiter und armen Bauern!

Und im Namen der Plenartagung unseres ZK richte ich von dieser Stelle aus an die Arbeiter und armen Bauern des chinesischen Volkes, an die gegen das Kriegsverbrechen kämpfenden Arbeiter Japans, an die gesamte internationale revolutionäre Arbeiterschaft und ganz besonders an die Millionen Arbeiter und Bauern, die Rote Armee und die Rote Flotte der Sowjetunion unser Gelöbnis, im Kampfe gegen den imperialistischen Krieg auf der Linie Lenins und des Bolschewismus mit allen Kräften unsere revolutionäre Pflicht zu erfüllen. Wir werden unsere proletarische Solidarität gegenüber den Imperialisten durch den entschlossenen Kampf gegen den Feind im eigenen Land praktisch erhärten! Das auszusprechen und den proletarischen Massen zuzurufen, ist eine der wichtigsten Pflichten der heutigen Tagung unseres Zentralkomitees.

Die imperialistischen Gegensätze und das Versailler System

Ich komme nun zu der Frage, die mit der Verschärfung der imperialistischen Gegensätze verbunden ist: Zur Frage des Versailler Systems!

Auf der Grundlage der ungleichmäßigen Entwicklung in der Epoche des Imperialismus wird das Versailler System der Raubfriedensverträge, die den vergangenen Weltkrieg besiegelten, zu einem Hebel, der alle kapitalistischen Widersprüche auf eine höhere Stufe und in zugespitztere Formen überführt.

Wir kennen die Verschärfung des Kampfes des amerikanischen Imperialismus gegen die zurückgehende Position Englands in der Weltherrschaft, weiter die Zuspitzung der Gegensätze zwischen dem englischen Imperialismus und Frankreich, die auch mit dem Rückgang der ökonomischen und politischen Machtstellung Englands in Zusammenhang steht.

Betrachten wir Frankreich. Seine imperialistische Hegemonie in Europa wurde durch das Versailler System aufgerichtet. Sie steht in einem gewissen Widerspruch zur Höhe der ökonomischen Entwicklung des französischen Kapitalismus. Das zwingt den französischen Imperialismus, das System seiner Vasallenstaaten auszubauen, seine Rüstungen zu steigern und die Unterdrückung und Niederhaltung Deutschlands mit Hilfe der Young-Sklaverei unvermindert aufrechtzuerhalten (Hoover-Plan, Stillhalteverhandlungen im Zusammenhang mit der geplanten Lausanner Reparationskonferenz). Hier sahen wir ein Zusammengehen Amerikas mit Frankreich, wobei die Vasallenstaaten als Bundesgenossen Frankreichs den unbeugsamen Willen des französischen Imperialismus zur Aufrechterhaltung des erschütterten Versailler Systems unterstützten.

Auf der einen Seite wächst die Undurchführbarkeit des Versailler Vertrages und des Young-Plans. Darüber hinaus wird das Schuldenproblem international wie im deutschen Maßstabe zu einer unlösbaren Schwierigkeit für die Imperialisten.

Auf der anderen Seite denkt der französische Imperialismus nicht daran, auf das System der Young-Sklaverei zu verzichten, weil es mit der Aufrechterhaltung seiner Vormachtstellung in Europa untrennbar verbunden ist.

So führt das Versailler System zu einer außerordentlich scharfen und angespannten Steigerung des Gegensatzes zwischen den Siegern und Besiegten des vergangenen Weltkrieges, wie auch zwischen den Siegern untereinander um die Verteilung der Beute. Die Schwierigkeiten und Widersprüche des Versailler Systems werden durch die Weltwirtschaftskrise gesteigert und bewirken andererseits von sich aus eine weitere Verschärfung der Krise. Wir werden uns mit dieser Frage noch speziell in ihren Auswirkungen für Deutschland beschäftigen müssen.

Der revolutionäre Aufschwung und die Zuspitzung des Klassenkampfes

Und nun zur letzten Frage, die ich bei der Analyse der internationalen Lage beleuchten will, das ist die Frage des aus der Verschärfung der Krise erwachsenden revolutionären Aufschwunges und der mit ihr verbundenen Zuspitzung des Klassenkampfes zwischen Bourgeoisie und Proletariat.

Bei ihrem Versuch, einen kapitalistischen Ausweg aus der Krise zu beschreiten, geht die Bourgeoisie in allen kapitalistischen Ländern zu ungeheuerlichen Angriffen auf die Lebenshaltung der Massen über. In allen kapitalistischen Ländern sehen wir einen planmäßigen Abbau der Löhne, einen Abbau der Sozialleistungen, einen Rückgang des Verbrauchs der wichtigsten Lebens- und Konsumtionsmittel pro Kopf der Bevölkerung.

Die politische Reaktion und die Anwendung faschistischer Herrschaftsmethoden durch die Bourgeoisie tritt immer stärker in Erscheinung. Die Bourgeoisie setzt ganz unverhüllt den Staatsapparat bei ihren Anschlägen auf die werktätigen Massen ein. Sie mobilisiert alle ihre Hilfstruppen, vor allem ihre soziale Hauptstütze, die internationale Sozialdemokratie.

Faktoren des revolutionären Aufschwunges

Auf der anderen Seite sehen wir eine Reihe von Faktoren des revolutionären Aufschwunges.

Die Siege der Roten Armee in China, der Ausbau und die Festigung der chinesischen Sowjetgebiete, die Tatsache, daß in einem Gebiet, das weit größer ist als Deutschland, ein zweites Sowjetland sich gebildet hat, stellen eine welthistorische Tatsache dar, die wir in unserer Agitation und Propaganda viel zu wenig beachten. Wir müssen immer stärker darauf hinweisen, daß neben der Sowjetunion heute schon auf einem zweiten riesigen Gebiet, größer als Deutschland, die Sowjetmacht besteht, daß dort für die chinesische Sowjetrevolution die Aufgabe des Hinüberwachsens der bürgerlich-demokratischen Revolution in die proletarisch-sozialistische Revolution immer mehr heranreift, daß die chinesischen Sowjets, die heute noch Organe der revolutionär-demokratischen Diktatur des Proletariats und des Bauerntums sind, dazu berufen sind, zu Organen der Diktatur des Proletariats, die sich auf das Bündnis mit den armen Bauern stützt, zu werden.

Ich erinnere ferner an die Ereignisse in Spanien, an die Aufstände, Streiks und Demonstrationen in Indien, an die Welle von Streiks in einer Reihe kapitalistischer Länder, an die Bauernrebellionen und Bauernmassenaktionen, an die englische Flottenmeuterei, an den großen Wahlerfolg unserer Bruderpartei in Bulgarien und an andere Tatsachen der revolutionären Entwicklung.

Der Siegeszug des Sozialismus in der Sowjetunion

Der stärkste Faktor für den revolutionären Aufschwung auf der ganzen Welt, der beherrschende welthistorische Faktor für die ganze gegenwärtige Periode ist der Siegeszug der Sowjetunion.

Ich will nicht das wiederholen, was wir alle über die gigantischen Erfolge der Sowjetmacht bei allen dort vorhandenen und zu überwindenden Schwierigkeiten beim Aufbau des Sozialismus wissen. Ich will nur darauf hinweisen, daß die Überlegenheit der sozialistischen Planwirtschaft, wie sie sich unverkennbar in dem Widerspruch zwischen dem Niedergang des Kapitalismus und dem Aufstieg des Sozialismus ausdrückt, eine außerordentlich revolutionierende Wirkung auf die Massen ausübt.

Vor wenigen Tagen hat die KP der Sowjetunion ihre 17. Parteikonferenz beendet, die zu den Ergebnissen des ersten Fünfjahrplans Stellung nahm und die Linie für den zweiten Fünfjahrplan festlegte. Heute, nachdem das letzte, das vierte Jahr des Fünfjahrplans begonnen hat, können wir sagen, es ist gesichert, daß die Losung: Durchführung des Fünfjahrplans in vier Jahren in vollem Umfange erfüllt wird. Es ist gesichert, daß die Aufgabe des ersten Fünfjahrplans, die Fundamente der sozialistischen Wirtschaft zu Ende zu führen, vollbracht wird.

Auf dem Weg zur klassenlosen Gesellschaft

Der zweite Fünfjahrplan, der endgültig alle Reste der sogenannten parasitären kapitalistischen Klassen beseitigt, die völlige Abschaffung der Klassenunterschiede in Angriff nimmt, bringt einen neuen gewaltigen Wendepunkt der Weltgeschichte. Nachdem der Aufbau der Fundamente der sozialistischen Wirtschaft beendet ist, wird nun mit dem zweiten Fünfjahrplan auf einem Sechstel der Erde die klassenlose sozialistische Gesellschaft erbaut. Wir müssen natürlich auseinanderhalten das Problem des Sozialismus und den Übergang in den Kommunismus. Selbst wenn die klassenlose Gesellschaft erbaut, wird, wie es in der strategischen Linie des zweiten Fünfjahrplans als Beschluß auf der XVII. Parteikonferenz signalisiert und angenommen wurde, so bedeutet das noch nicht, daß mit dem Abschluß des zweiten Fünfjahrplans schon alle Überreste gewisser bürgerlicher Ideologien beseitigt sind. Die Frage des Aufbaues des Kommunismus ist eine Frage von Etappen des Sozialismus. Von diesem Gesichtspunkt aus muß man die Frage des Aufbaues der klassenlosen Gesellschaft stellen.

Wir müssen unsere Aufmerksamkeit allen Fragen der ökonomischpolitischen und kulturellen Entwicklung, wie sie auf allen Gebieten durch den zweiten Fünfjahrplan aufgeworfen werden, zuwenden und damit die heroischen Erfolge des Sozialismus in der Sowjetunion für unsere revolutionäre Propaganda nutzbar machen. Auch uns wird der Siegeszug des Sozialismus durch die einfache Wucht der Tatsachen zu einer unüberwindlichen Kraftquelle für die proletarische Revolution in allen kapitalistischen und kolonialen Ländern. Das Beispiel der krisenlosen Sowjetunion, das Beispiel der proletarischen Diktatur, die die Arbeitslosigkeit hundertprozentig beseitigt hat, die die Lebenshaltung der Massen unablässig steigert, die als einzige Macht die Politik des Friedens betreibt und auch nicht die leisesten Keime des Faschismus duldet, die die größten sozialen, kulturellen und politischen Errungenschaften für die werktätigen Massen ausbaut und sichert, dieses Beispiel hat eine zwingende Beweiskraft. Aber wir verstehen es immer noch nicht, diese glänzenden Argumente, die uns die Wirklichkeit liefert, in genügendem Maße auszunutzen. Wir verstehen es nicht, den Millionenmassen, die selbst nach einem Ausweg aus der Krise suchen und dabei zwangsläufig sich immer stärker auf das Beispiel und das Vorbild der Sowjetunion orientieren, praktisch und handgreiflich aufzuzeigen, wie man diesem Beispiel in Deutschland folgen kann.

Der Klassenfeind selbst zeigt uns sehr deutlich die überragende revolutionäre Bedeutung der sozialistischen Siege der Sowjetunion. Die sozialdemokratischen Betrugsmanöver mit dem Staatskapitalismus, mit denen wir uns noch ausführlicher beschäftigen werden, sind ein solcher Versuch, die Massen vom Kampf um den revolutionären Ausweg aus der Krise auf Grund des Vorbilds der Sowjetunion zurückzuhalten und für den kapitalistischen Ausweg der Bourgeoisie einzufangen. Um so wichtiger ist unsere Propaganda für den revolutionären Ausweg, unsere unermüdliche Auswertung der großen sozialistischen Erfolge in der Sowjetunion.

II. Die Lage in Deutschland

Bei der Betrachtung der Lage in Deutschland werde ich darauf verzichten, im Referat alle Fragen und Tatsachenmaterialien ausführlicher wiederzugeben, sondern ich werde mich darauf beschränken, die wichtigsten Schlußfolgerungen herauszuarbeiten, die sich aus der Analyse der ökonomischen und politischen Verhältnisse in Deutschland ergeben.

Zunächst einige Bemerkungen über die Entwicklung der Krise in Deutschland. Was zeigt sich seit dem Maiplenum des ZK an neuen Tatsachen?

Mit der Verschärfung der Krise im Weltmaßstabe haben wir auch in Deutschland eine höhere Phase in der Entfaltung der Krise zu verzeichnen. Während es der Bourgeoisie auf Grund des monopolistischen Charakters der kapitalistischen Wirtschaft Deutschlands in den beiden ersten Jahren der Krise gelungen war, die Erschütterungen der Krise, vor allem auf die nichtmonopolistischen Teile des Kapitals abzulenken, zeigt sich in diesem verschärften Stadium der Weltkrise, daß schon eine Reihe der wichtigsten Kommandohöhen des Finanzkapitals, Großbanken und große Industriekonzerne, von der Krise erfaßt werden. Im vergangenen Sommer, im Zusammenhang mit dem Bankenkrach, der Erschütterung des Kreditsystems in Deutschland und dem Hoover-Plan haben wir die damaligen Ereignisse völlig richtig eingeschätzt. Für uns kann es keine Trennung, keine schematische Abgrenzung der verschiedenen Phasen der Krise geben. Wir können nicht von einer besonderen Bankenkrise oder besonderen Kreditkrise sprechen, wie die Bourgeoisie, die darin einen prinzipiellen Unterschied zur industriellen Krise konstruiert.

Wir müssen im Gegenteil mit besonderer Schärfe herausarbeiten, wie sich bei den verschiedenen Erscheinungsformen der Krise, bei ihren verschiedenen Phasen doch immer ein und derselbe Prozeß der Erschütterung der kapitalistischen Wirtschaft auf Grund ihrer inneren Widersprüche vollzieht.

Was zeigte sich z. B. beim Bankenkrach?

Wenn man den wirklichen ökonomischen Inhalt untersucht, so ergibt sich, daß in dem Zusammenbruch einer Reihe von Großbanken und der weiteren Erschütterung anderer Großbanken, sowie in der sich mehrenden Pleite kleinerer Bankunternehmungen, stets die industrielle Krise, die Störung der Produktion, ihre Widerspiegelung fand. Die Banken wurden zahlungsunfähig, weil sie den zusammenbrechenden Konzernen, wie Nordwolle, Schultheiß-Patzenhofer, Borsig usw. riesige Kredite eingeräumt hatten, weil diese Kredite entweder verloren waren, oder aber eingefroren, wie z. B. beim Stahltrust, Ruhrbergbau und anderen Konzernen.

Die deutsche Bourgeoisie mußte dazu übergehen, ein vorübergehendes äußeres und inneres Moratorium zu erlassen. Denn nichts anderes als ein solches faktisches Moratorium war ja die Bankenschließung einerseits und der Hoover-Plan und das Stillhalteabkommen andererseits. Das Finanzkapital, die Großbourgeoisie ging auf Grund dieser Verschärfung der Krise schrankenlos dazu über, unmittelbar den Staatsapparat zur Sanierung der Banken einzusetzen. Das geschah in Form von offenen und verschleierten Subventionen, in Form sogenannter “Sanierungen” oder durch Kredite, die in Wirklichkeit auch nur Geschenke auf Kosten der werktätigen Steuerzahler waren.

Nichts anderes ist auch die jetzt mit neuen riesigen Subventionen erfolgte Zusammenlegung der deutschen Großbanken, bei der von zwei der so geschaffenen Riesenbanken der Staat die Mehrheit der Aktien besitzt. Wieder wird mit den Milliarden der Steuerzahler der Versuch unternommen, den Zusammenbruch der Bankkonzerne zu verschleiern und aufzuschieben.

Auf diesem Wege versuchte die Finanzoligarchie unter maßloser Ausplünderung der Massen den Finanzkrach zu verhindern. Die drohende Zahlungsunfähigkeit und die damit verbundene Gefahr der Inflation konnte jedoch durch alle Maßnahmen der Bourgeoisie nicht aufgehoben, sondern nur vertagt werden. Der Bestand der Reichsbank an Gold und Devisen ist weiter gesunken. Von Mitte bis Ende 1931 um etwa 50 Prozent. Der Ausfuhrüberschuß Deutschlands geht auf Grund der Pfundinflation, der Zollkämpfe und der allgemeinen Exportoffensive der kapitalistischen Länder immer mehr zurück.

Zugleich ist der innere Markt durch die dauernde Senkung der Massenkaufkraft um etwa 30 Prozent unter den Stand von 1929 herabgedrückt. Durch die Notverordnung im Dezember wurde der Konsum um mehr als 4 Milliarden herabgesetzt.

Perspektive der weiteren Verschärfung der Krise

Dies alles zeigt ganz klar, daß sich auch für die vor uns liegende Entwicklung eine weitere Verschärfung der Krise ergeben muß. Für die gegenwärtige Situation müssen wir feststellen, daß das Finanz- und Kreditsystem in Deutschland sich in heftigen Schwierigkeiten befindet. Trotz einer “Ersparnis” von etwa 3 Milliarden Mark an den Erwerbslosen, den Löhnen und Gehältern der Staatsarbeiter, Angestellten und Beamten, haben wir einen Fehlbetrag von über 2 Milliarden in den Staatsfinanzen. Das Stillhalteabkommen bezüglich der kurzfristigen Kredite läuft am 23. Februar ab, auch der Rediskontkredit der Reparationsbank in Basel für die Reichsbank über 420 Millionen Mark ist fällig. Zugleich gehen die Steuereingänge und Staatseinnahmen immer mehr zurück. Ganz abgesehen von den formellen Reparationskrediten auf Grund des Young-Plans, die bis zum Ablauf des Hoover-Plans gestundet sind, versucht die deutsche Bourgeoisie allein zur Verzinsung und Abzahlung der sogenannten “privaten” Auslandsschulden eine jährliche Tributleistung von über 2 Milliarden Mark aus den werktätigen Massen zu erpressen, um sie an das ausländische Finanzkapital abzuführen.

Zieht man weiter in Betracht, daß die Agrarkrise auf Grund der rückschrittlichen Entwicklung der Landwirtschaft immer schärfere Formen annimmt und riesige Summen an offenen und versteckten Subventionen von der Bourgeoisie auf Kosten der Millionen werktätigen Massen an die Junker und Großbauern bezahlt werden, so ergibt sich eine Perspektive, die auf eine weitere Verschärfung der Krise hinausläuft. Eine ganze Reihe von Tatsachen deuten daraufhin, daß die Situation immer schwieriger für die Bourgeoisie werden wird. Damit rückt eine Frage erneut in den Vordergrund: Die Frage der Inflation!

Was gibt es Neues in dieser Frage?

Neue Inflationspläne

Das Wichtigste ist zweifelsohne der Wagemann-Plan. Dieser Plan, der eine Doppelwährung schaffen will, das heißt eine an keine Goldwährung gebundene Papiermark, mit der die Löhne und Gehälter in Deutschland gezahlt werden sollen und eine andere Währung für den Geldverkehr mit dem Ausland, die nicht entwertet werden soll, ist im Grunde genommen nur die Neuauflage ähnlicher Vorschläge aus dem Lager der Hugenberg und Hitler, die schon im vergangenen Sommer anläßlich des Bankenkrachs auftauchten. Ich glaube, Genossen, wenn wir an die Harzburger Konferenz denken, so erinnern wir uns daran, daß durch den ehemaligen Reichsbankpräsidenten Schacht dort eine ähnliche Idee vorgetragen wurde, die plötzlich die Öffentlichkeit interessierte und überraschte. Heute sehen wir im Laufe des Ganges der Entwicklung, daß dieser Wagemann-Plan eine ernstere Bedeutung bekommt, weil hinter dem Plan heute schon ein solcher Konzern steht, der bis jetzt noch nach wie vor der gesündeste Teil des deutschen Finanzkapitals ist, der Chemiekonzern. Die Tatsache, daß nunmehr auch das Chemiekapital stärker auf die Linie der inflationistischen Politik einschwenkt, wie sie Hugenberg und Hitler für die Großagrarier und Montanindustrie seit längerer Zeit vertreten, ist von neuer Bedeutung und kann auch für die gesamte übrige Innenpolitik Deutschlands wichtige Konsequenzen zeitigen.

Trotzdem bleibt für die deutsche Bourgeoisie eine wichtige Hemmung bestehen, die sie vor einer Inflationspolitik nach dem Beispiel Englands zurückschrecken läßt: Das ist die Furcht davor, daß eine Inflation auf Grund der Erfahrungen des Jahres 1923 die Radikalisierung und Revolutionierung der Massen außerordentlich beschleunigen würde. Und diese Furcht vor der proletarischen Revolution, vor der revolutionären Krise im Gefolge der Inflation ist zweifelsohne auch die Hauptursache, weswegen Brüning und Groener nach bestimmten Informationen im Augenblick die Durchführung des Wagemannschen Plans nicht für zweckmäßig halten.

SPD-Führer und Nazis für die Inflation

Der Wagemann-Plan ist noch in einer anderen Beziehung innenpolitisch aufschlußreich: Einerseits stieß dieser Plan auf den begeisterten Beifall der Nationalsozialisten, die sofort erklärten, daß er von ihnen gestohlen sei. In bürgerlichen Kreisen wird der Wagemann-Plan direkt als eine Visitenkarte für eine etwa kommende Hitlerregierung angesehen. Andererseits haben sich die Sozialdemokratie und die reformistische Gewerkschaftsbürokratie sofort ebenso sehr begeistert mit dem Wagemann-Plan solidarisiert. Es ist uns bekannt, daß das theoretische Organ der reformistischen Gewerkschaftsbürokratie "Die Arbeit" Wagemann aufgefordert hat, über seinen Plan zu schreiben. Auch hier haben wir also eine wachsende Zustimmung für die inflationistischen Tendenzen der Bourgeoisie. Dabei spielt es keine Rolle, wenn diese Sozialfaschisten ihre schändliche Politik hinter dem Schwindel verbergen, der Wagemann-Plan sei gar kein Inflationsplan, deute nicht hin auf eine Inflationspolitik, sondern sei gewissermaßen eine Politik, die die Vergangenheit der deflationistischen Politik ignorieren und gewissermaßen eine andere Form der Belebung der Wirtschaft schaffen will. Daß auf der Bundesausschußsitzung des ADGB der Vorsitzende Leipart sich mit diesem Plan beschäftigt hat, ist nur ein Beweis dafür, wie man versucht, systematisch eine Ideologie für diese Entwicklung zu schaffen.

Es ist klar, daß in dem aller Reserven beraubten und von der Krise unendlich geschwächten kapitalistischen Deutschland, das die Erfahrungen von 1923 hinter sich hat, die Schaffung einer Doppelwährung unfehlbar dazu führen müßte, daß die ohne Golddeckung geschaffene Binnenwährung durch allgemeine “Flucht” aus dieser Binnenmark völlig entwertet, gewissermaßen in den Abgrund stürzen und dann die andere Währung mit sich reißen würde.

Nehmen wir zum Beispiel die englische Bourgeoisie: Sie konnte die Entwertung des Pfund Sterling auf einer gewissen Stufe festhalten, weil sie noch bestimmte Reserven zur Verfügung hat, mit denen sie zu einem gewissen Termin die Inflationspolitik an einer Grenze von 20 Prozent Währungsverlust des englischen Pfund Sterling stellte. Die Reserven des deutschen Finanzkapitals auf diesem Gebiete, wo sind sie? Natürlich kann man eine Zeitlang eine solche Politik dieser beiden Wege eines Systems der Doppelwährung durchführen, ohne daß vielleicht schon im Anfangsstadium die offene Inflation da ist. Aber der Kurs der Entwicklung muß zur Entwertung der Mark in Deutschland fuhren. Die Gefahren, die ein inflationistischer Kurs in der Währungspolitik der deutschen Bourgeoisie mit sich bringen muß, nämlich die Gefahren des Heranreifens einer revolutionären Krise, sind also sehr groß.

Das Reparations- und Schuldenproblem

Andererseits steht das Inflationsproblem in einer engen Verbindung zu der Frage, die neben dem Kreditproblem einen besonders zugespitzten Charakter für Deutschland hat: Das Reparations- und Schuldenproblem, das Problem des Versailler Systems. Wir müssen hier im ZK diesen Zusammenhang zwischen Krise und Versailler System in der Entwicklung Deutschlands klar und konkret herausarbeiten. Unsere Resolution sagt darüber:

Aus dem Zusammenfall und der gegenseitigen Durchdringung der Krise und der Versailler Knechtschaft (Young-Sklaverei) ergibt sich ein Prozeß, der für das kapitalistische Deutschland in den Fesseln des Versailler Systems ein verschärftes Stadium des Fäulnisprozesses der monopolkapitalistischen Entwicklung hervorruft.

Was wollen wir damit sagen? Lenin hat die Entwicklung des Kapitalismus im Zeitalter des Imperialismus, des Monopolkapitalismus allgemein als einen Prozeß des Niedergangs, des sterbenden, verfaulenden Kapitalismus gekennzeichnet. Für Deutschland unter den Bedingungen der Nachkriegsentwicklung haben wir nun nicht bloß diesen einfachen Verfaulungsprozeß des monopolistischen Kapitalismus, sondern dieser Prozeß wird durch den Zusammenfall von Krise und Versailles außerordentlich verschärft. Die Fäulniserscheinungen in der kapitalistischen Wirtschaft Deutschlands, die parasitären Erscheinungen des Monopolkapitalismus nehmen höhere Formen an als in den meisten anderen kapitalistischen Ländern.

Ich verweise nur auf die Frage der Überfremdung, wie sie sich darin ausdrückt, daß der industrielle Aufbau in den Jahren der kapitalistischen Rationalisierung vorwiegend mit ausländischem Kapital durchgeführt wurde. Ich verweise auf die Lage der deutschen Landwirtschaft, in der die Bunker- und Großbauernwirtschaften künstlich aufrechterhalten werden.

Wir haben schon die Frage des Kreditsystems und des Finanzwesens betrachtet, wo gleichfalls der drohende Finanzkrach wie die Schwüle eines Gewitters über der kapitalistischen Wirtschaft Deutschlands schwebt. Ich will noch auf die für uns besonders wichtige Tatsache des immer mehr wachsenden Massenelends hinweisen. Die Lohnsumme der deutschen Arbeiterklasse war im Jahre 1931 um 58 Prozent niedriger, als das vom Reichsarbeitsministerium auf Grund der bürgerlichen Statistik festgesetzte Existenzminimum.

Nehmen wir weiter die über 6 Millionen Erwerbslosen und die vielen Millionen Kurzarbeiter. Nehmen wir die Tatsache, daß die zahllosen ruinierten Existenzen aus den Mittelschichten in Stadt und Land ebenso wie die nach Hunderttausenden zählenden erwerbslosen Angestellten und breite Schichten der erwerbslosen Arbeiterschaft unter dem Kapitalismus in Deutschland überhaupt keine Existenzmöglichkeit mehr haben, überhaupt keine Hoffnung darauf, wieder in den Produktionsprozeß zurückkehren zu können. Für diese immer umfangreicher werdende Masse aus den kleinbürgerlichen Schichten, aus den Angestelltenmassen, aus den Kreisen der Intelligenz und aus dem Proletariat selbst, vollzieht sich in einem unerhörten Tempo eine starke Pauperisierung. Diese Erscheinung drückt infolge ihres noch nie dagewesenen massenmäßigen Charakters, infolge ihres in der Geschichte der kapitalistischen Länder besonderen Ausmaßes am deutlichlichsten die außerordentliche Verschärfung des Fäulnischarakters der kapitalistischen Wirtschaft Deutschlands in den Fesseln des Versailler Systems aus.

Wir Bolschewiki glauben nicht an Wunder

Alle Hoffnungen der deutschen Bourgeoisie auf eine Lockerung der Versailler Fesseln sind fehlgeschlagen. Von den Vorstößen der deutschen Bourgeoisie in den Fragen der Zollunion ist heute nur noch die Tatsache übrig geblieben, daß der französische Imperialismus in Österreich nicht einmal mehr Herrn Schober als Minister duldet, weil dieser für die Deutsch-Österreichische Zollunion eingetreten ist. Der Hoover-Plan von dem die Bourgeoisie den Massen vorschwindelte, er sei ein Vorstoß des amerikanischen Imperialismus gegen Frankreich und für Deutschland, hat sich gleichfalls als das entlarvt, was wir Kommunisten gegen alle bürgerlichen Parteien, einschließlich der SPD und der Nazis, von Anfang an feststellten, als eine Aktion, bei der der amerikanische und der französische Imperialismus gemeinsam das Young-System verteidigen und auf seiner Aufrechterhaltung bestehen. Die Lausanner Konferenz, von der deutschen Bourgeoisie mit besonderen Erklärungen eingeleitet, daß Deutschland nicht mehr zahlen wolle und zahlen könnte, ist auf unbestimmte Zeit vertagt. Immer schärfer erweist es sich, daß die gesamte Bourgeoisie einschließlich der Sozialdemokratie und der Nazis völlig außerstande ist, irgendeine andere Politik zu betreiben als die Erfüllungspolitik, die Politik der Kapitulation vor dem französischen Imperialismus.

Die Tributsklaverei auf Grund des Versailler Systems und des räuberischen Young-Plans besteht ja keineswegs nur in der Bezahlung politischer Reparationsschulden. Vielmehr sind die sogenannten “privaten” Schulden in Wirklichkeit genauso Tribute an das internationale Finanzkapital, die auch die Millionen Werktätigen zu zahlen haben, wie die eigentlichen Reparationszahlungen.

Ich will hierbei an die Prognose erinnern, die Genosse Stalin auf dem XVI. Parteitag der KPSU bezüglich des Young-Plans gegeben hat:

Das eigenartige Verhältnis, das sich zwischen den Siegerstaaten und Deutschland herausbildete, könnte man als eine Pyramide darstellen, auf deren Spitze Amerika, Frankreich, England usw. thronen mit dem Young-Plan in Händen, auf dem geschrieben steht: “Zahle!”, während unten Deutschland darniederliegt, das seine Kräfte erschöpft und gezwungen ist, zu verbluten, um den Zahlungsbefehlen von Milliardenkontributionen nachzukommen. [...] Zu glauben, daß ein solcher Zustand für den internationalen Kapitalismus ohne Folgen bleiben kann, würde bedeuten, vom Leben überhaupt nichts zu verstehen. Zu glauben, daß die deutsche Bourgeoisie imstande sein wird, in den nächsten zehn Jahren 20 Milliarden Mark zu zahlen, und daß das unter dem doppelten Joch der “eigenen” und der “fremden” Bourgeoisie lebende deutsche Proletariat es ohne ernste Kämpfe und Erschütterungen zulassen wird, daß man aus seinen Adern diese 20 Milliarden herauspreßt, heißt den Verstand verlieren. Mögen deutsche oder französische Politiker sich den Anschein geben, an dieses Wunder zu glauben. Wir Bolschewiki glauben nicht an Wunder.

Diese vor anderthalb Jahren getroffene Feststellung des Genossen Stalin ist heute vollkommen bestätigt. Der Young-Plan und das Versailler System, die einerseits von der faschistischen Reaktion als Hemmnis der revolutionären Entwicklung, als Voraussetzung für den Erfolg der nationalsozialistischen Demagogie und Politik ausgenutzt werden, fördern andererseits die revolutionäre Entwicklung m dem Maße, wie ihre inneren Widersprüche sich zuspitzen und zu ihrer Erschütterung führen. Es hängt eine solche revolutionäre Orientierung der Massen davon ab, ob wir es verstehen, die nationale Demagogie des Hitlerfaschismus, der sich neuerdings auch die SPD in stärkerem Maße bedient, zu entlarven und ihr unsere revolutionäre Freiheitspolitik entgegenzustellen.

Der faschistische Kurs der Brüning-Regierung

Ich komme nun zur Frage der Faschisierung. Der Prozeß der Durchführung der faschistischen Diktatur durch die Brüning-Regierung, wie wir ihn vor einem Jahr auf dem Januar-Plenum 1931 analysiert haben, hat innerhalb der vergangenen zwölf Monate die heftigsten Formen angenommen. Ich will nicht Einzelheiten anführen, da ja die verschiedenartigsten Unterdrückungsmaßnahmen gegen die Arbeiterklasse: Streikverbote, staatlicher Lohnraub, Abbau der sozialen Leistungen, Terror des Hitlerfaschismus, Faschisierung der Sozialdemokratie, zur Genüge bekannt sind. Niemand wird heute mehr daran zweifeln, daß wir es bei dem Kurs der Brüning-Groener-Regierung im Reich und ihrer Braun-Severing-Filiale in Preußen mit einem faschistischen Kurs zu tun haben, daß wir recht hatten, als wir im Dezember 1930 von einer ausreifenden, noch nicht ausgereiften faschistischen Diktatur sprachen.

Bei der Durchführung dieses faschistischen Kurses finden wir bis zum heutigen Tage in der Politik der deutschen Bourgeoisie das eigenartige System der wechselseitigen Ausnutzung der Sozialdemokratie und der Hitlerpartei, wobei das Schwergewicht nach wie vor bei der SPD als der sozialen Hauptstütze der Bourgeoisie liegt. Das Zentrum ist momentan die Partei, die für diese wechselseitige Ausnutzung der SPD und der Nazis durch das Finanzkapital in den Vordergrund gerückt ist. Das Zentrum plus Sozialdemokratie führt momentan die Politik des Finanzkapitals in Deutschland durch.

Die Rolle der Deutschnationalen im Faschisierungsprozeß

Bei der Behandlung der Disposition der Kräfte im Lager der Bourgeoisie tritt noch ein anderes Problem auf, das schon des öfteren von uns erörtert wurde. Ich denke an die überragende Rolle der Hugenberg-Partei, der Deutschnationalen, als des klassenbewußtesten Teils in der Front der Bourgeoisie, im System der Politik des Finanzkapitals. Wir haben schon früher mehrfach darauf hingewiesen, daß Hugenberg mit seiner Politik, die äußerlich betrachtet zwar organisatorisch zu einer Schwächung der Deutschnationalen Volkspartei führte, sich gerade erst die Möglichkeit verschafft hat, gestützt auf die Massenbasis der Nationalsozialisten, zum eigentlichen Einpeitscher und Antreiber der gesamten faschistischen Politik des kapitalistischen Deutschland zu werden. Wir können heute mit Recht feststellen, daß es Hugenberg gelungen ist, außerhalb der Regierung stehend, durch seine Beeinflussung der Politik, am rücksichtslosesten die Durchführung des Kurses des Finanzkapitals zu betreiben und sein politisches Programm weitgehend durchzusetzen. Das wird gerade jetzt besonders durch den neuen Erlaß Groeners unterstrichen, nunmehr auch offiziell Nationalsozialisten in die Reichswehr aufzunehmen. Ganz klar ist aber weiter in dieser Frage die Mitwirkung der Braun-Severing-Regierung, ohne deren Einverständnis die führende Reichswehrgruppe Groener-Schleicher diesen Erlaß nicht herausgegeben hat. Im übrigen zeigen die in der letzten Zeit erfolgten Übertritte aus der Landvolk-Partei, Wirtschaftspartei und Deutschen Volkspartei zu den Deutschnationalen - Übertritte von Abgeordneten der Länderparlamente und andere -, daß die Hugenberg-Partei auch organisatorisch nicht mehr zurückgeht.

Eine solche richtige Einschätzung der Kräfte ist um so notwendiger und wichtiger, als sie die alleinige Voraussetzung dafür schafft, einen richtigen Standpunkt gegenüber der Hitlerpartei einzunehmen. Nichts wäre verhängnisvoller, als eine opportunistische Überschätzung des Hitlerfaschismus. Wollten wir uns darauf einlassen, gegenüber dem riesigen Anschwellen der Hitlerbewegung unseren richtigen klassenmäßigen Maßstab zu verlieren und uns in eine ähnliche Panikstimmung drängen zu lassen, wie sie die Sozialdemokratie künstlich in den Massen zu erzeugen versucht, so müßte das zwangsläufig zu einer falschen Fragestellung in unserer praktischen Politik sowohl gegenüber den Nazis, wie vor allem gegenüber der SPD führen.

Wir müssen in der nationalsozialistischen Bewegung mit Recht im besonderen die Massenbasis Hugenbergs und der Deutschnationalen erblicken, so wie andererseits die Brüning-Regierung bei der Durchfühlung der Notverordnungsdiktatur-Politik die Sozialdemokratie als stärkste Massenbasis benutzt. Wir müssen bei unserer klassenmäßigen Analyse erkennen, daß der riesige Aufschwung des Hitlerfaschismus in erster Linie aus den kleinbürgerlichen Massen und den ihnen entsprechenden Angestellten- und Beamtenschichten herrührt, während ihnen der Einbruch in das Industrieproletariat im allgemeinen nicht gelungen ist.

Nur wenn wir dies erkennen, werden wir in der Partei völlige Klarheit über die Rolle der SPD als der sozialen Hauptstütze der Bourgeoisie schaffen können. Nur dann wird es uns möglich sein, für unsere Strategie, deren Hauptstoß sich gegen die Sozialdemokratie richten muß, das erforderliche Verständnis bei allen Kommunisten und darüber hinaus bei den breitesten proletarischen Massen zu schaffen. Denn es ist eben nach wie vor und bleibt nach wie vor die Sozialdemokratie, die für den faschistischen Kurs der Bourgeoisie die wichtigste Massenbasis in der Arbeiterklasse darstellt.

Die SPD als soziale Hauptstütze der Bourgeoisie

Die SPD als Massenpartei in der Arbeiterklasse ist eine Tatsache, vor der wir unsere klaren Blicke und unsere Erkenntnis nicht verschließen dürfen. Ihre Bedeutung ist zwar einerseits dadurch zurückgegangen, daß wir mit Erfolg gegen den Masseneinfluß der SPD angekämpft und ihr Millionen von Anhängern im Laufe der letzten Jahre entrissen haben. Aber da die Hitlerpartei eben im wesentlichen nicht über einen proletarischen Massenanhang verfügt, wie sich bei den Betriebsrätewahlen deutlich gezeigt hat und durch andere Faktoren bestätigt wird, da mit der allgemeinen Verschärfung des Klassenkampfes die Notwendigkeit für die Bourgeoisie wächst, die Arbeiterklasse zu zersplittern, die Einheitsfront des Proletariats für den revolutionären Klassenkampf zu vereiteln, so bleibt andererseits trotz ihres Rückganges die Bedeutung der SPD für die Erhaltung und Verteidigung der bürgerlichen Klassenherrschaft und ihrer faschistischen Politik gegen die Arbeiterklasse nach wie vor bestehen.

Bedeutet das etwa, daß wir auf absehbare Zeit mit einer weiteren Regierungsbeteiligung der SPD in Preußen rechnen müssen? Es wäre unsinnig, sich heute auf eine solche Behauptung unbedingt festzulegen. Aber diese ganze Frage trifft auch nicht den Kern des Problems. Auch wenn die Sozialdemokratie zu dem Fußtritt für die Hermann-Müller-Regierung im Frühjahr 1930 jetzt noch einen zweiten Fußtritt für die Preußen-Regierung bekäme, würde das nicht bedeuten, daß sie aufhört, die soziale Hauptstütze der Bourgeoisie zu sein. Auch dann würde unsere Strategie keineswegs eine Umkehrung erfahren müssen, in der Richtung, daß der Hauptstoß sich plötzlich nicht mehr gegen die SPD richten müsse. Auch dann würde unsere Klassenlinie weiter von uns verlangen, daß wir den Hauptstoß in der Arbeiterklasse gegen die Sozialdemokratie richten, weil sie den Hauptstützpunkt für die Politik des Klassenfeindes im Proletariat darstellt, ob sie nun innerhalb oder außerhalb der Regierungskonstellation steht. Jede andere Betrachtensweise wäre parlamentarisch und klassenmäßig falsch gestellt.

SPD und NSDAP sind Zwillinge

Wie steht es nun mit dem Verhältnis zwischen der Politik der Hitlerpartei und der Sozialdemokratie? Schon das XI. Plenum hat von einer Verflechtung dieser beiden Faktoren im Dienste des Finanzkapitals gesprochen. Am klarsten hat Genosse Stalin schon im Jahre 1924 die Rolle dieser beiden Flügel gekennzeichnet, indem er von ihnen als von "Zwillingen" sprach, "die einander ergänzen".

Gegenwärtig zeigt sich diese Entwicklung in Deutschland unverkennbar. Die Sozialdemokratie als "gemäßigter Flügel des Faschismus" nimmt in letzter Zeit teilweise den nationalistischen Sprachgebrauch des Hitlerfaschismus an. Ich erinnere an jene Nummer des "Vorwärts", die die große Überschrift brachte "Der Young-Plan muß fallen", während doch dieses Blatt stets die größte Reklame für den Young-Plan betrieben hat. Ich erinnere an den berüchtigten Noske-Artikel in der "BZ am Mittag", der gleichfalls genau so gut im "Völkischen Beobachter" hätte stehen können.

Auch in der Frage der Terrororganisationen ahmt die SPD immer mehr den Hitlerfaschismus nach. Man braucht hier nur an die Reichsbannerschufo oder neuerdings an die sogenannten "Hammerschaften" der "Eisernen Front" zu denken, die als Hilfsinstrumente der Kapitalsdiktatur zur Verteidigung des kapitalistischen Systems gegen das revolutionäre Proletariat eingesetzt werden sollen.

Vor allem aber sind es die Preußen-Regierung der SPD und der ADGB, die die Rolle der Sozialdemokratie als aktivster Faktor bei der Faschisierung Deutschlands, wie sie das XI. Plenum festgestellt hat, durch ihre Praxis voll und ganz bestätigt.

Während so die Sozialdemokratie sich immer mehr dem Hitlerfaschismus nähert, betont dieser umgekehrt seine Legalität und vertritt neuerdings offen auch die Plattform der Brüningschen Außenpolitik. Man braucht nur an Hitlers verschiedene Erklärungen zu denken, wonach jede Naziregierung dafür eintreten werde, daß alle “privaten” Tribute bezahlt werden, und daß die Frage der Bezahlung der politischen Schulden gleichfalls nur ein Problem des Zahlenkönnens und keine Frage des Zahlenwollens sei. In allen diesen Punkten zeigte sich die weitgehende gegenseitige Annäherung der SPD und der Nationalsozialisten auf der Linie der Faschisierung. Die Verhandlungen über die Frage der Präsidentenwahl im Zusammenhang mit der Hindenburg-Kandidatur offenbarten am deutlichsten, wie weit dieser Prozeß der Herstellung der faschistischen Konzentration der Bourgeoisie bereits gelungen ist.

Unser Kampf gegen die Durchführung der faschistischen Diktatur

Wie steht es mit unserem Kampf gegen die weitere Faschisierung, gegen die verstärkte Durchführung der faschistischen Diktatur, gegen eine etwaige Hitler-Regierung in Deutschland?

Eine richtige Einschätzung des Hitlerfaschismus in Deutschland sichert uns bereits vor dem Fehler, eine Hitlerregierung einfach mit der offenen faschistischen Diktatur gleichzusetzen. Im übrigen steht für uns die Frage so, daß wir gegen jede weitere Verschärfung der Faschisierung, gegen jeden weiteren Schritt in der Richtung zur offenen faschistischen Diktatur durch unseren gegenwärtigen Kampf gegen die Diktatur der Bourgeoisie überhaupt ankämpfen müssen. Aufs schärfste müssen wir unter den Massen der Arbeiterschaft gegen eine solche Fragestellung auftreten, als ob man an Stelle des heutigen Kampfes gegen die jetzige Form der Diktatur der Bourgeoisie, gegen das Brüning-Severing-System einen etwa bevorstehenden sogenannten Entscheidungskampf gegen eine Hitler-Regierung abwarten müsse. Nur wenn man heute den schärfsten Kampf gegen die Brüning-Severing-Politik, das heißt, gegen die Politik der Diktatur der Bourgeoisie führt, kann man zugleich in Wirklichkeit einen ernsthaften Massenkampf auch gegen Hitler und Hugenberg durchführen.

So ist die Frage, ob es gelingt, einen höheren Grad der faschistischen Entwicklung Deutschlands zu vereiteln oder das Tempo dieser faschistischen Entwicklung zu verlangsamen oder sie zurückzuwerfen, im stärksten Maße von der Entfaltung des Klassenkampfes abhängig.

Objektiver und subjektiver Faktor

Damit komme ich bei der Analyse der Situation Deutschlands zur Frage des revolutionären Aufschwungs und seiner neuen Faktoren. Ich will über die Ereignisse und Faktoren des Klassenkampfes in der Zeit vom Mai-Plenum des ZK bis zur heutigen Tagung keine ausführliche Darstellung geben. Wir haben in der Resolution eine Reihe von Punkten aufgeführt, in denen die wichtigsten positiven Erscheinungen des revolutionären Aufschwungs Und die wichtigsten positiven Erfolge unserer revolutionären Massenarbeit zum Ausdruck kommen. Im Zusammenhang mit den Aufgaben der Partei für die Zukunft wird von diesen Erfahrungen der Massenarbeit noch im einzelnen zu sprechen sein.

Zweifelsohne gibt es auf einer ganzen Reihe von Gebieten große und positive Erfolge der Partei, große und neue wachsende Erfolge des Proletariats im Klassenkampf. Aber das ist nicht allein das Ausschlaggebende. Wenn wir die objektive Verschärfung der Situation betrachten und wenn wir ein Bild benutzen, das schon bei einer früheren Gelegenheit einmal angeführt wurde, nämlich uns die Entwicklung als eine Art von Wettlauf zwischen der Offensive der Bourgeoisie und ihrem faschistischen Kurs und unserem revolutionären Kurs, unserer revolutionären Arbeit vor Augen führen, so müssen wir offen eingestehen, daß wir bei diesen Wettlauf nicht besonders günstig abschneiden.

Wir sprechen deshalb in unserer Resolution offen aus, daß die "Erfolge und Teilerfolge der revolutionären Massenarbeit in einem Mißverhältnis zu den günstigen objektiven Bedingungen stehen". Das ist nichts anderes als das "Zurückbleiben" des subjektiven Faktors, von dem wir schon im Anschluß an das XI. Plenum des EKKI auf dem Mai-Plenum unseres Zentralkomitees im vergangenen Jahr ernsthaft und kritisch gesprochen haben.

Hierbei ist es notwendig, verschiedene Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Wir sprechen von einem solchen Zurückbleiben nicht etwa in dem Sinne, als ob die Partei schuld daran sei, wenn in Deutschland noch nicht die Revolution gesiegt hat. Eine solche Darstellung des "Zurückbleibens" würde unter Umständen dazu führen können, daß ein Teil der Arbeiterklasse auf Grund unserer eigenen Ausführungen in ihrem Vertrauen zur Partei erschüttert würde. Wir dürfen, wie das auch in der Resolution versucht wird, die objektiven Schwierigkeiten unserer revolutionären Massenarbeit nicht aus unserer Betrachtung ausschalten. Man kann z. B. bei der heutigen internationalen Verflechtung das Problem der deutschen Revolution nicht lediglich vom Standpunkt der Innenpolitik stellen, sondern muß es auch vom internationalen Standpunkt aus betrachten, wobei gewisse Schwierigkeiten für den Sieg der proletarischen Revolution in Deutschland sich in bestimmtem Maße verstärken.

Keine falschen Schlußfolgerungen aus der Feststellung objektiver Schwierigkeiten

Die Drohung des französischen Imperialismus mit der Intervention im Falle einer deutschen Revolution und die von der SPD daraufhin hervorgerufene Stimmung ist eine der objektiven Schwierigkeiten, mit der wir rechnen müssen. Die Sozialdemokratie zieht nach dem Muster Otto Bauers in Österreich, der dort erklärt: "Revolution ist gut, aber wir sind ein kleines Land", aus der internationalen Verflochtenheit der heutigen kapitalistischen Welt die Schlußfolgerung, daß das Proletariat keinesfalls in irgendeinem Lande mit der Sache des Sozialismus beginnen kann, sondern daß man in jedem Land auf alle anderen, mit anderen Worten, auf den Sankt-Nimmerleins-Tag warten müsse.

Wir Kommunisten denken gar nicht daran, aus der notwendigen internationalen Fragestellung beispielsweise für die deutsche Revolution irgendeinen opportunistischen Schluß zu ziehen. Wir denken nicht daran, etwa zu sagen, daß das deutsche Proletariat mit seiner Revolution warten müsse, bis in Frankreich der Imperialismus gestürzt ist. Aber wir ziehen eine andere Schlußfolgerung daraus, so, wie das unsere französischen Genossen tun: Weil eine kommende Revolution des deutschen Proletariats durch den französischen Imperialismus bedroht sein würde, verstärken unsere französischen Genossen ihren Kampf gegen den Feind im eigenen Lande und üben so proletarische Solidarität mit der Sache der deutschen Arbeiterklasse.

Auch für uns, Genossen, steht die eminent wichtige Aufgabe, das Kampfbündnis mit den französischen Kommunisten und dem französischen revolutionären Proletariat noch viel fester zu schmieden. Das gleiche gilt genau in demselben Maße von den polnischen, englischen, tschechischen, belgischen Genossen und der ihnen folgenden revolutionären Arbeiterschaft, es gilt in allererster Linie, was kaum erwähnt zu werden braucht, von den 165 Millionen Proletariern und Bauern und den Kommunisten der Sowjetunion.

Oder nehmen wir einen anderen Punkt: Die zusätzlichen Schwierigkeiten der Krise, wie sie sich vor allem in der Streikfrage äußern. Es wäre unsinnig, wollte man diese zusätzlichen Schwierigkeiten einfach leugnen. Natürlich ist es in einer bestimmten Hinsicht komplizierter, große Streikkämpfe auszulösen und zu führen, wenn sechs Millionen Erwerbslose auf der Straße liegen, wenn vor der Masse der Arbeiterschaft die drohende Gefahr steht, gleichfalls aus dem Betrieb zu fliegen, wenn in vielen Betrieben ohnehin schon die Kurzarbeit durchgeführt wird.

Aus diesen zusätzlichen Schwierigkeiten aber leitet die Sozialdemokratie, die reformistische Gewerkschaftsbürokratie im Dienste ihrer konterrevolutionären Politik die Theorie her, Streiks seien während der Krise nicht möglich. Wenn wir uns zu einer solchen Schlußfolgerung drängen ließen, so würden wir dem plattesten Opportunismus Tür und Tor öffnen.

Den erhöhten Schwierigkeiten stehen ja auch andere Faktoren gegenüber, die wiederum die objektiven Voraussetzungen für die Entfaltung großer Streikkämpfe stärken: Der revolutionäre Aufschwung, die allgemeine Radikalisierung der Massen, die Senkung des Lebensniveaus der Betriebsarbeiter, vor allem der Kurzarbeiter, die den Unterschied zwischen ihrer Lebenshaltung und derjenigen der Erwerbslosen stark vermindert, so daß ihr Interesse, im Betrieb zu bleiben, immer mehr nachläßt. Die nicht zu unterschätzende Kampfkraft der Millionen von Erwerbslosen ist gleichfalls ein positiver Faktor. Diese und andere Faktoren erleichtern objektiv die Streikführung.

Wir dürfen uns also keineswegs hinter den objektiven Schwierigkeiten in opportunistischer Weise verstecken, sondern müssen erkennen, daß die objektiven Schwierigkeiten zugleich auch eine dialektische Quelle für die Erleichterung und Forcierung unserer revolutionären Massenarbeit bilden.

Denn das alles hebt ja keineswegs die Tatsache des Zurückbleibens unserer Arbeit und unserer Erfolge hinter den durch die objektive Lage gegebenen Möglichkeiten auf. Das alles ändert nichts daran und darf nichts daran ändern, daß wir die revolutionäre Pflicht haben, dieses Zurückbleiben mit schonungslosester bolschewistischer Selbstkritik aufzudecken und unsere praktischen Konsequenzen für die Verbesserung der Massenarbeit daraus zu ziehen.

Zusammenfassend ergibt sich also für die Lage in Deutschland das gleiche, was wir international feststellten, nur in noch gesteigertem Ausmaß: Der Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat um den kapitalistischen oder proletarisch-revolutionären sozialistischen Ausweg aus der Krise ist in ein außerordentlich verschärftes Stadium getreten. Die Voraussetzungen einer revolutionären Krise reifen mit größter Beschleunigung heran. Vor allem von unserer Kraft hängt es ab, diese Entwicklung auszunutzen. Damit schließe ich den analytischen Teil meines Referats ab und komme zu der Frage, die der Ausgangspunkt für die Behandlung unserer Aufgaben und der Arbeit der Partei sein muß: Zur Frage der Rolle des subjektiven Faktors, der Rolle der Partei.

Wir müssen durch unsere Kraft die Situation für die Bourgeoisie ausweglos machen

Genosse Stalin hat über die revolutionäre Flut, die die vorübergehende Ebbe in den Jahren der relativen Stabilisierung des Kapitalismus von 1924 bis 1928 abgelöst hat, gesagt:

Sie kann mit dem Sieg des Proletariats enden, vielleicht aber auch nicht, sondern nur von einer neuen Ebbe abgelöst werden, der wiederum eine neue revolutionäre Flut folgen wird.

Was bedeutet diese Formulierung für uns? Sie bedeutet im Sinne der Feststellungen Lenins, daß es keine absolut ausweglose Situation für den Kapitalismus geben kann, sondern daß es von unserer Kraft, vom subjektiven Faktor, von unserer Partei und dem von ihr geführten Proletariat abhängt, die Situation für die Bourgeoisie ausweglos zu machen. Die Worte des Genossen Stalin unterstreichen diese Verantwortlichkeit der kommunistischen Parteien für die Ausnutzung einer revolutionären Krise zum Siege der proletarischen Revolution. Dabei ist es klar, daß dies nicht nur gilt für jeden Augenblick, wo die revolutionäre Krise in vollem Maße entwickelt sein wird, wo die objektiven Voraussetzungen für die proletarische Revolution herangereift sind, sondern daß diese Verantwortlichkeit der Partei, daß diese organisierende Rolle der Partei, die den Klassenkampf des Proletariats Kind unter seiner Führung der übrigen Werktätigen zur vollen Entfaltung ringen muß, ebenso für die Zeit des Heranreifens der Voraussetzungen einer revolutionären Krise von ausschlaggebender Bedeutung ist. Eine richtige revolutionäre Politik und Massenarbeit der Partei ist eine unerläßliche Voraussetzung dafür, daß es uns gelingt, die Kampfkraft der Arbeiterklasse und der Werktätigen gegen den kapitalistischen Ausweg aus der Krise, wie ihn die Bourgeoisie mit aller Anstrengung zu beschreiten versucht, in die Waagschale zu werfen und dadurch die revolutionäre Entwicklung in ausschlaggebendem Maße zu beschleunigen. Für eine solche Politik und Arbeit der Partei ist das wichtigste eine richtige strategische Orientierung.

Was bedeutet das in der Praxis?

Über die Losung Volksrevolution

Auf dem Januar-Plenum unseres ZK im vergangenen Jahr sprachen wir in unserer Resolution davon, daß die Losung der Volksrevolution die strategische Hauptlosung unserer Partei sein müsse. Heute, nach einem Jahr schwerer Arbeit, großer und neuer Erfahrungen, nach dem XI. Plenum des EKKI muß man die Frage aufwerfen, inwieweit wir diese Formulierung konkretisieren müssen. Die Losung Volksrevolution war eine richtige Losung und bleibt eine notwendige Losung, wobei wir, wie es in den letzten Monaten geschehen ist, mit aller Schärfe verhindern müssen, daß diese Losung opportunistisch und unleninistisch verfälscht wird.

Es gab in Teilen der Partei bei der Anwendung der Losung der Volksrevolution die Vorstellung, als ob wir die wichtigste strategische Aufgabe, wie sie das X. Plenum des EKKI für die Sektionen in den kapitalistischen Ländern, vor allem in Deutschland, aufgestellt hat, als ob wir die Eroberung der Mehrheit des Proletariats bereits ganz oder zum größten Teil schon in Deutschland gelöst hätten. Es gab solche Stimmungen, als ob wir bereits unmittelbar an die Aufgabe der proletarischen Revolution herangelangt seien. Dabei übersahen diese Genossen, daß wir, ganz abgesehen von den objektiven Vorbedingungen, in erster Linie die wichtigste strategische Vorbedingung für die siegreiche Organisierung der proletarischen Revolution, die Eroberung der Mehrheit der Arbeiterklasse, unbedingt lösen müssen. Natürlich, Genossen, kann die Eroberung der proletarischen Mehrheit, die Gewinnung der eigenen Klasse nur auf der Linie einer solchen Politik erfolgen, die den Widerstand der Massen gegen die Offensive der Bourgeoisie und die Kämpfe der Massen gegen die Politik der Diktatur der Bourgeoisie und gegen jeden kapitalistischen Weg aus der Krise organisiert und in den Kampf um den revolutionären Ausweg, um die Volksrevolution, das heißt, die proletarisch-sozialistische Revolution überleitet. In diesem Sinne war die Losung Volksrevolution und bleibt die Losung Volksrevolution eine richtige, entscheidende Losung.

Natürlich, Genossen, kann man die Aufgabe der Eroberung der entscheidenden Schichten des Proletariats nicht trennen und schematisch gegenüberstellen der anderen Aufgabe, Verbündete im Klassenkampf aus den außerhalb des Proletariats stehenden werktätigen Schichten, wie vor allem den Millionen von Angestellten, der Dorfarmut und Teilen der übrigen werktätigen Bauernschaft und der städtischen Mittelschichten und Intellektuellen zu gewinnen, die bereit sind, unter der Führung, der Hegemonie des Proletariats gegen den Kapitalismus zu kämpfen. Auch in diesem Sinne hat die Losung Volksrevolution eine große Bedeutung für unsere Politik und Arbeit, weil sie den Charakter der proletarischen Revolution im Sinne von Marx und Lenin richtig ausdrückt, sofern wir sie nur richtig anwenden und die proletarische Hegemonie niemals vergessen. Man kann für Deutschland speziell sagen, daß hier die Anwendung der Losung Volksrevolution besonders zweckmäßig ist, weil auf Grund der nationalen Unterdrückung des werktätigen deutschen Volkes durch das Versailler System und den räuberischen Young-Plan diese Aufgabe der Gewinnung und Herüberziehung von Verbündeten für das Proletariat und der Neutralisierung der übrigen Mittelschichten erleichtert wird.

Die Achse unserer Politik: Eroberung der Mehrheit des Proletariats

Genossen, bedeutet das alles auch nur im mindesten eine Abschwächung der Tatsache, daß die Achse unserer Politik, die Achse unserer Strategie und Taktik auf der Linie des Marxismus-Leninismus, die Politik der eigenen Klasse, die Gewinnung der eigenen Klasse, die Eroberung der Mehrheit des Proletariats sein muß? Eine solche Auffassung wäre ein außerordentlich verhängnisvoller Fehler. Nachdem wir gesehen haben, daß Fehler und Abweichungen in dieser Linie in einer ziemlichen Fülle in unserer Partei aufgetaucht sind, ist es notwendig, auf der heutigen Plenartagung des Zentralkomitees mit größter Klarheit und äußerster Präzision auszusprechen, was die strategische Hauptaufgabe der Partei sein muß: Die Gewinnung der Mehrheit des Proletariats für den Kampf um die Eroberung der politischen Macht!

Das bedeutet eine größere Klärung des Problems unserer Strategie. Indem unsere Aufgaben wachsen, die Anforderungen an unsere Politik sich erhöhen, in demselben Maße muß unsere Partei wachsen und reifer werden. Selbstverständlich muß auch die Parteiführung, muß auch das Zentralkomitee gleichfalls wachsen, indem es die Probleme immer klarer und schärfer stellt und der Partei dadurch eine stärkere Hilfe leistet, zumal wenn bestimmte Fehler und Schwächen aufgetreten sind, gegen die wir unser Feuer richten mußten.

Was bedeutet die Eroberung der Mehrheit des Proletariats? Gibt es .einen Unterschied zwischen dieser Formulierung und der anderen von den entscheidenden Schichten des Proletariats? Das ist nicht der Fall, Genossen! Wenn wir sagen: Mehrheit des Proletariats, so versteht sich von selbst, daß wir das nicht zahlenmäßig, nicht parlamentarisch, sondern politisch meinen. Mit Mehrheit bezeichnen wir die Hauptmasse, die strategisch ausschlaggebende Masse des Proletariats, und das ist dasselbe, als wenn wir sagen: Die entscheidenden Schichten.

Es wäre falsch, diese Frage etwa nur geographisch zu stellen, indem man unter den entscheidenden Schichten die Arbeiterschaft bestimmter Bezirke verstehen würde, z. B. Ruhrgebiet, Berlin oder wie zu Brandlers Zeiten 1923, Mitteldeutschland mit Sachsen und Thüringen. Natürlich ist für unsere Stoßrichtung auch der Gesichtspunkt wichtig, in Hinsicht auf kommende Kämpfe gerade an strategisch wichtigen Punkten unsere Kräfte zu konzentrieren. Aber das wichtigste für uns ist, unsere Arbeit auf diejenigen Schichten des Proletariats zu konzentrieren, die vom Standpunkt des revolutionären Klassenkampfes den Ausschlag geben. Dabei gibt es eine Reihe von Gesichtspunkten. Z. B. vom Standpunkt des Kampfes gegen den imperialistischen Krieg sind es die Munitionsbetriebe und die verwandten Betriebe, also Chemie-Industrie, Teile der Metallindustrie, Eisenbahner, Hafenarbeiter und Seeleute, die eine große Rolle spielen. Vom strategischen Standpunkt allgemein kommt den Eisenbahnern, dem Bergbau, den Kraftwerken, den Gaswerken, den Straßenbahnern usw. eine große Bedeutung zu. Andererseits müssen wir naturgemäß auch den Gesichtspunkt berücksichtigen, dort unter der Arbeiterschaft unseren Einfluß zu sichern, wo besonders große Massen konzentriert sind, also zum Beispiel in Zentren der Metallindustrie, oder bestimmten konzentrierten Industrierevieren. Das alles sind Fragen, die man nicht schematisch stellen kann, sondern die in der konkreten, praktischen Massenarbeit eines jeden Bezirks auf Grund einer gründlichen Analyse der dortigen Verhältnisse untersucht und gelöst werden müssen, um eine richtige Einstellung unserer Arbeit zu ermöglichen.

Natürlich bedeutet das keineswegs eine Vernachlässigung der Arbeit unter den übrigen Schichten der Arbeiterklasse oder der sonstigen Werktätigen. Nehmen wir z.B. die Landarbeiter. Natürlich kann man nicht nur mit dem Gesichtspunkt des Kampfes gegen die Konterrevolution, des Kampfes gegen etwaige Versuche der Faschisten und Weißgardisten, proletarische Zentren von außen her zu zernieren, kann es von größter Bedeutung für den revolutionären Klassenkampf sein, ob wir wirkliche, feste Stützpunkte unter den Landarbeiter haben.

Ich will nicht ausführlicher über die Frage unserer Bauernpolitik sprechen, weil dies bei anderer Gelegenheit geschehen ist und weil wir sagen können, daß die Partei gerade auf diesem Gebiet erfolgreiche Ansätze zu einer richtigen revolutionären Arbeit vom Standpunkt der Gewinnung der Verbündeten aufweisen kann.

Die Rolle der Angestellten im Produktionsprozeß

Aber etwas ausführlicher möchte ich mich mit einer Frage beschäftigen, die in letzter Zeit als Diskussionsfrage in der RGO und auch in Berlin eine gewisse Rolle gespielt hat und die unter den Verhältnissen des kapitalistischen Deutschland keine untergeordnete Bedeutung hat: Mit der Frage der Angestellten.

Wie steht es damit, Genossen? In der erwähnten Diskussion waren einige Genossen nicht damit einverstanden, daß man die Angestellten nicht zum eigentlichen Proletariat rechnen könne, sondern als eine außerhalb des eigentlichen Proletariats stehende besondere Schicht betrachten muß. Nachdem diese Frage so lebhaft diskutiert wurde, ist es notwendig, den marxistisch-leninistischen Standpunkt zu diesem Problem unzweideutig herauszuarbeiten. Welchen Standpunkt finden wir in den Werken von Marx, Engels und Lenin in dieser Frage? Marx spricht von den Angestellten als von kommerziellen Lohnarbeitern, bisweilen auch merkantilen Lohnarbeitern. Sowohl im "Kapital" wie in den "Theorien über den Mehrwert" gibt es eine Reihe von Stellen, in denen Marx die Rolle dieser kommerziellen Lohnarbeiter in der Gesellschaft beleuchtet.

Ganz klar ergibt sich daraus, daß vom Standpunkt ihrer Rolle im Produktionsprozeß die Angestellten sowohl eine große Übereinstimmung mit dem industriellen Proletariat aufweisen, als auch ein wesentlicher Unterschied sich ergibt. Welches ist die Übereinstimmung? Es ist die Tatsache, daß Millionen von ihnen Lohnarbeiter, daß sie Ausgebeutete sind, die ihre Arbeitskraft als Ware verkaufen müssen. Welches ist der Unterschied? Es ist die Tatsache, daß der eigentliche Proletarier durch seine Arbeitskraft Mehrwert erzeugt, während dies im allgemeinen beim Angestellten nicht der Fall ist. Ich will einige Sätze von Marx aus dem 3. Band des "Kapital" zu dieser Frage zitieren:

Karl Marx über die Frage der Angestellten

Wie verhält es sich mit den kommerziellen Lohnarbeitern, die der kaufmännische Kapitalist, hier der Warenhändler, beschäftigt? Nach einer Seite hin ist ein solcher kommerzieller Arbeiter Lohnarbeiter wie ein anderer. Erstens, insofern die Arbeit gekauft wird vom variablen Kapital des Kaufmanns. [...] Zweitens, sofern der Wert seiner Arbeitskraft und daher sein Arbeitslohn bestimmt ist wie bei allen anderen Lohnarbeitern durch die Produktions- und Reproduktionskosten seiner spezifischen Arbeitskraft, nicht durch das Produkt seiner Arbeit. Aber es muß zwischen ihm und den direkt vom industriellen Kapital beschäftigten Arbeitern derselbe Unterschied stattfinden, der zwischen dem industriellen Kapital und dem Handelskapital und daher zwischen dem industriellen Kapitalisten und dem Kaufmann stattfindet. Da der Kaufmann als bloßer Zirkulationsagent weder Wert noch Mehrwert produziert [...], so können auch die von ihm in denselben Funktionen beschäftigten merkantilen Arbeiter unmöglich unmittelbar Mehrwert für ihn schaffen. [...] Die unbezahlte Arbeit dieser Kommis, obgleich sie nicht Mehrwert schaffen, schafft ihm aber Aneignung von Mehrwert, was für dies Kapital dem Resultat nach ganz dasselbe; sie ist also für es Quelle des Profits. [...]

Der eigentlich kommerzielle Arbeiter gehört zu der besser bezahlten Klasse von Lohnarbeitern, zu denen, deren Arbeit geschickte Arbeit ist, über der Durchschnittsarbeit steht. Indes hat der Lohn die Tendenz zu fallen, selbst im Verhältnis zur Durchschnittsarbeit, im Fortschritt der kapitalistischen Produktionsweise, teils durch Teilung der Arbeit innerhalb des Kontors. [...] Zweitens, weil die Vorbildung. Handels- und Sprachkenntnisse usw. mit dem Fortschritt der Wissenschaft und Volksbildung immer rascher, leichter, allgemeiner, wohlfeiler reproduziert werden, je mehr die kapitalistische Produktionsweise die Lehrmethoden usw. aufs Praktische richtet. Die Verallgemeinerung des Volksunterrichts erlaubt diese Sorte aus Klassen zu rekrutieren, die früher davon ausgeschlossen, an schlechtere Lebensweise gewöhnt waren. Dazu vermehrt sie den Zudrang und damit die Konkurrenz. Mit einigen Ausnahmen entwertet sich daher im Fortgang der kapitalistischen Produktion die Arbeitskraft dieser Leute; ihr Lohn sinkt, während ihre Arbeitsfähigkeit zunimmt[3].

Soweit die Feststellungen von Marx. Aus ihnen ergibt sich ganz deutlich, daß man die Angestellten nicht einfach zum Proletariat rechnen kann. Andererseits zeigt Marx aber auch, wie sich die Unterschiede hinsichtlich Schulung, Qualifikation der Arbeit der Angestellten und ihrer Sonderstellung im Prozeß der kapitalistischen Entwicklung allmählich vermindern.

Lenin über die Frage der Angestellten

Was ergibt sich aus den Schriften Lenins zur Frage der Angestellten? Lenin hat sich trotz der Verhältnisse im kapitalistischen Rußland, wo unter den Verbündeten des Proletariats vor allem die ungeheuren Millionen der Landbevölkerung, Dorfarmut, Mittelbauern usw. eine ausschlaggebende Rolle spielten, mehrfach mit dem Angestelltenproblem beschäftigt. Für uns in Deutschland und in den meisten kapitalistischen Ländern spielen die Angestellten eine größere Rolle. Wir finden in den Schriften Lenins eine Reihe völlig unzweideutiger und glänzender Formulierungen. Ich will hier nur zwei Stellen herausgreifen. In einem Artikel aus dem Jahre 1912 über "Ökonomischer und politischer Streik" schreibt Lenin:

Wenn die Liberalen (und die Liquidatoren) den Arbeitern sagen: ihr seid stark, wenn ihr Sympathien in der ‚Gesellschaft’ habt, so sagt der Marxist den Arbeitern etwas anderes: ihr habt Sympathien in der ‚Gesellschaft’, wenn ihr stark seid. Unter Gesellschaft sind in diesem Fall alle möglichen demokratischen Bevölkerungsschichten zu verstehen: die Kleinbourgeoisie, die Bauern, die mit dem Arbeiterleben in Berührung kommenden Intellektuellen, die Angestellten usw.

Hier ist völlig klar zum Ausdruck gebracht, daß Lenin die Angestellten nicht zum eigentlichen Proletariat zählt. Das ergibt sich auch aus zahlreichen anderen Stellen seiner Werke. Schon im Jahre 1903 schreibt er in einer Art Rundschreiben über die Angestellten unter folgender Überschrift: "Verbindungen und Tätigkeit mit anderen Schichten der Bevölkerung außerhalb der Arbeiterklasse", d. h. er reiht sie mit den Beamten unter diese Schichten außerhalb der Arbeiterklasse ein. Noch klarer und deutlicher ist eine Formulierung aus den Thesen Lenins über die Hauptaufgaben des II. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale. Dort wird als Aufgabe für die proletarische Diktatur, und zwar nicht nur für die Sowjetunion, sondern ganz allgemein ausgesprochen:

Die dritte Aufgabe besteht darin, daß man die unvermeidlichen Schwankungen jener, in allen vorgeschrittenen Ländern noch ziemlich zahlreichen, wenn auch eine Minderheit darstellenden Klasse der kleinen Eigentümer in der Landwirtschaft, der Industrie, dem Handel, sowie der ihnen entsprechenden Schicht der Intelligenz, der Angestellten usw., ‑ daß man die Schwankungen dieser Klasse zwischen der bürgerlichen Demokratie und der Sowjetmacht neutralisiert oder unschädlich macht.

In dieser These Lenins werden die Angestellten also als zugehörig zur kleinbürgerlichen Klasse aufgefaßt, wobei Lenin aber mit meisterhafter Dialektik hervorhebt, daß sie nicht etwa mit den Kleinproduzenten einfach auf eine Stufe gestellt werden dürfen, sondern eine den Kleinproduzenten "entsprechende Schicht" darstellen. Der Ausdruck "Halbproletarier", der z. B. in der "Internationale" vom Genossen Hirsch gebraucht wurde, ist deshalb theoretisch nicht einwandfrei.

Die Schichten der Angestellten in Deutschland

Natürlich können wir uns nicht einfach damit begnügen, an Hand dieser Zitate von Marx und Lenin festzustellen, daß die Angestellten kein direkter Bestandteil des Proletariats sind. Unsere Aufgabe besteht vielmehr darin, mit der Methode der marxistischen Dialektik konkret an die Rolle und Lage der Angestelltenschichten in Deutschland heranzugehen, wobei die Formulierungen von Marx und Lenin eine große Anleitung für uns sein können.

Und was ergibt sich bei einer solchen Untersuchung?

Einmal die Feststellung, daß es überhaupt unmöglich ist, von der gesamten Angestelltenschaft als einer einheitlichen Masse zu sprechen. Ihre unteren Schichten unterliegen in der modernen kapitalistischen Wirtschaft einem direkten Proletarisierungsprozeß. Man braucht nur an die Warenhäuser und Großbanken zu denken, wo die Angestellten zu Hunderten und Tausenden zusammengepfercht sind, wo also in ihrer Arbeitsweise eine ähnliche Zusammenballung und Mechanisierung Platz greift wie beim Proletariat. Andererseits ergibt sich auch hinsichtlich ihrer sozialen Abstammung ein solcher in der gleichen Linie laufender Prozeß, wie ihn Marx und Engels vorausgesagt haben. Während früher die Angestellten sich vorwiegend ihrer sozialen Herkunft nach aus der eigentlichen Kleinbourgeoisie, den Beamten- und Angestelltenschichten selbst rekrutieren, ist bei den jüngeren Jahrgängen in immer steigenderem Maße ein solcher Prozeß zu verzeichnen, daß der Anteil von Arbeitersöhnen und Arbeitertöchtern steigt.

Aber dieser Proletarisierungsprozeß muß von uns dialektisch betrachtet werden. Auch die andere Tendenz, die dieser Annäherung der unteren Angestelltenschichten an das Proletariat entgegenwirkt, beruht auf den Bedingungen ihrer Arbeitsweise. Sie müssen noch immer hinsichtlich ihrer Kleidung, ihrer Umgangsformen usw. bestimmten Anforderungen der Bourgeoisie Rechnung tragen, und es ist klar, daß das auf ihre Ideologie abfärbt. Ein Transportarbeiter z. B. kann Hamburger Platt sprechen, aber ein Bankangestellter muß die Bourgeoisie auf Hochdeutsch bedienen.

Wenn wir also beide Seiten dieses Prozesses betrachten, so ergibt sich die Schlußfolgerung, daß diese Millionen unteren Angestellten, die dem Proletariat am nächsten stehende Schicht darstellen, also eine Schicht, die neben der Dorfarmut den wichtigsten Verbündeten für das Proletariat, ja, zum Teil sogar schon beinahe mehr als nur einen bloßen Verbündeten darstellt.

Wir haben dann eine weitere breite Schicht der Angestellten, die unmittelbar zur Kleinbourgeoisie zu zählen sind (Personalchefs, Abteilungsleiter, Kontrolleure), die z. B. das Recht haben, ihrerseits Entlassungen von Arbeitern und Angestellten vorzunehmen.

Und schließlich die schmale oberste Schicht der Angestellten, wie Direktoren usw., die, auch wenn sie formell Gehalt beziehen, doch unmittelbar Anteilhaber an der Verteilung des Profits sind und direkt zur Bourgeoisie gehören.

Unsere Angestelltenarbeit

Je mehr wir bei der Behandlung dieses Problems differenzieren, je konkreter wir herangehen, desto einwandfreier vom Standpunkt des Marxismus-Leninismus wird unsere theoretische Analyse sein. Desto erfolgreicher werden wir auch in der Lage sein, die richtigen Methoden für unsere Politik gegenüber den Angestellten zu finden. Denn das, Genossen, muß man mit aller Entschiedenheit unterstreichen: Eine Verbesserung unserer Arbeit unter den Angestellten kann nicht dadurch erzielt werden, daß wir plump und obendrein falsch erklären: Die Angestellten sind auch Proletarier, sondern nur dadurch, daß wir eben die Besonderheiten dieser Schicht und zugleich ihre enge Verbundenheit mit dem Proletariat klar und präzise aufzeigen und daraus die richtigen entsprechenden Methoden für die Arbeit unter ihnen ableiten. Man darf also weder eine solche Abweichung dulden, als wenn alle Angestellten vom revolutionären Standpunkt unzuverlässig wären und als “Stehkragenproletarier” angesprochen und angesehen werden müssen, noch darf man den entgegengesetzten Fehler durchgehen lassen, als ob die Angestellten mit dem eigentlichen Industrieproletariat einfach gleichgestellt werden können.

Im ganzen genommen gilt selbstverständlich für die Frage der Angestellten das gleiche wie für die Verbündeten des Proletariats überhaupt. Genosse Stalin beschäftigte sich in den "Problemen des Leninismus" mit der Frage des Klassenbündnisses unter der proletarischen Diktatur. Er zitiert zunächst einige Sätze von Lenin, darunter den Satz:

Jene Klasse, die die politische Herrschaft in ihre Hände nahm, nahm sie mit dem Bewußtsein, daß sie sie allein nimmt. Das liegt im Begriff der Diktatur des Proletariats.

Stalin führt dann aus, daß dadurch das Klassenbündnis mit den werktätigen und ausgebeuteten Massen der anderen Klassen keineswegs ausgeschlossen wird, und fährt fort[4]:

Was ist das für eine besondere Form des Bündnisses und worin besteht sie? Widerspricht nicht dieses Bündnis mit den werktätigen Massen der anderen nichtproletarischen Klassen überhaupt der Idee der Diktatur der Klasse?

Diese besondere Form des Bündnisses besteht darin, daß die führende Kraft dieses Bündnisses das Proletariat ist. Diese besondere Form des Bündnisses besteht darin, daß der Führer des Staates, der Führer im System der Diktatur des Proletariats eine einzige Partei ist, die Partei des Proletariats, die Partei der Kommunisten, die die Führung mit anderen Parteien nicht teilt und nicht teilen kann.

Was hier für die proletarische Diktatur gesagt ist, gilt mit den entsprechenden Abänderungen in der Linie auch für den revolutionären Klassenkampf des Proletariats vor der Machteroberung, im Kampf gegen die kapitalistische Diktatur. Deshalb die Notwendigkeit, bei der Anwendung der Losung Volksrevolution jede Unklarheit bezüglich der Frage der proletarischen Hegemonie zu beseitigen, falsche Losungen und Formulierungen, wie "Dreibund der Werktätigen"[5] zu korrigieren. Die Losung "Volksrevolution" ist ein Synonym, eine populäre Formulierung für proletarisch-sozialistische Revolution. Der Inhalt unseres Kampfes für die Volksrevolution ist die Politik der Arbeiterklasse, ist der Kampf für die Diktatur des Proletariats, das sich auf das Bündnis oder auf “Neutralitätsabkommen” mit den übrigen Werktätigen stützt.

Warum ist es so notwendig, das zu betonen? Weil die Klarheit über die Politik der eigenen Klasse eine Voraussetzung für das Verständnis unserer gesamten Strategie und Taktik ist.

Unser Kampf gegen SPD und NSDAP

Nehmen wir unseren Kampf gegen die beiden wichtigsten konterrevolutionären Massenparteien: Die Sozialdemokratie und die Nationalsozialisten. Betrachten wir die vor uns liegenden Preußenwahlen, wobei das, was für die Preußenwahlen gilt, auch schon für die Präsidentschaftswahlen zutrifft. Die Sozialdemokratie versucht den Massen einzureden, ihre Politik und die Preußenregierung seien ein “kleineres Übel” gegenüber der Politik der Nationalsozialisten und gegenüber einer etwaigen späteren Hitler-Regierung. So schreibt z. B. das "Hamburger Echo":

Genau wie die französische Sozialdemokratie für die kommenden Wahlen die Taktik beschlossen hat, die dazu führt, den Kandidaten der ausgesprochenen Reaktion zu schlagen, so wird auch die deutsche Sozialdemokratie ihre Taktik so wählen, daß die Reaktion aufs Haupt geschlagen wird. In dem Kampf zwischen Hindenburg und einem Vertreter der Harzburger Front ergibt sich unter obwaltenden Umständen ihre Stellung von selbst. Daß die Reaktion mit allen Mitteln versucht, die Kandidatur Hindenburgs zu torpedieren, ist der Beweis dafür, daß sie erkennt, daß dieser Mann trotz seiner konservativen Grundeinstellung für Staatsstreiche und ähnliche Dinge nicht zu haben ist.

Wir müssen den breitesten Massen klarmachen, daß dies ein Betrug ist. Wir müssen Klarheit darüber schaffen, daß man die Hitlerpartei nicht schlagen kann, ohne den Masseneinfluß der SPD insbesondere im Proletariat niederzuringen. Wir müssen Klarheit darüber schaffen, daß man eine spätere Hitler-Regierung nicht bekämpfen kann, ohne rechtzeitig den Hauptstoß zur Gewinnung der wichtigsten Schichten der Arbeiterklasse gegen die SPD gerichtet zu haben, denn sie ist es, die breite Schichten der Arbeiterklasse für die Bourgeoisie einfängt, bzw. gefangen hält und dadurch dem Klassenkampf entzieht oder direkt gegen den Klassenkampf einsetzt.

Warum müssen wir den Hauptstoß gegen die Sozialdemokratie richten?

Unsere Strategie, die den Hauptstoß gegen die Sozialdemokratie lenkt, ohne dadurch den Kampf gegen den Hitlerfaschismus abzuschwächen, unsere Strategie, die gerade durch den Hauptstoß gegen die Sozialdemokratie überhaupt erst die Voraussetzungen für eine wirksame Bekämpfung des Hitlerfaschismus schafft - diese Strategie ist nicht verständlich, wenn man die Rolle der proletarischen Klasse als der einzigen bis zu Ende revolutionären Klasse nicht klar verstanden hat.

In dem Vorwort zu seinem Buch "Auf dem Wege zum Oktober" hat Genosse Stalin die revolutionäre Strategie des Leninismus in klassischer Weise formuliert. Er bezeichnet als die grundlegende strategische Regel des Leninismus die Erkenntnis:

1. daß die gefährlichste Stütze der Feinde der Revolution in der Periode der herannahenden revolutionären Entscheidung die Kompromißlerparteien sind;

2. daß es unmöglich ist, ohne Isolierung dieser Parteien den Feind (den Zarismus oder die Bourgeoisie) zu stürzen;

3. daß infolgedessen das stärkste Feuer in der Periode der Vorbereitung der Revolution auf ihre Isolierung, auf die Loslösung der breiten Massen der Werktätigen von diesen Parteien gerichtet werden muß.

Die praktische Anwendung dieser Strategie in Deutschland erfordert den Hauptstoß gegen die Sozialdemokratie. Sie ist mit ihren “linken” Filialen die gefährlichste Stütze der Feinde der Revolution. Sie ist die soziale Hauptstütze der Bourgeoisie, sie ist der aktivste Faktor der Faschisierung, wie das XI. Plenum sehr richtig aussprach, und sie versteht zugleich in der gefährlichsten Art, als "gemäßigter Flügel des Faschismus" die Massen durch ihre Betrugsmanöver für die Diktatur der Bourgeoisie und für ihre faschistischen Methoden einzufangen.

Die Sozialdemokratie schlagen, das ist gleichbedeutend damit, die Mehrheit des Proletariats zu erobern und die wichtigste Voraussetzung für die proletarische Revolution zu schaffen.

Aber es genügt nicht, daß wir diese Erkenntnis haben. Es genügt nicht, daß wir diese richtige Strategie theoretisch anerkennen. Wir müssen vielmehr in der Praxis unsere Konsequenzen daraus ziehen. Dazu gehört vor allem, neben vielen anderen Fragen, die richtige Bekämpfung der sozialdemokratischen Betrugsmanöver.

Die Politik des größten Übels für die Arbeiterklasse

Das Hauptmanöver der Sozialdemokratie für eine ganze Periode ist der Schwindel mit dem sogenannten “kleineren Übel”. Diese Feststellung des XI. Plenums hat für uns in Deutschland allergrößte Bedeutung. Ich habe schon auf die Preußenwahlen hingewiesen, wo ebenso wie bei der Reichs-Präsidentenwahl die SPD zweifelsohne von neuem in stärkster Weise den Schwindel mit dem “kleineren Übel” auftischen wird, ich will nur auf einen Punkt hinweisen, der bei unserer Entlarvung dieses Betrugsmanövers von ausschlaggebender Bedeutung ist. Wir sprechen oft von der Politik des “kleineren Übels” der Sozialdemokratie. Ich glaube, daß diese Formulierung für diesen Begriff irreführend und unzweckmäßig ist. Die Politik, die die SPD betreibt, ist ja in Wirklichkeit keineswegs eine Politik des “kleineren Übels”, sondern gerade die Politik des größten Übels für die Arbeiterklasse. Das ist es, was wir den Massen zu zeigen haben. Die Sozialdemokratie führt jeweils soviel Anschläge im Dienste der Bourgeoisie gegen das Proletariat und die Werktätigen durch, wie nur vom Standpunkt des jeweiligen Reifegrades der Faschisierung durchgeführt werden können.

Wenn ihre konterrevolutionären Taten bisweilen in einem oder dem anderen Punkt hinter dem zurückbleiben, was an konterrevolutionären Forderungen von dem extremsten Flügel des Faschismus, von Hugenberg und Hitler aufgestellt wird, so geschieht das nicht deshalb, weil die SPD besser wäre als Hitler und Hugenberg, weil ihre Politik wirklich ein “kleineres Übel” wäre, sondern nur deshalb, weil eben mehr an Ausplünderung und Unterdrückung der Arbeiter unter den gegebenen Verhältnissen nicht durchgesetzt werden kann.

“Kleineres Übel” ‑ das ist also nichts als der Betrug, mit dem die SPD ihre tatsächliche Politik des jeweils größten Übels für die deutsche Arbeiterklasse verschleiert. Diese Feststellung müssen wir bei der Entlarvung der Politik der Sozialdemokratie in unserer gesamten Agitation und Propaganda stets mit dem größten Nachdruck hervorheben.

Andere Betrugsmanöver der SPD-Führer

Die verlogene “Theorie”, der Betrug des “kleineren Übels”, ist gewissermaßen die Hauptachse des Systems der sozialdemokratischen Massenbetrugsmanöver. Aber es ist notwendig, die Vielseitigkeit und Mannigfaltigkeit dieser Manöver klar zu erkennen. Ich will nur einige Beispiele aus der letzten Zeit anführen, um zu zeigen, wie die SPD ständig immer neue betrügerische Tricks und Gaunerstückchen ausheckt, die manchmal nur für einige Tag und Wochen ihrer Agitation und Propaganda Verwendung finden, um dann sang- und klanglos zu verschwinden und einem neuen Schwindel Platz zu machen.

Ein solches Manöver war das sogenannte “Einheitsfrontangebot” Breitscheids in seiner Darmstädter Rede, das vom "Vorwärts" und der übrigen SPD-Presse sofort aufgegriffen wurde und heute schon wieder längst vergessen ist, weil wir es rasch und radikal entlarvten. Ich erinnere hierbei an ähnliche Betrugsmanöver der französischen Reformisten.

Ein solches Manöver ist das Gerede vom “Generalstreik” im Falle einer kommenden Hitler-Regierung, die zugleich mit der offenen faschistischen Diktatur infiziert wird. Dadurch soll selbstverständlich nur der Kampf gegen die tatsächliche Diktatur der Bourgeoisie, die heute durch die Brüning-Severing-Regierungen ausgeübt wird, abgeschwächt werden.

Ein solches Manöver ist umgekehrt die sozialfaschistische These, wie sie Breitscheid in Emden vertreten hat, ein Eintritt der Hitlerpartei in die Regierung sei ganz günstig, weil sich dadurch die Nazis “abwirtschaften” würden und die weitere Behauptung, eine Brüning-Hitler-Regierung sei immer noch ein “kleineres Übel” gegenüber einer bloßen Hitlerregierung.

Ein solches Manöver der Sozialdemokratie und Bourgeoisie ist der Schwinde mit dem Preisabbau, der angeblich einen Ausgleich für die Lohnsenkungen bringen soll. Dieser Preisabbauschwindel wurde nun schon drei- oder viermal immer von neuem aufgetischt, jedesmal mit kleinen Veränderungen der Form nach, aber stets mit dem gleichen verlogenen Grundinhalt.

Ein solches Manöver war der sogenannte Hilferuf der “Einheitsfront der Gewerkschaften” zur Sicherung des Tarifwesens gegen Hitler und Hugenberg.

Ein solches Manöver ist der neue Schwindel des ADGB in Sachen der Arbeitsbeschaffung. Dabei haben wir es einfach mit ihrem Hauptwahlmanöver zu tun, in dessen Dienst auch der geplante “Krisenkongreß” des ADGB stehen soll.

Ein solches Manöver ist die Bildung der “Eisernen Front”.

Ein solches Manöver macht die SPD gegenwärtig bei der Reichspräsidentschaftswahl, indem sie die Hindenburgfront als “kleineres Übel” darstellt.

Welche Bedeutung haben diese Manöver?

Sie sind stets einerseits eine Aktion, die die SPD im eigenen Parteiinteresse unternimmt, um ihre verbrecherische Politik durch irgendeinen Massenbetrug vor den eigenen Anhängern zu verschleiern und sie im Kampf gegen die Entlarvung durch uns in einem günstigeren Licht erscheinen zu lassen.

Sie sind auch insofern Aktionen im eigenen Parteiinteresse der SPD, als sie der Konkurrenz des "gemäßigten Flügels des Faschismus" gegenüber den anderen Hilfstruppen der Bourgeoisie, den Nazis usw. dienen. So will sich die SPD z.B. mit ihrer "Eisernen Front" einen Apparat schaffen, der nicht nur für die Präsidentschafts- und Preußenwahlen, sondern auch bei anderen Anlässen zur Sicherung der SPD-Politik eingesetzt werden soll.

Aber andererseits ‑ und das ist das Ausschlaggebende ‑ sind diese sozialdemokratischen Betrugsmanöver stets auch ein notwendiger Bestandteil des jeweiligen Angriffs der Bourgeoisie gegen die Arbeiterklasse und die Werktätigen. Die Bourgeoisie könnte ihre Politik nicht durchsetzen, wenn nicht die Sozialdemokratie mit ihren Massenbetrugsmanövern den Weg für die Aktionen der Bourgeoisie bereiten würde. Und man kann sagen, daß hiermit gerade die wichtigste Funktion der sozialdemokratischen Betrugsmanöver gekennzeichnet ist. Ja, man muß die Feststellung treffen: Bei dem Versuch der Bourgeoisie, die Krise auf Kosten der Massen abzuwälzen, sind die sozialdemokratischen Betrugsmanöver, international wie auch in Deutschland, ein untrennbarer Bestandteil der Politik der Bourgeoisie.

Mehr als das: Die sozialdemokratischen Betrugsmanöver sind oft zugleich die eigenen Betrugsmanöver der Bourgeoisie. Nehmen wir die Frage des imperialistischen Krieges, als eines Werkzeugs zur kapitalistischen Überwindung der Krise. Ohne den Abrüstungsschwindel, ohne den Völkerbundsschwindel, ohne den pazifistischen Schwindel der II. Internationale und auch der Bourgeoisie selbst, wäre diese räuberische Politik des imperialistischen Krieges für die Bourgeoisie viel schwerer, vielleicht überhaupt unmöglich.

Unser Kampf um die Eroberung der Mehrheit des Proletariats, die Lösung dieser strategischen Hauptaufgabe, unser Kampf darum, die entscheidenden Schichten des Proletariats und die mit ihnen Verbündeten, von ihnen geführten Werktätigen gegen den kapitalistischen Weg aus der Krise und für den revolutionären Ausweg zu mobilisieren ‑ diese strategische Hauptaufgabe kann nur gelöst werden, wenn wir es verstehen, die sozialdemokratischen Betrugsmanöver zu zerschlagen, wenn wir es verstehen, der Sozialdemokratie die Maske vom Gesicht zu reißen, wenn wir es verstehen, den wirklichen Charakter der bürgerlichen, kapitalistischen, faschistischen Politik der SPD vor den Massen klar zu enthüllen.

Der Schwindel mit dem “Staatskapitalismus”

Damit, Genossen, komme ich zu einem neuen, großen, internationalen Manöver der Sozialdemokratie in der letzten Zeit, mit dem wir uns etwas ausführlicher befassen müssen: Dem Schwindel mit dem Staatskapitalismus. Ungefähr zu gleicher Zeit tischten die Sozialdemokraten in verschiedenen Ländern diesen neuen Betrug den Massen auf. In Österreich gab Otto Bauer die Losung “Kampf um den Staatskapitalismus” aus. In der Tschechoslowakei war es ein tschechischer Sozialfaschist namens Benesch, (der Bruder des Ministers Benesch, der den Staatskapitalismus als eine “automatische Sozialisierung” verkündete, während ein anderer Sozialfaschist, Dr. Eugen Stern, den Staatskapitalismus als “Staatssozialismus” forderte. In Deutschland hat sich vor allem Naphtali für dieses Betrugsmanöver mit dem Staatskapitalismus ins Zeug gelegt, indem er die Losung “Kampf um staatliche Wirtschaftsführung” aufstellte, während zugleich Hilferding die letzte Notverordnung Brünings als “das Ende der Herrschaft des Privat- und Finanzkapitals” und “ein Stück Sozialismus” feierte. In der "Wiener Arbeiterzeitung" veröffentlichte der österreichische Sozialdemokrat Otto Leichter einen Artikel unter dem Titel "Kapitalistisch geht es nicht mehr". Darin heißt es:

Deutschland muß, wenn es am Leben bleiben will, ein Glied der europäischen, ein Glied der Weltwirtschaft bleiben. Im Herzen Europas ein bolschewistisches Eiland zu schaffen, das jeden Verkehr mit seinen kapitalistischen Nachbarn abbricht, ist bei den gegenwärtigen wirtschaftlichen und politischen Machtverhältnissen unmöglich. Das wäre der Untergang Deutschlands, das wäre der Krieg mitten in Europa. Darum ist in Deutschland im Augenblick der Staatskapitalismus die einzig mögliche Lösung.

Erst in den letzten Tagen hörten wir von Aufhäuser ähnliches, der sich gleichfalls mit der Frage des Staatskapitalismus befaßt. Der "Vorwärts" beginnt schon eine besondere Kampagne in dieser Frage und versucht die Arbeiterschaft zu betrügen mit dem sogenannten “Wirtschaftsprogramm der Arbeiterschaft”. Es heißt in einem Stampferschen Artikel vor einigen Tagen:

Mehr Wirtschaftsmacht dem Staate! Mehr bewußtes Wollen, vom Staate aus in die Anarchie der kapitalistischen Wirtschaft planend und regelnd einzugreifen! Mehr sozialistischen Willen und stärkere Entschlossenheit, diesen sozialistischen Willen zum Staatswillen werden zu lassen, das ist die Forderung der Stunde.

Eine neue Diskussion über die Sowjetunion

Das ist die eine Seite dieser neuen staatskapitalistischen Propaganda der Sozialdemokratie. Die andere Seite ist die neuerdings entbrannte Diskussion über die Sowjetunion. Diese Diskussion erfüllt die theoretischen Zeitschriften der deutschen und österreichischen Sozialdemokratie. Den Anfang machte Otto Bauer mit einem Artikel im Wiener "Kampf", worin er das Eingeständnis von sich gab, daß in der Sowjetunion der Sozialismus aufgebaut wird, deshalb müßten die russische Sozialdemokratie und die II. Internationale ihre Taktik gegenüber der Sowjetunion ändern. Zu dem Artikel Bauers nahm Fritz Adler Stellung, der von den russischen Menschewisten gegenüber der Sowjetmacht und den Bolschewiki gegenüber eine Tolerierungspolitik verlangte. Nunmehr antworteten Dan und Abramowitsch, die Führer der russischen Menschewisten, in zwei verschiedenen Artikeln, die ‑ der eine in der Februarnummer der Hilferdingschen "Gesellschaft", der andere im Wiener "Kampf" ‑ gleichzeitig erschienen sind. Beide beklagen sich bitter darüber, daß Otto Bauer und bis zu einem gewissen Grade auch Fritz Adler den russischen Menschewisten gewissermaßen die Existenzgrundlage absprechen. Beide bekennen sich in kaum verschleierter Form zur Politik der konterrevolutionären Intervention, wobei diese Gauner zugleich in heuchlerischer Weise beteuern, daß sie einen gewaltsamen Sturz, der Sowjetmacht durch eine imperialistische Intervention niemals gewünscht hätten.

Was haben wir zu diesen Diskussionen im Lager des Sozialfaschismus zu sagen? Selbstverständlich sind die verschiedenen Führer der II. Internationale, ob sie nun Dan und Abramowitsch heißen oder Otto Bauer und Fritz Adler, alle gleichermaßen Anhänger und Träger der konterrevolutionären Interventionspolitik. Der Unterschied besteht lediglich in der Methode. Die russischen Menschewisten vom Schlage Dan und Abramowitsch, die auf keinerlei Stimmungen irgendwelcher proletarischer Anhänger Rücksicht zu nehmen brauchen, weil sie keine Anhänger mehr haben, bekennen sich fast ebenso offen zu ihrer konterrevolutionären Politik, wie der schamlose Kriegshetzer Kautsky, oder wie Noskes neuerster Bundesgenosse, Herr Leo Trotzki.

Bauer und bis zu einem gewissen Grade auch Adler versuchen demgegenüber ihren Antibolschewismus mit “linken” Phrasen zu maskieren. Warum geschieht das? Es geschieht, weil die Wirklichkeit der beiden Systeme, des Sozialismus in der Sowjetunion und des Kapitalismus in allen übrigen Ländern, eine allzu deutliche Sprache auch für die sozialdemokratischen und alle Arbeiter zu sprechen beginnt. Mit dem alten Schwindel einer einfachen Leugnung der Erfolge des sozialistischen Aufbaues, mit dem Kautskyschen Geschwätz über eine “Hölle” in der Sowjetunion kann man angesichts des gewaltigen Siegeszuges der Sowjetmacht unmöglich mehr auch nur einen lahmen Hund hinterm Ofen vorlocken, geschweige denn einen sozialdemokratischen Arbeiter bei der Stange halten.

Also wird man diplomatisch. Also macht man “Eingeständnisse”. Also fängt man an, die Sowjetunion zu “loben”. Nicht nur Otto Bauer manövriert so, sondern im Verlag der Wiener Sozialdemokratie ist z. B. ein Büchlein über "Fünfjahrplan und Sozialismus" von L. Birkenfeld erschienen, worin dieser österreichische Sozialdemokrat “begeistert” den Fünfjahrplan begrüßt und seinen Haß gegen den sozialistischen Aufbau in der Sowjetunion außerordentlich demagogisch und geschickt verbirgt.

Warum diese plötzliche Methode? Auf diese Art hofft man, die Sympathien der Arbeiter aller kapitalistischen Länder für den Sozialismus in der Sowjetunion, die unausgesetzt wachsen, in ein ungefährliches Fahrwasser ablenken zu können. Man hofft, diesen Arbeitern weismachen zu können, daß die Anerkennung der Sowjetunion zu keinen praktischen Konsequenzen verpflichtet, daß das, was in der Sowjetunion geschieht, für das deutsche Proletariat oder das Proletariat Österreichs usw. nicht in Frage käme. Mit anderen Worten: Wir haben es lediglich mit einer Art von diplomatischem Antibolschewismus zu tun, die heimtückischer, verlogener und konterrevolutionärer der Vorbereitung des Interventionskrieges dienen soll als der offene Antibolschewismus der Kautsky, Dan und Abramowitsch.

Dabei steht dieser neue “linke” Schwindel in Sachen der Sowjetunion in engster Verbindung mit dem Betrugsmanöver in Sachen des Staatskapitalismus. Die wachsende Sympathie für die Sowjetunion und damit für den Sozialismus als Ausweg aus dem kapitalistischen Elend ist ja auch die Basis, auf der die Sozialfaschisten ihre “Theorie” über den Staatskapitalismus zu verzapfen beginnen.

Wir haben es hier mit einem ernsten Betrug der II. Internationale an den Massen zu tun, auf den unsere Partei nur antworten kann, wenn wir ihr die entsprechenden Waffen dafür liefern.

Welches ist der Sinn und der Hintergrund dieses Betrugsmanövers?

Der Sinn des Betrugsmanövers mit dem “Staatskapitalismus”

Erstens: Die Massen, die immer stärker den Verfaulungsprozeß des sterbenden Kapitalismus auf der einen Seite und die Überlegenheit der sozialistischen Wirtschaft unter der proletarischen Diktatur in der Sowjetunion auf der anderen Seite erkennen, beginnen sich in steigendem Maße darauf zu orientieren, auch ihrerseits den Weg der Sowjetunion, den Weg des revolutionären sozialistischen Auswegs aus der Krise zu beschreiten. Dieser Gefahr für den Kapitalismus, die aus den wachsenden Sympathien der Werktätigen für die Sowjetunion erwächst, will die Sozialdemokratie begegnen. Darum verleumdet sie den Sozialismus in der Sowjetunion als angeblichen “Staatskapitalismus”.

Das ist die erste Seite dieses Massenbetrugs.

Zweitens: In dem Augenblick, in dem die Offensive der Bourgeoisie und der mit ihr verbundenen Sozialdemokratie gegen das Proletariat immer skrupellosere Formen annimmt, reicht das einfache Betrugsmanöver des sogenannten “kleineren Übels” seitens der Sozialdemokratie zur Besänftigung der Massen nicht mehr aus. Während also in der Wirklichkeit das Übel immer größer wird, geht die Sozialdemokratie dazu über, nicht mehr nur den Massen vorzuschwindeln, ihre Politik und die Politik der Bourgeoisie bedeute ein “kleineres Übel”, sondern in noch vergröberter Auflage des Betrugs erklärt sie einfach: Die jetzigen Verbrechen der Bourgeoisie seien ein friedlicher “Weg zum Sozialismus”, nämlich der Weg über den Staatskapitalismus. (Hilferdings “organisierter Kapitalismus”, “Heran an den Staat” usw.)

Früher waren Brünings Notverordnungen in der Demagogie der SPD ein “kleineres Übel”, das man schlucken müsse, damit nicht Hitler käme. Heute, wo die Notverordnungen immer reaktionärer und unerträglicher für die Massen werden, erklärt Hilferding, sie seien ein “Stück Sozialismus”.

Das sind die beiden wichtigsten Faktoren, die wir erkennen müssen, um dieses neue sozialdemokratische Betrugsmanöver zu entlarven.

Es ist jedoch notwendig, zum Problem des Staatskapitalismus in diesem Zusammenhang noch einige weitere Worte zu sagen:

Wir sehen das Gegenteil einer Entwicklung zum “Staatskapitalismus”

Eine erste Frage: Ist das, was sich heute in den meisten kapitalistischen Ländern vollzieht, tatsächlich Entwicklung zum Staatskapitalismus? So wurde es nämlich auch in einigen kommunistischen Zeitungen, wenn auch nicht in Deutschland, hingestellt. Wir müssen die Frage entschieden verneinen.

Was sich gegenwärtig vollzieht, vor allem in Deutschland, aber auch in anderen kapitalistischen Ländern, ist keineswegs Entwicklung zum Staatskapitalismus, eher das gerade Gegenteil. Die Bourgeoisie, die den Parlamentarismus abbaut, beseitigt umgekehrt gerade jene Erscheinungen von Kontrolle und Aufsicht seitens der bürgerlich-parlamentarischen Öffentlichkeit, die vorher noch vorhanden gewesen sind. Im Interesse des kapitalistischen Auswegs aus der Krise geht sie dazu über, die Schulden der Banken und Trusts von diesen privaten Unternehmungen auf die Staatskasse, das heißt, auf die werktätigen Massen abzuwälzen.

Mit anderen Worten: Die Banken und Fabriken bleiben in den Händen der Kapitalisten, aber ihre Schulden werden nationalisiert. Ich will hier nur auf die Vorgänge mit der Danatbank und Dresdner Bank als besondere Beispiele hinweisen. Ist das etwa Entwicklung zum Staatskapitalismus?

Das ist das Gegenteil davon.

Weiter, Genossen, der kapitalistische Staat baut seine Verpflichtungen gegenüber den Arbeitern und Angestellten ab. Er schränkt die kommunalen Betriebe ein und treibt die Gemeinden in den Bankrott. Die kommunalen Betriebe werden dann für einen Pappenstiel an die Privatindustrie verschachert.

Ist das Entwicklung zum Staatskapitalismus? Ganz im Gegenteil.

Die wirkliche Entwicklung, die wir sehen, besteht darin, daß die Finanz-Oligarchie, die kleine führende Oberschicht des Finanzkapitals immer schrankenloser und skrupelloser den kapitalistischen Staatsapparat für ihre privaten Profitinteressen einsetzt und alle seine Machtmittel, die Staatsfinanzen, die Steuerkasse usw., zu ihren Gunsten benutzt, ohne auch nur im mindesten an ihre privaten Monopole und Trusts tasten zu lassen. Die Antwort auf unsere erste Frage, ob es in Deutschland eine Entwicklung zum Staatskapitalismus tatsächlich gibt, muß also verneinend lauten.

Das Proletariat und der “Staatskapitalismus”

Eine zweite Frage: Welche Stellung müßte das Proletariat, müßten die kommunistischen Parteien einnehmen, wenn der Staatskapitalismus tatsächlich auf der Tagesordnung stände?

Hierzu ist es nötig, auch theoretisch jeder Verwirrung auf diesem Gebiet Vorzubeugen, sich mit den Feststellungen Lenins über die Frage des Staatskapitalismus zu beschäftigen. Lenin hat über den Staatskapitalismus geschrieben, und zwar sowohl während des Krieges, als die Bourgeoisie in einer Reihe kriegführender Länder, ganz besonders in Deutschland, zu Methoden einer bestimmten Organisierung der Wirtschaft unter staatlicher Kontrolle im Interesse ihrer Kriegführung überging, als auch in der Zeit vor dem Oktober 1917, also vor der proletarischen Revolution, als es sich darum handelte, den Massen den Ausweg aus der Katastrophe klarzumachen, wie er sich unter den besonderen Verhältnissen der russischen Revolution ergab. Was sagt Lenin nun zunächst über den angeblichen “Staatskapitalismus” unter der Herrschaft der Bourgeoisie? Er schreibt zum Beispiel:

Das staatliche Monopol ist in der kapitalistischen Gesellschaft nur ein Mittel zur Erhöhung und Festigung der Einkünfte der vor dem Bankrott stehenden Millionäre des einen oder des anderen Industriezweiges.

Und über jene Regulierung des Wirtschaftslebens während des imperialistischen Krieges, die in Deutschland vor allem nach den Plänen Rathenaus durchgeführt wurde, sagt Lenin in seiner Schrift aus dem Jahre 1917 "Die drohende Katastrophe und wie man sie bekämpfen soll", folgendes:

Sowohl Amerika wie Deutschland “regulieren das Wirtschaftsleben” so, daß für die Arbeiter (und teilweise für die Bauern) ein Militärzuchthaus, für die Bankiers und Kapitalisten aber ein Paradies dabei herauskommt. Diese Regulierung besteht darin, daß man den Arbeitern den Brotkorb höher hängt, dem Kapitalisten aber (insgeheim auf reaktionär-bürokratischem Wege) höhere Profite sichert als vor dem Kriege.

Aus allen diesen Feststellungen, die durch die Wirklichkeit und Praxis bestätigt werden, ergibt sich die Stellung der Kommunisten in den kapitalistischen Ländern zur Frage des Staatsmonopols, sobald diese akut wird.

Ist zum Beispiel die Berliner Verkehrs AG oder die Reichseisenbahn vom Standpunkt des Proletariats etwas Besseres als irgendein privatkapitalistischer Trust? Die Verkehrsarbeiter und Eisenbahner würden uns auslachen, wenn wir das behaupten wollten. Deshalb ziehen wir Staatsmonopole und staatliche Trusts keineswegs den privatkapitalistischen vor, solange die Macht in Händen des Finanzkapitals bleibt.

Wir treten also unter keinen Umständen für die Schaffung solcher Staatsmonopole oder für die Beteiligung des Staates an den privaten Monopolen und Trusts ein, wenn dies in irgendeiner Form auf der Tagesordnung steht. Im Gegenteil: Wir bekämpfen solche Maßnahmen, weil sie die Macht des kapitalistischen Staates als Vollzugsorgan der herrschenden Klasse steigern und weil sie das Risiko der Kapitalisten auf die Massen abwälzen, ohne den Profit der Kapitalisten irgendwie zu schmälern. Darum haben wir zum Beispiel gegen die Einführung des Zündholzmonopols gekämpft, wo es verschiedene Schwankungen in einzelnen Teilen der Partei gab. Darum werden wir ‑ und damit ist auch diese zweite Frage beantwortet ‑ gegen jeden Schritt der Bourgeoisie kämpfen, der den Deckmantel des angeblich fortschrittlichen Staatskapitalismus benutzt, um faktisch die Verhältnisse für die Arbeiterklasse noch mehr nach dem Muster der Kriegszeit in eine Art Militärzuchthaus zu verwandeln.

Ein Vergleich zwischen Rußland 1917 und Deutschland 1932

Eine dritte Frage: Könnten wir den Staatskapitalismus in dem Sinne, wie ihn Lenin für Rußland 1917 in seiner Schrift "Die drohende Katastrophe" forderte, in Deutschland bei einem weiteren Herannahen der Voraussetzungen der revolutionären Krise als einen Übergang zum Sozialismus betrachten und propagieren?

Diese Frage ist heute zwar noch eine theoretische Frage, aber Klarheit darüber ist die Voraussetzung für die richtige Abwehr des sozialdemokratischen Betrugsmanövers der Hilferding und Naphtali. Wie steht es also damit? In Rußland erwuchs dem Proletariat die Aufgabe, in der Revolution von der kleinen Warenwirtschaft und dem privatwirtschaftlichen Kapitalismus den Weg bis zum Sozialismus zurückzulegen. Das war unmöglich, wie Lenin sagte, "ohne das zurückzulegen, was sowohl dem Staatskapitalismus als auch dem Sozialismus gemeinsam ist." In allen Ländern, in denen der Kapitalismus sich noch nicht zum Imperialismus, zum Monopolkapitalismus entfaltet hat, wird es deshalb im Falle der Revolution sowohl für die proletarische Diktatur oder auch für eine revolutionär-demokratische Regierung der Arbeiter und Bauern unmöglich sein, den Weg zum Sozialismus einzuschlagen, ohne zunächst die Etappe des Staatskapitalismus zurückzulegen. Aber selbstverständlich hat auch das in diesen Ländern als eiserne Voraussetzung, daß eben nicht mehr Kapital regiert, nicht mehr die Bourgeoisie den Staatsapparat beherrscht, sondern daß entweder die proletarische Staatsmacht oder wenigstens die demokratische Diktatur der Arbeiter und Bauern errichtet ist.

Aber hat das alles eine Bedeutung für Deutschland?

Nicht im mindesten. Für ein Land, in dem die Entwicklung zum Monopolkapitalismus, zum Imperialismus in einem so hohen Maße fortgeschritten ist, wie das in Deutschland der Fall ist, wird die proletarische Revolution nach ihrem Sieg den Staatskapitalismus nur in ganz geringfügigem Maße in einzelnen Elementen der Wirtschaft zulassen und im wesentlichen den direkten Weg zum Sozialismus einschlagen. Während in der Sowjetunion erst die Diktatur des Proletariats gefestigt und dann allmählich die kapitalistischen Elemente überwunden werden mußten, ehe die Sowjetunion in die Periode des Sozialismus eintreten konnte, wird es in Deutschland nach dem Sieg der Arbeiterklasse viel leichter möglich sein, den Aufbau des Sozialismus in Angriff zu nehmen. Abgesehen natürlich von den eventuellen Kämpfen des Bürgerkriegs und an der Kriegsfront mit den imperialistischen Mächten.

Mit anderen Worten: Die monopolkapitalistische Entwicklung, die hinsichtlich der Vergesellschaftung der Wirtschaft ein bestimmtes “nahes Verhältnis” zum Sozialismus herbeiführt, ist für uns als Marxisten nur ein Anlaß, die Anstrengungen zur Durchführung der proletarischen Revolution zu verstärken.

Schärfster Kampf gegen die Betrugsmanöver der SPD

Wir haben es leichter, den Sozialismus aufzubauen, als dies z. B. in Rußland der Fall war. Um so mehr müssen wir den Massen klarmachen, daß die sozialistische Revolution unaufschiebbar, daß sie die einzige proletarische Überwindung der Krise ist, und daß jeder Versuch, das heutige kapitalistische Elend durch den Schwindel mit dem Staatskapitalismus zu beschönigen, wie es die Naphtali und Hilferding tun, ein maßloses Verbrechen an der Arbeiterklasse darstellt.

Das sozialdemokratische Betrugsmanöver mit dem Staatskapitalismus ist in gewisser Weise eine Neuauflage des Sozialisierungsschwindels aus den Jahren 1919 bis 1920. Ja, es ist gar kein Zufall, daß, während Hilferding die Notverordnungen als ein “Stück Sozialismus” anpreist, zur selben Zeit der Zentrumsmann Imbusch, der christliche Bergarbeiterbürokrat, und der Sozialfaschist Husemann, die verlogene Losung einer Sozialisierung des Bergbaues aufstellen.

Sozialisierung durch Brüning, Warmbold, Dietrich und Groener! Es fehlt nur noch, daß man vorschlägt, der unmittelbare Beauftragte der IG‑Farbenindustrie im Reichskabinett, der Wirtschaftsminister Warmbold, möge die IG‑Farbenindustrie “sozialisieren”. Es ergibt sich für jeden denkenden Arbeiter, wenn wir diese Fragen scharf aufrollen, mit Leichtigkeit, was für eine schamlose Komödie den Massen hier seitens der Bourgeoisie vorgespielt wird.

Was für die Frage des Staatskapitalismus gilt, trifft auch hier für ein anderes unter den neuen Agitationsmanövern der Sozialdemokratie zu: ihren Versuch, in der Frage der nationalen Demagogie dem Hitlerfaschismus Konkurrenz zu machen. Da wimmelt es mit einem Male von solchen militärisch-romantischen Schlagworten mit teilweise mittelalterlichem Beigeschmack, wie "Hammerschaften", "Eiserne Woche", "Eisernes Buch" usw., und wie das ganze Blech sonst heißen mag. Da tritt die SPD zu gleicher Zeit mit einem Male “gegen” den Young-Plan auf, als ob nicht sie es gewesen ist, die eben diesen Young-Plan als einen gewaltigen Fortschritt, als ein Werk des Friedens, der Freiheit und Erleichterung der Massen angepriesen hat.

Auch diesen neuen Massenbetrug müssen wir entlarven!

Diese Partei, die mehr als zwölf Jahre lang die schamloseste Erfüllungspolitik im Dienste der deutschen Bourgeoisie und des internationalen Finanzkapitals betrieben hat, die den Vertrag von Versailles unterzeichnete, die den Dawes-Plan angepriesen und zuletzt die werktätigen Massen unter das Joch des räuberischen Young-Plans gepreßt hat, versucht sich heute durch solch einen schmutzigen Gaunerstreich von ihrer ungeheuren Schuld reinzuwaschen.

Das soll die Empörung der Massen beschwichtigen, das ist ein neuer Wahlbetrug für die Preußen- und alle anderen Wahlen, das soll aber auch ihre Annäherung an den anderen Flügel des Faschismus, den Hitler-Faschismus, in immer offener Form vorbereiten, wobei diese Zusammenarbeit keineswegs den Konkurrenzkampf um die Futterkrippen in der Staatsmaschine untereinander ausschließt.

Das soll weiter der Bourgeoisie dabei helfen, die unausbleibliche neue Kapitulation vor dem französischen Imperialismus, das neue Verbrechen einer Verschacherung des deutschen Proletariats und der übrigen Werktätigen an das internationale Finanzkapital reibungsloser durchzuführen. Unter dem Deckmantel dieser nationalen Demagogie verbirgt sich wiederum die schamlose Rolle der deutschen Sozialdemokratie, die im Dienste des französischen Imperialismus, im Dienste des Völkerbundes, im Dienste des Weltimperialismus, die Politik der Eingliederung Deutschlands in die Antisowjetfront, der Teilnahme Deutschlands am kommenden Interventionskrieg gegen die Sowjetunion betreibt.

Wir müssen den Nazis die nationale Maske herunterreißen

Was für die nationale Demagogie der SPD gilt, trifft noch weit mehr für die Hitler-Partei zu.

Wenn wir uns die Frage vorlegen, auf welche Hauptursachen das rapide Anwachsen des Hitler-Faschismus, der das Erbe fast aller alten bürgerlichen Parteien hinsichtlich ihrer Anhängermassen angetreten hat, zurückzuführen ist, so spielt die nationale Unterdrückung des deutschen Volkes und die Ausnutzung dieser Tatsache durch eine geschickte nationale Demagogie, eine schrankenlose Agitation und heuchlerische Propaganda der Hitler-Partei dabei eine ausschlaggebende Rolle.

Unser Kampf gegen den Hitler-Faschismus kann nur dann erfolgreich sein, wenn wir es verstehen, den Nazis die nationale Maske herunterzureißen, ihre platte und verlogene Demagogie zu entlarven und demgegenüber unsere wirkliche Freiheitspolitik für die Millionen Unterdrückten in Deutschland aufzurollen.

Genossen, ich werfe die Frage auf, ob unsere Partei ihre richtige leninistische Linie in der Frage der Außenpolitik, in der Frage des Versailler Systems und des Young-Plans, in der Frage des nationalen Freiheitskampfes offensiv und kühn und ohne Hemmnis anwendet oder nicht. Ich möchte darauf mit aller Schärfe antworten: Es gab und es gibt heute noch die allergrößten Hemmungen in der Partei in dieser Frage.

Wir lange haben wir dazu gebraucht, ehe wir unser Freiheitsprogramm herausgegeben haben, obwohl doch die Linie der Partei und der Kommunistischen Internationale, auf Grund der Leninschen Stellung zur nationalen Frage, völlig klar und eindeutig war. Selbst nach dem Erscheinen des Freiheitsprogramms - welche Schwäche in der Auswertung, in der Anwendung, in der Konkretisierung!

Nationale Freiheitspolitik und revolutionärer Internationalismus

Man muß es einmal aussprechen, Genossen, es gibt vereinzelt solche unleninistischen Stimmungen in unseren Reihen, als ob wir auf unsere Rolle von Versailles bis heute, als einzige Partei des entschlossenen und ehrlichen revolutionären Kampfes für die nationale Befreiung des werktätigen deutschen Volkes, nicht stolz zu sein hätten, als ob darin ein Widerspruch zu unserer Einstellung des proletarischen Internationalismus zu sehen sei. Hier gibt es bei uns sozialdemokratische Einflüsse, sozialdemokratische Stimmungen, die wir schonungslos niederkämpfen müssen. Natürlich haben wir in unserer Partei auf Grund ihrer Entstehungsgeschichte bestimmte ungünstige Traditionen. Ich nenne nur Rosa Luxemburgs Stellung zur nationalen Frage, wie sie Lenin in der Kritik der Junius-Broschüre während des Krieges gekennzeichnet hat. Oder nehmen wir die Vergangenheit eines großen Teiles unserer Partei, der aus der USPD hervorgegangen ist. Selbstverständlich gab es und gibt es bestimmte Überreste des Sozialpazifismus auch in unseren Reihen. Das alles und dazu die wütende Hetze der Bourgeoisie, der Sozialdemokratie und der Nazis rufen eine bestimmte Schwäche, bestimmte Hemmungen in der Frage des nationalen Freiheitskampfes in unseren Reihen hervor. Solche Hemmungen müssen wir schnell und restlos überwinden. Wir müssen besonders in unserer Agitation und Propaganda eine Reihe von entscheidenden Tatsachen gegenüber der Nationalsozialistischen Partei konkret und einfach klarstellen und zum Bewußtsein der Massen bringen.

Um welche Hauptsachen handelt es sich?

1. Wir sind die einzige Partei in Deutschland, die wirklich und mit der größten Entschiedenheit gegen die Erfüllungspolitik kämpft!

Die Hitler-Partei bekennt sich offen zur Bezahlung der privaten Schulden, die auch nur Tribute der deutschen Arbeiter- und Werktätigen an das internationale Finanzkapital darstellen. Außerdem hat ja der Young-Plan durch die sogenannte Kommerzialisierung auch einen großen Teil der sogenannten politischen Reparationstribute in “Privatschulden” umgewandelt.

2. Wir sind weiter die einzige Partei in Deutschland, die das Joch des Weltimperialismus vom deutschen Volk abschütteln kann.

Denn nur wir sind die Partei des Proletariats, die allein die Massen zum Sturz der imperialistischen Sklaverei durch den Sieg der proletarischen Revolution führen kann. Man kann nicht für die soziale Sklaverei, die Lohnsklaverei des Kapitalismus im Innern kämpfen und gleichzeitig nach außen einen Kampf gegen die nationale Unterdrückung durch das internationale Kapital markieren. Die nationale Befreiung ist untrennbar von der sozialen Befreiung des werktätigen Volkes, das heißt vom Sturz des Kapitalismus. Wer den Kapitalismus stützt, stützt auch die Young-Sklaverei.

3. Man kann nicht gegen das Versailler System kämpfen, wenn man eine wütende Hetze gegen die einzige Regierung in der Welt führt, die den Versailler Schandvertrag, den Dawes-Pakt und Young-Plan nicht unterzeichnete, sondern von Anfang an auf das allerschärfste bekämpft hat: Die Regierung der Sowjetunion.

Die Hitler-Partei, die in der Sowjethetze mit der SPD wetteifert, wird durch ihre Kriegshetze gegen die Sowjetunion zum Agenten des französischen Imperialismus und zum unmittelbaren Bundesgenossen Pilsudski-Polens, das mit seiner Politik des polnischen Korridors und in Oberschlesien deutsche Arbeiter und Bauern knechtet und martert.

4. Man kann nicht wirklich gegen den Versailler Vertrag und die Young-Sklaverei kämpfen, ohne das Banner des proletarischen Internationalismus zu entrollen.

Während der Hitler-Faschismus einerseits die schmutzigste Liebedienerei vor den ausländischen Kapitalisten betreibt, Einladungen an das diplomatische Korps zu den Hitler-Paraden richtet, Interviews für die reaktionärste und deutschfeindliche Kapitalistenpresse des Auslandes gibt usw., betreibt er andererseits eine schamlose Revanchehetze, die nur dazu dienen soll, die Massen vom Kampf für einen revolutionären Ausweg aus der Krise und aus der Young-Sklaverei abzuhalten.

Die Sozialdemokratie verkündet in Deutschland die Notwendigkeit, den Young-Plan “aufzuheben”, nachdem sie ihn vorher unverblümt angepriesen hatte, in Frankreich treten die sozialdemokratischen Führer für die “natürlichen Rechte” des französischen Imperialismus auf Reparationen und für die “Unverletzlichkeit” des Versailler Vertrages ein. In der Tschechoslowakei verkündet ein sozialdemokratischer Führer, daß der Versailler Vertrag mehr Gutes als Schlechtes gebracht hat, ja, er wagt es sogar, diese unverschämte Behauptung auf dem Kongreß der II. Internationale in Wien zu verfechten.

In demselben Wien wirkt Herr Otto Bauer, der den Genfer Vertrag ein Gegenstück zu unserem Dawes-Plan oder unserem Young-Plan, einen “Schandvertrag” oder Sklavenvertrag nannte, ohne auch nur die leiseste Konsequenz daraus zu ziehen. Das Ganze nennt man “Sozialistische Arbeiter-Internationale”. Sie sind genau so nationalistisch, chauvinistisch, imperialistisch wie z. B. die Hitler-Partei.

Wir Kommunisten sind stolz darauf, daß unsere Bruderparteien in allen Ländern als ein Teil der großen Kommunistischen Weltpartei in vollständiger Übereinstimmung den konsequenten Kampf gegen das Versailler System des Weltimperialismus führen. So schreiben z. B. unsere französischen Genossen in ihrem Resolutionsentwurf für den bevorstehenden Parteitag der Kommunistischen Partei Frankreichs:

Deswegen verteidigt das französische Proletariat seine eigenen Interessen, indem es gegen das Versailler System kämpft, sowie gegen die Ausbeutung des deutschen Proletariats durch den französischen Imperialismus, indem es seine Schläge gegen die französische Bourgeoisie und ihre Kriegsvorbereitungen führt und seine Aufgabe der internationalen Solidarität erfüllt.

Wir benutzen diese Gelegenheit, um von hier aus, von der Plenartagung unseres Zentralkomitees, den französischen und polnischen Parteigenossen unsere Bruderhand zu reichen, um ihnen ebenso, wie sie es uns gegenüber getan haben und weiter tun, auch unsererseits unsere internationale proletarische Solidarität zu versichern.

Unsere leninistische Politik in der Frage des Versailler Systems, in der Frage der nationalen Befreiung, wie wir sie auf diesem Plenum des ZK mit unserer neuen, den Genossen vorliegenden Deklaration zur Reparationsfrage bekräftigen, ist neben unserem nationalen und sozialen Freiheitsprogramm eine weitere und wichtige neue Möglichkeit und Voraussetzung für einen erfolgreichen Kampf zur Entlarvung und ideologischen Bekämpfung des Hitler-Faschismus.

Nur indem wir den Massen aus der Angestelltenschaft, aus dem Kleinbürgertum, aus den Beamten und der Landbevölkerung, die die Hauptanhängermassen des Hitler-Faschismus stellen, zum Bewußtsein bringen, daß nicht der Nationalsozialismus, sondern wir als einzige Partei mit Millionen Freiheitskämpfern in Deutschland den Kampf für die Befreiung aus der Versailler und kapitalistischen Knechtschaft und der Young-Sklaverei fuhren, werden wir sie loslösen und für den Klassenkampf gewinnen oder wenigstens neutralisieren können. Nur indem wir ohne Schwankungen und ohne Zögern die breiteste Massenkampagne, die leidenschaftlichste und lebendigste Agitation und Propaganda unter der Losung entfalten: Ein Deutschland ohne soziale und nationale Knechtschaft durch die proletarische Diktatur zu erkämpfen, werden wir den Schwindel des Hitler-Faschismus mit seinem “Dritten Reich” zerschlagen können.

Weder Überschätzung noch Unterschätzung des Hitler-Faschismus

Ich habe schon auf die untrennbare Verbundenheit des Kampfes gegen die Nazis mit unserer Strategie verwiesen, die den Hauptstoß gegen die Sozialdemokratie führt. Ich möchte hier noch einige Worte hinzufügen. In der Frage der Bekämpfung der Hitler-Partei gibt es verschiedene Fehler. Der Hauptfehler ist selbstverständlich jede Tendenz einer opportunistischen Überschätzung der Hitler-Partei. Solche Stimmungen gab es sogar zum Beispiel bei Spitzenfunktionären unserer Partei, wie Reichstagsabgeordneten, Polsekretären in einzelnen Bezirken anläßlich des Hamburger Wahlsieges, wo sie den Erfolg der Partei nicht genügend sahen, die mehr Stimmen gewonnen hatte als die SPD verlor, und also in der Richtung des Hauptstoßes gegen die SPD erfolgreich war.

Wir dürfen jedoch ebenso wenig den umgekehrten Fehler einer Unterschätzung des Hitler-Faschismus dulden. Zweifelsohne haben wir uns auf Grund bestimmter kleinerer Erfolge im Kampf gegen den Hitlerfaschismus im vergangenen Jahr längere Zeit hindurch gegenüber den Nazis auf unseren Lorbeeren ausgeruht. Es war uns gelungen, das Eindringen des Hitler-Faschismus in die Betriebsarbeiterschaft in der Hauptsache abzuwehren. Bei einigen Wahlen, zum Beispiel in Braunschweig, zeigte sich eine vorübergehende Stagnation. Daraufhin glaubten wir feststellen zu können, daß der Höhepunkt der Hitler-Bewegung überschritten sei. Das war noch nicht der Fall.

Heute, wo der Hitler-Faschismus den größten Teil aller Reserven aus der Anhängerschaft der alten bürgerlichen Parteien zu sich herübergezogen hat, nähert sich vielleicht wirklich der Zeitpunkt für eine Stagnation der nationalsozialistischen Bewegung in Deutschland. Aber, Genossen, auch dies ist nur richtig, wenn wir unsere Arbeit im Kampf um die Entlarvung der Hitler-Partei verzehnfachen. So werden wir bei den Preußenwahlen dafür zu kämpfen haben, daß wir die einzigen Erben der sozialdemokratischen Anhängerschaft sind, und daß nicht ein Teil der früheren SPD-Anhänger auch zu den Nazis übergeht. Das Letztere müssen wir zu verhindern suchen. Und wir können es, wenn wir noch alles tun, verhindern. Aber eine Voraussetzung dafür ist auch die außerordentliche Verschärfung unseres Kampfes gegen den Hitler-Faschismus an allen Fronten. Ich nenne hier nur im Telegrammstil die wichtigsten Fragen:

Die Beantwortung der HiB-Aktion durch die Verstärkung unserer Betriebsarbeit mit dem Ziel der Säuberung der Betriebe von den Verfechtern des Hitler-Faschismus.

Größere Aktivität und Aufmerksamkeit unter den Millionen Erwerbslosen im Kampfe gegen die Nazis, die versuchen, mit allen Mitteln in dieser Bewegung Einfluß zu gewinnen.

Ferner die stürmische Entfaltung des roten Massenselbstschutzes auf breitester Grundlage gegen den Mordterror des Hitler-Faschismus, ohne sich im mindesten auf die Linie des individuellen Terrors abdrängen zu lassen, aber dabei auch ohne jedes Zurückweichen, in stärkster Massenoffensive gegen den Naziterror.

Weiter die größtmögliche Steigerung unserer ideologischen Massenbearbeitung der nationalsozialistischen Anhängerschaft, um sie vom Hitler-Faschismus loszureißen, um sie in unsere Front hineinzubringen, um sie für den Klassenkampf zurückzugewinnen.

Schließlich, als eine Voraussetzung für diese ganze Arbeit: eine ernsthafte, unermüdliche Politik unserer Partei zur Entlarvung der Nationalsozialisten in der Linie, wie wir sie seinerzeit in der Frage der Einstellung aller Tributzahlungen und des Austritts aus dem Völkerbund bereits erfolgreich eingeleitet hatten. Später haben wir diesen wichtigen Teil unserer politischen Arbeit stark vernachlässigt.

Auf dieser Linie, Genossen, wird es uns möglich sein, die Rolle der Hitler-Partei im Dienste des Finanzkapitals und der scharfmacherischen Hugenberg-Politik klar zu enthüllen und sie zu schlagen.

Der Kampf gegen die SPD und der Kampf gegen die Nazis ‑ gegen die soziale Hauptstütze und gegen die aktivste Terror- und Kampforganisation der Bourgeoisie ‑, das sind die Voraussetzungen dafür, die Massen unter unserer Leitung zu vereinigen und auf der Linie der Organisierung der Tageskämpfe um den revolutionären Ausweg zu führen.

III. Unser revolutionärer Massenkampf

Ich komme jetzt zu dem wichtigen Hauptteil meines Referats, der sich mit der Frage des revolutionären Massenkampfes, der Streikführung, der Betriebs- und RGO-Arbeit und der proletarischen Einheitsfront befaßt.

Wenn wir die Frage der Eroberung der Mehrheit des Proletariats als strategische Hauptlosung stellen, so bedeutet das ja nicht, daß wir diese proletarischen Massen zu einem bloßen Sympathiebekenntnis für die Kommunistische Partei veranlassen wollen, wie es zum Beispiel bei Wahlen oder auch bei Demonstrationen, Versammlungen usw. ausgedrückt werden kann. Diese Losung hat vielmehr den Sinn, daß wir uns das Ziel setzen, die entscheidenden proletarischen Schichten in den Kampf um die Eroberung der politischen Macht hineinzuführen.

Welche Bedeutung hat für diese Aufgabe die Tatsache der jetzt bevorstehenden Präsidentschafts-, Preußen- und sonstigen Wahlen? Ist es etwa so, daß uns diese Wahlkämpfe etwas ungelegen kommen, wie manche Funktionäre annehmen, weil durch die Wahlkampagne die Streikrüstung, der außerparlamentarische Kampf leiden könnte? Eine solche Auffassung wäre ebenso verkehrt, wie die Meinung, die vereinzelt von Parteigenossen vertreten wurde, daß die verschiedenen Volksbegehrenaktionen der Partei auch eine Ablenkung von den außerparlamentarischen Aufgaben darstellen. In Wirklichkeit müssen wir sagen, daß diese Kampagnen, wenn wir sie wirklich außerparlamentarisch auf der breitesten Massenbasis führen, außerordentlich günstig für die Lösung der Aufgaben der Partei sind. Natürlich erfordert das die Vermeidung der parlamentarisch-opportunistischen Entgleisungen, wie wir sie bei der sächsischen Volksentscheidskampagne stellenweise sahen.

Wir können diese Wahlkämpfe glänzend ausnutzen, um die Sozialdemokratie und die Nazis zu entlarven. Wir können diese Wahlkämpfe benutzen, um in den Massen Kampfentschlossenheit und Streikwillen zu erzeugen. Das erfordert allerdings, daß wir die Wahlkämpfe im Rahmen unserer gesamten Klassenpolitik auf der Grundlage der Betriebe und Stempelstellen als wirkliche außerparlamentarische Mobilisierungskampagne zum Kampfe durchführen und jede parlamentarische Illusion zerstören.

Diese Frage, in den Massen eine solche Kampf- und Streikbereitschaft zu erzeugen - das ist das Wichtigste für unsere Agitation und Propaganda.

Nur so werden wir imstande sein, wirklich, wie wir es in unserer Resolution formulieren, alle Formen des proletarischen Widerstandes gegen die Rettungsversuche des kapitalistischen Systems, gegen die Offensive der Bourgeoisie, gegen die Betrugsmanöver der Sozialdemokratie, gegen die großkapitalistische Politik der Hitler-Partei, gegen jeden weiteren Schritt der Faschisierung zu entfalten und zu steigern.

Warum haben wir nicht mehr Streikkämpfe in Deutschland?

Genossen, nun zu einer Frage, die eines unserer wichtigsten Probleme betrifft: Warum haben wir nicht in genügendem Maße Streikkämpfe in Deutschland? Ich habe bereits vorher auf die bestimmten zusätzlichen Schwierigkeiten der Krise hingewiesen, die wir bei der Frage des Zurückbleibens des subjektiven Faktors hinter dem revolutionären Aufschwung mit berücksichtigen müssen. Ich nenne hier nur einige Tatsachen:

Eine Erwerbslosigkeit von 6 Millionen und Millionen Kurzarbeiter; die verschärfte Unternehmeroffensive, die sich auf die Anwendung aller Machtmittel des kapitalistischen Staatsapparats gegen den proletarischen Widerstand stützt; der noch immer starke Masseneinfluß des Reformismus, des ADGB in den Betrieben ‑ das sind die wichtigsten objektiven Tatsachen, von denen vor allem die letztere von größter Bedeutung ist.

Wir sehen also auch hier, daß unsere Strategie gegen die Sozialdemokratie eine unerläßliche Notwendigkeit ist. Aber neben allen anderen angeführten Faktoren ist das Hauptproblem die Überwindung der Schwächen und Mängel unserer Arbeit bei der Durchführung des Streiks.

Welche Hindernisse gibt es auf diesem Gebiet? Die falsche Einschätzung der revolutionären Perspektive der Entwicklung, ihre Unterschätzung und damit verbunden die Unterschätzung der revolutionären und politischen Bedeutung der ökonomischen Streiks, die Unterschätzung der Bedeutung der Teilstreiks in der heutigen Situation, die Schwierigkeit für die RGO, den Massen an Hand siegreicher Streiks von größerem Umfang praktische Beispiele für die Notwendigkeit ihrer Politik zu geben, die Unterschätzung der Bedeutung der Betriebszellen, die die führende Rolle der Partei in den Massenkämpfen verwirklichen müssen. Schließlich verschiedene Abweichungen und teilweise sogar eine gewisse Passivität und eine ungenügende Einstellung der ganzen Partei auf die Frage der Streikkämpfe.

Auf welchen Hauptgebieten müssen wir unsere Arbeit entscheidend verbessern

Auf welchen Hauptgebieten müssen wir also unsere Arbeit wesentlich verstärken und verbessern?

1. in der Betriebsarbeit;

2. bei der Streikrüstung;

3. in der Arbeit der RGO im Betrieb und an der innergewerkschaftlichen Front;

4. in der Erwerbslosenarbeit;

5. in der kühnen Anwendung der Einheitsfrontpolitik;

6. in der Überwindung der rechtsopportunistischen und sektiererischen Fehler und Abweichungen.

Das sind die Hauptgebiete unserer revolutionären Massenarbeit. Sie sind von allergrößter Bedeutung für die Partei und für die jetzige Tagung des Plenums unseres Zentralkomitees. Trotzdem werde ich bewußt zu diesen Fragen nur vom Standpunkt einiger Hauptgesichtspunkte sprechen. Ich glaube, daß es in der Diskussion darauf ankommen wird, ausführlicher zu diesen wichtigen Hauptgebieten der Praxis Stellung zu nehmen. Ich verweise zugleich auf unsere Resolution, die zu diesen Fragen eine Reihe von wichtigen Gesichtspunkten gibt, deren ernsthafte und gewissenhafte Durcharbeitung eine außerordentliche Belebung der Parteiarbeit in allen Bezirken bringen muß. Es wäre überflüssig, das, was in der Resolution angeführt ist, hier im Referat mündlich zu wiederholen. Ich will deswegen einige weitere Probleme anschneiden.

Die Rolle der Tageskämpfe des Proletariats

Die erste Frage ist die der Rolle der Tageskämpfe des Proletariats. Der III. Weltkongreß sagt in seinen taktischen Thesen zu dieser Frage[6]:

Das revolutionäre Wesen der jetzigen Epoche besteht eben darin, daß die bescheidensten Lebensbedingungen der Arbeitermassen unvereinbar sind mit der Existenz der kapitalistischen Gesellschaft, daß darum der Kampf auch um die bescheidensten Forderungen sich auswächst zum Kampf um den Kommunismus.

Was ergibt sich daraus? Das Wichtigste ist die Erkenntnis des politischen Charakters nahezu aller ökonomischen Kämpfe in der Epoche des niedergehenden Kapitalismus. Heute, wo wir in Deutschland auf Grund der zyklischen Krise im Rahmen der allgemeinen Krise des Kapitalismus und auf Grund des Versailler Systems eine besondere Verschärfung der Situation haben, gelten diese Feststellungen des III. Weltkongresses für uns in verstärktem Maße.

Aber, Genossen, genügt es, daß wir die revolutionäre Bedeutung kennen und verstehen, die jeder Streik gegen Lohnabbau oder verschlechterte Arbeitsbedingungen hat? Nein, das Wichtigste ist, daß wir in den Massen ein solches Bewußtsein dafür schaffen, welche große, mächtige Waffe sie mit dem Streik im Klassenkampfe gegen die Bourgeoisie einsetzen können. Das, was wir wissen, und das, was die Massen wissen, das ist leider manchmal, zweierlei.

Genosse Stalin hat in seinem Buch "Probleme des Leninismus" über die Leninsche Formulierung von dem "wechselseitigen Vertrauen zwischen der Avantgarde der Arbeiterklasse und der Arbeitermasse" folgendes ausgeführt[7]:

Das bedeutet erstens, daß die Partei für die Stimme der Massen ein feines Ohr haben muß, daß sie ihre Aufmerksamkeit auf den revolutionären Instinkt der Massen richten, daß sie die Praxis des Kampfes der Massen studieren muß, indem sie daran die Richtigkeit ihrer Politik kontrolliert, daß sie folglich nicht nur die Massen belehren, sondern auch von ihnen lernen muß.

Das bedeutet zweitens, daß die Partei tagaus, tagein sich das Vertrauen der proletarischen Massen erobern muß, daß sie durch ihre Politik und ihre Arbeit die Unterstützung der Massen schmieden muß, daß sie nicht kommandieren darf, sondern vor allem überzeugen muß, indem sie den Massen auf Grund ihrer eigenen Erfahrungen die Richtigkeit der Politik der Partei zum Bewußtsein bringt, daß sie folglich Leiter, Führer, Lehrer ihrer Klasse sein muß.

Und an anderer Stelle der "Probleme des Leninismus" sagt Genosse Stalin:

Unter diesen Bedingungen führen heißt, es verstehen, die Massen von der Richtigkeit der Politik der Partei zu überzeugen, heißt, solche Losungen aufstellen und durchführen, die die Massen dem Standpunkt der Partei näherbringen und ihnen auf Grund ihrer eigenen Erfahrung das Verständnis für die Richtigkeit der Politik der Partei erleichtern, heißt, die Massen bis zum Niveau des Bewußtseins der Partei zu erheben und sich somit die Unterstützung der Massen, ihre Bereitschaft zum 4- entscheidenden Kampf sichern.

Genossen! Können wir von uns behaupten, daß wir diese Fähigkeit, ein feines Ohr für die Stimme der Massen zu haben und diese Fähigkeit, den Massen durch ihre eigenen Erfahrungen das Verständnis für unsere Politik zu erleichtern, schon in unserer Politik besitzen?

Das wäre eine zu kühne Behauptung. Ich sage weiter, Genossen: Ohne uns diese Fähigkeit zu erwerben, ohne auf diese Art zum wirklichen Führer der Massen zu werden, der nicht kommandiert, sondern berät, hilft und leitet, der im Leninschen Sinne führt, wird unsere Partei niemals die Rolle voll und ganz erfüllen können, wird unsere Partei niemals die Kämpfe der Massen in dem Grade zur Entfaltung bringen, wie es den objektiven Möglichkeiten entspricht.

Das ist der erste Gedanke, den ich zu den vorstehenden Problemen entwickeln wollte.

Das Verhältnis von politischen Massenstreiks und ökonomischen Kämpfen

Eine zweite Frage: Das Verhältnis von politischen Massenstreiks und ökonomischen Kämpfen.

Auf dem Weddinger Parteitag und auf dem XI. Plenum im Bericht der deutschen Partei haben wir einige Hauptpunkte in der Frage des politischen Massenstreiks formuliert. Obwohl das der Bericht der KPD war, wäre es doch eine Unwahrheit, wenn wir behaupten wollten, daß diese nicht unwichtigen Feststellungen in der deutschen Partei praktisch genügend beachtet und ausgewertet worden wären.

Und doch ist der politische Massenstreik nach wie vor die wichtigste und entscheidende Waffe für den Kampf des Proletariats in der gegenwärtigen Etappe der Entwicklung. Diese These des X. Plenums und des Weddinger Parteitags besteht noch immer zu Recht. Wir haben in Deutschland zweifelsohne einige positive Erfahrungen mit politischen Massenstreiks in der letzten Zeit gehabt. Braunschweig ist dank der guten Politik unserer Bezirksleitung in Niedersachsen ein glänzendes Beispiel. Aber, ist das alles genug? Das glatte Gegenteil trifft zu; und was ist die Ursache? Ich glaube, Genossen, die Unterschätzung der ökonomischen Kämpfe und ihres politischen Charakters ist auch vom Standpunkt der Führung des politischen Massenstreiks die Hauptursache unserer Schwächen. Genosse Lenin schrieb über die politischen Massenstreiks in der "Revolution von 1905/07" u. a.[8]:

Die Arbeiterklasse tritt beim politischen Streik als die führende Klasse des gesamten Volkes auf. Das Proletariat spielt in diesen Fällen nicht einfach die Rolle einer der Klassen der bürgerlichen Gesellschaft, sondern des Hegemons, das heißt, des Führers, Leiters, der Avantgarde. Die politischen Ideen, die in der Bewegung zum Ausdruck kommen, tragen einen gesamtnationalen Charakter, das heißt, sie berühren die grundlegenden und entscheidenden Bedingungen des politischen Lebens des gesamten Landes. [...]

Andererseits läßt sich die Masse der Werktätigen nie dazu bringen, sich einen allgemeinen “Fortschritt” des Landes vorzustellen ohne ökonomische Forderungen, ohne unmittelbare und sofortige Verbesserung ihrer Lage. Die Masse wird in die Bewegung hineingezogen, nimmt an ihr energischen Anteil, weiß sie zu schätzen und entwickelt Heroismus, Selbstlosigkeit, Beharrlichkeit und Ergebenheit für die große Sache nur dann, wenn auch die ökonomische Lage des Arbeitenden gebessert wird. [...]

Im Kampf um die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen schwingt sich die Arbeiterklasse gleichzeitig zu einem höheren geistigen, moralischen und politischen Niveau empor, wird sie fähiger, ihre großen Befreiungsziele zu verwirklichen.

Diese Worte Lenins bedeuten für uns die Lehre, daß die Entfaltung aller ökonomischen Kämpfe in stärkstem Ausmaß eine Voraussetzung dafür ist, den politischen Kampf, sei es mit der Waffe des politischen Massenstreiks oder in anderen Formen, der Demonstrationsstreiks und der Massenaktionen, zu steigern.

Haben wir genügende Fundamente in den Betrieben?

Eine dritte Frage: Das Problem der Betriebsarbeit. Kann man Politik machen, Genossen, ohne genügend organisatorische Fundamente in den Massen zu haben? Alle Erfahrungen der Kommunistischen Internationale und vor allem ihrer kleineren Sektionen widerlegen eine solche Auffassung. Haben wir genügende Fundamente in den Betrieben?

Es wäre leichtfertig, diese Frage zu bejahen. Unsere Verankerung in den Großbetrieben vor allem ist vollkommen ungenügend. Es gibt eine ganze Reihe von Aufgaben, die gelöst werden müssen, um diese Schwächen der Betriebsarbeit zu liquidieren.

Unsere vorliegende Resolution zeigt den Weg dazu. Aber die Hauptsache, Genossen, ist, daß wir in der Grundlinie, in der Grundmethode unserer Arbeit und Politik eine vollkommene Wendung vollziehen.

So scharf muß man diese Frage stellen. Unsere bisherige Politik war keine Politik der Partei, die in den Betriebszellen ihre wichtigsten Organe erblickt. Wir haben das in Worten anerkannt, daß die Betriebszellen die entscheidenden Organe der Partei seien, aber wir haben keine praktischen Konsequenzen daraus gezogen. Ich sage ganz offen, Genossen, wir haben dieses entscheidende Problem bis heute überhaupt noch nicht in seiner großen Bedeutung begriffen. Aber wir müssen es begreifen! Wir müssen unsere Konsequenzen daraus ziehen.

Und was bedeutet das?

Das bedeutet, daß in Zukunft die Betriebszelle das Zentrum der Partei sein muß.

Das bedeutet, daß in den Betriebszellen das Schwergewicht unserer Arbeit liegen muß. Und zwar nicht nur auf dem Papier, nicht nur in Phrasen, sondern in der Tat, der täglichen Praxis unserer Arbeit.

Es darf fast kein Mitglied einer Parteileitung oder einer RGO-Leitung geben, das nicht in einer Betriebszelle arbeitet.

Es darf keinen Beschluß der Partei geben, keine Resolution, keinen Plan bei einer Kampagne, bei deren Ausarbeitung die betreffenden Genossen sich nicht als Erstes die Frage vorlegen: Welche Bedeutung hat dieser Beschluß für die Betriebszellen und ihre Arbeit? Welche Aufgaben ergeben sich aus diesem Beschluß für die Betriebszellen? Welche Möglichkeit kann man bei dieser Frage den Betriebszellen einräumen?

Genossen, das ist eine der wichtigsten Lebensfragen für unsere Partei, daß wir eine solche Einstellung von oben bis unten schaffen. Das klingt sehr einfach, ist aber keine Kleinigkeit, sondern eine sehr große und entscheidende Sache.

Wenn wir in dieser Frage eine Wendung schaffen, dann werden wir damit einen Schlüssel in die Hand bekommen, mit dem wir uns das Tor zu den Betrieben, zu den Großbetrieben, zu den Zentren der kapitalistischen Produktion öffnen können. Dann werden wir den wichtigsten Schritt in der Linie der Liquidierung unserer Hauptschwächen auf dem Gebiet der Betriebsarbeit und Streikrüstung vorwärts getan haben. Dazu gehört unter anderem auch, daß wir den wichtigen Beschluß des Weddinger Parteitages in der Frage des revolutionären Vertrauensleutekörpers endlich erfüllen, daß wir in der Frauenarbeit das Arbeiterinnen-Delegiertensystem ausbauen, daß wir die Arbeit der Betriebsgruppen der RGO verstärken, und daß wir bei der Schaffung vorbereitender Kampfausschüsse in den Betrieben eine wirkliche breite politische Einheitsfrontpolitik anwenden.

Die RGO und unsere innergewerkschaftliche Arbeit

Eine vierte Frage: Die Frage der RGO und der innergewerkschaftlichen Arbeit. Zu diesem wichtigen Problem will ich nur kurz sprechen. Wir haben mit dem Genossen Dahlem vereinbart, daß er in der Diskussion mit verlängerter Redezeit ausführlicher zu den Problemen der RGO Stellung nimmt.

Zunächst zur Frage der innergewerkschaftlichen Arbeit an der Front der reformistischen Verbände. Gerade in der Zeit nach dem letzten Mai-Plenum des ZK wurden große Fehler in der Richtung einer Vernachlässigung der Arbeit in den reformistischen und christlichen Verbänden begangen. Solche überspitzten und rein abstrakten Losungen, wie “Zerstörung des ADGB”, schematische Losungen der Beitragssperre, falsche Gründung von lebensunfähigen, künstlich geschaffenen kleinen Verbändchen ‑, das alles zeigt, wie wenig manche Genossen den Kurs der Partei, der Komintern und der RGI auf Verstärkung der innergewerkschaftlichen Arbeit ernst nehmen. Ich sage zu dieser Frage das eine: Genossen, in Zukunft werden wir es uns nicht mehr gefallen lassen, wenn Genossen sich einfach über die Linie und die Beschlüsse der Partei hinwegsetzen, als ob wir diese Beschlüsse nur zum Vergnügen gefaßt hätten.

Was die allgemeine Arbeit der RGO und der Roten Verbände anbelangt, so stellen wir in der Resolution "ein ernstes Zurückbleiben hinter der objektiven Situation" fest. Vergleichen wir einmal, mit welchem Raffinement die Bourgeoisie und Sozialdemokratie den ADGB und die christlichen und sonstigen Gewerkschaften bei der Durchsetzung ihrer politischen und ökonomischen Ziele einsetzen, und demgegenüber die Rolle der RGO ‑, so müssen wir ernsthaft sagen: Die RGO ist heute noch kein genügender Massenfaktor. Um sie zu einer wirklich selbständigen Rolle als Zentrum der revolutionären Gewerkschaftsbewegung Deutschlands zu bringen, muß vor allem durch eine dauernde ernste Fraktionsarbeit der Partei in der RGO die Führung durch die Partei gesichert werden. In dem Aufbau dieser Führung, in ihrer Festigung, müssen wir eine der dringendsten Aufgaben der nächsten Zeit erblicken. Das gleiche wie für die RGO gilt nicht weniger für die Roten Verbände.

Es ist eine Tatsache, Genossen, daß die Entwicklung der RGO und der Roten Verbände im allgemeinen unbefriedigend ist. Das zeigt sich ganz besonders jetzt bei der Bilanz der Januarbewegung gegen die vierte Notverordnung. Wenn wir bei dieser Gelegenheit zum Beispiel Proben einer Selbstkritik gesehen haben, die in Wahrheit nicht zur Klärung der Probleme, sondern eher zu einer weiteren Verwirrung beiträgt, so muß man daraus Konsequenzen in der Richtung einer starken Verbesserung der Fraktionsarbeit in der RGO ziehen. Ich nehme hier nur den falschen Standpunkt des Genossen Saefkow, der die Mängel in der Streikführung im Ruhrgebiet auf eine “Überpolitisierung” zurückführte. Das heißt in der Konsequenz nichts anderes, als die Aufstellung politischer Losungen für den ungenügenden Erfolg bei der Streikmobilisierung verantwortlich machen. Auch in einem Artikel des Genossen Schubert standen fehlerhafte Formulierungen zur Frage der Auswertung politischer Losungen bei Wirtschaftskämpfen. Solche Abweichungen und falsche Auffassungen verdunkeln die Klarheit der Erfahrungen aus den Streiks und hinter uns liegenden Kämpfe.

Für die RGO und die Roten Verbände besteht, ähnlich wie für die Partei, die dringende Notwendigkeit, den Kurs auf die Betriebe zu nehmen. Dieses Problem, "vom Betrieb als politisch-organisatorischer Einheit" (Piatnitzki) auszugehen, ist auch für die RGO und für die Roten Verbände eine Lebensfrage.

Unsere Arbeit unter dem Millionenheer der Erwerbslosen

Eine fünfte Frage: Die Arbeit unter den Millionen von Erwerbslosen. Ich glaube, Genossen, hier liegt unsere größte Schwäche. Wenn auf dem Gebiet der Streikrüstung und Betriebsarbeit bestimmte tatsächliche, objektive Schwierigkeiten überwunden werden müssen, so ist die Lage bei den Erwerbslosen schon wesentlich anders. Hier sind bestimmt objektiv die allergünstigsten Voraussetzungen gegeben. Aber ich frage: Haben wir die Möglichkeit genügend ausgeschöpft? Nicht im entferntesten!

Man kann als eine positive Erscheinung unserer Erwerbslosenarbeit die Tatsache bezeichnen, daß wir kaum einen einzigen Fall in ganz Deutschland haben, wo bei Streiks die Erwerbslosen Streikbrecherarbeit geleistet hätten. Stets handelt es sich um organisierten Streikbruch der Reformisten oder der Nazis. Die Erwerbslosen von sich aus sind der Arbeiterschaft nicht in den Rücken gefallen. Das ist zweifelsohne ein großes und wichtiges Ergebnis unserer revolutionären Arbeit, die das Klassenbewußtsein und die Klassensolidarität unter den Erwerbslosen wachgehalten hat. Das ist schon sehr viel; aber ist das genug? Keinesfalls!

Ich will auf einige hauptsächliche Dinge hinweisen, ohne der Diskussion in dieser Frage vorzugreifen:

1. Die riesige Zahl der Erwerbslosen von über 6 Millionen erhöht selbstverständlich das Gewicht dieser gewaltigen Armee des Proletariats für den Klassenkampf. Man kann zum Beispiel sagen, wenn es nur eine Million Erwerbslose gäbe, wäre ihre Rolle für den Klassenkampf nicht so bedeutungsvoll. Heute, bei mehr als 6 Millionen, ist ihre Bedeutung in einem höheren Maße gestiegen als ihre Ziffer. Das wissen auch unsere Klassenfeinde schon richtig einzuschätzen. Diese Millionenarmee ist für uns ein gewaltiges Reservoir bei unserem Kampfe um die Eroberung der Mehrheit des Proletariats. Das muß die Partei in seiner ganzen Bedeutung erfassen.

2. Ich habe schon bei der Behandlung des Problems des Staatskapitalismus auf die Tendenzen der Bourgeoisie hingewiesen, den kapitalistischen Staat aller Verpflichtungen gegenüber den Arbeitslosen zu entbinden. Wir stehen wirklich vor einer solchen Tatsache, daß die Bourgeoisie nicht damit zufrieden ist, 6 Millionen Menschen aufs Straßenpflaster zu werfen, nicht damit zufrieden ist, an den Unterstützungen dieser Erwerbslosen ungeheuerliche “Ersparungen” vorgenommen zu haben, sondern daß sie dazu übergehen will, das System der Unterstützung der Erwerbslosen überhaupt abzubauen. Dieser Prozeß soll auch weiterhin stufenweise durchgeführt werden. Eine Verschlechterung nach der anderen soll kommen, bis der radikale Abbau der gesamten Erwerbslosenversicherung gelungen ist.

Welche großen revolutionären Pflichten erwachsen uns aus dieser Tatsache? Es ist selbstverständlich, daß wir den zähesten und umfassendsten Kampf um die Verteidigung aller Schichten der Erwerbslosen gegen jede Verschlechterung ihrer Existenzbedingungen und für ihre positiven Forderungen führen müssen. Wir müssen es verstehen, in der konkretesten Form überall die Verteidigung der Lebensinteressen der Erwerbslosen zu betreiben, indem wir nicht mit schematischen und allgemeinen Parolen arbeiten, sondern überall lebendig von der wirklichen Praxis ausgehen. Wo es sich darum handelt, die Barunterstützung der Erwerbslosen abzubauen oder einzuschränken und durch sogenannte Naturalverpflegung zu ersetzen, müssen wir die Erwerbslosen zum Kampf gegen eine derartige Verschlechterung zusammenschweißen. Andererseits dort, wo Erwerbslosenküchen bereits bestehen, dürfen wir nicht aus einer falsch verstandenen “Prinzipienreiterei” beiseite stehen. Im Gegenteil, wo diese Bedingungen gegeben sind, müssen wir die Erwerbslosen organisieren, zusammenfassen und ihre Kampfkraft einsetzen, um bestimmte Verbesserungen ihrer Lebenslage zu erkämpfen. Hier steht die Frage der Küchenkommissionen, der Kontrolle, der bestimmten Verbesserungsforderungen und anderer Anlässe, aus denen sich Bewegungen der Erwerbslosen ableiten lassen. Nur wenn wir es lernen, keine allgemeine Politik, sondern eine praktische konkrete, von den speziellen Nöten der Erwerbslosen in jedem Ort, an jeder Stempelstelle, an den Wohlfahrtsämtern usw. ausgehende Arbeit zu leisten, wird es uns gelingen, wirkliche große Massenaktionen der Erwerbslosen zustande zu bringen.

3. Die große Bedeutung der Organisierung einer Erwerbslosenbewegung ergibt sich u. a. auch vom Standpunkt unserer Gewerkschaftsarbeit. Wenn man die Statistiken nachliest, welcher Prozentsatz von Mitgliedern der reformistischen Gewerkschaften heute erwerbslos ist (Baugewerksbund etwa 86 Prozent), wenn man andererseits berücksichtigt, wie die SPD und die reformistische Bürokratie mit den Erwerbslosen Schindluder getrieben hat und treibt, so ergibt sich daraus, daß wir mit unserer Arbeit unter den Erwerbslosen größte Möglichkeiten haben, um auch in unserer Arbeit an der innergewerkschaftlichen Front größere Fortschritte zu erzielen.

4. Eine besondere Rolle bei der Bearbeitung der Erwerbslosen spielt die Frage der jugendlichen Erwerbslosen. Ihr Los ist besonders unerträglich. Die Angriffe der Bourgeoisie und der Sozialdemokratie wie der Hitler-Partei gegen die jugendlichen Erwerbslosen haben bereits ein solches Maß von Brutalität angenommen, daß man sagen kann, sehr viel kann ihre Lage nicht mehr verschlimmert werden. Es ist klar, daß sich hier für den Jugendverband wie auch für die Partei große Möglichkeiten und eine gewaltige Verantwortung ergeben.

5. Eine besondere Frage im Zusammenhang mit der Erwerbslosigkeit ist das Problem der Nazis. Wenn es den Nazis im allgemeinen nicht gelungen ist, in die Betriebe einzudringen, so kann man das von den Stempelstellen leider nicht bedingungslos behaupten. Viele Anhänger unter den erwerbslosen Proletariern hat die Hitler-Partei auch heute noch nicht. Aber ein gewisses Eindringen ist zu verzeichnen. Und wenn wir nicht zum Gegenangriff übergehen, könnten wir unangenehme Überraschungen erleben. Wir müssen deshalb bei unserer Arbeit unter den Erwerbslosen den Hitler-Faschismus schonungslos entlarven als den Verfechter der niederträchtigsten, gegen die Erwerbslosen gerichteten Anschläge, als aktivsten Vorkämpfer der Militarisierung der Erwerbslosen, der Arbeitsdienstpflicht usw. Indem wir die Erwerbslosen zum Kampf gegen diese Militarisierungs- und Arbeitsdienstpflichtmaßnahmen mobilisieren, schlagen wir zugleich die nationalistische Propaganda.

6. Unsere Arbeitsbeschaffungsforderungen waren eine Zeitlang so gut wie ganz vergessen. Jetzt unternimmt der ADGB seinen Arbeitsbeschaffungsschwindel. Mit diesem Betrugsmanöver will die SPD ihren Wahlkampf bestreiten. Wie antwortet zum Beispiel unsere Presse darauf? Antwortet sie auf den reformistischen Schwindel mit der konkreten Waffe unserer Arbeitsbeschaffungsforderungen? Keineswegs! Die Redaktion der "Roten Fahne" ist jedenfalls nachlässig genug, mit keiner Silbe unsere Arbeitsbeschaffungsforderungen zu erwähnen.

Wozu arbeitet das Zentralkomitee ein solches Dokument aus? Damit unsere Genossen auf längere Sicht eine Waffe in der Hand haben. Aber die Presse, eine unserer wichtigsten Waffen zur Aufklärung und Orientierung in den Massen, vereitelt das. Wir müssen gestützt auf dieses Dokument des Zentralkomitees, überall konkret die Fragen der Erwerbslosen und ihres Kampfes für Arbeitsbeschaffung aufrollen. Mit anderen Worten: diese Arbeitsbeschaffungsforderungen der Partei müssen in den einzelnen Bezirken, Orten und Städten konkretisiert und zum Ausgangspunkt des Massenkampfes gemacht werden, wobei unsere Kommunalfraktionen gemeinsam mit den Erwerbslosenausschüssen aktive Unterstützung leisten müssen.

Das zur Frage der Erwerbslosen. Ich betone nochmals mit besonderem Nachdruck, daß jede Vernachlässigung der Arbeit unter dieser Sechs-Millionen-Armee (das sind mit ihren Angehörigen ungefähr 16 bis 18 Millionen), die bei einer einigermaßen guten Arbeit der Partei zum größten Teil mit uns marschieren müßte, ein unverzeihlicher Fehler vom Standpunkt der proletarischen Revolution wäre.

Revolutionäre Einheitsfrontpolitik von unten ‑ das Hauptkettenglied unserer Politik

Und nun die sechste und letzte Frage, die ich in diesem Zusammenhang erörtern will: Die Frage der revolutionären Einheitsfrontpolitik von unten. Wir sagen in unserer Resolution, daß die revolutionäre Einheitsfrontpolitik das Hauptkettenglied der proletarischen Politik in Deutschland darstellt.

Genossen, eine solche Formulierung wiegt sehr schwer. Wir haben sie mit reiflicher Überlegung gewählt, um die große Bedeutung der revolutionären Einheitsfrontpolitik von unten für die Entfaltung des Massenkampfes und für die Steigerung der Voraussetzungen einer revolutionären Krise in Deutschland zu unterstreichen.

Theoretisch herrscht in unseren Reihen Klarheit über die Frage der Einheitsfrontpolitik. Aber in der Praxis gibt es eine Fülle von Fehlern.

Der Hauptfehler ist hier, wie auf allen Gebieten, die opportunistische Verfälschung der Einheitsfrontpolitik. Damit verbunden ist die Vernachlässigung oder Negierung der Einheitsfrontpolitik. Auch das gibt es leider noch immer.

Nehmen wir ein Beispiel: In einem Aufruf der "Roten Fahne", der in einzelnen Provinzzeitungen fälschlich als Aufruf des Zentralkomitees bezeichnet wurde, wurde die Losung der "Roten Einheitsfront" plötzlich durch "Rote Arbeiterfront" ersetzt. "Rote Arbeiterfront" als besondere agitatorische Formulierung, die gelegentlich neben der Hauptlosung der "Roten Einheitsfront" verwandt wird ‑, das ist absolut zulässig. Aber "Rote Arbeiterfront" als zentrale Losung an Stelle von "Rote Einheitsfront", das hieße, die Basis unserer Politik verengern, auf die Anknüpfung an den stürmischen Willen der Massen zur Einheit verzichten, und damit uns selbst einer wichtigen revolutionären Waffe entledigen. Das kommt nicht in Frage. Wir mußten das also korrigieren.

Das Verständnis für die wirkliche revolutionäre Einheitsfrontpolitik ist praktisch bei uns viel weniger entwickelt, als dies nach der theoretischen Anerkennung dieser Politik durch die gesamte Partei der Fall sein müßte.

Gute und schlechte Beispiele der Einheitsfrontpolitik

Einige besondere Beispiele aus der Praxis über gute und schlechte Einheitsfrontpolitik. Im Bezirk Niederrhein hatten unsere Genossen in Schwelm eine Einheitsfrontaktion mit der SPD eingeleitet, wobei sie eine stark opportunistische Note eingeschlagen hatten. Es sollte eine gemeinsame Kundgebung stattfinden, in der eine Plattform für die Einheitsfrontaktion vorgelegt werden sollte. Die Bezirksleitung, unter Führung des Genossen Schulte, arbeitete eine scharfe und prinzipielle Plattform aus und schickte als Referentin mit dieser Plattform die Genossin Torhorst, die vor etwa einem halben Jahr den Bruch mit der Sozialdemokratie vollzogen hat, nach Schwelm. Was geschah? Unsere dortige Ortsgruppe war in ihrer Mitgliederversammlung über die Schärfe unserer Plattform erschrocken. Sie wollten am liebsten die ganze öffentliche Kundgebung ausfallen lassen. Die Genossin Torhorst mußte einen Kampf mit den übrigen Genossen hart durchfechten. Dann fand die öffentliche Kundgebung statt. Und es gab einen riesigen, überraschenden, einheitlichen Erfolg für uns. Die überwiegende Mehrzahl der Arbeiterschaft stimmte unserer Plattform zu, obwohl diese scharf den Standpunkt des revolutionären Klassenkampfes und der revolutionären Partei herausarbeitete. Die Genossen unserer Parteiortsgruppe erklärten dann verständnisvoll: jawohl die Bezirksleitung hat recht gehabt, wir waren im Irrtum, wir haben die Stimmung der Massen falsch eingeschätzt und Angst vor einer wirklich revolutionären Politik gehabt. Ich glaube, Genossen, dieses Beispiel ist besonders interessant und lehrreich.

Umgekehrt gibt es auch viele negative Beispiele. Ich will hier nur eines anführen: Unsere Ortsgruppenleitung von Waldheim in Sachsen, Unterbezirk Chemnitz, schrieb am 20. Dezember einen Einheitsfrontbrief an die SPD-Ortsgruppe bzw. deren Leitung. Dies war keine wirkliche revolutionäre Einheitsfrontpolitik, sondern eine opportunistische Entgleisung. Die SPD, die die Vorschläge ablehnte, berief sich dabei auf die Stellung der KPD zur SPD, als dem Hauptfeind im Lager des Proletariats. Unsere Genossen haben ihren Fehler später korrigiert und unsere revolutionäre Linie in ihrer Praxis wieder eingeschlagen.

Was heißt revolutionäre Einheitsfrontpolitik?

Revolutionäre Einheitsfrontpolitik durchführen, das heißt schonungslosen Kampf gegen die Sozialfaschisten aller Schattierungen betreiben, vor allem gegen die gefährlichsten “linken” Spielarten des Sozialfaschismus, gegen die SAPD, gegen die Brandler-Gruppe und ähnliche Cliquen oder Richtungen.

Revolutionäre Einheitsfrontpolitik betreiben, das heißt wirklich unten in den Betrieben und auf den Stempelstellen die Massen zum Kampf mobilisieren.

Revolutionäre Einheitsfrontpolitik ‑ das erfordert systematische, geduldige und kameradschaftliche Überzeugung der sozialdemokratischen, christlichen und auch nationalsozialistischen Arbeiter von der Verräterrolle ihrer Führer.

Die Einheitsfront kann nicht parlamentarisch durch Verhandlungen Zustandekommen. Sie kann nicht durch Abkommen mit anderen Parteien oder Gruppen Zustandekommen, sondern sie muß aus der Bewegung der Massen erwachsen und, von dieser Bewegung getragen, eine wirklich lebendige Kampffront darstellen.

Gemeinsame Versammlungen der KPD mit der SPD, SAPD oder Brandlergruppe gibt es nicht, darf es nicht geben! Das bedeutet natürlich nicht, daß wir darauf verzichten, unsere bisherige Taktik fortzusetzen, wonach wir die gegnerischen Parteien zu öffentlichen Diskussionsversammlungen herausfordern, in denen wir mit ihnen sachlich und scharf abrechnen. Diese Taktik geben wir nicht auf. Aber sie hat nichts mit opportunistischen Entgleisungen, wie gemeinsame Kundgebungen ohne Kampf gegen den Sozialfaschismus oder seine “linken” Spielarten zu tun, nichts zu tun mit der Bildung paritätischer Komitees, an Stelle der Schaffung von Einheitsfrontorganen der Massen von unten, auf der Grundlage unserer Kampflosungen.

Wenn wir die revolutionäre Einheitsfrontpolitik wirklich zum Hauptkettenglied der proletarischen Politik in Deutschland machen wollen, so darf sie um keinen Preis eine blutlose Formel werden, sondern muß eine wirklich scharfgeschliffene Waffe des revolutionären Klassenkampfes sein!

Genossen, bedenkt: sechs Millionen Erwerbslose in Deutschland! Lohnraub, Streikverbot, Ausplünderung der Betriebsarbeiter! Steuerwucher, Zollraub, wachsender Ruin der Mittelschichten! Sind hier nicht alle Voraussetzungen gegeben, um unter unserer Führung die großzügigste Einheitsfrontbewegung, eine wirkliche Bewegung von Millionen zu schaffen? Hier muß die Partei einen gewaltigen Schritt vorwärts machen.

IV. Unsere ideologische Offensive und die bolschewistische Kritik der Mängel, Schwächen und Fehler der Parteiarbeit

Genossen, ich komme nun zum letzten Hauptteil meines Referats, der sich mit der ideologischen Offensive, der Selbstkritik und sonstigen inneren Problemen unserer Partei beschäftigt.

Hierbei gibt es eine Reihe von ernsten Problemen, an denen die Partei und die Parteiführung nicht vorübergehen dürfen.

Ich beginne mit dem Problem der Abweichungen, vor allem des rechten Opportunismus als der Hauptgefahr in der gegenwärtigen Etappe unserer Arbeit.

Wenn man sich vergegenwärtigt, welch eine Fülle von rechtsopportunistischen Entgleisungen, Abweichungen und groben Fehlern beispielsweise in einem Bezirk unserer Partei ‑ ich meine Württemberg ‑ nicht ohne Verschulden der damaligen dortigen Bezirksleitung möglich waren, so muß man doch stutzig werden.

Betrachtet man die gesamte Partei, so stellt sich heraus, daß das Auftauchen solcher opportunistischen Abweichungen und Fehler, wenn auch nicht überall in der Häufung von Württemberg, doch eine Erscheinung darstellt, von der kein Bezirk frei ist. Wie läßt sich das erklären, Genossen?

Eine solche Verstärkung der opportunistischen Abweichungen und Schwankungen bei den einzelnen Teilen unserer Partei ist eine unvermeidliche Erscheinung, die sich aus dem dialektischen Charakter des revolutionären Aufschwungs ergibt. Hätten wir eine gradlinige, aufsteigende Entwicklung zur revolutionären Krise, so würde in dem Maße vermutlich eine derartige Erscheinung ausbleiben. So aber, wo der revolutionäre Aufschwung und die Offensive der Bourgeoisie, die Faschisierung, die Anschläge des Finanzkapitals und das Betrugsmanöver der Sozialdemokratie sich schneiden, wo die Erbitterung des Klassenkampfes ständig zunimmt, wo wir in diesem Prozeß ein Hin und Her, ein Auf und Ab zu verzeichnen haben, ist es klar, daß das Eindringen bürgerlicher, sozialdemokratischer Einflüsse in die Reihen des revolutionären Proletariats unvermeidlich erfolgen muß.

Nehmen wir vor allem die Betrugsmanöver der Sozialdemokratie: Ist es nicht klar, daß sie auch auf die klassenbewußte Arbeiterschaft und ihre Avantgarde, die Kommunistische Partei, einwirken müssen? Leider ist es so. Die Praxis bestätigt das.

Die Waffe der bolschewistischen Selbstkritik

Haben wir rechtzeitig diese Gefahr erkannt und unsere Gegenmaßnahmen getroffen? Haben wir ständig in unseren Reihen den stärksten bolschewistischen Kampf gegen alle Abweichungen und Schwankungen, gegen alle Schwächen und Fehler eröffnet? Haben wir dafür Sorge getragen, daß mit der Waffe der bolschewistischen Selbstkritik jede solche Schwäche schonungslos aufgedeckt wurde, um dadurch die Partei vor Fehlern zu sichern und ihre Arbeit zu verbessern? Haben wir jene bolschewistische Unversöhnlichkeit in unseren Reihen wachgehalten, die das Gegenstück zu einem sogenannten faulen Liberalismus, das heißt zu einer versöhnlichen Duldsamkeit gegenüber Abweichungen und Fehlern, darstellt?

Genossen, man muß mit allem Ernst und mit allem Nachdruck konstatieren: Die Partei - und das gilt auch für die Parteiführung - hat eine Zeitlang die Zügel leider schleifen lassen.

Man muß deshalb folgendes feststellen:

1. Die Partei hat in der Vergangenheit ‑ ich spreche von der Periode nach dem Maiplenum des ZK ‑ den Kampf gegen den rechten Opportunismus als die Hauptgefahr und gegen linkssektiererische Tendenzen vernachlässigt und unterschätzt.

2. Die Partei hat ihre eigenen Kräfte und die Qualität ihrer Arbeit unterschätzt und ist dadurch in einen gewissen Zustand der Duldsamkeit gegenüber Schwächen und Fehlern in der Arbeit verfallen.

3. Die Partei hat die Arbeit an der theoretischen Front vernachlässigt, so daß die Einheit zwischen dieser theoretischen Arbeit und der Praxis der Partei nicht gewahrt blieb.

4. Die Partei hat die Waffe der bolschewistischen Selbstkritik unterschätzt und nicht mit genügender Schärfe zur Verbesserung der Arbeit angewandt.

5. Das innere Leben der Partei, die Kontrolle von unten und oben, war nicht von dem notwendigen Geist einer unbedingten bolschewistischen Wachsamkeit erfüllt, die die unerläßliche Voraussetzung für eine gesunde Parteientwicklung ist.

6. Es gab statt dessen in der Partei gewisse Erscheinungen einer politischen Zweideutigkeit und doppelten Buchführung: Anerkennung der Parteiführung und ihrer Beschlüsse mit Worten, aber keine Durchführung der Beschlüsse und keine genügende Unterstützung der Parteiführung in der Praxis.

Genossen, es ist klar, wenn man derartige Feststellungen über unsere Partei trifft, so hat das eine schwerwiegende Bedeutung. Man kann derartig ernste Vorwürfe, ich möchte beinahe sagen Anklagen, nicht erheben, wenn man nicht gewichtige Gründe dafür hat. Aber, Genossen, man muß es hier ganz offen aussprechen:

Das Eingreifen des Zentralkomitees, die Eröffnung der ideologischen Offensive mit unserem Beschluß gegen die Duldung falscher Auffassungen an der theoretischen Front, mit verschiedenen offiziellen Leitartikeln des Zentralkomitees in der Parteipresse und mit dem Artikel in der "Internationale" war eine unbedingte Notwendigkeit.

Hätten wir nicht eingegriffen, hätten wir nicht diese ideologische Offensive eröffnet, die selbstverständlich auch heute noch erst einen Beginn darstellt und weitergeführt werden muß, so hätte die deutsche Partei sehr leicht in eine schwierige Lage kommen können. Man muß aussprechen, daß in der Partei ein solcher Zustand vorhanden war, wo die Entstehung größerer innerer Schwierigkeiten nicht außerhalb des Bereichs der Möglichkeiten lag.

Wir hatten eine solche Lage in der Partei: Seit dem Weddinger Parteitag, seit der Zerschlagung der versöhnlerischen Gruppen und der Ausmerzung der rechten Liquidatoren, gab es bei uns die Auffassung, daß die errungene Einheitlichkeit und innere Geschlossenheit der Partei an und für sich schon eine Garantie gegen Abweichungen und Fehler darstelle. Die Tatsache, daß auf Grund dieser Einheitlichkeit der Partei neue ernsthafte Gruppierungen nicht mehr möglich waren, wie es der Fall Merker bewiesen hat, führte zu einer Unterschätzung der Notwendigkeit eines dauernden unversöhnlichen bolschewistischen Zweifrontenkampfes innerhalb der Partei gegen die rechte Hauptgefahr und “linke” Tendenzen. Eine solche Einstellung mußte zur Einschläferung, zum Mangel an unversöhnlicher bolschewistischer Wachsamkeit führen.

Was war die Folge:

Das innere Leben der Partei widerspiegelte in letzter Zeit nicht mehr jene ständige, aktive Teilnahme der Gesamtpartei von unten bis oben an der Sicherung der Klassenlinie, an der Herausarbeitung und Lösung der schwierigen und komplizierten politischen Probleme, an der Durchführung der gefaßten Beschlüsse.

Man kann beinahe sagen, daß es in der Partei eine solche Stimmung gab: Wir sind eine einheitliche Partei, also kann man die große Politik nur dem Zentralkomitee überlassen.

Das muß aber sowohl zu einer Vernachlässigung und Beschneidung der Masseninitiative bei der Herausarbeitung der Politik der Partei, zu einer Senkung des politischen Niveaus der Partei, zu einer ideologischen Bequemlichkeit führen, als auch zu einer Abkapselung der theoretischen Arbeit von der revolutionären Praxis. Trotzdem hat die Partei große positive Erfolge und unverkennbare Fortschritte zu verzeichnen: Fortschritte auf zahlreichen Gebieten. Erfolge im Klassenkampf gegen die Bourgeoisie. Erfolge im Kampf gegen SPD und Hitler.

Über das allgemeine politisch-ideologische Niveau der Partei

Das politisch-ideologische Niveau der Partei aber in ihrer Gesamtheit ist nicht befriedigend. Ich will nur eine Tatsache zum Beweis anführen: Wie groß sind die Möglichkeiten, die sich für den prinzipiellen Kampf unserer Partei gegen den Klassenfeind, gegen die Bourgeoisie und Sozialdemokratie und auch den Hitler-Faschismus auf Grund des Niederganges der ganzen kapitalistischen Welt ergeben? Wie groß sind die Möglichkeiten, die sich aus klarer und richtiger Erkenntnis der marxistisch-leninistischen Theorie und des Bankrotts des ganzen bürgerlich-sozialdemokratisch-faschistischen Plunders an sogenannten Theorien ergeben? Nehmen wir die Krise, nehmen wir die Frage des Staates, nehmen wir die Wirtschaftsdemokratie oder irgendeinen beliebigen anderen Fragenkomplex: Unsere Partei müßte auf allen diesen Gebieten der prinzipiellen Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus und seinen Verteidigern geradezu eine sieghafte Offensive, einen unaufhaltsamen Triumphzug entfalten.

Geschieht das etwa, Genossen? Es geschieht nicht. Hier muß man aussprechen, was ist. Es zeigt sich, daß unsere Genossen ideologisch nicht reif genug, nicht fest genug sind, um die Überlegenheit ihrer Position mit der Waffe des wissenschaftlichen Sozialismus in der gesamten Propaganda auszunutzen.

Die Ursachen liegen auf der Hand. Wir haben in der letzten Zeit einen großen Umschichtungsprozeß in der KPD zu verzeichnen, ein riesiger Prozentsatz unserer Funktionäre und aktiven Genossen besteht aus Parteimitgliedern, die noch nicht sehr lange in unserer Bewegung stehen.

Das hat auch seine großen Vorteile, weil diese Genossen oft unverbrauchter, frischer und aktiver in der revolutionären Arbeit sind, als mancher alte Parteihengst. Aber es hat auch seine Nachteile: Selbstverständlich können diese Genossen noch nicht eine so starke ideologische Festigung und politische Schulung haben wie ein Funktionär, der seit zehn oder zwölf Jahren die Entwicklung der Partei, ihre inneren Kämpfe und Auseinandersetzungen mitgemacht hat, obwohl auch das bekanntlich nicht vor Abweichungen schützt.

Jedenfalls müssen wir aussprechen, daß das allgemeine politisch-ideologische Niveau der Partei unzulänglich ist. Das gilt nicht nur für die unteren Kader, sondern zum Teil auch für höhere Funktionäre der Partei Bei vielen führenden Genossen in den Bezirken müssen wir feststellen, daß sie ein mangelndes Interesse für ihre eigene theoretische Fortbildung an den Tag legen.

Das ist die eine Seite. Die andere Seite besteht darin, daß die theoretische Arbeit, weil sie nicht mit dem Gesamtorganismus unserer Partei und ihrer revolutionären Praxis genügend verbunden war, in einer unzulänglichen Weise durchgeführt wurde.

Genosse Stalin hat in seinem Brief an die Redaktion der Zeitschrift "Proletarische Revolution" einen sehr treffenden Ausdruck geprägt: Archivratten. Das sind solche Leute, die überall nur nach “Papierchen” herumstöbern, statt die lebendige Praxis einer revolutionären Partei zu betrachten.

Vernachlässigung der Arbeit an der theoretischen Front

Genossen, bei uns gab es einen sogenannten marxistisch-leninistischen Zirkel, der jede Woche einmal oder zweimal in irgendeinem Cafe oder sonstwo zusammenkam und dort “theoretische Diskussionen” durchführte. Das Ergebnis war vielfach das, was wir im "Propagandist" zu lesen bekamen. Eine derartige Abkapselung theoretischer Arbeit vom wirklichen Leben der revolutionären Partei einerseits und eine mangelnde Kontrolle über diese theoretische Arbeit durch die Parteiführung andererseits ‑ das ergibt in der Praxis die Züchtung von “Archivratten”.

Daß wir in der Vergangenheit diese theoretische Arbeit der Partei nicht immer so gründlich kontrolliert haben, wie es notwendig gewesen wäre, ist ein Vorwurf, der die ganze Partei und auch das Zentralkomitee und die Parteiführung trifft. Um so notwendiger war es, entschieden einzugreifen und den Kampf an der theoretischen Front aufzunehmen, wie das schon in der letzten Zeit durch verschiedene Maßnahmen geschehen ist. Dieses Eingreifen war notwendig, auch wenn es bedauerlicherweise bei einzelnen Genossen in der Partei Stimmungen gab, in denen sich ein mangelndes Verständnis für die Wichtigkeit dieser Arbeit ausdrückt. Im Anfang, bei der Umstellung dieser Arbeit, der Methoden und der neuen Problemstellung einiger Fragen werden Fehler unvermeidlich sein. Solche Fehler müssen wir, wenn wir sie finden, öffentlich feststellen und sie beseitigen. Genosse Stalin sagte in den "Problemen des Leninismus":

Die Theorie ist die Erfahrung der Arbeiterbewegung aller Länder, in ihrer allgemeinen Form genommen. Allerdings wird die Theorie gegenstandslos, wenn sie nicht verknüpft ist mit der revolutionären Praxis, genau so, wie die Praxis blind ist, wenn ihr Weg nicht durch die revolutionäre Theorie erhellt wird. [...]

Kein anderer als Lenin wiederholte dutzende Male den bekannten Grundsatz: "Ohne revolutionäre Theorie kann es keine revolutionäre Bewegung geben."

Das sagen Lenin und Stalin. Jede Gegenüberstellung von ideologischer Offensive und revolutionärer Praxis, von der auch unsere Partei nicht verschont blieb, widerspricht dem Grundsatz des Leninismus über die untrennbare Einheit von Theorie und Praxis. Leider gab es in dieser wichtigen Frage nicht immer sofort eine völlige Übereinstimmung.

Es gibt übrigens noch ganz andere Auffassungen zur Frage der ideologischen Offensive. Ein Genosse hat in einem Bezirk in der Diskussion sogar die Auffassung vertreten, es handle sich hier um einen Konkurrenzkampf zwischen der "Internationale" und dem "Propagandist" wegen der Auflagenhöhe. Das steht ungefähr auf den gleichen Niveau, wie ein anderes Argument, das auch von einem Genossen gebraucht wurde, daß die Partei nämlich ihren Beschluß gegen den individuellen Terror gefaßt habe, weil die Rote Hilfe nicht mehr die Kosten für die vielen Prozesse aufbringen könne.

Ohne revolutionäre Theorie keine revolutionäre Praxis

Wenn solche Auffassungen hier und da in der Partei, wenn auch vereinzelt, auftreten, dann muß die ideologische Offensive noch weit mehr entfaltet werden. Man muß mit aller Schärfe Klarheit darüber schaffen, daß ohne eine solche ernste ideologische Erziehungsarbeit in der Partei unmöglich die praktische Arbeit der Partei auf allen Gebieten verbessert und auf die Höhe ihrer Aufgaben geführt werden kann.

Lenin sagt in seiner Schrift "Staat und Revolution" folgendes:

Indem der Marxismus die Arbeiterpartei erzieht, erzieht er die Avantgarde des Proletariats, die befähigt wird, die Macht zu ergreifen und das ganze Volk zum Sozialismus zu führen, die neue Ordnung zu leiten und zu organisieren, Lehrer, Leiter, Führer aller Werktätigen und Ausgebeuteten bei der Gestaltung ihres gesellschaftlichen Lebens ohne die Bourgeoisie und gegen die Bourgeoisie zu sein.

Hier ist mit vollendeter Klarheit dargestellt, wie die innere Erziehung der Partei im Geiste des Marxismus-Leninismus zugleich eine Erziehung der Klasse darstellt und damit erst die Partei befähigt wird, Lehrer, Leiter und Führer aller Werktätigen im Kampf für den Sozialismus zu werden.

Jeder Genosse, der den Marxismus-Leninismus nicht nur mit Worten anerkennt, sondern in der Tat, muß deshalb die Bedeutung unserer ideologischen Offensive als eines unlöslichen Bestandteils unserer gesamten revolutionären Arbeit begreifen und diese Arbeit begrüßen, statt sie zu hemmen oder zu unterschätzen. Unser Kampf um die Reinheit der marxistisch-leninistischen Theorie in der Partei bedeutet zugleich praktischen Kampf für die Durchführung der Klassenlinie der Partei in den Massen.

Genossen, was wir jetzt in der Partei eingeleitet haben, ist nichts anderes, als daß wir mit der Überwindung unserer Fehler und Abweichungen und mit den Verbesserungen unserer theoretischen und praktischen Arbeit auf allen Gebieten an einer neuen Schwelle in der Entwicklung der Bolschewisierung unserer Partei stehen.

Es ist deshalb aus erzieherischen Gründen und im Interesse der Partei notwendig, auch auf dieser Plenartagung des Zentralkomitees einige kritische Äußerungen zu verschiedenen theoretischen Arbeiten zu machen, die in der letzten Zeit in unserem Verlag erschienen sind.

Kritik an literarischen Arbeiten

Ich nenne zunächst das Buch des Genossen Langner über den "Politischen Massenstreik". Dieses Buch enthält neben vielem wertvollem Material und fleißiger Arbeit einige ideologische Fehler. Kleinere “Schönheitsfehler”, wie das Vergessen des englischen Generalstreiks von 1926, brauchen wir hier nicht zu erwähnen. Aber zwei sehr ernste geschichtliche Fehler müssen festgenagelt werden. Der erste Fehler betrifft die Stellung Rosa Luxemburgs zur Frage des Massenstreiks. Genosse Langner gibt eine völlig ungenügende Kritik der Fehler des Luxemburgismus auf diesem Gebiet, auf der anderen Seite unterschiebt er Rosa Luxemburg Auffassungen, die sie nicht gehabt hat. Die Behauptung z. B., daß nach der Darstellung Rosa Luxemburgs politische Streiks nur aus den ökonomischen Streiks der Arbeiter entstehen, widerspricht der historischen Wahrheit. Gerade in dieser Frage der wechselseitigen Beziehungen der ökonomischen und politischen Streiks erhob sich Rosa Luxemburg während der bekannten Massenstreikdebatte in der deutschen Sozialdemokratie vor allem bis 1910, auf eine ziemlich hohe Stufe revolutionärer Klarheit und näherte sich mehr als in vielen anderen Fragen den klaren Formulierungen Lenins und der Bolschewiki.

Es entspricht nicht unserer Aufgabe, die revolutionäre Bedeutung Rosa Luxemburgs durch ungerechtfertigte Vorwürfe herabzumindern, während man auf der anderen Seite in der Kritik ihrer Fehler große Schwächen zeigt. Das trifft aber auch auf das Buch des Genossen Langner zu.

Soweit Langner sich z. B. bezüglich der Rolle des Spartakusbundes während der Kriegszeit begnügt, einfach Lenins Kritik an der Junius-Broschüre Rosa Luxemburgs zu zitieren, gibt er gutes Material. Sobald er zu eigenen Schlußfolgerungen übergeht, zeigt er eine völlig ungenügende Kenntnis der tatsächlichen Vorgänge, eine abstrakte und leichtsinnige Stellung sowohl zu den Vorzügen wie den Schwächen der revolutionären Arbeit Liebknechts und Rosa Luxemburgs und ihrer Gruppe während des Krieges. So einfach darf man sich die Sache bei der Behandlung der Geschichte und Vorgeschichte unserer Partei, der Vorzüge und Schwächen sowie Fehler des Luxemburgismus keinesfalls machen. Man erschwert dadurch das wirkliche Verständnis der Schwächen des Luxemburgismus, die unsere Partei im langen Ringen ihrer Bolschewisierung überwinden mußte und zum Teil noch heute überwinden muß.

Weit schlimmer noch als diese Schwächen des Langnerschen Buches ist jedoch die Unkenntnis von den entscheidenden Problemen der russischen Revolution, die sich in der Schrift Langners ausdrückt.

Die gesamte Diskussion der Bolschewistischen Partei mit dem Trotzkismus scheint hier vergessen. Ja, die Frage des Überganges von der bürgerlich-demokratischen zur proletarisch-sozialistischen Revolution, das Umschlagen der bürgerlichen Revolution in die proletarische ‑ darüber gibt der Genosse Langner kein richtiges Bild. Genosse Langner stellt als angebliche Auffassung Lenins für das Jahr 1915 in seinem Buch folgende Behauptung auf:

Das Ziel des Kampfes in Rußland ist die Revolution. Der Inhalt der Revolution ist die revolutionäre demokratische Diktatur des Proletariats und des Bauerntums.

Genosse Langner versucht, die Auffassung, wonach Lenin als Aufgabe der bolschewistischen Partei lediglich die bürgerlich-demokratische Revolution in Rußland hingestellt habe, mit eigenen Worten Lenins zu begründen. Er bringt zum Beweis ein Zitat aus dem Aufsatz Lenins während des Krieges, der unter dem Titel "Einige Thesen" am 13. Oktober 1915 im Genfer "Sozialdemokrat" erschienen ist. Langner zitiert die fünfte These dieses Artikels, die als Inhalt der nächsten Revolution in Rußland die revolutionäre demokratische Diktatur des Proletariats und des Bauerntums bezeichnet. Er erweckt hierdurch die Auffassung, als ob Lenin damit tatsächlich seine ganze Auffassung über die bevorstehende russische Revolution ausgedrückt habe.

Trotzki hat im Vorwort zu seinem Buch "1905" die verleumderische Behauptung aufgestellt, Lenin habe nach der Februarrevolution 1917 “umgerüstet”. Was ist damit gemeint? Die Trotzkisten behaupten, die Bolschewiki hätten nur die bürgerlich-demokratische Revolution mit dem Ziel der revolutionären demokratischen Diktatur der Arbeiterklasse und des Bauerntums ins Auge gefaßt und hätten erst nach dem Sturz des Zarismus, nach der Februarrevolution von 1918 “umrüsten” müssen, mit anderen Worten: Dann Trotzkis Programm der proletarisch-sozialistischen Revolution übernommen. Wenn Langner mit der Art, wie er Lenins Standpunkt im Herbst 1915 darstellt, recht hätte, dann wäre Trotzki kein Verleumder und Geschichtsfälscher.

Genosse Langner scheint nicht zu wissen, daß die Losung "revolutionäre demokratische Diktatur des Proletariats und des Bauerntums" die bolschewistische Losung in der bürgerlich-demokratischen Revolution ist. Er scheint nicht zu wissen, daß die Bolschewiki für die proletarisch-sozialistische Revolution die Losung "Diktatur des Proletariats bei Sicherung der Unterstützung seitens der Dorfarmut" aufgestellt hatten.

Wie kommt es nun, daß Langner seinen Standpunkt scheinbar mit einem Zitat Lenins begründet? Die Erklärung hierfür ist sehr leicht. Hier sehen wir eine leichtfertige Art, in der Genosse Langner aus jenem Lenin-Artikel eine These halb aus dem Zusammenhang herausreißt, nämlich die fünfte These, während er die sechste These, die erst den Zusammenhang und damit die vollständige Auffassung Lenins über den Charakter der bevorstehenden russischen Revolution gibt, einfach verschweigt. Diese Art ermöglicht es Langner, eine so irreführende Darstellung der Auffassungen Lenins zu geben. Denn wie lautet die sechste These? Sie heißt:

6. Es ist die Aufgabe des russischen Proletariats, die bürgerlich-demokratische Revolution in Rußland zu Ende zu führen, zu dem Zweck (diese Worte hat Lenin selbst gesperrt), die sozialistische Revolution in Europa zu entfachen.

Niemand kann demnach behaupten, daß Lenin das unausbleibliche Umschlagen der bürgerlich-demokratischen in die proletarisch-sozialistische Revolution nicht mit voller Klarheit erkannt und auch für die Taktik der bolschewistischen Partei zugrunde gelegt hätte.

In einem weiteren Artikel Lenins aus dem Genfer "Sozialdemokrat" vom 20. November 1915, also vier Wochen später, der direkt gegen Trotzki polemisierte, heißt es gleichfalls mit völlig unzweideutiger Klarheit:

Und diese Befreiung des bürgerlichen Rußland vom Zarismus, von der Herrschaft der Gutsbesitzer über den Boden, wird das Proletariat unverzüglich ausnützen, nicht um die wohlhabenden Bauern in ihrem Kampf gegen die Landarbeiter zu unterstützen, sondern um die sozialistische Revolution im Bunde mit den Proletariern Europas durchzuführen.

Aber Lenin hat diese Auffassung über das Umschlagen der bürgerlich-demokratischen Revolution in Rußland in die proletarisch-sozialistische nicht etwa erst 1915, sondern genau ebenso während der gesamten russischen Revolution von 1905 bis 1907 vertreten. Ja, er hat seinen Standpunkt in dieser Frage bereits mit aller Klarheit im Jahre 1894 in seiner damaligen Schrift "Wer sind die Freunde des Volkes?" formuliert. In dieser Schrift, die bisher in der deutschen Gesamtausgabe noch nicht veröffentlicht ist, heißt es:

Wenn erst ihre (der Arbeiterklasse) vorgeschrittenen Vertreter sich die Gedanken des wissenschaftlichen Sozialismus angeeignet haben, den Gedanken der historischen Rolle des russischen Arbeiters, dann wird der russische Arbeiter, nachdem er sich an die Spitze aller demokratischen Elemente gestellt hat, den Absolutismus stürzen und das russische Proletariat (neben dem Proletariat aller Länder) den geraden Weg des offenen politischen Kampfes zur siegreichen kommunistischen Revolution führen. [...] Der Arbeiter braucht die Verwirklichung der allgemeinen demokratischen Forderungen nur zur Freimachung des Weges, der zum Siege über den Hauptfeind der Werktätigen, die ihrer Natur nach rein demokratische Institution, das Kapital, führt. [...] Die Arbeiter müssen wissen, daß sie ohne den Sturz dieser Stützen der Reaktion keine Möglichkeit zum erfolgreichen Kampf gegen die Bourgeoisie haben werden. [...]

Selbstverständlich veränderte sich Lenins konkrete Einschätzung der Schwierigkeiten für das Umschlagen der bürgerlichen in die proletarische Revolution entsprechend der Lage. 1905 waren diese Schwierigkeiten größer als z. B. 1917. Aber die Grundlinie war stets die gleiche. Was bleibt also von den Darstellungen Langners übrig? Nichts als die Feststellung, daß er Lenins Standpunkt unbewußt entstellt wiedergibt.

Wir haben hier wieder einen Beweis großer Leichtfertigkeit auf dem Gebiet der theoretischen Arbeit und großer Verworrenheit in entscheidenden Fragen der Leninschen Theorie zu verzeichnen. Der Genosse Langner hat bereits in einer Erklärung an das Sekretariat seine Fehler anerkannt. Wir können diesen Schritt des Genossen Langner nur begrüßen.

Ich komme zu einem anderen Buch, dem Buch des Genossen David über den "Bankrott des Reformismus". Ich will hier nicht über die positiven Seiten des Buches sprechen, das zweifelsohne eine Fülle von schlagenden Argumenten, Tatsachen, Ziffern und Zitaten zur Widerlegung der Theorien und Argumente der Reformisten bringt, ferner eine brauchbare Auseinandersetzung mit vulgär-ökonomischen Theorien und eine ernsthafte Darstellung des Marx’schen Verelendungsgesetzes an Hand der kapitalistischen Entwicklung Deutschlands. Daneben enthält das Buch von David jedoch eine Reihe von groben Fehlern, die zeigen, daß Genosse David die luxemburgistischen Eierschalen keineswegs abgestreift hat. Ich will hier nur die wesentlichen Punkte anführen. Ein großer Mangel des Davidschen Buches, der keineswegs zufälligen Charakter hat, ist der völlige Verzicht auf jede Auseinandersetzung mit der Akkumulations- und Zusammenbruchstheorie Rosa Luxemburgs.

Noch gefährlicher werden die Fehler und Abweichungen im zweiten Teil des Davidschen Buches, der sich mit den Voraussetzungen der Streiks in der Periode der allgemeinen Krise des Kapitalismus beschäftigt. Im vierten Kapitel wird dort zum Teil die Theorie aufgestellt, daß unter den Bedingungen der allgemeinen Krise des Kapitalismus jeder Streikkampf eine offensive Handlung gegen die Grundlage des kapitalistischen Systems ist. David geht, wenn auch mit gewissen Einschränkungen, wo er sich selbst gewissermaßen korrigiert, von der Auffassung aus, daß alle Streiks der Vorkriegszeit Defensivkämpfe gewesen seien, während in der Nachkriegszeit jeder Streik vom Gesichtspunkt der Strategie einen Offensivkampf darstellt.

Genossen, wie steht es mit dieser “Theorie”. Zunächst muß man feststellen, daß David eine falsche Einstellung zu den Streiks der Vorkriegszeit hat.

Er verzichtet darauf, die Fehler zu kritisieren, die Rosa Luxemburg in der Massenstreikdebatte der alten Sozialdemokratie in der Frage des politischen Massenstreiks, vor allem vom Jahre 1910 ab, begangen hat. Bekanntlich näherte sich damals der Standpunkt Rosa Luxemburgs in der Frage des politischen Massenstreiks stellenweise der zentristischen Stellungnahme Kautskys. In Wirklichkeit gab es auch vor dem Krieg bereits Streiks von offensivem Charakter. Davids Fehler in dieser Frage rührt also von einer ungenügenden Kritik des Luxemburgismus und der zentristischen Auffassungen in der Massenstreikdebatte her. Die letzteren werden z.B. in seinem Buch überhaupt nicht erwähnt.

Wie steht es aber mit Davids Theorie bezüglich der gegenwärtigen Periode? Statt die “objektiv revolutionäre Rolle” des Streiks entsprechend den Thesen des II. Weltkongresses zu konkretisieren, statt von den unzweifelhaft richtigen Beschlüssen des X. und XI. Plenums des EKKI, die alle die Notwendigkeit der Verbindung des wirtschaftlichen und politischen Kampfes betonen, und das “Ineinandergreifen” des wirtschaftlichen und politischen Kampfes im Leninschen Sinne klarzustellen, erfindet Genosse David seine “Offensivtheorie”. Jeder Streik ist bei David ‑ wenigstens nach einigen Formulierungen seines Buches ‑ von vornherein ein Offensivkampf. Damit wird die Aufgabe der Kommunisten und der RGO, diese komplizierte und schwere Aufgabe der revolutionären Strategie und Taktik, mit einem Schlage aus der Welt geschafft. Wenn alle Streiks von vornherein Offensivkämpfe gegen den Bestand des kapitalistischen Systems sind, dann haben wir es furchtbar einfach, Genossen. Was brauchen wir uns noch den Kopf zu zerbrechen darüber, von der Defensive in die Offensive überzugehen. Was brauchen wir noch nachzudenken über die Politisierung der Wirtschaftskämpfe? Lenin, die Komintern, die RGI und wir alle haben uns ganz unnötige Kopfschmerzen gemacht. Genosse David kommt und beweist uns, daß ohnehin jeder Streik ein Offensivstreik ist.

Genossen, man kann fast sagen, das ist eine Art von Erneuerung der Kautskyschen Ermattungsstrategie aus der Vorkriegszeit. Das ist in der Praxis eine vollständige Herabsetzung und Verkleinerung der gewaltigen Aufgaben und Schwierigkeiten, die das revolutionäre Proletariat im Klassenkampf lösen und bewältigen muß. Mit anderen Worten: Die praktische Auswirkung einer solchen linksopportunistischen Theorie ist die Erziehung zur Passivität, versteckt durch einen scheinbar “linken” und “radikalen” Standpunkt.

Genosse David will sicherlich diese Wirkung nicht erzielen. Aber hier steckt eine Hauptschwäche seines Buches. Es ist zum Teil ein etwas akademisches Buch, das nicht immer in genügendem Maße von den Erfordernissen der Praxis des revolutionären Klassenkampfes ausgeht. Gerade deshalb kann David in seinen theoretischen Erörterungen zu so schwerwiegenden Fehlern gelangen und in die Plattheiten des Ökonomismus abgleiten, der von Lenin so scharf bekämpft wurde.

Die wegweisende Bedeutung des Briefes des Genossen Stalin an die Zeitschrift "Proletarische Revolution"

Was ergibt sich aus dem Vorkommen so schwerer Fehler und Abweichungen in unserer theoretischen Literatur? Die unzweideutige Notwendigkeit, eine viel größere Wachsamkeit an der theoretischen Front zu entfalten. Was wir brauchen, ist jene bolschewistische Unversöhnlichkeit und Unduldsamkeit gegenüber allen Einflüssen der Sozialdemokratie und auch die Überwindung aller in unseren Reihen noch vorhandenen Überreste aus der sozialdemokratischen oder luxemburgistischen Vergangenheit unserer Partei.

Der Brief des Genossen Stalin an die Zeitschrift "Proletarische Revolution" ist deshalb für die deutsche Partei eine außerordentlich entscheidende und wegweisende politische Direktive. Er ist ein Appell für uns, den schärfsten Kampf gegen alle fremden Einflüsse, gegen alle antileninistischen Strömungen und gegen jedes Versöhnlertum ihnen gegenüber in unserer gesamten theoretischen und praktischen Arbeit zu entfalten.

Schärfster Kampf gegen die Überreste des Luxemburgismus

Ich will nur zwei Fragen in diesem Zusammenhang kurz behandeln: Die erste Frage ist die des Luxemburgismus. Was ist dazu zu sagen? Wir denken nicht daran, die Bedeutung Rosa Luxemburgs, Karl Liebknechts, Franz Mehrings und der übrigen Genossen, die den linksradikalen Flügel in der Vorkriegssozialdemokratie bildeten, abzuschwächen. Wir denken nicht daran, diese wahrhaft revolutionären Kämpfer und Führer und ihre guten revolutionären Traditionen zu verleugnen, oder gar den sozialfaschistischen, SAP‑istischen oder brandleristischen Leichenschändern zu überlassen. Rosa Luxemburg und die anderen gehören zu uns, gehören der Kommunistischen Internationale und der KPD, an deren Gründung sie mitgewirkt haben. Aber bedeutet dies eine Abschwächung der notwendigen Aufklärung unserer Partei über die Fehler Rosa Luxemburgs und der übrigen Linksradikalen? Eine solche Kritik an den Fehlern des Luxemburgismus ist unerläßlich vom Standpunkt der Bolschewisierung der Partei.

Der Weg der Linksradikalen aus der Vorkriegssozialdemokratie führte unter den Bedingungen der Kriegszeit teilweise zum Kommunismus, aber nur insoweit, wie sich diese Gruppen von den halbmenschewistischen Fehlern ihrer Ideologie zu befreien und in der Richtung zum Bolschewismus, zur Politik Lenins und der bolschewistischer Partei entwickelten.

Heute, wo die Komintern besteht, wo in der Sowjetunion unter der proletarischen Diktatur des Sozialismus verwirklicht wird, würde jeder Versuch zur Erneuerung des Luxemburgismus und jeder Überrest des Luxemburgismus niemals eine Brücke zum Marxismus-Leninismus bilden können, sondern stets einen Übergang zum Sozialfaschismus, zur Ideologie der Bourgeoisie, wie wir es am besten bei den Brandleristen sehen.

Wir müssen also mit aller Klarheit aussprechen: in all den Fragen, in denen Rosa Luxemburg eine andere Auffassung als Lenin vertrat, war ihre Meinung irrig, so daß die ganze Gruppe der deutschen Linksradikalen in der Vorkriegs- und Kriegszeit sehr erheblich an Klarheit und revolutionärer Festigkeit hinter den Bolschewiki zurückblieb.

Diese Erkenntnis gibt uns erst das Verständnis dafür, warum es in Deutschland verspätet zur Spaltung zwischen dem Revolutionären Marxismus und den kleinbürgerlichen Opportunisten oder ihren zentristischen Helfershelfern innerhalb der Arbeiterbewegung kam. Rosa Luxemburgs Fehler in der Akkumulationstheorie, in der Bauernfrage, in der nationalen Frage, in der Frage des Problems der Revolution, in der Frage der proletarischen Diktatur, in der Organisationsfrage, in der Frage der Rolle der Partei bzw. der Spontaneität der Massen - das alles ergibt ein System von Fehlern, die Rosa Luxemburg nicht zur vollen Klarheit eines Lenin aufsteigen ließen. Wenn heute ein Slutzki den Versuch machte, Lenins Kampf gegen den Zentrismus in der Vorkriegsperiode abzuleugnen, um damit die internationale Rolle des Bolschewismus in der II. Internationale der Vorkriegszeit zu vertuschen, so haben wir deutschen Genossen besonders die Pflicht, einer derartigen Auffassung mit äußerster Schärfe entgegenzutreten. Die gesamte Praxis der bolschewistischen Partei widerlegt diesen konterrevolutionären Anwurf. An und für sich brauchen wir also Lenin wahrhaftig nicht zu verteidigen.

Der Entwurf eines Briefes Lenins an August Bebel

Ich möchte in diesem Zusammenhang jedoch noch ein für uns besonders interessantes historisches Dokument erwähnen, das für die kritische Stellung Lenins gegenüber den deutschen Linksradikalen in der Vorkriegssozialdemokratie und damit für unsere Parteigeschichte äußerst bezeichnend ist. Im Jahre 1905 hatte sich Bebel angeboten, als unparteiischer Schiedsrichter in dem Streit zwischen den beiden gespaltenen Teilen der russischen Sozialdemokratie, den Bolschewiki und Menschewiki, zu fungieren. Der menschewistische Parteirat hatte den Vorschlag Bebels akzeptiert und seinerseits Kautsky und Klara Zetkin als Vertreter für das Schiedsgericht benannt. Die Bolschewiki lehnten den Vorschlag ab. Lenin schrieb einen Brief an August Bebel. Ein Teil dieses Briefes, wie ihn Lenin entworfen hatte, wurde von ihm selbst durchgestrichen und gelangte nicht zur Absendung. Da das Manuskript aber erhalten blieb, können wir aus dem durchgestrichenen Teil des Briefentwurfes interessante Details über die Stellung Lenins zu den deutschen Linken entnehmen. Ich will einige Sätze daraus vorlesen:

Vor einigen Monaten, als es vielleicht noch nicht zu spät war, als noch eine Spur von Hoffnung existierte, daß der III. Parteitag beide Fraktionen vereinigen und eine Partei wiederherstellen kann, ‑ damals tat die deutsche Sozialdemokratie ihr möglichstes, um diesen Weg zu versperren. Kautsky suchte in der "Iskra" den Wert der formellen Organisation zu schwächen. Die Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie verherrlichte die Desorganisation und die Treulosigkeit (Rosa Luxemburg in der "Neuen Zeit") unter dem geistreichen und “dialektischen” Vorwande, die Organisation sei nur ein Prozeß, nur eine Tendenz. Die Erbitterung darüber war in unserer Partei sehr groß. Genosse Rjadowoi, sehr einflußreiches Mitglied der Majorität, bestand darauf, daß Kautsky meine Antwort bringen wird. Ich wettete mit ihm um das Gegenteil davon. Meine “Abwehr” war kurz und sachlich geschrieben und beschränkte sich darauf, tatsächliche Unwahrheiten zu berichtigen und faktische Erzählungen dem Spotte über unsere Partei gegenüberzustellen. Kautsky wies meinen Artikel zurück mit der famosen Motivierung, Angriffe auf uns habe die "Neue Zeit" nicht, weil sie gegen uns gerichtet sind, sondern dessen ungeachtet gedruckt! Es war einfach ein Hohn. Die "Neue Zeit" (und nicht sie allein) wollte also den deutschen Sozialdemokraten nur die Ansichten der Moritat bekannt machen. Die Erbitterung darüber war in unseren Reihen ungemein groß.”

Ich glaube, Genossen, dieses Dokument zeigt, wie lügnerisch die Behauptung der Slutzki und Konsorten ist, Lenin habe seinen Kampf gegen den Zentrismus erst während des Krieges begonnen.

Was ist “Zentrismus”?

Ich komme zu einer zweiten Frage, die mit dem Problem des Luxemburgismus in Verbindung steht: die Frage des Zentrismus. Es handelt sich in dieser Frage darum, ob der Zentrismus vor dem Kriege, während des Krieges oder in der ersten Nachkriegszeit eine besondere selbständige Richtung zwischen dem rechten und linken Flügel der internationalen Arbeiterbewegung dargestellt habe. Das ist falsch.

Der Zentrismus war nichts als eine Spielart des Opportunismus, des Revisionismus oder Reformismus. Lenin spricht zum Beispiel über die Frage, welche Rolle die zentristischen Politiker in Deutschland und Frankreich spielen. Er sagt dabei:

[...] ein solcher Mensch begeht durch seine Charakterlosigkeit, seine Schwankungen und seine Unentschlossenheit den gleichen Verrat, wie ein direkter Verräter. In persönlicher Hinsicht ist der Unterschied zwischen einem Verräter aus Schwäche und einem Verräter aus Absicht und Berechnung sehr groß; in politischer Hinsicht besteht ein solcher Unterschied nicht, denn von der Politik hängt das tatsächliche Geschick von Millionen Menschen ab. Dieses Geschick aber ändert sich nicht, ob nun Millionen Arbeiter und armer Bauern von Verrätern aus Schwäche oder Verrätern aus Eigennutz verraten werden.

Lenin zeigt also ganz deutlich, daß in politischer Hinsicht zwischen dem Reformismus und dem Zentrismus ein Unterschied prinzipieller Art nicht gemacht werden kann. Genosse Stalin hat am 19. November 1928 auf dem Plenum des ZK der KPSU in seiner Rede ähnlich den Charakter des Zentrismus aufgezeigt. Er führte aus:

Der Zentrismus ist eine der II. Internationale der Vorkriegszeit eigentümliche Erscheinung. Dort gab es Rechte (die Mehrheit), Linke (ohne Anführungszeichen) und Zentristen, deren ganze Politik darauf hinauslief, den Opportunismus der Rechten mit ihren linken Phrasen schön zu färben, die Linken den Rechten zu unterwerfen.

Man kann heute nicht mehr von “Zentrismus” sprechen

Die Frage ist nun, ob man heute noch von Zentrismus sprechen kann, ob man z. B. die heutige SAP oder Brandler-Gruppe als zentristisch bezeichnen kann. Das ist nicht möglich. Diese besondere Spielart des Opportunismus, die wir als Zentrismus bezeichnen, war gebunden an einen "Block kleinbürgerlicher und proletarischer Interessen innerhalb einer Partei", wie Genosse Stalin das in seiner erwähnten Rede darstellt. Ein solcher Block bestand in der Vorkriegssozialdemokratie Deutschlands, wo auf der einen Seite in der Gruppe um Rosa Luxemburg die Vertreter der proletarischen Interessen, auf der anderen Seite der rechte Flügel um Bernstein, Wolfgang Heine, Legien als Vertreter des Kleinbürgertums vorhanden waren, während die Zentristen Bebel, Kautsky usw., als eine Spielart der Opportunisten, deren Politik duldeten und sie mit “linken” Formulierungen maskierten.

Ein solches Zusammenarbeiten in einer Partei bestand auch noch nach dem Kriege in der USP, wo der revolutionäre Arbeiterflügel, der sich später, nach dem Halleschen Parteitag, mit der KPD vereinigte, zunächst mit den Vertretern des Kleinbürgertums organisatorisch vereinigt war, so daß die damaligen Zentristen Hilferding, Crispien, Dittmann usw. ihre Rolle im Dienste eines maskierten Opportunismus zu spielen vermochten.

Heute hat sich der kleinbürgerliche rechte Flügel der Vorkriegssozialdemokratie zum Sozialfaschismus entfaltet. Die Gruppen, die betrügerisch den Anschein erwecken, als ob sie zwischen dem Sozialfaschismus und uns, dem Marxismus-Leninismus, eine Zwischenstellung einnähmen, ich meine die Seydewitz-Gruppe oder die Brandleristen, sind in Wirklichkeit lediglich eine Spielart des Sozialfaschismus, eine Filiale der Sozialdemokratischen Partei. Es war deshalb ein schwerer, unverzeihlicher Fehler der "Roten Fahne", wenn sie in ihrer Vorrede zum Stalin-Brief die Formulierung gebrauchte, daß die SAP eine "allerdings kleine Partei des Zentrismus" sei, die "zwischen dem revolutionären Marxismus-Leninismus und dem Sozialfaschismus eine prinzipienlose Position bezieht". Diese schwere opportunistische Entgleisung mußte erst durch das Gesamtsekretariat des Zentralkomitees korrigiert werden.

Der Trotzkismus ist der konterrevolutionäre Vortrupp der Bourgeoisie

In der gleichen Vorrede der "Roten Fahne" war die Rede von einer “links”-drapierten Sumpfideologie des Trotzkismus. Auch das ist eine völlig unzulässige und opportunistische Formulierung. Der Trotzkismus ist keine Sumpfideologie, sondern stellt einen konterrevolutionären Vortrupp der Bourgeoisie dar. Der Trotzkismus betreibt die wütendste Interventionshetze gegen die Sowjetunion. Trotzki liefert die schamlosesten Argumente für die sozialfaschistische Politik gegen die Arbeiterklasse. Schlimmer als der "Vorwärts" und der sozialdemokratische Parteivorstand setzt er sich für das Betrugsmanöver der SPD mit dem sogenannten “kleineren Übel” ein. Er schlägt in seiner neuesten Broschüre über Deutschland den deutschen Kommunisten nicht mehr und nicht weniger vor, als sich “mit Noske und Grzesinski gegen den Faschismus zu verbünden”.

Das ist, wie jeder versteht, eine aufgelegte politische Hochstapelei und nichts als Sozialfaschismus in Reinkultur.

Opportunistische Fehler bei der Behandlung der Bauernfrage

Noch eine letzte Frage zur Charakterisierung der opportunistischen Abweichungen, die bei uns möglich sind. Zur Vorbereitung des deutschen Reichsbauernkongresses wurde ein Material herausgegeben, in dem unter anderem folgende Blüten enthalten sind:

Das ganze Dorf muß es sein, das sich zusammenschließt, bäuerliche Kampfausschüsse bildet. [...] Wenn sich die Bauern eines Dorfes alle fest zu einer Kampfgemeinschaft zusammenschließen, dann sind sie schon eine kleine Macht, die den Abwehrkampf aufzunehmen vermag.

Hier wird also ganz offen der Zusammenschluß mit den Kulaken propagiert. Die Großbauern, die Kulaken, die Mittelbauern und die Dorfarmut, die Zwergbauern und Halbproletarier werden in einen Topf geworfen. Es ist klar, daß sich aus einer solchen opportunistischen Theorie bezüglich der einheitlichen Interessen der Bauernschaft auch eine entsprechend opportunistische Verfälschung bezüglich des Verhältnisses zwischen Arbeiterklasse und den werktätigen Bauern ergibt.

So heißt es an einer anderen Seite des Referentenmaterials:

Es gibt keinen Gegensatz zwischen schaffenden Bauern und Arbeitern.

Man braucht nicht erst zu beweisen, daß das mit der leninistischen Auffassung nichts zu schaffen hat. Es ist kein Zufall, wenn in diesem opportunistischen Referentenmaterial die Landarbeiter völlig vergessen werden. Und es ist ebensowenig ein Zufall, sondern eine politische Verfehlung, wenn dieses Material peinlich vermeidet, die Sowjetunion und die dortige Kollektivierung dem untergehenden Kapitalismus entgegenzustellen.

Auch dieses Material ist nur ein Beweis mehr für die Notwendigkeit der ideologischen Offensive und der schärfsten bolschewistischen Selbstkritik an unserer Parteiarbeit.

Ich will schließlich noch an den Fehler der "Jungen Garde" erinnern, die in völlig opportunistischer Weise sogar von "Einheit des Volkes" schrieb. Der KJVD mißbilligte zwar diese Formulierung, unterließ aber dabei eine öffentliche und rechtzeitige Korrektur an diesem unverzeihlichen Fehler.

Gegen alle Tendenzen zur Abschwächung der bolschewistischen Selbstkritik

Damit komme ich zu einer Frage, die mit unserer ideologischen Offensive aufs engste verbunden ist, zur Frage der offenen und schonungslosen bolschewistischen Selbstkritik als eines unentbehrlichen Bestandteils unserer revolutionären Praxis.

Genossen, ich habe bereits darauf hingewiesen, daß diese Frage der bolschewistischen Selbstkritik keineswegs in unserer gesamten Partei eine solche Selbstverständlichkeit ist, wie es für Bolschewiki sein müßte. Es gibt durchaus Tendenzen in unseren Reihen, die diese Selbstkritik einschränken und abschwächen wollen. Selbstverständlich haben wir uns dadurch nicht abhalten lassen, den bolschewistischen Standpunkt durchzusetzen, wodurch eine Leitung durch offene Selbstkritik an Autorität gegenüber der Partei und dem Proletariat nur gewinnen kann, auch wenn manchmal einzelne Genossen nicht das nötige Verständnis dafür haben.

Lenin sagt über die Selbstkritik:

Das Verhalten einer politischen Partei zu ihren Fehlern ist eins der wichtigsten und sichersten Kriterien für den Ernst einer Partei und für die tatsächliche Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber ihrer Klasse und den werktätigen Massen. Einen Fehler offen zuzugeben, seine Ursachen aufzudecken, die Umstände, die ihn hervorgerufen haben, gründlich analysieren, die Mittel zur Ausmerzung des Fehlers gründlich prüfen - das ist das Merkmal einer ernsten Partei, das heißt Erfüllung ihrer Pflichten, Erziehung und Schulung der Klasse und dann auch der Masse.

Die führende Partei des Weltproletariats, die Partei, die als einzige den Sieg über die Bourgeoisie errungen hat, und die nicht zufällig die führende Rolle auch in der Kommunistischen Internationale bei ihrer Gründung und seit ihrer Gründung inne hatte, die Kommunistische Partei der Sowjetunion, ist, bei einer unversöhnlichen und konsequenten Politik des Leninismus, im Zeichen einer solchen bolschewistischen Selbstkritik zu ihrer heutigen Höhe und Reife gelangt. Ich will noch einige Worte anführen, die Genosse Stalin auf dem XV. Parteitag der KPSU zur Frage der Selbstkritik sprach:

Wenn wir Bolschewiki, die von der ganzen Welt kritisiert werden, die, um mit den Worten Marx zu sprechen, den Himmel stürmen, wenn wir um des Friedens dieser oder jener Genossen auf Selbstkritik verzichten ‑ ja, ist es da nicht klar, daß wir nichts anderes als den Zusammenbruch unserer großen Sache zu erwarten haben? Marx sagte, daß die proletarische Revolution sich übrigens von jeder Revolution dadurch unterscheide, daß sie Selbstkritik übt und sich durch die Selbstkritik stärkt. Das ist ein sehr wichtiger Hinweis Marx’. Wenn wir, die Vertreter der proletarischen Revolution vor unseren Mängel die Augen verschließen, die Fragen in familiärer Weise entscheiden, gegenseitig die Fehler verschweigen und die Krankheit in das Innere unseres Parteiorganismus treiben werden, wer wird dann diese Fehler, diese Mängel korrigieren? Ist es etwa nicht klar, daß wir dann aufhören werden, proletarische Revolutionäre zu sein, daß wir sicherlich dem Untergang entgegengehen, wenn wir nicht aus unserer Mitte dieses Spießertum, dieses familiäre Wirtschaften bei der Entscheidung wichtiger Fragen unseres Aufbaues ausrotten werden.

Aber gerade in dieser Hinsicht hinkt es bei uns immer noch. [...]

Zwei, drei große Erfolge und alles ist schnuppe. Noch zwei, drei große Erfolge und man brüstet sich schon, man wird übermütig. Aber die Fehler bleiben, die Mängel bestehen weiter, die Krankheiten werden in das Innere des Parteiorganismus hineingejagt.

Diese überzeugenden Worte des Genossen Stalin sollte sich jeder Genosse zu Herzen nehmen, der eine Abneigung gegen die bolschewistische Selbstkritik hegt. Die Partei kann und darf keinesfalls darauf verzichten, diese bolschewistische Selbstkritik anzuwenden. Wer die Geschichte unserer russischen Bruderpartei und der russischen Revolution verfolgt, der wird bestätigt finden, daß ihre ganze Entwicklung ohne bolschewistische Selbstkritik überhaupt unmöglich gewesen wäre. Ich erinnere hier nur an die schonungslose Selbstkritik, wie sie Lenin in seinem Rechenschaftsbericht des ZK auf dem X. Parteitag der Kommunistischen Partei Rußlands im März 1921 in der Frage des russisch-polnischen Kriegs und in den ökonomischen Fragen des Übergangs vom Krieg zum Frieden geübt hat. Das geschah in einer Situation, in der die Sowjetmacht vom Krieg erschöpft und von einer wirtschaftlichen Krise erfaßt war. Das geschah unter außerordentlich schweren Umständen für die Arbeit der Kommunistischen Partei, und trotzdem deckte Lenin auch in einer solchen Lage, ja, gerade in einer solchen Lage, die begangenen Fehler schonungslos und ganz offen auf, damit die Partei daraus lernen und die Schwierigkeiten überwinden konnte.

Über unseren Beschluß gegen den individuellen Terror

Nehmen wir eine bestimmte Frage: Das Problem des individuellen Terrors. Gibt es nicht auch heute noch, nachdem wir unseren Beschluß gegen die Duldung von Tendenzen des individuellen Terrors gefaßt und in der Partei popularisiert haben, entgegengesetzte Stimmungen? Offen treten sie nicht in Erscheinung, aber ohne Zweifel haben wir sowohl in der Partei wie im Jugendverband vereinzelte Genossen, die der Auffassung sind, das Zentralkomitee habe diesen Beschluß nur aus taktischen Gründen gefaßt, um dadurch die Legalität der Partei zu sichern. Genossen, wir müssen solchen Auffassungen gegenüber mit aller Schärfe immer wieder herausarbeiten und volle Klarheit schaffen:

Erstens, daß unser Beschluß gegen den individuellen Terror ernstgemeint war und wir die Konsequenzen aus diesem Beschluß auch organisatorisch nicht fürchten dürfen. Die Partei darf keine sozial-revolutionären Tendenzen in ihren Reihen dulden.

Zweitens, daß dieser unser Beschluß keineswegs gefaßt wurde, weil wir uns einbilden, durch einen solchen Beschluß die Gefahr eines Verbots der Partei abwenden zu können, weil wir uns etwa einbilden, uns durch einen solchen Beschluß in den Augen der Bourgeoisie “angenehmer” zu machen.

Drittens, daß unser Beschluß im Gegenteil dazu dienen soll, unsere Partei “unangenehmer” für die Bourgeoisie zu machen, indem nämlich durch unseren Beschluß gegen den individuellen Terror alle Kräfte der Partei konzentriert und gelenkt werden auf das Gebiet des revolutionären Massenkampfes.

Diese Steigerung des revolutionären Massenkampfes ‑ das, Genossen, ist das wirkliche “Unangenehme” für die Bourgeoisie!

Wir sollen, indem wir individuelle terroristische Handlungen und überhaupt leichtfertige und abenteuerliche putschistische Stimmungen in unserer Bewegung schonungslos bekämpfen, zugleich dafür sorgen, daß der Bourgeoisie keine leichten Handhaben für ein Verbot der Partei gegeben werden.

Wir müssen von jedem Kommunisten die strengste Vorsicht, die eisernste Disziplin verlangen, um den Kampf der Partei für ihre Legalität soweit nur möglich zu erleichtern. Wir müssen einen ständigen Kampf, besonders unter den Millionenmassen für die Erhaltung der Legalität der Partei entfalten.

Aber das ist bei unserer Ablehnung des individuellen Terrors nicht das Ausschlaggebende.

Lenin lehrt uns vollkommen deutlich, daß wir Kommunisten gegen den individuellen Terror nicht aus einer lakaienhaften friedfertigen Gesinnung gegenüber der Bourgeoisie sind, sondern weil diese unsere Auffassung den wirklichen Interessen des revolutionären Massenkampfes entspricht.

Genosse Lenin schrieb im Juli 1917, also in der Zeit der Vorbereitung des Oktober, über die Aufgaben der russischen Bolschewiki:

Die Partei der Arbeiterklasse muß, ohne die Legalität preiszugeben, aber ohne diese auch nur einen Augenblick zu überschätzen, die legale Arbeit mit der illegalen vereinigen, wie in den Jahren 1912 bis 1914.

Nicht eine Stunde lang die legale Arbeit im Stich lassen, aber auch an die konstitutionellen und “friedlichen” Illusionen nicht glauben. (Sofort überall und für alles illegale Organisationen oder Zellen gründen, für die Herausgabe von Flugblättern usw.) Sich sofort umstellen, konsequent, beharrlich, auf der ganzen Linie.

Zweifelsohne haben wir eine Reihe von Entgleisungen in der Richtung falscher Legalitätstendenzen. Ich nenne nur opportunistische “legalistische” Erklärungen bei Zeitungsverboten, die einer revolutionären Partei unwürdig sind.

Kampf gegen das Lockspitzelunwesen

Das wichtigste Gebiet, auf dem wir sofort und mit größtem Nachdruck eine völlige Wendung vollziehen müssen, ist der Kampf gegen das Lockspitzelwesen, gegen Provokationen und gegen Leichtfertigkeit. Ich will hier nur einige Punkte berühren. Wir müssen schonungslos mit der Ideologie brechen, als ob bestimmte “Unglücksfälle”, das “Auffliegen” von revolutionären Arbeitern, das zu ihrer Maßregelung durch ihre Unternehmet führt usw., in manchen Fällen nicht die Folge von Spitzelei wäre. Eine solche bequeme Einstellung, als ob nur Zufälle die Ursache solchen Auffliegens wären und nicht, wie es in den meisten Fällen ist, Spitzelei und Verrat, muß ausgemerzt werden. Wir müssen wissen, daß überall da, in neun von zehn Fällen, Verrat im Spiele ist. Nur wenn wir von dieser Auffassung ausgehen, werden wir die genügende Wachsamkeit zur Aufdeckung solcher Spitzeleien aufbringen können.

Ein zweiter Punkt ist die Notwendigkeit, in allen Fällen, wo es gelingt, Spitzel zu entlarven, dies in breitester Öffentlichkeit auszunutzen.

Eine dritte Frage ist die Erziehung unserer Parteigenossen zur größten Vorsicht gegenüber den Versuchen des Klassenfeindes, gegnerischer Parteien usw., ihre Dienste zu gewinnen, wobei man häufig Unerfahrenheit, materielle Not und nicht zuletzt auch innerparteiliche und persönliche Fragen ausnutzt. Eine große Rolle bei den Methoden der Bourgeoisie, Provokateure in unseren Reihen einzuschmuggeln, spielt ja überhaupt die Ausnutzung innerparteilicher und persönlicher Differenzen.

Vierte Frage: Schärfster Kampf gegen die Schwatzhaftigkeit in unseren Reihen, gegen die kleinbürgerliche und sentimentale Vertrauensseligkeit gegenüber feindlichen Parteien usw. Nicht deshalb, weil ich zu einem Genossen Vertrauen habe und ihn schon lange kenne, kann ich sicher sein, daß er nicht zum Verräter wird, sondern nur dann kann es eine solche Sicherheit geben, wenn eine organisierte Kontrolle besteht und diese Kontrolle seine Zuverlässigkeit ergibt.

Fünfte Frage: Klares Verständnis, daß die Provokation, das Lockspitzelwesen einen zwangsläufigen Bestandteil im System der Bourgeoisie zur Zersetzung der revolutionären Arbeiterbewegung darstellt, und daß infolgedessen der Kampf gegen dieses Lockspitzelwesen einen täglichen Bestandteil unseres revolutionären Klassenkampfes gegen den Kapitalismus darstellen muß.

Wie bedeutungsvoll diese Frage ist, das ergab sich bei verschiedenen Anlässen in der letzten Zeit.

Als der ungarische Weißgardist und Faschist Matuska seine Eisenbahnattentate bei Jüterbog und in Ungarn vollführt hatte, zeterte die gesamte Presse Deutschlands, Ungarns, und Österreichs über kommunistische Attentate. Die Blätter der Nazis und der SPD schlugen in dieselbe Kerbe. Der schmutzige Verleumder Heilmann wagte es, neben anderen, das Jüterboger Attentat uns in die Schuhe zu schieben.

Diese Angelegenheit, oder die Sprengstoffdiebstähle, oder sonstige individuellen Handlungen werden regelmäßig der Kommunistischen Partei zur Last gelegt. Es ist ja auch bekannt, daß sehr häufig in provokatorischer Weise derartige Dinge direkt im Auftrage unserer Feinde organisiert werden, um sie nachher der proletarischen Partei zu unterschieben.

Ich erinnere hier nur an das, was Genosse Jaddasch unlängst in Braunschweig aufgedeckt hat. In dem Maße, wie wir diese Aufgabe höchster Wachsamkeit lösen, werden wir auch auf diesem Gebiete einen Schritt vorwärts in der Bolschewisierung unserer Partei machen und uns gegen die Anschläge des Klassenfeindes sichern.

V. Entschlossene Wendung auf dem Gebiet unserer Agitation und Propaganda

Zum Schluß, Genossen, einige Worte über die Methoden unserer Agitation und Propaganda.

Auch auf diesem Gebiet müssen wir einen entschlossenen Schritt vorwärts machen. Ich beginne mit den Fragen der Propaganda. Über die großen Mängel des allgemeinen politisch-ideologischen Niveaus unserer Partei und die falsche Behandlung der theoretischen Probleme habe ich bereits gesprochen. Eine entschlossene Wendung auf diesem Gebiet muß vor allem auch die Frage der gesamten Proparbeit, nicht zuletzt der Schulungs- und Erziehungsarbeit umfassen.

Unsere Proparbeit war, von den politischen Fehlern abgesehen, abstrakt und losgelöst vom revolutionären Leben der Partei und ihren Aufgaben. Die Schulungsarbeit wurde in ihrem Schwergewicht in die Wohnorganisationen verlegt, ließ brennende Probleme des Klassenkampfes außer Betracht und war unfähig, eine wirkliche Massenpropaganda, die Millionen erfaßt, in die Wege zu leiten.

Es gab sogar Tendenzen, die Proparbeit gegenüber allen anderen Parteiressorts “selbständig” zu machen. Statt als Achse der Propagandaarbeit die Durchdringung der Partei und darüber hinaus der Massen mit der leninistischen Theorie an Hand der Beschlüsse der Partei und der Komintern anzusehen, hat unsere Proparbeit in überheblicher Weise den Versuch gemacht, mit eigenen Formulierungen manchmal direkt in einer gewissen Konkurrenz zur Parteiführung unsere Linie zu korrigieren. Ich erinnere an Emel, der auf diesem Gebiete besondere Leistungen vollbrachte. Die Schulungsarbeit war zu einem gewissen Teil akademisch und ging nicht in genügendem Maße von einer wirklich praktischen Anwendung der dialektischen Methode aus.

Die Folge dieser Schwächen in der Proparbeit, der undialektischen Methode und der kleinbürgerlichen Überheblichkeit war, daß nicht nur die Ausbildung von Arbeiterpropagandisten in dem vom Standpunkt der revolutionären Entwicklung erforderlichen Maße unterblieb, sondern auch die Anziehungskraft der Partei auf radikalisierte Teile der Intellektuellen, Studenten, Lehrer, Ärzte, Schriftsteller, Ingenieure, Techniker, unausgewertet blieb.

Worin muß die Wendung in unserer Proparbeit bestehen?

Worin muß die entscheidende Wendung bestehen?

1. Unsere Proparbeit muß ein wirklicher Teil der gesamten revolutionären Arbeit und Politik der Partei werden. Sie muß der Durchdringung der Partei mit ihren Beschlüssen, der Auswertung der Beschlüsse und der Selbstverständigung der Partei über die Beschlüsse dienen. Sie muß die Kampagnen der Partei vom Propagandistischen her theoretisch und ideologisch fundieren.

2. Unsere Proparbeit muß Massencharakter annehmen, das heißt, in ihrem Mittelpunkt muß der politische Schulungstag der Partei stehen, dessen Schwergewicht wiederum bei den Betriebszellen zu liegen hat. Die Proparbeit muß in die Breite wachsen, indem sie sich das Ziel stellt, Zehntausende von Arbeiterpropagandisten heranzuschulen, die als Polleiter der Betriebszellen, als rote Betriebsräte, als Führer der Opposition in reformistischen oder sonstigen Massenorganisationen oder als Führer in den mit uns sympathisierenden Massenorganisationen wirken können.

3. Unsere Proparbeit muß in die Tiefe wachsen, insofern sie durch ihre enge Verbindung mit der revolutionären Praxis der Partei und völlige Unterstellung unter die Parteiführung zu einer wirklichen Trägerin der Propaganda des Marxismus-Leninismus in den Reihen der Partei und des Proletariats wird. Die Proparbeit muß sich im Sinne des Briefes des Genossen Stalin und unserer ideologischen Offensive das Ziel stellen, die Partei von unten bis oben gegen alle antileninistischen feindlichen Einflüsse durch theoretische Festigkeit und Sicherheit zu schützen.

4. Unsere Proparbeit muß von den Bedürfnissen der gegenwärtigen Situation beherrscht werden, das heißt, sich auf das verschärfte Studium des täglichen Kampfes um den revolutionären Ausweg aus der Krise einzustellen. Sie muß also die Partei und das Proletariat instand setzen, mit der bankrotten Ideologie der Bourgeoisie, Sozialdemokratie und des Hitler-Faschismus Abrechnung zu halten und die Betrugsmanöver der SPD zu zerschlagen. Sie muß den Kadern der Partei die ideologische Festigkeit für die Zerschlagung aller Manöver des Klassenfeindes und für die siegreiche Offensive, den verschärften prinzipiellen Kampf gegen Bourgeoisie, Sozialdemokratie und Nazis vermitteln.

Soviel zur Frage der Proparbeit.

Wie steht es mit dem Gebiet der Agitation? Zweifelsohne haben wir bei verschiedenen Kampagnen einige Fortschritte auf diesem Gebiete zu verzeichnen.

Die beste Wahlkampagne, die wir zum Beispiel in letzter Zeit durchgeführt haben, war die der Reichstagswahlen vom 14. September 1930. Heute aber müssen wir feststellen, daß in den Methoden unserer Agitation wieder ein großer Schematismus eingerissen ist. An Stelle einer dialektischen Durchdringung von Propaganda und Agitation herrschte, dank den Selbständigkeitstendenzen unserer früheren Propabteilung, eine Zerreißung dieser miteinander verbundenen Arbeitszweige bis hinunter in die untersten Parteieinheiten. Der Schwerpunkt der Agitarbeiten liegt heute nicht in den Betrieben, sondern in den Wohnorganisationen. Das zeigte sich zum Beispiel auch sehr stark bei dem Hamburger Wahlkampf, wo in den Betrieben keine genügende Agitation gemacht wurde. Die Agitation trägt vielfach einen phrasenhaften und unkonkreten Charakter und geht nicht vom Streik und den übrigen Massenaktionen aus. In der Praxis der Agitation zeigt sich vielfach die Linie des geringeren Widerstandes. In der Entwicklung neuer Methoden der Agitproparbeit ist ein gewisser Stillstand eingetreten, eine ungenügende Einstellung darauf, auch vom Gegner zu lernen.

Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?

Erstens: Unsere gesamte Agitation muß in den Dienst der strategischen Hauptaufgabe, der Gewinnung der Mehrheit des Proletariats für den Kampf um die proletarische Macht gestellt werden.

Da diese strategische Hauptaufgabe nur gelöst werden kann auf der Linie einer Politik, die alle Formen des proletarischen Widerstandes gegen die Offensive der Bourgeoisie entfaltet und die Massen zum Kampf gegen jeden imperialistischen Weg aus der Krise erzieht und mobilisiert, mit dem Ziel, diesen Kampf in den revolutionären Kampf für den proletarischen Ausweg überzuleiten, so muß auch unsere Agitation von diesen Gesichtspunkten getragen sein. Mit anderen Worten: Die Agitation muß sich um eine zentrale Achse gruppieren. Das gilt bereits von den jetzigen Kampagnen bei den Präsidentschafts- und Preußenwahlen, das gilt vom kommenden Internationalen Frauentag und vom 1. Mai, vom Internationalen Jugendtag usw.

Welches muß diese zentrale Achse sein?

Die Antwort wird durch unsere Politik gegeben. Wir haben die akute Kriegsgefahr im Osten. Die zentrale Achse unserer Politik muß deshalb sein: Kampf für die Verteidigung der Sowjetunion und Sowjetchinas, Kampf gegen das imperialistische Kriegsverbrechen durch den Kampf im eigenen Lande für den revolutionären Ausweg, für den Sozialismus. Die Gegenüberstellung des bankrotten Kapitalismus und des aufsteigenden überlegenen Sozialismus ist mit dieser zentralen Linie aufs engste verbunden.

Und welches ist die Kampflosung, die sich als Mittelpunkt unserer gesamten Agitation und Propaganda ergibt?

Ich glaube, Genossen, diese Losung kann nur lauten: Gegen die Diktatur der Bourgeoisie, für die Diktatur des Proletariats!

Zweitens: Unsere Agitation muß den stärksten Nachdruck darauf legen, die immer geringer werdenden Möglichkeiten der Massenagitation durch die Tagespresse mit einer möglichst breiten und umfassenden sonstigen Massenagitation zu ergänzen. Der größtmöglichste Ausbau unserer Betriebspresse, der massenmäßige Ausbau unseres Literaturvertriebes, vor allem an Broschürenliteratur, mit dem Ziel eines Umsatzes von mindestens zehn Millionen Massenbroschüren pro Jahr, die stärkere Verbreitung auch anderer als der Tageszeitungen ‑ das alles gehört zu diesem Gebiet unserer Agitationsaufgaben.

Der Schwerpunkt unserer Agitation muß in den Betrieben liegen

Drittens: Unsere Agitation muß ebenso wie die Propaganda in den Dienst der Zerschlagung der Betrugsmanöver der Bourgeoisie und Sozialdemokratie gestellt werden. Sie muß vor allem das Hauptmanöver der SPD, den Schwindel mit dem “kleineren Übel”, entlarven und klarstellen, daß es sich hier um das größte Übel für die Arbeiterklasse handelt. Sie muß jedem Kommunisten und jedem revolutionären Arbeiter die Argumente liefern, mit denen er den Klassenfeind schlagen kann.

Viertens: Unsere Agitation muß konkret und praktisch werden. Wir müssen es lernen, bei der Entlarvung unserer Gegner, vor allem der SPD und der Nazis, in der Art, wie ich das schon zu zeigen versucht habe, einige Haupttatsachen herauszuarbeiten und mit ihnen eine siegreiche Offensive gegen diese Parteien zu entfalten.

Alle diese Aufgaben der Agitation und Propaganda können nur gelöst werden, wenn unsere Presse, ich meine jetzt die Tagespresse, ein völlig anderes Gesicht erhält.

Unsere Zeitungen müssen wirkliche Massenorgane des Proletariats werden. Sie müssen das Leben der Arbeiterklasse, das Leben der Erwerbslosen, das Leben der Angestellten, das Leben der Arbeiterinnen und der proletarischen Jugend widerspiegeln. Wir werden, koste es, was es wolle, einen Umschwung in unseren Zeitungen herbeiführen, selbst wenn wir an verschiedenen Stellen genötigt sind, an Stelle geschulter und politisch ausgebildeter Genossen jüngere Elemente aus den Betrieben oder aus der Reihe der Arbeiterkorrespondenten heranzuziehen. Wir werden rücksichtslos dazu übergehen, wenn die gelernten Redakteure teilweise versagen, selbst solche Arbeiterkorrespondenten an ihre Stelle zu setzen, die zunächst vielleicht den einen oder anderen politischen Fehler begehen können, weil es ihnen ja an Schulung mangelt, die aber mit der Verantwortung wachsen und sich entwickeln werden.

Damit werden wir, wenn es anders nicht geht, erzwingen, daß unsere Zeitungen zu einem wirklichen Spiegelbild des proletarischen Lebens werden. In unseren Zeitungen müssen die Arbeiter und Arbeiterinnen ihr Leben, ihre Nöte, ihre Forderungen einfach und konkret wiederfinden und man muß ihnen an Hand dieser einfachen und konkreten Fragen auseinandersetzen, warum sich für sie und für alle ihre Klassengenossen nur ein Weg aus ihrer Klassenlage ergibt: Der Weg der Kommunisten!

Das, Genossen, ist das Geheimnis einer wirklich bolschewistischen Agitation und Presse.

Noch eine zweite Frage: Auch unsere Tagespresse, vor allem die "Rote Fahne", muß zu einem Organ nicht nur der Agitation, sondern vor allem der propagandistischen Erziehung der Massen werden. Heute ist die "Rote Fahne" kein genügender Lehrer der Partei und des Proletariats, kein genügend anfeuerndes Fanal des Leninismus. Und darum stelle ich die zweite Forderung auf: Unsere Zeitungen, vor allem die "Rote Fahne" müssen ideologisch auf ein ganz anderes Niveau gebracht werden.

Diese beiden Aufgaben: Populärer zu werden und andererseits theoretisch mehr zu geben, widersprechen sich nicht, sondern ergänzen einander. Mit der Lösung der ersten Aufgabe können wir die Massen an unsere Zeitungen heranführen und binden. Mit der Lösung der zweiten Aufgabe werden wir die Massen auf ein höheres Niveau bringen, wobei wir auch in unseren Zeitungen etwas größere Anforderungen an unsere Leser stellen können und müssen. Das eine ohne das andere ist unmöglich. Beides zusammen erst ergibt eine Bolschewisierung und Verbesserung des volkstümlichen Inhalts unserer Parteipresse.

Unter dem Sturmbanner des Bolschewismus vorwärts zum Sieg!

Genossen, ich schließe mein Referat ab. Bei der Behandlung der Arbeit der Partei gab es stellenweise eine scharfe Kritik an unseren Fehlern und Schwächen. Aber wir sind hier nicht zusammengekommen, um uns gegenseitig Komplimente zu machen. Jeder Genosse muß verstehen, daß eine solche Kritik im Interesse der Partei liegt und unerläßlich ist. Nehmen wir die Behandlung der Fehler an den Büchern der Genossen Langner und David. Bedeutet die Kritik an den Fehlern des Genossen Langner, daß wir ihn der Verfälschung des Leninismus, wie sie Slutzky begangen hat, bezichtigen? Keineswegs. Aber wir mußten den Fehler richtigstellen. Darauf kam es an, nicht darauf, den Genossen Langner zu schlagen. Nehmen wir die Feststellung der Fehler im Buch des Genossen David. Auch das bedeutet keineswegs, daß wir ihn als einen Luxemburgisten hinstellen könnten, der solche Tendenzen in unsere Partei tragen will. Aber zur Klärung der Probleme war unsere scharfe Kritik notwendig. Und das gilt ebenso für alle anderen Zweige unserer Arbeit.

Ich fasse zusammen. Das wichtigste ist:

-    Klare Erkenntnis der politischen Situation und der Perspektive der Entwicklung;

-    klare Aufgabenstellung, die sich aus dieser Perspektive ergibt;

-    der Hauptstoß gegen die Sozialdemokratie, bei gleichzeitiger Verstärkung des Kampfes gegen die Nationalsozialisten;

-    die Verbesserung unserer Arbeit auf den verschiedensten Gebieten, besonders der Betriebsarbeit, der Arbeit unter den Erwerbslosen und die Arbeit der RGO;

-    die Aktivierung der Partei mit Hilfe der ideologischen Offensive und der bolschewistischen Selbstkritik;

-    die Steigerung unseres Kampfes für die Auslösung der betrieblichen Kämpfe und übrigen Massenaktionen;

-    Mobilisierung der Massen für den revolutionären Ausweg nach dem Beispiel der Sowjetunion, für den Kampf gegen die Diktatur der Bourgeoisie, für die Diktatur des Proletariats.

Die Resolution, die wir hier vom Polbüro dem Plenum des ZK vorlegen, enthält die wichtigsten Direktiven zu allen diesen Fragen.

Noch immer krankt die Partei daran, daß die Beschlüsse nicht genügend durchgeführt werden, daß die Bolschewisierung der Partei unvollkommen ist, daß die einzelnen Genossen und die Parteieinheiten vielfach den leichteren Weg zu gehen versuchen.

Unser Weg ist nicht leicht, Genossen. Unsere Aufgaben sind denkbar kompliziert und schwierig. Unser Hauptfeind ist eine konterrevolutionäre Bourgeoisie, deren Machtmittel außerordentlich entwickelt und konzentriert sind, die große Erfahrungen im Laufe der letzten vierzehn, fünfzehn Jahre, seit dem Beginn der Weltrevolution im Februar 1917, gesammelt hat. Ihr zur Seite steht eine noch immer sehr starke Sozialdemokratische Partei mit einer riesigen reformistischen Gewerkschaftsbewegung. Ihr zur Seite steht die nationalsozialistische Bewegung, in der Millionen von Mittelständlern, Kleinbürgern, Angestellten und Beamten zusammengefaßt sind. Unsere Klassenfeinde sind entschlossen, das äußerste zur Verteidigung der bedrohten Existenz der kapitalistischen Klassenherrschaft zu tun.

Aber wir, Genossen, haben für uns einen gewaltigen, welthistorischen Faktor: die Existenz der Sowjetunion, die für die breitesten Massen immer deutlicher die Überlegenheit der proletarischen Diktatur über die bürgerliche Diktatur, demokratischer oder faschistischer Färbung, die Überlegenheit der sozialistischen Planwirtschaft über die verfaulende kapitalistische Wirtschaft dokumentiert.

Nutzen wir diese Möglichkeit aus, schmieden wir unter dem Sturmbanner des Bolschewismus unsere Partei zur wirklichen stählernen Avantgarde der proletarischen Klasse , machen wir das Proletariat zur Führerin der breitesten werktätigen Massen in Stadt und Land, verjagen wir aus unseren Reihen Zweifel über unsere Stärke und Kleinmütigkeit, Schönfärberei über unsere Arbeit und Spießertum, Leichtfertigkeit und Unterschätzung des Klassenfeindes! Merzen wir alle Einflüsse und Überreste von Einflüssen der Bourgeoisie und Sozialdemokratie aus den Reihen der Kommunistischen Partei aus!

Dann überschreiten wir die Schwelle einer neuen Etappe der Bolschewisierung der KPD, dann wächst die rote Einheitsfront der Partei zum revolutionären Kampf gegen die Versuche der Bourgeoisie, kapitalistische Wege aus der Krise zu beschreiten, gegen die imperialistischen Kriegsdrohungen gegenüber der Sowjetunion! Dann wächst die rote Einheitsfront für den proletarisch-revolutionären Ausweg aus der Krise!

Dann lösen wir unsere strategische Hauptaufgabe: Die Gewinnung der proletarischen Mehrheit für den Kampf um die Eroberung der politischen Macht, den Kampf um die Diktatur des Proletariats!

Schlußwort

Eine neue Etappe der Bolschewisierung

Genossen! Was ergibt sich aus dem Gesamtverlauf unserer jetzigen Plenartagung? Im Referat habe ich davon gesprochen, daß die Partei an der Schwelle einer neuen Etappe ihrer Bolschewisierung steht. Was bedeutet das? Wenn wir unsere Vergangenheit überprüfen, so können wir feststellen, daß wir eine richtige Generallinie hatten. Wir haben auf dieser Generallinie richtige Beschlüsse gefaßt. Wir hatten eine richtige strategische Orientierung. Aber in der Praxis, in der Durchführung der Beschlüsse, zeigen sich die Hauptschwächen auf allen Gebieten der Arbeit. Es gibt nicht nur eine Schere zwischen den richtigen Beschlüssen der Partei und ihrer Durchführung in der Praxis, sondern man muß auch sagen - und sogar in der Diskussion klang das an einzelnen Stellen heraus - daß an einigen Knotenpunkten auch die Bedeutung der Rolle der Partei unterschätzt wird. Wichtig ist ferner, festzustellen, daß hinsichtlich der strategischen Orientierung und ihrer praktischen Anwendung große Unterlassungen und ernsthafte Mängel vorhanden sind. Das gilt besonders für die Kämpfe des Proletariats und alle Kämpfe der werktätigen Schichten. Das gilt für die Betriebsarbeit. Das gilt für die gewaltigen Aufgaben der RGO-Arbeit. Das gilt für das besondere Gebiet der Arbeit unter der großen Millionenarmee der Erwerbslosen, für die Frauen- und Jugendarbeit, für das innere Parteileben, für die Agitation und Propaganda und in ganz besonderem Ausmaß für die Fragen unseres Kampfes gegen den imperialistischen Krieg.

Die Beschlüsse waren richtig. Genosse Pieck hat hier erklärt, daß auch die Komintern sich manchmal die Frage vorlegt, wieso bei einer richtigen Generallinie, bei richtigen Beschlüssen und der großen Autorität, die die Partei hat, es trotzdem in der Durchführung mangelt und hapert. Worauf kommt es in erster Linie an? Darauf, die Schere zwischen den Beschlüssen und ihrer Anwendung und Durchführung zu schließen. Das heutige Zentralkomitee kann dazu und wird hoffentlich dazu den besonderen Schlüssel liefern. Von diesem Gesichtspunkt aus müssen wir das Ergebnis des Plenums betrachten und den Inhalt der hier gefaßten Beschlüsse, die durch die Diskussion und die besonderen Vorschläge einzelner Genossen vervollständigt werden, bewerten. Von diesem Plenum ausgehend, muß die Partei dazu übergehen, in der Praxis, in der revolutionären Massenarbeit, in der Auslösung, Durchführung und Führung von größeren Massenaktionen auf allen Gebieten und auf allen Fronten, in der selbständigen Führung der Kämpfe, ihre bolschewistische Rolle als Führerin der deutschen Arbeiterklasse zu beweisen.

Nicht nur die richtige strategische Orientierung, sondern die Anwendung dieser richtigen strategischen Orientierung in der Praxis, das ist das Entscheidende!

Wir sind verpflichtet, die größten Garantien zu schaffen, um im kollektiven Sinn, im unversöhnlichen Kampf gegen unsere Klassenfeinde die hier gefaßten Beschlüsse so zu verwirklichen, daß wir schon nach kurzer Zeit in der Durchführung, in der revolutionären Praxis sichtbare Erfolge sehen.

Plenum der revolutionären Praxis

In diesem Sinne muß man unsere Tagung bezeichnen als ein Plenum im Zeichen der revolutionären Praxis. Wenn wir in der Lage sind, eine solche höhere Stufe unserer Arbeitsmöglichkeiten und unseres Arbeitstempos zu schaffen, bin ich fest überzeugt, daß das einen Schritt vorwärts in der Bolschewisierung der Partei bedeutet. Genosse Stalin sagt in seinem bekannten Brief, der für die gesamte internationale Arbeiterklasse und alle Parteien eine so große Bedeutung besitzt, unter anderem, daß man die Rolle der bolschewistischen Partei und Lenins nicht nach “Papierchen” beurteilen kann, nicht nach Erklärungen und Resolutionen, sondern auf Grund ihrer Praxis. Das ist zu gleicher Zeit ein Hinweis für die deutsche Partei, ihre Stoßkraft in der Praxis zu verstärken. Genosse Pieck hat an einer Stelle seiner Rede ähnliche bedeutungsvolle Worte gejagt, die zweifelsohne auch die Meinung der Komintern zum Ausdruck bringen, daß wir in unseren Reihen den Kleinmut beseitigen müssen, daß wir die richtige Linie der Partei in die Praxis mit aller Energie umsetzen müssen.

Genossen, wenn wir eine zweite bolschewistische Partei in der Kommunistischen Internationale sein wollen ‑ manchmal sagt man ja sogar schon “sind”, ich sage hier bescheidener: werden wollen ‑, dann müssen wir die Schere, die zwischen den gefaßten Beschlüssen und ihrer Durchführung steht, schließen, dann müssen wir als Wichtigstes große Massenkämpfe auslösen und führen. Ich denke an die Entfaltung ökonomischer Streiks, an die neuen Formen von Demonstrationsstreiks, an den Proteststreik im ganzen Land, der sich gegen alles richten muß, was jetzt von den Kapitalisten in Deutschland verübt wird, an Unterdrückung und Ausbeutung des Proletariats und Ausplünderung der Millionenmassen aller Werktätigen. Ich denke an die große Waffe, die das Proletariat mit dem politischen Massenstreik anzuwenden vermag.

Wir haben hier die begeisterte Rede des Genossen Thorez gehört. Dieser Genosse von der Führung unserer französischen Bruderpartei sagt an einer Stelle:

Jeder Schlag gegen das Versailler System ist ein Schlag gegen den französischen Imperialismus,

und er wies zugleich darauf hin, daß unsere Genossen im Ausland häufig vor der Frage stehen: Wie kommt es, daß die große deutsche Partei so wenig größere Streiks auslöst und führt? Was können wir dazu sagen?

Nur eines: Wir müssen lernen, die Kämpfe zu führen, wir müssen alles ausmerzen, was uns daran hindert. Das ist das Wichtigste.

Die Ergebnisse unserer Diskussion

Und nun, Genossen: Was ergeben die Grundzüge der gesamten Diskussion unserer Plenartagung?

Die wichtigsten positiven Erscheinungen, die sich in der Diskussion widerspiegelten, kann man in folgenden Punkten zusammenfassen: In der gesamten Diskussion zeigte sich ein ernstes Ringen mit den verschiedenen Problemen, die hier zur Debatte, zur Entscheidung und von heute an zur Durchführung vor uns stehen.

Wir sahen die Äußerung des verstärkten Willens und ein verstärktes Verständnis für die Notwendigkeit, Fehler und Mängel in unserer Partei zu beseitigen.

Wir sahen ferner, daß eine scharfe kritische Stimmung im Zentralkomitee vorhanden ist, die widerspiegelt, daß in der Partei die Frage der Selbstkritik verstanden und angewandt wird. Wenn ein Redner sich manchmal in bestimmten Fragen verrannte oder Fehler machte, konnten wir bemerken, daß hier im ZK sofort bei einem großen Teil der Genossen eine Art von kritischer Unruhe zu spüren war. Das ist ein absolut günstiger Zug, der zeigt, daß die Partei innerlich gewachsen ist und die ideologische Offensive nicht spurlos vorübergeht.

So zeigte denn die Diskussion auch im übrigen das regere Leben in unserer Partei, die stärkere Anteilnahme an allen wichtigen Fragen und damit auch das innere Wachstum der Partei.

Und dieses innere Wachstum, Genossen, das sich in der jetzigen Plenartagung widerspiegelt, und dem unser organisatorisches Wachstum, die Aufnahme von etwa 200 000 Mitgliedern im letzten Jahr, die allerdings durch die noch vorhandene Tatsache der Fluktuation beeinträchtigt wird, gegenübersteht, gehört zweifelsohne zu unseren wichtigsten Fortschritten. Es gab aber auch negative Erscheinungen in der Diskussion: Das Bild, das sich aus der Diskussion über den Zustand der Partei ergab, beweist, daß wir diesen Zustand noch kritischer betrachten müssen, als wir es schon getan haben. Wenn wir in dieser Frage übereinstimmen, dann muß man sehen, daß es sehr gefährlich ist, wenn es in der Partei Stimmungen gibt, die versuchen, an dieser oder jener Stelle die Arbeit der Partei zu beschönigen. Ein solcher Zustand der Schönfärberei verhindert, Krankheitskeime in der Partei so schnell zu beseitigen, wie es notwendig ist. Das ist, glaube ich, das zweite wichtige Ergebnis aus der Diskussion. Wir müssen viel ernster, viel systematischer, viel verantwortungsbewußter arbeiten. Das gilt für die Führung, für das gesamte Zentralkomitee, für die Bezirksführungen und für die gesamte Partei.

Die dritte Frage ist, daß die Diskussion zu einem gewissen Teil nicht auf die von uns gestellten Fragen, wie sie in der Resolution gleichfalls enthalten sind, die konkreten Antworten gab.

Eine solche Kritik an der Diskussion darf natürlich keineswegs verallgemeinert werden, denn das würde die wirkliche Tatsache verletzen, daß verschiedene Diskussionsredner glänzende Tatsachen gebracht haben, die man nicht verkleinern darf.

Aber von der Gesamtdiskussion kann man nicht völlig befriedigt sein. Das muß man deutlich und unbarmherzig aussprechen, auch auf die Gefahr hin, daß Genosse Münzenberg in seiner Diskussionsrede vom “Flohknacken” spricht oder davon, man solle nicht immer mit dem “Holzknüppel” dreinschlagen, wobei ich nicht recht weiß, ob Münzenberg meint, daß wir Flöhe mit dem Holzknüppel knacken.

Aber, Genossen, diese Worte sollen nicht nur zu unserer Erheiterung dienen, sondern es ist selbstverständlich eine ernste Tatsache, wenn es eine solche Fragestellung auf unserem Plenum gibt. Wir müssen den großen Ernst der Lage erkennen. In eindringlicher Form hat Genosse Pieck diesen Ernst der Situation hier ausgedrückt. Das Plenum und die gesamte Partei muß daraus ihre Schlußfolgerungen ziehen. Wir müssen besser lernen, in unserer ganzen Arbeit eine Wendung zu machen, den Widerstand der Massen zu entfalten, ihre Kämpfe zu fuhren und diese Kämpfe überzuleiten in den Kampf für den revolutionären Ausweg. Das ist das Hauptproblem.

Und nun zu einigen Fragen, die in der Diskussion aufgerollt wurden:

Der Gesamtzusammenhang unserer Aufgaben

Wir haben in der Resolution und auch im Referat den Versuch gemacht, Klarheit darüber zu schaffen, daß die Gesamtheit unserer Aufgaben ein Ganzes darstellt. In der Diskussion zeigte sich nicht immer ein genügendes Verständnis für diese Verbindung unserer Aufgaben. Die Sozialdemokratie und die Nazis schlagen, die Streiks gegen die Bourgeoisie und die übrigen Massenaktionen und Kämpfe führen, die Schwächen in der Betriebs-, RGO-, Erwerbslosenarbeit beseitigen, die Partei durch die ideologische Offensive kampffähig machen, kampffähig vor allem auch in der Linie der aktiven Verteidigung der Sowjetunion und der chinesischen Revolution, ‑ das alles hängt miteinander zusammen und läßt sich nicht voneinander trennen. Ohne ideologische Hebung, ohne Steigerung der Aktionsfähigkeit in den Betrieben, Gewerkschaften, auf den Stempelstellen, gibt es keinen erfolgreichen Kampf gegen die SPD und die Hitler-Partei. Ohne Entlarvung der sozialdemokratischen und sonstigen Manöver der Bourgeoisie gibt es keinen erfolgreichen Kampf gegen die Diktatur der Bourgeoisie, gegen die Offensive der Kapitalisten, gegen die faschistische Reaktion. Das alles zusammen aber ergibt die Lösung unserer strategischen Hauptaufgabe: Gewinnung der proletarischen Mehrheit für den Kampf zur Eroberung der politischen Macht! Das alles ergibt die Einstellung der Partei auf die richtige und wirksame revolutionäre Bekämpfung des imperialistischen Krieges. Diese Einheit unserer Aufgaben müssen wir in den Vordergrund rücken.

Zur Frage der Perspektive und des Auswegs

Eine zweite Hauptfrage der Diskussion ist die heutige Lage und die Perspektive der Entwicklung. Alle Diskussionsredner zeigten ihr Einverständnis mit unserer Beurteilung der Perspektive. Das ist nicht wenig. Die letzten Tage brachten im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten der Banken eine neue Bestätigung für die wachsenden Schwierigkeiten, die wachsende Verschärfung der Situation. Die Bankfusionen beseitigen diese Schwierigkeiten nicht, sondern schaffen höchstens eine vorübergehende Atempause.

Auf dem Plenum gab es bei einigen Genossen eine Diskussion über die Frage: Wie kann ein kapitalistischer Ausweg aus der Krise aussehen? Kann es nur der imperialistische Krieg sein oder auch die verstärkte Ausplünderung der Massen? Welche Lage wird im Falle eines solchen kapitalistischen Auswegs sich ergeben? Die Genossen Kraus und Ludwig sprachen hierzu.

Ist es unsere Aufgabe, solche Erwägungen anzustellen und darüber zu diskutieren, was für eine Lage entstehen würde, falls die Bourgeoisie aus der gegenwärtigen zyklischen Krise herauskäme, ohne daß es zur proletarischen Revolution kommt? Das ist nicht unsere Aufgabe. Wir wissen, daß die Situation nicht absolut ausweglos für die Bourgeoisie ist. Aber wir wissen auch, daß wir sie dazu machen müssen.

Unsere Perspektive ist die weitere Verschärfung der Krise. Unsere Aufgabe ist es, durch die volle Entfaltung der Kampfkraft der Massen die revolutionäre Entwicklung zu beschleunigen. Die Fragen, über die wir diskutieren müssen und auf die wir alle Aufmerksamkeit konzentrieren müssen, heißt nicht: Wie würde ein etwaiger kapitalistischer Ausweg aussehen? sondern die ganze Frage, die wir zu stellen haben, heißt: Was tun wir, um den revolutionären Ausweg zu erkämpfen?

Alles Philosophieren darüber, wie die Bourgeoisie im Falle unseres Versagens aus der Krise herauskommen würde, lenkt nur von unserer revolutionären Aufgabenstellung ab.

Verhältnis der objektiven und subjektiven Schwierigkeiten

Die dritte Frage ist die nach dem Verhältnis der objektiven und subjektiven Schwierigkeiten. Ich habe schon im Referat darauf hingewiesen, daß es unzulässig ist, objektive Schwierigkeiten als eine Entschuldigung für Passivität, für mangelnde Kämpfe usw. zu benutzen. Es gab in dieser Frage, was außerordentlich erfreulich ist, in der Diskussion eine völlige Übereinstimmung. Wir haben an der Frage der zusätzlichen Schwierigkeiten der Krise wie Erwerbslosigkeit usw. bezüglich der Führung von Streiks schon gezeigt, daß sie zwar einerseits die Führung der Streiks komplizierter machen, daß aber andererseits diese objektiven Faktoren auch wieder die Führung von Massenkämpfen erleichtern. Wir müssen stets beide Seiten des Prozesses sehen. Nicht nur die Schwierigkeiten, sondern auch die revolutionären Faktoren, die sich aus ein und derselben Tatsache ergeben. Eine solche Fragestellung ist auch notwendig bei der Behandlung der internationalen Bedeutung der deutschen Revolution.

Bei den großen Schwierigkeiten, die sich für die deutsche Revolution auf Grund des Versailler Systems ergeben, wobei das deutsche Proletariat nicht nur auf die Front der deutschen Bourgeoisie stößt, sondern auch auf die größere Front der Siegermächte in der ganzen Welt, wachsen auch zugleich die revolutionären Faktoren in Deutschland im Rahmen dieses Versailler Systems. Lenin hat z. B. über diese Frage auf dem II. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale u. a. gesagt:

Das Resultat dieses Krieges ist eine scharfe Zuspitzung aller kapitalistischen Gegensätze ‑ der Krieg hat gegen eine viertel Milliarde Menschen in eine Lage gebracht, die einer kolonialen Lage entspricht. [...] Der Versailler Friedensvertrag hat Deutschland und eine ganze Reihe anderer Staaten in Verhältnisse gestellt, die ihre wirtschaftliche Existenz materiell unmöglich machen. Sie sind vollständig rechtlos gemacht und erniedrigt worden. Wir haben schließlich nicht mehr als eine viertel Milliarde, in denen natürlich nur die Spitzen, nur die Kapitalisten von der Aufteilung der Welt den Nutzen davontragen. [...] Ich erinnere an dieses Bild der Welt, weil alle grundlegenden Gegensätze des Kapitalismus, des Imperialismus, die zur Revolution führen, alle grundlegenden Gegensätze in der Arbeiterbewegung, die zum erbittertsten Kampf gegen die II. Internationale geführt haben [...] ‑ all das ist verknüpft mit der Teilung der Bevölkerung der Erde. [...] Es ist klar, daß bei einer solchen Lage das Anwachsen der Empörung der Arbeiter, das Anwachsen der revolutionären Stimmungen und Ideen, das Anwachsen der elementaren Massenstreiks unvermeidlich ist. [...] Der Krieg hat eine unerhörte Verschärfung aller kapitalistischen Gegensätze mit sich gebracht. Das ist die Ursache der tiefen revolutionären Gärung, die immer mehr anschwillt.

Wir sehen also hier ganz klar, was Lenin aufgezeigt hat. Einerseits: Die ungeheuer starke Abhängigkeit Deutschlands auf Grund der ganzen Bestimmungen des Versailler Systems, die Tatsache, daß Deutschland ein unterdrücktes Land ist, dessen Werktätige nicht nur von der deutschen Bourgeoisie ausgebeutet werden, sondern sich gleichfalls in den Klauen der Siegermächte, in den Fesseln des Versailler Systems befinden. Daraus ergibt sich die größere Schwierigkeit für das deutsche Proletariat, die Notwendigkeit, nicht nur den Kapitalismus in Deutschland zu stürzen, sondern darüber hinaus Deutschland aus dem System des Weltimperialismus herauszureißen.

Lenin zeigt darüber hinaus jedoch, daß das Versailler System zugleich "die Ursache der tiefen revolutionären Gärung, die immer mehr anschwillt" ist. Diese andere Seite müssen wir auch aufs stärkste unterstreichen. Es besteht sonst die Gefahr, daß wir nur die Schwierigkeiten sehen und nicht auch diese revolutionären Faktoren.

Im Mittelpunkt steht die Frage des Krieges

Ich komme nun zu einer weiteren Frage, die im Mittelpunkt unseres ganzen Plenums stand: Die Frage des Krieges.

Verschiedene Genossen haben in der Diskussion sehr gute und ergänzende Ausführungen gemacht, Verbesserungsvorschläge zur Resolution, ernste Anregungen dazu, was wir jetzt auf dem Gebiete unserer praktischen Antikriegsarbeit und im Kampf für Verteidigung der Sowjetunion und der chinesischen Sowjetrevolution in den Mittelpunkt unserer Arbeit rücken müssen. Aber die Gesamtdiskussion zeigte noch immer eine Unterschätzung der Gefahr des Interventionskrieges. Noch nicht alle Genossen haben verstanden, wie ernst die Lage ist, wie sehr wir den Kampf gegen den Interventionskrieg in den Mittelpunkt unserer gesamten Arbeit rücken müssen.

Nehmen wir zum Beispiel einen sehr charakteristischen Artikel aus der "Berliner Börsenzeitung". Dieses Blatt des Finanzkapitals schreibt am 23. Februar:

Das Vordringen der Japaner in der Mandschurei bedroht ohne Zweifel russische Interessen und ist zugleich eine Bedrohung des Sowjetprestiges im Fernen Osten. [...] Dennoch wird in Sowjetrußland nur vom bevorstehenden Krieg gesprochen und man bereitet sich auf ihn, wie auf eine unvermeidliche Katastrophe vor. [...] Moskau bereitet sich inzwischen, gewissermaßen für alle Fälle, auf einen “aufgezwungenen” Krieg vor. Ein Eisenbahnzug nach dem andern wird mit Kriegsmaterial, Lebensmitteln und mit Kohlen und Metallen beladen nach dem Osten befördert. Die Zufuhr von Lebensmitteln nach Moskau und nach den anderen großen Städten gerät dadurch ins Stocken. [...] Einzelheiten über Kriegsvorbereitungen der Sowjetunion werden natürlich geheim gehalten, jedoch verlautet, daß die russische Heerführung das äußerste Sibirien mit Wladiwostok nicht zu halten beabsichtige, sondern erst bei der Baikal-Linie Widerstand leisten werde, da die Russen dort strategisch im Vorteil sein würden. Eine Entscheidung dürfte jedoch erst im Frühjahr nach der Schneeschmelze zu erwarten sein.

Wir sehen die klare Sprache der deutschen Bourgeoisie. Diese führende Zeitung des Finanzkapitals spricht vom Krieg gegen die Sowjetunion als einer selbstverständlichen Tatsache.

Sie zweifelt gar nicht daran, daß es zu diesem Kriege kommt. Das ist die eine Seite. Man erkennt zwar den Friedenswillen der Sowjetunion heuchlerisch an, aber berichtet zugleich so viel über Kriegsvorbereitungen, daß letzten Endes der Eindruck entsteht: Die Sowjetunion will den Krieg. Das ist eine raffinierte Methode der betrügerischen antibolschewistischen Lügenhetze. Welche Schlußfolgerungen ergeben sich für uns?

Es ist klar, daß wir viel stärker die Rolle der Sowjetunion als Hort des Friedens herausarbeiten müssen. Wird z. B. in unserer Presse die Rede des Genossen Litwinow in genügendem Maße ausgewertet? Unsere Genossen in den Redaktionen versagen in dieser Frage.

Genossen, ich will nur das eine mit der größten Schärfe und dem größten Nachdruck aussprechen: Die Frage unseres Kampfes gegen den imperialistischen Krieg, die Frage der Verteidigung der Sowjetunion, die aktivste Massenmobilisierung unter der Losung: “Hände weg von China! Gegen die Aufteilung Chinas durch die Imperialisten! Für den Schutz der chinesischen Sowjetgebiete!” muß in den Mittelpunkt unserer gesamten Agitation und Propaganda gerückt werden. Unser Kampf gegen den imperialistischen Krieg muß mit allen Fragen unseres Kampfes gegen die deutsche Bourgeoisie und ihre Stützen, mit allen Fragen der Innenpolitik aufs engste verbunden werden. Auch in dieser Frage muß unser jetziges Plenum einen großen Ruck für die gesamte Parteiarbeit auslösen.

Streiks, Betriebsarbeit und RGO

Ich komme zur fünften Frage: Den Streiks, der Betriebs- und der RGO-Arbeit. Es ist überflüssig, in dieser Frage das zu wiederholen, was für die Verbesserung der Arbeit auf diesem Gebiet so klar und ernst durch den Genossen Dahlem gesagt wurde. Die große Wichtigkeit einer radikalen Verbesserung unserer Arbeit auf diesem Gebiet steht auch in engster Verbindung mit unserer Antikriegsarbeit, die besonders vom Genossen Remmele hervorgehoben wurde. Wir müssen sehen, daß die Frage unseres Kampfes gegen den Krieg damit verbunden ist, daß wir an allen Stellen den Massenwiderstand auslösen und steigern und Fundamente der Massenbewegung schaffen, die unseren Angriff gegen die imperialistischen Kriegsrüstungen und Kriegstreibereien ermöglichen.

Eine Frage, die in der Diskussion zu kurz gekommen ist, betrifft das Problem der Unorganisierten. Wenn wir sagen, daß wir tiefer in die Oppositionsarbeit an der inneren Gewerkschaftsfront hineinsteigen sollen, daß wir eine Bresche in die ADGB-Front, die Front der reformistischen Gewerkschaften schlagen müssen, so bildet das keinen Widerspruch zu der Betonung der großen Bedeutung der unorganisierten Arbeiter. Auch die Unorganisierten gewinnt man nur auf unserer Klassenlinie, im Kampf gegen die sozialdemokratischen und reformistischen Betrugsmanöver, in der Mobilisierung für die Verteidigung ihrer Lebensinteressen.

Zur Frage der Streikstrategie hat Genosse Thesen die größten Fehler vertreten. Thesen sagt: Der Fehler der Bezirksleitung im Ruhrgebiet habe darin gelegen, "daß wir uns durch eine Reihe von Umständen 14 Tage bis drei Wochen vor dem Januar haben verleiten lassen, die Losung des Massenstreiks herauszugeben".

Was bedeutet das? Das ist eine Gegenüberstellung des Massenstreiks zu den ökonomischen Teilstreiks, das ist eine Darstellung, als wenn die Parole des politischen Massenstreiks die allgemeine Streikrüstung abgeschwächt habe. Das ist also die fehlerhafte Theorie, daß die “Überpolitisierung”, die zu starke Herausarbeitung politischer Fragen Schuld am Mißlingen der Streikbewegung sei. Genosse Thesen erklärt ferner:

Wenn wir die Frage der siegreichen Streiks in materieller Beziehung so in den Vordergrund stellen, besteht meiner Auffassung nach die Gefahr, daß wir aus dieser Sackgasse, in der wir uns befinden, nicht herauskommen, nicht zu größeren Teilstreiks kommen.

Genosse Thesen neigt also zu der Auffassung, daß die Streiks fast überhaupt nicht siegreich sein können, daß bei ihnen fast nichts materiell für die Arbeiter herausspringen kann. Ist das unsere Einstellung? Unsere Forderung auf Auslösung, Organisierung und Entfaltung von Kämpfen und Streiks ist doch eine Frage der Verteidigung der Lebensinteressen der Arbeiter. Und ich sage weiter: Über das jetzige Lebensniveau hinaus müssen die Forderungen der Arbeiterschaft durchgekämpft werden. Entspricht die Auffassung Thesens der Leninschen Feststellung, auf die ich im Referat hingewiesen habe, daß die Arbeiterschaft einen greifbaren Vorteil sehen muß, um zu kämpfen? Natürlich können wir als Kommunisten nicht nur die Frage stellen, ob ein paar Pfennige Lohnerhöhung herausspringen oder nicht. Das ist nicht die Hauptfrage. Aber einfach davon absehen, diese Frage der Verteidigung der konkreten Forderungen negieren - das wäre ein Sektierertum, ein umgestülpter Opportunismus. Genossen, das wäre ein Ansporn für die Bourgeoisie, ihre Angriffe auf die Lebenshaltung der Arbeiter zu verstärken.

Die Ausführungen des Genossen Saefkow waren im allgemeinen richtiger und zweifelsohne interessant für das Plenum. Aber wenn er davon spricht, daß es "einen gewissen Grad von Depression in den Betriebsbelegschaften" gibt, so muß man sagen, es wäre verkehrt, in solchen einzelnen Erscheinungen die Ursache für die Schwäche unserer Erfolge in der Frage der Kämpfe zu suchen. Umgekehrt: Unsere Schwächen sind die Ursache für solche Stimmungen, falls sie vorhanden sind. Um keinen Preis darf man sich hinter den Massen verstecken. Saefkow hat das zwar nicht getan, aber es besteht eine gewisse Gefahr, daß sich solche Schlußfolgerungen daraus ergeben können.

Eine zweite Frage: Genosse Saefkow sagt: "Die Fluktuation ist die Ursache, daß das innere Leben der RGO und der roten Verbände nicht so vorhanden ist, wie es sein muß."

Umgekehrt wäre es richtig gewesen. Eben dadurch, daß ein so schwaches inneres Leben vorhanden ist, dadurch entsteht die Fluktuation. Auch aus dieser Tatsache gilt es praktische Konsequenzen zu ziehen.

Ebenso war ein schwacher Punkt in den Ausführungen des Genossen Selbmann, der in der Angelegenheit der Entsendung von Delegationen auf die reformistischen Gewerkschaftsbüros, den Fehler der sächsischen Bezirksleitung verteidigen wollte. Dazu muß man sagen: Nur ja keine Neuauflage der Theorie “Zwingt die Bonzen!” Die sächsischen Genossen sollten diesen Fehler selbstkritisch sofort korrigieren.

Die Umstellung der Betriebsarbeit im ganzen Leben der Partei, wie sie in der Resolution und im Referat gefordert wurde, ist keine Kleinigkeit. Genosse Ulbricht hat in der Diskussion sehr stark versucht, an Hand von Beispielen und Tatsachen anfeuernd und belebend auf die Arbeit der Partei in dieser Hinsicht einzuwirken. Ebenso Genosse Schulte. Auch Genosse Schehr hat gleichfalls konkrete Beispiele aus den Erfahrungen in Braunschweig und dem ganzen Bezirk vorgetragen, die einerseits die Erfolge, in der Frage des politischen Massenstreiks und auch erfolgreicher ökonomischer Streiks, andererseits Schwächen der Arbeit beleuchten. Das Plenum muß in die gesamte Partei einen solchen Geist hineintragen, daß die Beschlüsse in dieser Frage unverzüglich und mit größter Energie in Angriff genommen und gemeinsam mit den schöpferischen Kräften der Massen zur Durchführung gebracht werden.

Zur Arbeit unter den Erwerbslosen

Einiges zur Erwerbslosenfrage:

Wir haben 6 1/4 Millionen Erwerbslose in Deutschland. Gestern brachte eine Zeitung die Meldung, daß wir daneben etwa 6 Millionen Kurzarbeiter haben. Angesichts dieser riesigen Millionenarmee muß man untersuchen, wieso es trotzdem keine nennenswerten Massenaktionen der Erwerbslosen gibt.

Welche praktischen Möglichkeiten bestehen, um diese Arbeit zu fördern?

Erstens: Eine bessere Verbindung mit den Betrieben muß geschaffen werden.

Zweitens: Eine offensive Linie in der Richtung der Erwerbslosenforderungen, vor allem der Forderung nach Arbeitslosenversicherungen auf Kosten der Unternehmer.

Drittens: Zäheste Verteidigung aller bestehenden Einrichtungen und Kampf für ihren Ausbau, für die Erfüllung der Erwerbslosenforderungen.

Viertens: Stärkste politische Arbeit unter den Erwerbslosen, ihre Heranziehung zu allen Kampagnen, Einsatz der Erwerbslosen bei Streiks, im antifaschistischen Massenkampf usw., zur Entfaltung eines größeren politischen Lebens unter den Erwerbslosen.

Fünftens: Ausnutzung der Erwerbslosenarbeit zum Einbruch in die Massen der freigewerkschaftlich organisierten Arbeiter.

Sechstens: Gegen den “Arbeitsbeschaffungs”-Schwindel des ADGB und stärkste Mobilisierung für unsere Erwerbslosenforderungen.

Die Disposition der Kräfte im Lager der Bourgeoisie

Einige Bemerkungen zur Disposition der Kräfte im Lager der Bourgeoisie. Genosse Duddins hat zu dieser Frage einige Ausführungen gemacht, auf Grund deren einige Bemerkungen notwendig sind. Welche Partei vertritt am entschlossensten den Kurs des Finanzkapitals? Zweifelsohne die Deutschnationalen. Darum sagen wir, daß Hugenberg der Einpeitscher und Antreiber des faschistischen Kurses des Finanzkapitals ist. Darum arbeiten wir auch in der Resolution heraus, daß Hugenberg sich in den Nationalsozialisten die Massenbasis geschaffen hat. Gegenwärtig sind nach langem Zögern die Kandidaten der Bourgeoisie zu den Reichspräsidentenwahlen benannt worden. Die Deutschnationalen mit dem Stahlhelm und die Nationalsozialisten stellen gesonderte Kandidaturen auf. Bedeutet das einen Widerspruch zu unserer Auffassung, wonach die Nazis die Massenbasis für Hugenberg abgeben? Keineswegs! Hier handelt es sich bei den verschiedenartigen Kandidaturen im Lager der Bourgeoisie einerseits um taktische Manöver, andererseits um eine gewisse Konkurrenz, die aber wie Lenin einmal gesagt hat, nicht über die Konkurrenz zweier Sektionschefs in einem Büro hinausgeht. Die Sonderkandidatur der Nazis und der Deutschnationalen erleichtert zum Beispiel der SPD ihre Parole, Hindenburg zu wählen.

Umgekehrt bringt die Hitler-Kandidatur auch eine gewisse Entspannung bei den nationalsozialistischen Anhängern, die sonst teilweise rebellieren würden. Die Duesterberg-Kandidatur des Stahlhelm schließlich ist praktisch eine Wahlhilfe für Hindenburg. Das Proletariat darf sich von diesem ganzen Spiel und Konkurrenzkampf nicht bluffen lassen.

Und wie stellt sich nun die Rolle des Zentrums dar? Das Zentrum kann seine heutige Funktion als führende Regierungspartei vor allem deshalb zunächst behaupten, weil es, wie wir in unserer Resolution sagen, "als einigender Faktor der Faschisierung" am besten die wechselseitige Ausnutzung der SPD und der Nazis ermöglicht.

Zur Frage des Luxemburgismus

Nur einige Bemerkungen zur Frage des Luxemburgismus. Man kann darauf verzichten, in dieser Frage sich ausführlicher mit dem Genossen Münzenberg auseinanderzusetzen, weil erstens seine Erklärungen hier vorliegt, in der Münzenberg die Unrichtigkeit seiner Äußerung über das Verhältnis Rosa Luxemburgs zum Leninismus selbst feststellt, obwohl es sich hier um eine Unklarheit in einer Frage handelt, die in der letzten Zeit öfter gestellt wurde. Es ist unmöglich, die Fehler Rosa Luxemburgs mit den objektiven Verhältnissen im Deutschland der Vorkriegszeit zu rechtfertigen.

Lenin und die deutsche Arbeiterklasse

Zur weiteren Klärung dieses Problems möchte ich noch einen Artikel des Genossen Lenin zur Stellung Rosa Luxemburgs in der russischen Parteidiskussion erwähnen. Es handelt sich um jenen Artikel, von dem Lenin in seinem Brief an August Bebel spricht, auf den ich schon im Referat hingewiesen habe. Lenin hat diesen Artikel in deutscher Sprache geschrieben und der "Neuen Zeit" übersandt, aber Kautsky lehnte die Aufnahme ab. Der Artikel, der in seiner deutschen Fassung bisher nur in der russischen Ausgabe der Werke Lenins erschienen ist, enthält u.a. folgende Sätze:

Die Artikel der Genossin Rosa Luxemburg in den Nummern 42/43 der "Neuen Zeit" üben eine Kritik über mein russisches Buch die Krise in unserer Partei. [...] Die Genossin Rosa Luxemburg unterschiebt mir geradezu den Gedanken, daß alle Vorbedingungen zur Durchführung einer großen und äußerst zentralisierten Arbeiterpartei in Rußland bereits vorhanden sind. Wieder eine tatsächliche Unwahrheit. Nirgends in meinem Buch habe ich diesen Gedanken ausgesprochen, geschweige vertreten. Etwas anders lautete und lautet die von mir vertretene These: Ich bestand nämlich darauf, daß alle Vorbedingungen bereits vorhanden sind, um die Beschlüsse des Parteitags anzuerkennen, und daß schon die Zeit vorbei sei, ein Parteikollegium durch einen Privatzirkel zu ersetzen. Ich brachte die Beweise ein, daß gewisse Akademiker in unserer Partei ihre Inkonsequenz und Unstandhaftigkeit offenbarten, und daß sie gar kein Recht hatten, ihre Disziplinlosigkeit in den Schuh der russischen Proletarier zu schieben. Die Arbeiter Rußlands haben schon oft, bei den verschiedensten Gelegenheiten sich für das Befolgen der Parteitagsbeschlüsse ausgesprochen. Es ist geradezu lächerlich, wenn die Genossin Luxemburg eine dahingehende Äußerung für eine “optimistische” erklärt. [...] Rosa Luxemburg will über die jetzige Lage unserer Partei sprechen und ignoriert dabei vollständig unseren Parteitag, der eigentlich den echten Grundstein unserer Partei gelegt hat. [...] Genossin Rosa Luxemburg ignoriert majestätisch die konkreten Tatsachen unseres Parteikampfes und deklamiert großmütig über Fragen, die unmöglich ernst diskutiert werden können. [...] Der Leser, der sich die Mühe nehmen wird, die Urquellen unseres Parteikampfes kennen zu lernen, wird leicht begreifen, daß die Äußerungen der Genossin Rosa Luxemburg über den Ultrazentralismus, über die Notwendigkeit einer stufenweisen Zentralisation u. d. m. konkret und praktisch ein Spott über unseren Parteitag sind, abstrakt und theoretisch (wenn hier von einer Theorie die Rede sein kann), nichts als eine Verflachung des Marxismus, als Mißbrauch der wirklichen Marx’schen Dialektik usw. sind.

Dieser Artikel, den die deutsche Sozialdemokratie unter der Führung Bebels und Kautskys den deutschen Arbeitern vorenthielt, zeigt in klarster Form die Fehler Rosa Luxemburgs und die Methode Lenins, der ihre große Bedeutung als Revolutionärin anerkannte und sich trotzdem nicht scheute, gegen ihre falschen Auffassungen den schärfsten prinzipiellen Kampf zu führen. Auch hier erhärtet sich die Tatsache, die sich ja aus der gesamten Geschichte und Praxis der bolschewistischen Partei ergibt: Allein der Bolschewismus verkörperte in der II. Internationale die bedingungslose Anwendung und Fortführung des Marxismus, die Verwirklichung des Vermächtnisses von Marx und Engels. Um diese internationale Rolle des Bolschewismus handelt es sich, auf sie hat uns jetzt vor allem der Brief des Genossen Stalin mit größtem Nachdruck hingewiesen. Das war die große Tatsache, auf die Genosse Neumann hingewiesen hat, daß der Leninismus der Marxismus in der Epoche des Imperialismus und der Weltrevolution ist, der entsprechend der Situation und den geschichtlichen Aufgaben angewandt und fortentwickelt wurde, auf der Grundlage der wissenschaftlichen Fundamente, die Marx und Engels gegeben hatten. Wenn der Genosse Münzenberg sagt, wie er selbst während des Krieges mit Lenin zusammen war, so muß man die Frage um so schärfer stellen. Es gibt bei uns Genossen, die nicht eine solche Schule durchgemacht haben.

Parteiprogramm und Parteigeschichte

Einige Worte zu den Fragen unseres Programms und der Parteigeschichte. Wir haben bereits im November vorigen Jahres im Polbüro gemäß einem Beschluß des VI. Weltkongresses, der die Sektionen verpflichtet, bis zum VII. Weltkongreß einen Programmentwurf auszuarbeiten, diese Frage gestellt. Vorarbeiten sind bereits eingeleitet. Die heutige Plenartagung des Zentralkomitees wird durch ihren Beschluß eine besondere Programmkommission zu wählen haben.

Ferner die Frage der Parteigeschichte. Wir haben gleichfalls beschlossen, daß wenigstens der erste Abschnitt der Parteigeschichte bis zum Spaltungsparteitag der USPD in Halle in Angriff genommen wird. Das heißt also, daß wir schon heute Materialien zusammenstellen müssen, um gemeinsam an diese schwierige und verantwortungsvolle Arbeit heranzugehen.

Noch einige abschließende Bemerkungen zur ideologischen Offensive: Das Wichtigste, was wir erkennen müssen, ist die Frage der Verbindung der ideologischen Offensive mit der revolutionären Praxis. Die ideologische Offensive dient auf der ganzen Linie der Hebung unserer revolutionären Massenarbeit. Die ideologische Offensive ist unentbehrlich vom Standpunkt der revolutionären Praxis. Sie ist unlöslich verbunden mit der revolutionären Selbstkritik.

Bolschewistische Selbstkritik heißt Kontrolle und Hilfe

Es ist hier von einigen Genossen ausgesprochen worden, daß es Tendenzen gibt, die Kritik abzuschwächen, über Fehler gutmütig hinwegzugehen oder sie zu verkleinern. Wir wären keine Bolschewiki, wenn wir solchen Tendenzen nachgeben würden. Und wir geben hier für unsere Plenartagung die ernste Erklärung ab, daß die Wachsamkeit der Partei bei der Durchführung ihrer Generallinie, die bolschewistische Wachsamkeit an der theoretischen Front, wie in der praktischen Arbeit bestehen bleibt, und daß wir die bolschewistische Selbstkritik als eine Methode anwenden werden, die nicht allein Kontrolle bedeutet, sondern auch Hilfe, um die Partei kameradschaftlich zu erziehen und vorwärts zu führen.

Noch ein letztes Wort zur Frage der "Eisernen Front". Aus der Diskussion hat sich klar ergeben: Die "Eiserne Front", dieses groß angelegte Manöver der Sozialdemokratie, das zugleich dazu dient, Terrororganisationen, Bürgerkriegsorganisationen des Sozialfaschismus heranzuziehen, hat eine außerordentliche Bedeutung. Es ist der SPD, den reformistischen Gewerkschaften und dem Reichsbanner gelungen, bei einem Teil ihrer Anhänger Illusionen zu erwecken. Auch dies bestätigt wiederum unsere Auffassung, daß die Partei durch die Verschärfung ihres prinzipiellen Kampfes lernen muß, die Lügenmanöver der Sozialdemokratie zu zerschlagen.

Offensive Verteidigung der Partei gegen den Klassenfeind

Ich komme zum Schluß, Genossen. Noch einige Worte zur Frage der Verteidigung der Partei gegen den Klassenfeind. Ich habe schon im Referat darauf hingewiesen, daß der Lügenfeldzug gegen die Sowjetunion sich verstärken wird. Ich verweise hier auf die Tatsache, daß zum Beispiel die sozialdemokratische "Chemnitzer Volksstimme" vor einiger Zeit ein von A bis Z gefälschtes Protokoll über eine angebliche Tagung der Kommunistischen Internationale veröffentlichte ‑ eine solche Tagung hat niemals stattgefunden ‑ auf der angeblich Genosse Manuilski gesprochen haben soll. Es heißt in diesem “Protokoll”, daß die Kommunisten "mit voller Absicht den Nazis die Staatsmacht ausliefern wollen, damit sie die Sozialdemokratie, die Gewerkschaften und den sozialdemokratischen Einfluß liquidieren, das heißt zertrümmern". Hitler sei "im gegenwärtigen Abschnitt der Entwicklung der deutschen Revolution unser unzweifelhafter Bundesgenosse". Das alles soll Genosse Manuilski gesagt haben.

Genossen, diese Lügen sind ein bißchen zu plump gemacht. Aber das ist nur erst der erste Anfang. Wir werden noch ganz andere Tatsachen dieser antibolschewistischen Lügenoffensive erleben, die sich verstärkt, je aktiver die Bourgeoisie das Problem des Interventionskrieges gegen die Sowjetunion stellt.

Genossen, wir sind ein Teil der Kommunistischen Weltpartei in einem Lande, das wir als eines der schwächsten Glieder des imperialistischen Weltsystems auffassen, in einem Lande, in dem sich die ökonomische Krise mit den Erschütterungen des Versailler Vertrages immer mehr verflicht. Auf uns ruht eine besondere historische Verantwortung. Und dieses Plenum muß ein Schritt vorwärts sein, um unsere großen Aufgaben zu lösen, die sich aus der Situation ergeben.

Geht an die Arbeit, verstärkt die Fühlung mit den Massen der Arbeiterklasse, erweitert und erhöht die Aktivität der Partei und der Massen. Im Rahmen der Kämpfe, die vor uns stehen, müssen die Voraussetzungen schaffen werden, daß wir niederringen die Diktatur der Bourgeoisie und zum Siege marschieren für die Diktatur des Proletariats!

 

 

 

 

 



[1]. Das Referat wurde veröffentlicht in einer Broschüre mit dem Titel "Ernst Thälmann. Der revolutionäre Ausweg und die KPD. Rede auf der Plenartagung des ZK der KPD am 19. Februar 1932 in Berlin. Hrsg. ZK der KPD. Berlin o. J. [1932]." Allerdings fand die Tagung vom 20. bis 23. Februar statt. So in Inprekorr Nr. 19 vom 1. 3. 1932, S. 542 ff.: "Die Lage in Deutschland und die Aufgaben der KPD", Resolution beschlossen auf der Tagung des ZK der KPD vom 20.‑23. Februar 1932 in Berlin."

[2]. Cf. http://www.deutsche-kommunisten.de/Ernst_Thaelmann/Band3/thaelmann-band3-030.shtml.

[3]. Marx: "Kapital", 3. Band, I, S. 276 bis 285.

[4]. Stalin: "Probleme des Leninismus", 1. Band, Seite 19.

[5] Cf. 1931_12_xx

[6]. S. 19.

[7]. Band 1, S. 30.

[8]. "Über Gewerkschaften", S. 37/38.