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Politbüro des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Deutschlands

Resolution:
Die gegenwärtige Lage in Deutschland und die Aufgaben der KPD

10. Oktober 1933

 

 

Quelle:

Rundschau über Politik, Wirtschaft und Arbeiterbewegung, Basel, Nr. 40/27.10.1933, S. 1541‑1543.

Abgedruckt in:

Dokumente des ZK der KPD 1933-1945. Offenbach, Verlag Olga Benario und Herbert Baum, 2002. S. 78‑80.

 

 

 

 

 

 

Erstellt: Januar 2013

Druckversion
KPD 1918 1945 - Inhalt

 

 

 

 

 

 

Vor acht Monaten, unter den Verhältnissen der außerordentlichen Verschärfung der politischen und wirtschaftlichen Lage in Deutschland, übergab die deutsche Bourgeoisie die Verwirklichung der offenen faschistischen Diktatur an Hitler und seine nationalsozialistische Partei. Die acht Monate des Bestehens der Blut- und Hungerregierung Hitler-Goering-Göbbels[1] haben im vollen Umfange bestätigt, daß die brutale hemmungslose faschistische Diktatur keine einzige politische und wirtschaftliche Krage des heutigen Deutschlands zu lösen vermag.

Die Übergabe der Macht an die Nationalsozialisten war hervorgerufen durch den Bankrott aller alten, bürgerlichen Parteien, die sich als unfähig erwiesen haben, der Steigerung der Voraussetzungen der revolutionären Krise in Deutschland Einhalt zu tun. In einer Situation, wo die schwerste Wirtschaftskrise und unerträgliche Ausbeutung der Werktätigen durch das deutsche und das Auslandskapital einen Sturm des deutschen Nationalismus entfesselt und das aus Verschulden der Sozialdemokratie gespaltene Proletariat sich als nicht stark genug erwiesen hatte, um diese Massen zu führen und der faschistischen Offensive sofortige Abwehr zu erteilen, gelang es der nationalsozialistischen Partei durch ihre nationalistische Demagogie, Millionenmassen des Kleinbürgertums und der Bauernschaft auf ihre Seite zu ziehen. Die Nationalsozialistische Partei sollte die Steigerung der Voraussetzungen der revolutionären Krise unterbinden und Deutschland vor der Wirtschaftskatastrophe retten. Angesichts der Zerrüttung des ganzen politischen Systems Deutschlands müssen die Faschisten, die ihren Sieg mit Hilfe verlogener nationalistischer Demagogie errungen halten, diese Demagogie, als sie an der Macht waren, weiter fortsetzen und sich auch weiterhin auf die nationalistische Bewegung der Massen gegen Versailles sowie gegen die korrumpierte Bürokratie der Weimarer Republik stützen. Um ihren Einfluß in den kleinbürgerlichen Massen nicht zu verlieren und sie gegen das Proletariat zu führen, gebürdeten sich die Faschisten als Revolutionäre, sprachen von “Sozialismus”, stempelten die nationalsozialistische Reaktion und den faschistischen Terror zur “nationalen Revolution”, versprachen einen Vierjahresplan zur Liquidierung der Erwerbslosigkeit und Not, versprachen die Wiederherstellung des kleinbürgerlichen Eigentums, organisierten Aktionen gegen die den Massen verhaßte Weimarer Republik und versuchten, den nationalistischen Gefühlen in Aktionen gegen das jüdische Kleinbürgertum Luft zu machen. Doch das Finanzkapital, dieser wirkliche Herr in der faschistischen Regierung und im Lande zwang bereits die Nationalsozialisten angesichts des fortdauernden Wachstums der Wirtschaftskrise, die “nationale Revolution” für beendet zu erklären und ihre Tätigkeit auf Fragen der “nationalen Winterhilfe” zu beschränken ‑ einer Unterstützung, die die reale staatliche Unterstützung erwerbsloser Arbeiter und Angestellter, sowie der hilfsbedürftigen Bauernmassen und des städtischen Kleinbürgertums durch elende Almosen ersetzt. Unter diesen Verhältnissen beginnt der Einfluß der nationalistischen Demagogie der Faschisten rasch abzunehmen. Die Regierung Hitler- Goering-Göbbels entlarvt sich vor den Massen immer mehr als Regierung des Finanzkapitals und des Junkertums. Durch ihre Abenteuerpolitik treibt sie alle inneren und äußeren Widersprüche des deutschen Kapitalismus auf die Spitze und führt Deutschland der Katastrophe entgegen. In der vom Faschismus vollkommen entrechteten Arbeiterklasse wächst, ungeachtet des schlimmsten, blutigsten Terrors, ein ungeheurer revolutionärer Aufschwung heran. Die Massen des städtischen Kleinbürgertums und der Bauernschaft beginnen bereits zu durchschauen, daß sie von den Nationalsozialisten betrogen wurden.

Die “Nationalsozialistische” Partei brachte es zu Einfluß unter dem städtischen Kleinbürgertum und den Bauernmassen in erster Linie durch ihre nationalistische, chauvinistische versaillesfeindliche Demagogie. Doch in den verflossenen acht Monaten hat die Hitler-Regierung bereits praktisch bewiesen. daß sie unfähig ist, das Versailler Joch abzuschütteln, ebenso wenig wie den “Anschluß” Österreichs durchzufahren, die Frage des polnischen Korridors und anderer, durch den Versailler Vertrag von Deutschland abgetrennter Gebiete zu lösen. Das vermag nur die siegreiche, proletarische Revolution in brüderlichem Bündnis mit den Proletariern der anderen Länder. Die Hitler-Regierung verschärfte die Beziehungen Deutschlands ausnahmslos zu sämtlichen Staaten und führte zur neuerlichen Schwächung der außenpolitischen Position Deutschlands. Sie machte Deutschland zur Hauptquelle steter Kriegsgefahr in Europa.

Zur Vorbereitung des imperialistischen Krieges, zur Niederwerfung des Widerstandes der Massen, zur Enthauptung und Zerschlagung des deutschen Proletariats eröffneten die Faschisten den Bürgerkrieg im Lande. Zur Vorbereitung ihrer militärischen Pläne der Neuaufteilung Europas und zur Erwerbung von Kolonien für das deutsche Kapital betraten sie den Weg fieberhafter Aufrüstung Deutschlands. Die faschistische Regierung erblickt in der Sowjetunion, wo das Wachstum des Sozialismus den werktätigen Massen Deutschlands den Sturz der faschistischen Diktatur und die Aufrichtung der Macht der Arbeiterklasse als den einzigen Ausweg aus Erwerbslosigkeit, Elend und Not zeigt, ihren Hauptfeind und führt daher eine wütende Lügen- und Hetzkampagne gegen sie. Die faschistische Regierung zerstört die seit einem Jahrzehnt bestehenden wirtschaftlichen Beziehungen mit der Sowjetunion, die Millionen deutschen Werktätigen Arbeit und Brot gegeben und organisiert einen Kriegszug gegen die Sowjetunion. Diese Politik der Kriegsvorbereitung bürdet den Werktätigen Deutschlands im Interesse des Finanzkapitals und des Junkertums ein neues, im Vergleich zu Versailles, noch schwereres militärisches Joch der Ausbeutung auf und bedeutet für Hunderttausende deutscher Jugendlicher die Knechtung in den Arbeitsdienstlagern. Die Massen, die von der Beseitigung der Weimarer Koalition eine Besserung ihrer Lage erwarteten, überzeugen sich praktisch, daß die faschistische Abenteurer- und Kriegspolitik das alte, doppelte Joch keineswegs mildert, sondern im Gegenteil, ihnen eine neue Verschlechterung ihrer Lage, eine weitere, noch schlimmere Knechtung des ganzen Volkes gebracht hat. Vom ganzen nationalen “Befreiungs”-Programm des Faschismus blieb in Wirklichkeit nur die mittelalterliche “Rassen”-Theorie und der Antisemitismus, die dem Faschismus zur theoretischen Grundlage der von der Hitler-Goering- Göbbels-Regierung in Deutschland aufgerichteten neuen Sklaverei dienen.

Um die werktätigen Massen zu betrügen, erklärte die Hitler-Regierung vor acht Monaten, sie werde einen Vierjahresplan zur Überwindung von Not und Erwerbslosigkeit ausarbeiten. Von diesem Plan hat man aber noch nichts gesehen; denn die Bourgeoisie hat keinerlei Plan eines Auswegs aus der Krise, Not und Erwerbslosigkeit. Statt der versprochenen Überwindung der Krise brachte es die Hitler-Regierung zur neuen Verschlechterung der Lage Deutschlands auf dem Weltmarkt, zu einer weiteren Einschrumpfung des Binnenmarktes, zu neuem Wachstum der Erwerbslosigkeit, zu noch rascherer Verelendung der Massen, zum Hinsterben der Werktätigen vor Hunger, Kälte und Krankheiten. Die militaristische Politik des faschistischen Deutschlands verlangt gewaltige Mittel zu Rüstungszwecken. Sie führte zum Abbau der Erwerbslosen-Unterstützung und öffentlichen Ausgaben, zur Auferlegung neuer Lasten auf Arbeiterklasse. Bauernschaft und städtisches Kleinbürgertum, zur faktischen Inflation. Die Zunahme der militärischen Aufträge, die staatliche Förderung des Automobilbaues, der Bau strategischer Bahnen, die Herstellung von Uniformkleidung für Reichswehr, SA und Arbeitsdienstlager-Insassen, die die Regierung in der Periode der saisonmäßigen Frühjahrsbelebung der Wirtschaft und zu Beginn der Saisonarbeiten in der Landwirtschaft begonnen hatte, brachte im Frühjahr eine gewisse Belebung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Bei Verbot der Einwanderung polnischer Landarbeiter, bei der Sendung deutscher Industriearbeiter aufs Land zu landwirtschaftlichen Arbeiten, bei Hineinpressung von fast vierhunderttausend Arbeitern in Arbeitsdienstlager, gab eine kleine Anzahl von Arbeiter-Neueinstellungen in die Betriebe der faschistischen Diktatur die Möglichkeit, von einem Rückgang der Erwerbslosigkeit, von ihrer Überwindung in einer Reihe ländlicher Bezirke als Ergebnis der faschistischen Politik zu sprechen. Dies erweckte Illusionen in einigen Schichten der Bevölkerung und gab den Faschisten die Möglichkeit, sich die Sommermonate durch zu halten. Doch diese Belebung erreichte nicht einmal das Niveau, das andere kapitalistische Länder im laufenden Sommer aufwiesen. Die schwere Finanzlage des Landes, die trotz der unerhörten Ausplünderung der Massen, die Schaffung großer, militärischer Vorräte unmöglich machte, sowie die Schrumpfung des Binnenmarktes und Außenmarktes führten über Erwarten rasch zu einem Rückgang der saisonmäßigen Belebung. Bereits im August und September setzte ein äußerst rascher Rückgang der ganzen wirtschaftlichen Tätigkeit ein. Die Zahl der Erwerbslosen ist bereits höher als in den entsprechenden Monaten des Vorjahres. Die Kartellierung, die trotz sinkender Kaufkraft der Massen die Erhöhung der Industriewarenpreise bezweckt, hat einen weiteren Rückgang von Produktion und Handel, ein weiteres Sinken der Lebenshaltung der Massen, weitere katastrophale Zunahme der Erwerbslosigkeit, weitere katastrophale Verschlechterung der Lage des städtischen Kleinbürgertums und der Bauernschaft zur Folge. Zum weiteren Sinken von Produktion und Handel führt auch die Politik der Regierung auf dem Gebiete der Herabdrückung der Lebenshaltung der Arbeitermassen und der Liquidierung der Erwerbslosenversicherung. Die Krise verschärft sich immer weiter und absolut unerträglich. Die Werktätigen Deutschlands haben einen noch schwereren Winter zu erwarten, als 1932/1933. Die agitatorischen Behauptungen der Faschisten, diesen Winter werde kein Deutscher- Kälte und Hunger leiden, sind nur ein krampfhafter Versuch, die wirkliche, äußerst zweifelhafte Lage des faschistischen Deutschlands vor der Außenwelt zu verschleiern.

Hand in Hand damit geht eine Verschlechterung der Lage des städtischen Kleinbürgertums und der Bauernschaft, hervorgerufen durch das Schrumpfen der Marktes und die sinkende Lebenshaltung des ganzen Volkes. Die durch Schließung der Grenzen erreichte Steigerung der landwirtschaftlichen Preise ist von der Steigerung der Industriewarenpreise und den Konsumrückgang längst wieder wettgemacht. Die Finanzlage des Landes verlangt Steigerung der Steuerlast und Revidierung des Schuldenmoratoriums für die Bauern. Dies bedroht Hunderttausende kleiner Bauernhöfe mit Zwangsversteigerung. Die Lage des Handwerks und des Kleinhandels verschlechtert sieh katastrophal. Die Ausschaltung der Konkurrenz des jüdischen Kleinbürgertums hat dem deutschen Kleinbürgertum keinerlei wirtschaftlichen Nutzeffekt gebracht und konnte ihn auch nicht bringen. Das Proletariat, die Bauernschaft, das städtische Kleinbürgertum und die Angestellten fühlen bereits diese erneute Verschlechterung ihrer Lage, hervorgerufen von der faschistischen Diktatur. Die Illusionen der werktätigen Massen, die Regierung Hitler-Goering-Göbbels werde das Land aus der Wirtschaftskrise führen, werde die Lage des Kleinbürgertums und der Bauernschaft erleichtern und die Erwerbslosigkeit beseitigen, schwinden rasch.

Unter diesen Verhältnissen wird es den Werktätigen jeden Tag immer klarer, daß der Faschismus die unverhüllte Form der Diktatur des Finanzkapitals und des Junkertums ist, die die Unzufriedenheit der Massen mit der Weimarer Republik ausgenutzt haben, um die revolutionäre Arbeiterbewegung zu zerschlagen, um die Werktätigen zu stummen Sklaven zu machen und die Lage des Finanzkapitals zu festigen. Daher ist ein rasches Wachstum des bereits einsetzenden neuen revolutionären Aufschwungs, ist ein neues Steigen der Streikwelle und der revolutionären Erwerbslosenaktionen, die Abkehr der kleinbürgerlichen und der Bauernmassen vom Faschismus unvermeidlich. Alle Kräfte der faschistischen Diktatur zittern bereits vor dem unaufhaltsamen Wachstum der Kräfte des Kommunismus, vor der Unausbleiblichkeit ihres eigenen Unterganges. Die den Kopf verlierende faschistische Diktatur sucht in ihrer Ohnmacht, die Krise, Not und Erwerbslosigkeit zu mildern und die KPD zu zerschlagen, verzweifelt nach Mitteln und Wegen, um ihr Ansehen im In- und Auslande zu heben. Doch das Wachstum der kommunistischen Bewegung in Deutschland und die abenteuerliche Narrenpolitik der Regierung selbst untergraben das Ansehen der Hitlerregierung unter den breiten Massen in Deutschland und im Ausland. Der wütende Terror gegen Kommunisten und alle oppositionellen Elemente, das System von Provokationen und Fälschungen, die außenpolitischen Abenteuer, die sich im breiten Strom ergießenden verlogenen Berichte über Hunger und Not in der Sowjetunion, in jenem Land, wo die Lebenshaltung der Massen dank der Führung der Kommunistischen Partei mit jedem Monat steigt, dies alle» ist der Ausdruck der Verzweiflung der Sieger, die die kleinbürgerlichen und bäuerlichen Massen durch falsche Versprechungen betrogen haben und heute ihren Einfluß in diesen Massen verlieren. Der nationalsozialistische Parteitag in Nürnberg, der Parteitag einer siegreichen, am Ruder stehenden Partei, bot trotz aller Phrasen über die Zerschlagung des Kommunismus ein Bild des Bankrotts der Versuche, eine Massenstütze der faschistischen Diktatur zu schaffen, war der Ausdruck größter Besorgnis des Finanzkapitals um die Geschicke des deutschen Kapitalismus, hervorgerufen durch die zunehmende Unzufriedenheit der Massen und den wachsenden Einfluß der KPD. Die sklavenhälterischen Theorien über höhere und niedere Rassen, über die Unabhängigkeit von Wahlen und Abstimmungen im “Dritten Reich” sind nichts anderes als Ausdruck der zunehmenden Isolierung der Faschisten und ihrer Furcht vor den Massen. Der Leipziger Prozeß[2], der nach Absicht der Faschisten eine Demonstration ihrer Verdienste im Kampf gegen den Kommunismus, ein Beweis der “Legitimität” ihrer Diktatur sein sollte, gestaltete sich zum größten Reinfall für die Hiller-Goering-Göbbels-Regierung und für das ganze faschistische System. Die Anklage wegen der Reichstagsbrandstiftung kehrte ihre Spitze gegen die Regierung und die Nationalsozialistische Partei. Die ganze Welt sah, daß in Deutschland eine verbrecherische Bande von Brandstiftern und Abenteurern au der Macht steht, die gestürzt »erden muß. Die breiten Massen der Werktätigen sahen, daß es in Deutschland nur zwei Parteien gibt: die Nationalsozialistische Partei, die von einer Abenteurer-Clique angeführt wird und sich auf die starre, von ihr betrogene Masse stützt und die Kommunistische Partei, die weder faschistischen Terror noch Provokationen und Todesstrafe fürchtet und die trotz wütendem Terror die Massen zum Sturz der faschistischen Diktatur um sich schart.

Unter diesen Verhältnissen müssen die Kommunisten ihre Energien verzehnfachen, um die Mehrheit der Arbeiterklasse für den revolutionären Sturz der Regierung von Verbrechern und Abenteurern zu erobern. Die Schaffung der Einheitsfront mit SPD-Arbeitern, die Gewinnung von christlichen, der von den Nationalsozialisten betrogenen und den parteilosen Arbeitern ist die wichtigste und ausschlaggebendste Aufgabe der KPD. Die Kommunisten müssen immer und überall mit den Massen und in den Massen sein, müssen sich an die Spitze der spontan wachsenden Unzufriedenheit stellen, unter ihre Führung alle Kräfte des Proletariats zusammenschließen und durch Entfaltung des revolutionären Kampfes der Arbeiterklasse den breiten Massen des städtischen Kleinbürgertums und der Bauernschaft ein Beispiel zeigen, sie zum Kampf gegen die faschistische Diktatur aufrütteln. Die Kommunisten müssen den Kampf des Proletariats mittels Streik, unter der Führung der von den Arbeitern selbst gewählten Streikleitung organisieren, wobei sich dieser Kampf gegen alle Formen der faschistischen Offensive gegen die Arbeiterklasse, in den Betrieben, gegen Lohnabbau, gegen Verlängerung der täglichen Arbeitszeit, gegen Entlassungen, gegen Zertrümmerung der Tarifverträge, gegen den Terror gegen revolutionäre Arbeiter, und für kommunistische Propaganda richten muß. Die Kommunisten müssen die Erwerbslosen zum Kampf gegen Abbau der Sozialversicherung und den Abbau der Erwerbslosenunterstützung aufrütteln, müssen ihnen klarmachen, daß das im Herbst erneut zu verzeichnende Wachstum der Erwerbslosigkeit den Bankrott der ganzen nationalsozialistischen Politik beweist, müssen Komitees zur Verteidigung der Interessen der Erwerbslosen organisieren, die Kommunisten müssen revolutionäre Arbeit in den gleichgeschalteten Gewerkschaften leisten und bestrebt sein, die einzelnen Gewerkschaften, Branchen und Ortsgruppen durch Kampf gegen ihre Faschisierung zu erobern, in der NSBO[3] ebenfalls revolutionäre Arbeit leisten, die ihr angehörenden Arbeiter zum Kampf gegen den Faschismus aufrütteln und den Massen den konterrevolutionären Charakter dieser Organisation aufzeigen. Die Kommunisten müssen überall und immer mit den Massen und in den Massen sein, um gleichzeitig dort, w« die Bedingungen dazu reif sind, illegale, vom faschistischen Staat und von der SPD unabhängige revolutionäre Gewerkschaften schaffen.

Die Kommunisten, die um ein Kampfbündnis aller Werktätigen zum Sturz der faschistischen Diktatur kämpfen, müssen unter den werktätigen Massen der Bauernschaft und des städtischen Kleinbürgertums eine verstärkte Propaganda treiben. Die Kommunisten fordern die Bauern auf, sich zu organisieren, Bauernkomitees für kollektive Verweigerung des Pachtzinses und der Steuern, für Verhinderung der Versteigerungen, für Vertreibung der Junker von ihren Gütern, für Inbesitznahme des grundherrlichen Bodens durch Landarbeiter und landarme Bauern zu schaffen. Die Kommunisten müssen die werktätigen Schichten des städtischen Kleinbürgertums auffordern, sich zur kollektiven Steuerverweigerung an den Staat, zur Zinsenverweigerung an die Banken zu organisieren, durch die Schaffung eigener Komitees und durch Verständigung mit den Arbeitern über Verteidigung gegen Zwangsversteigerung ihrer Habe. Überall, wo die werktätigen Massen sich zum Kampfe erheben, müssen die Kommunisten in den ersten Reihen stehen, die Losungen formulieren und ihre erprobten Organisationsformen in Vorschlag bringen.

Die von den Faschisten aus den Apparaten des Staates, der Kommunen, Genossenschaften, Gewerkschaften und der Sozialversicherung vertriebene SPD setzt die Politik der Spaltung der Arbeiterbewegung und der Organisierung einer konterrevolutionären Einheitsfront mit der Bourgeoisie gegen die revolutionäre Einheitsfront des Proletariats fort. Bei der Schaffung ihrer illegalen Organisationen macht sie es zu ihrem Hauptziel, eine Stütze zum Kampf gegen den Übergang der Massen ins kommunistische Lager und gegen die bevorstehende proletarische Revolution in Deutschland im Interesse der Verteidigung des deutschen Kapitalismus, gegen die Offensive der proletarischen Massen zu schaffen. Dies ist in der gegenwärtigen Situation ihre Rolle als soziale Hauptstütze der Bourgeoisie. Daher müssen die Kommunisten in ihrem Kampfe um die revolutionäre Einheitsfront der kommunistischen und der SPD-Arbeiter und um die Einbeziehung der christlichen, parteilosen und der vor den Nationalsozialisten betrogenen Arbeiter in den revolutionären Kampf gegen die faschistische Diktatur, die Verderblichkeit der SPD-Politik sowohl vor, wie während des imperialistischen Krieges als auch ganz besonders in den vierzehn Jahren der Weimarer Republik aufzeigen. Die Kommunisten müssen die Arbeiterklasse überzeugen, daß die Wiederherstellung der SPD-Organisationen und der sozialdemokratischen Führung der Gewerkschaften unzulässig und für die Sache der Arbeiterklasse schädlich ist.

Von der Tätigkeit der КPD hängt es heute mehr denn je ab, wie rasch sich der Kampf gegen die faschistische Diktatur entfaltet, wie rasch sich die Einheitsfront der Arbeitermassen herausbilden und in welchem Maße es dem Proletariat gelingen wird, die kleinbürgerlichen und die Bauernmassen unter seine Führung zu bringen. Die Geschichte gibt jetzt die reale Möglichkeit zur Liquidierung des Masseneinflusses der SPD, dieser Schuldigen am Siege des Faschismus und dieser sozialen Hauptstütze der Bourgeoisie, gibt die Möglichkeit der Wiederherstellung der Einheit der Arbeiterbewegung. Die Kommunisten müssen heute ihre Tätigkeit in den breiten Arbeitermassen in einer Weise entfallen, daß sie zur einzigen Massenpartei des deutschen Proletariats werden, sie müssen sein Kampfbündnis mit dem städtischen Kleinbürgertum und der Bauernschaft festigen, alle antifaschistischen Kräfte des Landes um sich scharen und auf diese Weise die Voraussetzungen für die siegreiche proletarische Revolution, diese wahre Volksrevolution, für den bewaffneten Sturz der faschistischen Diktatur und die Aufrichtung der Macht des Proletariats vorbereiten.

Die proletarische Revolution gegen die faschistische Diktatur in Deutschland steht auf der Tagesordnung. Die Bourgeoisie hat die Macht der reaktionärsten, demagogischsten Partei, den Nationalsozialisten, übergeben. Doch die Illusionen, die Nationalsozialisten könnten die Werktätigen Deutschlands aus Not und Elend führen, zerrinnen wie Sand. Das Proletariat ist aller Rechte beraubt. Der Terror gegen die Massen erreicht ein unerhörtes Ausmaß, Krise und Erwerbslosigkeit steigen mit jedem Monat, der Hunger nimmt zu, während die Speicher sich vor unverkauften Vorräten biegen. Die an der Regierung stehende Partei der Nationalsozialisten steht blutige Wache vor den Magazinen der Kapitalisten und Junker. Die werktätigen Massen überzeugen sich, daß nur die proletarische Revolution, nur die Vernichtung der Macht der ausbeuterischen Klassen, nur der Sturz der faschistischen Diktatur und die Aufrichtung der Macht der Arbeiterklasse, nur der Sozialismus die werktätigen Massen vor dem Verhungern retten kann.

Die Kommunistische Partei, die allein fähig ist, die Massen zu den revolutionären Entscheidungskämpfen. zum Sturz des Kapitalismus und zur Aufrichtung der proletarischen Diktatur vorzubereiten, ist die einzige Partei, die ein Programm der Rettung der werktätigen Massen vor Elend, Not, Hunger und Erwerbslosigkeit hat. Sie wird dieses Programm unverzüglich verwirklichen, sobald die Macht in ihre Hände übergehen wird. Dieses Programm ist das Programm des Sozialismus, das einzige Programm, das den Werktätigen Deutschlands Rettung bringt. Die Kommunisten müssen dieses Programm jedem von Hunger, Erwerbslosigkeit und Not geplagten Proletarier, Bauern und Werktätigen Deutschlands zur Kenntnis bringen. Jeder Kommunist muß den Massen auseinandersetzen, daß die Macht der Arbeiterklasse, die Diktatur des Proletariats in der Form der von allen Arbeitern, Bauern, privaten und staatlichen Angestellten und allen Werktätigen gewählten Sowjets unter der Führung der Kommunisten unverzüglich nach dem Sturz der faschistischen Diktatur folgende Maßnahmen durchführen wird[4]:

1. Sie wird ohne Verzug alle Großbetriebe, Banken, Eisenbahnen, Warenhäuser der Großkapitalisten enteignen und sie zum sozialistischen Volkseigentum machen.

2. Sie wird den ganzen Grundbesitz der Gutsherren, der Kirchen und Kloster, der Hohenzollern, der Fürsten sowie jeden anderen Großgrundbesitz enteignen und ihn samt allem dazu gehörigen Inventar kostenlos unter Bauern und Landarbeiter verteilen.

3. Sie wird die ganze Verschuldung der Arbeiter, der Bauern und des Kleinbürgertums an Banken, Großkapitalisten und Großgrundbesitzer streichen, alle bestehenden Steuern sowohl der Republik als auch der Hitler-Regierung aufheben.

4. Sie wird alle Werktätigen zur Beteiligung an der Staatsregierung auf Grund der proletarischen Demokratie mittels der Sowjets, sowie zur unmittelbaren Kontrolle über Industrie, Banken, Eisenbahnen und landwirtschaftliche Großbetriebe heranziehen.

5. Sie wird alle Häuser, Wohnungen und Villen der Reichen enteignen, die Müßiggänger aus ihnen vertreiben und ihre Wohnungen samt Möbeln und der ganzen Einrichtung den Erwerbslosen, sowie den in schlechten Wohnungen hausenden Werktätigen (Arbeiter, Angestellte, Handwerker usw.) geben.

6. Sie wird alle staatlichen und großkapitalistischen Niederlagen von Lebensmitteln und lebenswichtigen Bedarfsartikeln enteignen und den Erwerbslosen, sowie allen Bedürftigen zur Verfügung stellen, indem die Verteilung an Erwerbslosen-Komitees übertragen wird.

7. Sie wird allen Werktätigen volle Organisations-, Versammlungs- und Pressefreiheit garantieren, indem sie die großen Säle, die Druckereien und alle Papiervorräte ihnen zur Verfügung stellt.

8. Sie wird mit der Sowjetunion ein brüderliches Bündnis schließen, wird alle Werktätigen bewaffnen und eine mächtige revolutionäre Rote Armee schaffen, wird im Bunde mit den Werktätigen der Sowjetunion, Polens, Frankreichs, der Tschechoslowakei und Englands die Abwehr gegen alle Wiederherstellungsversuche des Finanzkapitals und des Junkertums organisieren.

9. Durch die Übernahme sämtlicher Produktionsmittel wird die proletarische Macht die Voraussetzungen für eine noch nie dagewesene wirtschaftliche Blüte des Landes im Interesse der werktätigen Massen, wird neue Voraussetzungen für die Entwicklung des Außenhandels, in erster Linie mit der Sowjetunion schaffen und allen Erwerbslosen Arbeit sichern.

Es beginnt ein neuer Aufschwung der revolutionären Massenbewegung in Deutschland nach der Aufrichtung der faschistischen Diktatur. Die werktätigen Massen sahen mit eigenen Augen den Bankrott aller bürgerlichen Parteien. Einzig und allein die Diktatur des Proletariats, die die breiteste Demokratie für alle Werktätigen ist, kann sie vor der Katastrophe, vor Hunger, Not und Elend retten. Nur der Sozialismus allein bietet den werktätigen Massen einen Ausweg.

Von der Energie, dem Opfermut, der Treue und Initiative eines jeden Kommunisten, von der Fühlung der Kommunisten mit den Massen, von ihrer Fähigkeit, die Massen zum Kampf aufzurütteln und sie zu organisieren, hängt heute die geschichtliche Frist für das Fortbestehen der faschistischen Diktatur ab.

Für Brot, Freiheit und Macht!

Für die Diktatur des Proletariats!

Für den Sozialismus! ‑

unter diesen Losungen müssen die Kommunisten die Massen aufrütteln zum Kampf für den Sturz der faschistischen Diktatur, für die proletarische Revolution, die einzige wahre und breiteste Volks-Revolution!

 

 

 

 

 



[1]. Schreibweise so in der Quelle.

[2]. Am 21. September 1933 wurde in Leipzig der Prozeß betreffend den Reichstagsbrand eröffnet. Georgi Dimitrov, Blagoï Popov und Vassili Tanev waren am 9. März verhaftet und am 24. Juli unter Anklage gestellt worden. Das Urteil wurde am 23. Dezember verkündet. Marinus van der Lubbe wurde wegen Hochverrats und Brandstiftung zum Tode verurteilt und am 10. Januar 1934 hingerichtet. Dimitrov, Popov  und Tanev wurden "wegen Mangels an Beweisen" freigelassen und am 27. Februar 1934 nach der UdSSR ausgewiesen, Der ebenfalls angeklagte Ernst Torgler (von der KPD) wurde gleichfalls freigelassen, blieb aber bis November 1936 in "Schutzhaft".

[3].. Am 1.‑4. August 1929 fand der 4. Kongreß der NSDAP statt. Es wurde die Gründung der “Nationalsozialistischen Betriebszellen-Organisation” (NSBO) beschlossen, die alle Mitglieder der Partei in den Betrieben zusammenschloß. Nach der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur übernahm die NSBO zunächst in gewissere Hinsicht die Rolle der Gewerkschaften, sie wurde jedoch allmählich neutralisiert, und 1936 war ihre Auflösung innerhalb der Deutschen Arbeitsfront vollendet.

[4]. Diese Programmpunkte schließen an die am 24. August 1930 beschlossene "Programmerklärung zur nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes" (cf. den Text ) an. Als am 14. Oktober 1933 die deutsche Reichsregierung den Austritt Deutschlands aus der Genfer Konferenz und dem Völkerbund erklärte, veröffentlichte das ZK der KPD am 7. November einen Aufruf "Nur der Kommunismus bringt die Rettung! Nieder mit der Regierung des Hungers, des Krieges und des Terrors!", der dieses Programm an die Öffentlichkeit brachte (cf. den Text ). Wilhelm Pieck, in seinem Bericht auf dem 13. Plenum des EKKI im Dezember 1933 (cf. den Text ). legte dieses "kommunistische Rettungsprogramm" vor, wobei ein zusätzlicher Punkt 10 gewissen im Aufruf vom 7. November formulierten Stellungnahmen entsprach. Das Programm wurde 1934 als Tarnschrift unter dem Titel "Mondamin - 70 bewährte Rezepte" (S. 14/15) verbreitet. Am 7. Mai 1934 nahm das ZK der KPD eine redaktionell geänderte Fassung dieses Programms an (cf. den Text ).