../../../../img/pag/entete.jpg

Accueil

 

 

English

 

Français

 

Español

 

Plan site

 

 

 

 

 

Deutsch   >   Analysen   >

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wilhelm Pieck

Der Kampf um Demokratie

August 1936

 

 

Quelle:

Die Internationale, Prag, 1936, Nr. 4/5, S. 2‑9.

Abgedruckt in:

Wilhelm Pieck: Gesammelte Reden und Schriften - Band 5 - Februar 1933 bis August 1939. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hg.), Berlin, Dietz, 1972. S. 380‑391.

 

 

 

 

 

 

Erstellt: Januar 2013

Druckversion
KPD 1918 1945 - Inhalt

 

 

 

 

 

 

Die Kommunistische Partei Deutschlands stellt in den Mittelpunkt der Sammlung der deutschen Volksmassen zum Kampf gegen die faschistische Diktatur die Forderung nach demokratischen Rechten und Freiheiten mit dem Ziel des Sturzes der faschistischen Diktatur und der Errichtung und Sicherung einer demokratischen Republik. Dieser Kampf ist untrennbar verbunden mit dem Kampf gegen die provokatorische Kriegspolitik der Hitlerregierung, gegen ihre einzig die Massen belastende und nur auf die Vorbereitung des Krieges eingestellte Wirtschaft, mit dem Kampf um die Sicherung der Existenz des deutschen Volkes und um seine Befreiung von den unerhörten Opfern und Leiden, die ihm das faschistische Regime auferlegt.

Um die Kraft in Deutschland zu schaffen, die fähig ist, das faschistische Regime zu stürzen, erstrebt die Kommunistische Partei die Einheitsfront der Arbeiterklasse, die Verständigung vor allem mit der Sozialdemokratischen Partei über ein gemeinsames Vorgehen und über ein zentrales Einheitsfrontabkommen und ferner die Herbeiführung der antifaschistischen Volksfront durch das Bündnis der Arbeiterschaft mit den übrigen werktätigen Schichten, dem Mittelstand und den bäuerlichen Massen.

Auf ihrer Brüsseler Parteikonferenz im Oktober vorigen Jahres hat sich die Kommunistische Partei Deutschlands mit einem Manifest an das werktätige Volk und an die für diesen Kampf und für die Schaffung der Einheitsfront und der Volksfront in Frage kommenden Parteien, Gruppen und Persönlichkeiten gewandt[1]. In diesem Manifest sind die wichtigsten Forderungen für den antifaschistischen Kampf aufgestellt worden: Freiheit des werktätigen Volkes, Erhaltung des Friedens, Sicherung der Existenz des deutschen Volkes.

Die Kommunistische Partei stützte sich bei diesem Manifest auf die durch die Errichtung der faschistischen Diktatur völlig veränderte Lage in Deutschland. Es wurden nicht nur alle antifaschistischen Parteien unterdrückt oder in die Illegalität getrieben, es ist auch das gesamte werktätige Volk in seiner Existenz auf das äußerste bedroht. Durch die faschistischen Kriegsprovokationen ist die Gefahr des Ausbruchs eines neuen Weltkrieges sehr akut geworden. Das Manifest beruht auf der Erkenntnis der Notwendigkeit, daß zur Erhaltung des Friedens der Zusammenschluß aller Gegner des Hitlerregimes, vor allem der werktätigen Schichten, in der Einheits- und Volksfront die unbedingte Voraussetzung ist.

Diese Erkenntnis hat sich seitdem sowohl in der Sozialdemokratie wie unter den katholischen Massen und auch [bei] Teilen der bürgerlichen Intelligenz verbreitet. In der Emigration wurde von führenden Kräften der von Hitler unterdrückten Parteien und der bürgerlichen Intelligenz ein Ausschuß zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront gebildet, der für Anfang Februar dieses Jahres eine größere Tagung von Hitlergegnern nach Paris einberief. Auf dieser Tagung trat in den Vordergrund der Debatten die Frage, was für eine Regierung nach dem Sturz Hitlers geschaffen werden soll. Es wurde eine Kommission eingesetzt, die ein Programm dafür ausarbeiten soll.

Es ist kein Zufall, daß die Frage, was für eine Regierung nach Hitler kommen soll, in den Vordergrund der Diskussion trat. Es hat seine Ursache darin, daß die Schaffung der Einheits- und Volksfront ohne die Kommunisten nicht möglich ist, diese aber grundsätzlich für die proletarische Diktatur sind, weil nur dadurch der Sozialismus verwirklicht werden kann. Die proletarische Diktatur wird aber von den übrigen an der Schaffung der Einheits- und Volksfront interessierten Parteien oder denen, die dafür gewonnen werden sollen, abgelehnt. Die Klärung der Frage, welches Regime nach dem Sturz der Hitlerdiktatur kommen soll, ist also eine wesentliche Voraussetzung für das Zustandekommen der Einheits- und Volksfront. Auf der Grundlage der Forderung nach der proletarischen Diktatur wäre das unter diesen Umständen nicht möglich. Andererseits entspringt diese Frage der Sorge, daß, selbst wenn diese Front für den Sturz der Hitlerdiktatur geschaffen würde, sie sofort nach Erreichung dieses Zieles am Kampf um das kommende Regime zerbrechen würde, also zu einem Zeitpunkt, da sie alles an die Sicherung des Sieges setzen müßte. Damit würde nicht nur der Sieg in Frage gestellt, sondern den faschistischen Kräften wieder die Möglichkeit gegeben werden, in folge der Uneinigkeit in der antifaschistischen Front ihre Macht wieder aufzurichten.

Wir Kommunisten wollen aber alles daransetzen, die Einheits- und Volksfront schaffen zu helfen, weil nur dadurch der Hitlerfaschismus gestürzt, dem deutschen Volk der Friede erhalten werden kann und Freiheit und Recht errungen werden können. Wir haben diese Lehre aus der Tatsache gezogen, daß die Aufrichtung der faschistischen Diktatur nur infolge der Zersplitterung der antifaschistischen Kräfte möglich war. Es ist auch unbestreitbar, daß keine der antifaschistischen Parteien allein imstande ist, die für den Sieg über die faschistische Diktatur erforderlichen Kräfte zu mobilisieren.

Gerade die schnell wachsende Kriegsgefahr stellt die Dringlichkeit der Schaffung der Einheits- und Volksfront mit aller Schärfe. Wir Kommunisten sind uns der gewaltigen Aufgabe, die der Sturz der faschistischen Diktatur bedeutet, durchaus bewußt. Wir wissen, daß für deren Erfüllung die Zusammenfassung aller antifaschistischen Kräfte in breitester Front notwendig ist. Soll aber diese Front zustande kommen, so müssen die Kommunisten bei der Aufstellung der Kampfforderungen und der Kampfziele auf die Stimmungen der Massen und auf die politischen Auffassungen ihrer Partner, mit denen die Volksfront geschaffen werden muß, Rücksicht nehmen.

Diese Rücksichtnahme bedeutet aber keineswegs den Verzicht auf die Propaganda unter den werktätigen Massen für unsere revolutionären Grundsätze. Aber wir wissen auch, daß mit einer solchen Propaganda allein die Hitlerdiktatur nicht gestürzt werden kann. Notwendig ist es, eine solche Politik zu machen, durch die die breitesten Massen des deutschen Volkes zum Kampf gegen die Hitlerdiktatur zusammengeschlossen werden. Wir müssen dafür Forderungen und Kampfziele aufstellen, die von den Volksmassen als real und in ihrem Interesse liegend empfunden und die von den anderen führenden Kräften in der Einheits- und Volksfront akzeptiert werden. Wir müssen also eine Verständigung mit ihnen über diese Forderungen und Ziele herbeiführen.

Zu den Forderungen, die unter der Auswirkung der unerhörten Unterdrückung der Volksmassen durch den Hitlerfaschismus von diesen als besonders aktuell empfunden werden, gehören die Forderungen nach demokratischen Rechten und Freiheiten. Diese Forderungen sind geeignet, die breiteste Kampffront gegen den Faschismus zu schaffen, weil alle Schichten des werktätigen Volkes und sogar Teile des Bürgertums von der faschistischen Unterdrückung und Entrechtung betroffen sind.

 

Im Manifest der Brüsseler Parteikonferenz wurden folgende demokratische Forderungen aufgestellt:

Wir stellen an die Spitze des Programms den Kampf für die Freiheit des werktätigen Volkes, für die Wiederherstellung demokratischer Freiheiten und Rechte, für volle Organisations-, Versammlungs- und Pressefreiheit, für Glaubens- und Gewissensfreiheit, für Gleichheit aller Staatsangehörigen, ohne Unterschied ihrer Religion und Rasse.

Auch die Frage, was nach dem Sturz der Hitlerdiktatur kommen soll, wird im Manifest beantwortet:

Wir Kommunisten wollen den Sieg der Sowjetmacht! Der endgültige Sieg des Sozialismus in der Sowjetunion, begleitet vom wachsenden Wohlstand aller Werktätigen in diesem Lande, vom Aufstieg der Kultur und des Lebensniveaus, zeigt allen Werktätigen den Weg aus der kapitalistischen Knechtschaft, den Weg zur Freiheit und zum Wohlstand.

Wir Kommunisten wissen, daß es über dieses Kampfziel noch Meinungsverschiedenheiten im werktätigen Volke gibt, daß die Mehrheit noch nicht zum Kampf für dieses Ziel bereit ist. Aber das darf uns jetzt im Kampfe gegen die faschistische Reaktion nicht trennen!

Wir schließen keineswegs aus, daß sich auch eine Regierung der Einheitsfront oder Volksfront als möglich und notwendig erweisen kann. Jedenfalls soll und wird das werktätige Volk Deutschlands beim Sturz der Hitlerdiktatur selbst über die Regierung entscheiden. Wir Kommunisten werden unter jeder Regierungsform für die Interessen der werktätigen Massen kämpfen.

Die weitere Zuspitzung der Lage durch die gesteigerten provokatorischen Kriegsvorbereitungen der Hitlerregierung und die dadurch verschärfte Notwendigkeit der Schaffung der Einheits- und Volksfront sowie die Erfahrungen, die die Partei bei ihren Versuchen, die Einheits- und Volksfront schaffen zu helfen, seit der Brüsseler Parteikonferenz gemacht hat, haben die Partei veranlaßt, noch konkreter und eindeutiger als aktuelles Ziel[2] des Kampfes um den Sturz der Hitlerdiktatur die[3] Errichtung der demokratischen Republik zu stellen. Den Kommunisten kommt es darauf an, unter allen Umständen das Hitlerregime zu stürzen und den Faschisten jede Möglichkeit zu nehmen, ihre Herrschaft wieder aufzurichten. Auf die Erreichung dieses Zieles muß unsere Politik eingestellt sein. Dieser Politik entsprechen auch die Forderungen, die in dem Manifest der Brüsseler Parteikonferenz aufgestellt sind und die später bei den Diskussionen in dem Pariser Ausschuß zur Vorbereitung der Volksfront[4] noch erweitert wurden, um eine Verständigung in diesem Kreis und das Zustandekommen der Einheits- und Volksfront zu beschleunigen.

Diesem Ausschuß sind von uns für die Sammlung der deutschen Volksmassen im Lande und aller antifaschistischen Kräfte in der Emigration Richtlinien für die Ausarbeitung einer Plattform der Volksfront[5] unterbreitet worden. Bei der Ausarbeitung einer solchen Plattform mußte natürlich darauf Rücksicht genommen werden, daß sie von allen Partnern der Volksfront akzeptiert werden kann. Es sind darin die grundlegenden Forderungen zum Kampf gegen das faschistische Regime, zur Rettung Deutschlands vor der herannahenden Kriegskatastrophe, zur Erhaltung des Friedens, zur Sicherung der Existenz des deutschen Volkes, zum Kampf für demokratische Freiheiten und Rechte und die wichtigsten Staatsgrundsätze der neuen demokratischen Republik enthalten.

Die dem Ausschuß unterbreiteten Vorschläge sollen dazu beitragen, gegenseitiges Vertrauen der verschiedenen Partner im Volksfrontausschuß zu schaffen und zu stärken und Verständigung und Klarheit über die Aufgaben des Ausschusses und über die gemeinsamen Forderungen und Ziele des Kampfes herbeizuführen. Seit der Februarkonferenz dieses Ausschusses sind die Möglichkeiten der Vereinigung antifaschistischer Kräfte in der Emigration für den Kampf gegen das Hitlerregime gewachsen. Besonders im Lande macht sich der Drang nach einer Vereinigung der antifaschistischen Kräfte immer mehr bemerkbar. Es ist dringend notwendig, den Volksmassen im Lande behilflich zu sein, sich im Kampf gegen das faschistische Regime zusammenzufinden, sie über die verderblichen Folgen der Politik und Wirtschaft der Hitlerregierung aufzuklären, jeden ihrer Versuche, die Volksmassen für ihre Kriegsverbrechen zu mißbrauchen, zu durchkreuzen und den Widerstand dagegen zu organisieren.

In den dem Ausschuß unterbreiteten Vorschlägen sind in dem Abschnitt, der die Forderungen für Freiheit und Demokratie enthält, die Konsequenzen gezogen worden, die sich aus der dringlichen Notwendigkeit der Schaffung der breitesten Volksfront gegen Hitler ergeben. Es sind solche Forderungen aufgestellt, denen sich jeder Arbeiter, jeder Bauer und Mittelständler anschließen kann. Es sind Forderungen, durch die auch bestimmte Teile des deutschen Bürgertums, die für Demokratie und Frieden sind, in die Kampffront gegen das faschistische Regime einbezogen werden können. Es heißt in diesen Vorschlägen:

Die deutsche Volksfront kämpft für die Freiheit und Demokratie, für das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht, für die demokratische Republik.

Die deutsche Volksfront kämpft für Presse-, Versammlungs-, Rede- und Vereinigungsfreiheit, für Glaubens und Gewissensfreiheit, für das freie Recht der Eheschließung, für die Herstellung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden und ihre Befreiung von der korrupten braunen Kommissarwirtschaft, für die Einheit des Reiches unter Wahrung der Eigenarten der Länder und Gebiete.

Die Volksfront kämpft gegen die Verbrechen der Gestapo, für die Aufhebung der Konzentrationslager, gegen die Fo1terungen und Todesurteile. Die Anhänger der Volksfront verpflichten sich zur aktiven Solidarität mit den Opfern des braunen Terrors, zum gemeinsamen Schutz vor Spitzeln und Verhaftungen, zum Kampf für die Amnestie, für die Abschaffung der sogenannten Volksgerichte und der Gestapo.

Die Volksfront führt den Kampf gegen die Religionsverfolgungen und gegen die Eingriffe des Staates in das innere kirchliche Leben, sie führt den Kampf gegen den barbarischen Rassenwahnsinn und die Sterilisation.

Die Volksfront kämpft in den Betrieben und in allen Organisationen für das Recht der freien Aussprache, gegen die Wirtschaft der Kommissare, für das freie Entscheidungsrecht der Mitglieder, für die Wahl der Funktionäre und Leitungen durch die Mitglieder.

Das Neue in diesen Vorschlägen gegenüber dem Manifest der Brüsseler Parteikonferenz besteht, wie schon erwähnt, in der Forderung nach der demokratischen Republik, die nach dem Sturz des Hitlerregimes geschaffen werden soll, um die Forderungen der Volksmassen zu verwirklichen und ihnen vor allem die volle Möglichkeit zu geben, selbst entscheidend an der Gestaltung und Sicherung der demokratischen Republik mitzuwirken. Diese Forderung der Kommunisten ist nicht etwa, wie vielfach angenommen wird, ein Manöver, mit dem die Partner in der Volksfront getäuscht werden sollen. Die Begründung für die Aufstellung dieser Forderung wurde bereits gegeben. Die Kommunisten berücksichtigen bei dieser Forderung die Tatsachen, daß den Volksmassen im Lande unter der faschistischen Diktatur nahezu jede Möglichkeit einer selbständigen politischen Orientierung genommen ist, daß sie dem Betrug, der Lüge und Verleumdung durch die faschistische Presse, Literatur und die Reden der faschistischen Agitatoren ausgesetzt sind, daß die Verbreitung der antifaschistischen Literatur nur unter den größten Schwierigkeiten und in sehr begrenztem Umfang durchführbar ist. Es muß also zunächst wieder ein Zustand geschaffen werden, bei dem das deutsche Volk die volle Möglichkeit hat, sich politisch zu orientieren, die Fragen der Gestaltung des künftigen Regimes zu diskutieren, um darüber entscheiden zu können.

In der demokratischen Republik werden alle Partner der Volksfront ihre besonderen Ziele propagieren können. Die Kommunisten werden offen und frei ihre Agitation unter dem werktätigen Volk für den Sozialismus und für den einzig dahin führenden Weg, für die proletarische Diktatur, betreiben. Die Kommunisten haben in dieser Agitation durch die Entwicklung in der Sowjetunion die besten Beweise dafür, daß der Sozialismus nur auf dem Weg der proletarischen Diktatur verwirklicht und daß im Prozeß der endgültigen Entwurzelung aller kapitalistischen und konterrevolutionären Kräfte die einzig wahre Demokratie geschaffen werden kann. Die neue Verfassung der Sowjetunion gibt auch dafür den besten Beweis.

Die Kommunisten wissen aber auch, daß die Massen nur auf Grund ihrer eigenen im Kampf gemachten Erfahrungen bereit sein werden, für weitergehende Ziele zu kämpfen. Unsere Politik soll ihnen helfen, schneller und klarer die richtigen Schlußfolgerungen aus den in ihren Kämpfen gemachten Erfahrungen zu ziehen. Aber immer werden diese Erfahrungen von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung des Kampfes sein. Das deutsche Volk wird in den Kämpfen gegen die Bourgeoisie und die Kräfte der Konterrevolution die Erfahrung machen, daß es die Ziele seines Kampfes weiter stecken muß, weil ihm die demokratische Republik noch nicht den Sozialismus, noch nicht die Befreiung von der kapitalistischen Ausbeutung bringen wird.

Auch unter der demokratischen Republik wird die Bourgeoisie versuchen, ihre besonderen Profitinteressen den Interessen des werktätigen Volkes voranzustellen und unter allen Umständen ihre Vorrechte und ihre Herrschaft zu sichern. Es ist deshalb von Gegnern dieser Politik der Kommunisten behauptet worden, daß diese mit der Forderung nach einer demokratischen Republik den Bestrebungen der Bourgeoisie Vorschub leisten. Das ist völlig falsch. Es wird bei diesem Einwand der sehr gewichtige Umstand übersehen, daß die demokratische Republik im Prozeß gewaltiger Massenkämpfe zum Sturz der faschistischen Diktatur entstehen wird.

Die Volksmassen werden bei diesen Kämpfen die entscheidende Rolle spielen. Sie werden die großen Opfer dieses Kampfes zu tragen haben, und sie werden dabei eine solche Summe von Erfahrungen sammeln, daß sie mit ganz anderen Anforderungen als in der Zeit vor Hitler, in der Weimarer Zeit, an die Gestaltung und Sicherung der demokratischen Republik herangehen werden. Diese Anforderungen der Volksmassen werden wesentlich den Inhalt der Demokratie des neuen Regimes bestimmen. Die Massen werden sich in der Volksfront im Prozeß dieser Kämpfe Organe zu ihrer Führung schaffen, die auch einen entscheidenden Einfluß auf die Gestaltung und Politik der ersten Exekutivorgane nach Niederwerfung der faschistischen Diktatur ausüben werden, um den Sieg zu sichern. Gerade auch aus diesem Grund darf nicht etwa die Volksfront mit dem Sturz der Hitlerdiktatur durch irgendwelche ihre Basis sprengenden Forderungen gefährdet werden, sondern muß für den weiteren Kampf zur Vernichtung aller Reste der faschistischen Diktatur oder gegen ihre Restaurierung fest zusammengehalten und gestärkt werden.

Die demokratische Republik wird nach dem Sturz der Hitlerdiktatur keine Wiederholung der Weimarer Republik sein, von der große Teile des deutschen Volkes schwer enttäuscht sind. Es war das Unglück für das deutsche Volk, daß die Parteien der Weimarer Republik die Demokratie nicht zur Wahrung der Interessen der großen Mehrheit des deutschen Volkes nutzten, sondern in jeder Hinsicht vor den Forderungen der Bourgeoisie kapitulierten. Gerade damit haben sie sehr zur Diskreditierung der demokratischen Re)publik beigetragen, in deren Zeichen die Weimarer Republik stand. Diese Fehler dürfen nicht wiederholt werden.

Die von den Volksmassen nach dem Sturz der Hitlerdiktatur aufzurichtende neue demokratische Republik wird zu ihrem obersten Grundsatz die Wahrung der Interessen des werktätigen Volkes, die Sicherung seines Einflusses auf die Regierung, die Erhaltung des Friedens, den Ausbau der Sozialgesetzgebung und die Sicherung der Existenz aller Schichten des deutschen Volkes erheben. Das neue Regime wird alle Maßnahmen zur Sicherung dieser Republik gegenüber den konterrevolutionären Kräften ergreifen. Schon die Tatsache, daß diese Republik durch einen ernsten revolutionären Kampf der Massen möglich wird und sich auf diese Massen stützen muß, wenn sie nicht wieder durch die faschistischen Kräfte gestürzt werden soll, wird ihr einen anderen Inhalt geben als der Weimarer Republik.

Natürlich muß Klarheit darüber bestehen, was die demokratische Republik gegenüber dem werktätigen Volk zu leisten vermag und was sie nicht leisten kann. Aus der Unvereinbarkeit der Profitinteressen der Kapitalisten mit den Interessen des werktätigen Volkes werden sich fortgesetzt Konflikte zwischen diesen Klassen ergeben, wobei die Oberschichten immer wieder den Versuch unternehmen werden, die Staatsmaschinerie zur Unterdrückung der werktätigen Massen einzusetzen. Die materielle Existenz des werktätigen Volkes, die Demokratie und der Friede im Lande wie der Friede mit den anderen Völkern können endgültig nur gesichert werden, wenn die Macht der Bourgeoisie gebrochen und die Macht der Arbeiter und aller übrigen werktätigen Schichten aufgerichtet ist.

Aber die Aufrichtung der Sowjetmacht ist eben nur durch den Willen der überwiegenden Mehrheit des werktätigen Volkes möglich, die ihren Willen zum obersten Grundsatz des Staates erhebt und damit die einzige und wahre Demokratie verwirklicht. Solange es den Kommunisten nicht gelungen ist, diesen Willen in der Mehrheit des deutschen Volkes hervorzurufen, solange die Volksmassen noch glauben, auf dem Boden einer demokratischen Republik ihre Interessen wahren zu können, müssen die Kommunisten diese Tatsache in ihrer Politik berücksichtigen. Diese Rücksichtnahme kommt in ihren Forderungen nach Demokratie und Freiheit, in ihrem Kampf um die demokratische Republik zum Ausdruck.

Der Kampf um die demokratischen Rechte und Freiheiten hat unter den schweren illegalen Bedingungen im Lande schon in primitiven Formen begonnen. Dieser Kampf richtet sich im Grunde genommen gegen das faschistische Führerprinzip. Wenn sich die Arbeiter in den faschistischen Massenorganisationen gegen die Bevormundung durch die faschistischen Bonzen auflehnen, wenn sie eine Kontrolle der Verwendung der Mitgliedsbeiträge, wenn sie die Wahl der Funktionäre fordern, wenn sie im Betrieb gegen die Willkür des Unternehmers protestieren und die Wahl eigener Vertrauensleute anstreben, wenn das gleiche in den Organisationen des Mittelstandes und der Bauernschaft geschieht, so sind das alles Anfänge des Kampfes um demokratische Rechte und Freiheiten. Die von den Faschisten gegen diese Forderungen der Massen ergriffenen Maßnahmen kehren immer stärker den großen Gegensatz zwischen der faschistischen Diktatur und den Interessen der werktätigen Massen hervor und lösen im Zusammenhang mit der Verschlechterung der Lebenshaltung und der wachsenden Kriegsgefahr immer stärker in den Massen das Bewußtsein für die Notwendigkeit des Kampfes gegen den Faschismus aus.

Hier ist. die große Aufgabe, die den in der Emigration befindlichen führenden Kräften des deutschen Volkes gestellt ist. Es gilt, den Massen im Lande zu helfen, den Widerstand gegen die faschistische Diktatur zu steigern. Das Zusammenwirken dieser führenden Kräfte in der Emigration, wie das in dem Ausschuß zur Vorbereitung der Volksfront zum Ausdruck kommt, muß weiterentwickelt und kann ein anspornender Faktor für die Schaffung der Einheits- und Volksfront im Lande werden. Diese Arbeit wird auch dazu beitragen, im deutschen Volk das Vertrauen zu seiner eigenen Kraft, zu der großen, siegreichen Kraft des gegen den Hitlerfaschismus geeinten deutschen Volkes, zu entwickeln.

 

 

 

 

 



[1]. Cf. den Text .

[2]. In der Quelle: das aktuelle Ziel. [Anmerkung IML]

[3]. In der Quelle: in der. [Anmerkung IML]

[4]. Am 26. September 1935 fand im Hotel Lutetia in Paris ein Treffen von Gegnern des nationalsozialistischen Regimes statt. Es folgte ein zweites Treffen am 22. November. Auf einem dritten Treffen am 2. Februar 1936 wurde ein engeres Komitee gebildet. Schließlich fand am 8. und 9. Juni in Paris eine Zusammenkunft statt, an der Vertreter dieses Komitees sowie der Arbeiterparteien teilnahmen. Es wurde offiziell der "Ausschuß zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront" gegründet.

[5]. Cf. den Text .