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Wilhelm Pieck

Wie kann und muß der Hitlerfaschismus gestürzt
und die demokratische Republik verwirklicht werden?
Ein Beitrag zur Diskussion und Verständigung

März 1939

 

 

Quelle:

Die Internationale, Paris, 1939, Nr. 3/4, S. 48‑57.

Abgedruckt in:

Wilhelm Pieck: Gesammelte Reden und Schriften - Band 5 - Februar 1933 bis August 1939. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hg.), Berlin, Dietz, 1972. S. 606‑618.

 

 

 

 

 

 

Erstellt: Januar 2013

Druckversion
KPD 1918 1945 - Inhalt

 

 

 

 

 

 

In Deutschland wächst unter den werktätigen Massen und auch in Teilen der Bourgeoisie die Überzeugung, daß der Hitlerfaschismus durch seine provokatorische Kriegspolitik die deutsche Nation ins Verderben führt und die Rettung der Nation nur noch durch den Sturz des Hitlerfaschismus herbeigeführt werden kann. Diese immer mehr um sich greifende Überzeugung würde schon sehr viel stärker den Willen zum aktiven Widerstand gegen diese Kriegspolitik und Kriegswirtschaft und gegen ihre verheerenden Auswirkungen auf die Lebenshaltung und die Existenz der werktätigen Massen hervorgerufen haben, wenn über die Möglichkeit, über den Weg und die Mittel des Kampfes zum Sturz des Hitlerfaschismus größere Klarheit vorhanden wäre. Dazu gehört auch die klare Vorstellung darüber, wie das Regime beschaffen sein soll, das nach dem Sturz des Hitlerfaschismus kommen soll. Es ist die Aufgabe der antifaschistischen Opposition, die die Massen zum Kampf gegen den Hitlerfaschismus vereinen und dessen Sturz herbeiführen will, diese Klarheit [in den Massen] zu schaffen. Die bisherigen Diskussionen und Äußerungen in der antifaschistischen Opposition haben eine Übereinstimmung darin gefunden, daß die faschistische Diktatur vernichtet und an ihre Stelle die demokratische Republik gesetzt werden muß. Diese Republik soll keine Wiederholung der Weimarer Republik sein, sondern es sollen in ihr alle Sicherungen dagegen getroffen werden, daß wieder die Großbourgeoisie die Führung der Republik an sich reißt. Deshalb soll die Macht des Trustkapitals, in dessen Dienst die Hitlerpartei die faschistische Diktatur ausübt, gebrochen und die faschistische Kriegswirtschaft durch eine Wirtschaft im Interesse der Massen und des Friedens ersetzt werden. Die Kommunisten schätzen diese Übereinstimmung sehr hoch ein und sehen in ihr eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Herstellung der Einheitsfront in der Arbeiterklasse und ihres Bündnisses mit den anderen werktätigen Schichten, mit den Bauern, dem Mittelstand, den Beamten und Intellektuellen, durch die Schaffung der antifaschistischen Volksfront.

Die Herstellung der Einheitsfront und der Volksfront für den gemeinsamen Kampf gegen den Hitlerfaschismus, ohne die er nicht gestürzt werden kann, ist angesichts der Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit neuer krisenartiger Zuspitzungen wie in den Septembertagen [1938] die dringlichste Aufgabe der werktätigen Massen. Die Krise des Faschismus erwächst aus den steigenden Schwierigkeiten seiner Kriegswirtschaft, [aus] seinen Kriegsprovokationen und aus dem wachsenden Widerstand der Massen gegen das faschistische Regime. Die Ereignisse im September des vergangenen Jahres haben dafür deutliche Hinweise gegeben. Der Hitlerfaschismus wird natürlich im Auftrag des Trustkapitals mit allen Mitteln der Gewalt versuchen, seine Herrschaft zu verteidigen. Je stärker sich die Krise des faschistischen Systems entwickelt und die Bewegung der Massen heranreift, desto stärker werden auch die Manöver der reaktionärsten Schichten der Bourgeoisie werden, um den Sieg dieser Massenbewegung zu verhindern.

So wichtig für die Herstellung der einheitlichen antifaschistischen Front die Übereinstimmung in dem allgemeinen Ziel des Sturzes des Faschismus und der Aufrichtung der demokratischen Republik ist, so notwendig ist zu ihrem Sieg die klare Vorstellung von dem Gegner und von seinen Kräften, die Übereinstimmung über den Weg und die Mittel des Kampfes und über das Wesen der demokratischen Republik. Nur eine solche, durch eine ernste Diskussion über diese Probleme herbeigeführte Übereinstimmung und Klarheit in der antifaschistischen Opposition wird es ermöglichen, die erforderlichen Kräfte zu mobilisieren, den Kampf konsequent bis zum vollen Siege zu führen und ihn gegenüber allen Anschlägen der Reaktion zu sichern. Natürlich kann es sich bei dem Versuch der Herbeiführung dieser Übereinstimmung und Klarheit in den wichtigsten Fragen des Weges und der Mittel des Kampfes nicht um die Ausarbeitung irgendeines Schemas handeln, sondern nur um die Erörterung der Wahrscheinlichkeiten des Kampfes, die sich im wesentlichen aus den Maßnahmen des Gegners zur Sicherung seiner Herrschaft ergeben. Der Kampf wird sich in den mannigfaltigsten Formen betrieblich, örtlich und gebietsweise, je nach der Stärke der Opposition, den Bedingungen des Kampfes und den Maßnahmen des Gegners vollziehen, angefangen von den einfachen Formen des passiven Widerstandes und dem Übergang zu aktiveren Formen bis zum offenen Widerstand, wie Verweigerung der Befolgung der faschistischen Dekrete und Befehle, Streiks kleinerer und größerer Art. In der Entwicklung dieser Kampfformen wird es Erfolge und Rückschläge geben, wobei die Kampffront immer breiter und fester gemacht werden muß.

Angesichts der akuten Kriegsgefahr, von der das deutsche Volk nach wie vor durch die fortgesetzten Kriegsprovokationen des Hitlerfaschismus auf das schwerste bedroht ist und durch die es über Nacht in den Krieg hineingerissen werden kann, ist die schnellste Herbeiführung der Klarheit und Übereinstimmung in der antifaschistischen Opposition darüber notwendig, was zur Verhinderung des faschistischen Kriegsverbrechens oder, wenn das nicht gelingen sollte, was bei Ausbruch des Krieges getan werden muß, um ihn schnellstens zu beenden. Es war eine geradezu unheimliche Situation, daß in den kritischen Septembertagen 1938[1] diese Verständigung in der antifaschistischen Opposition fehlte. Zur Verhinderung des Krieges muß vom deutschen Volk immer wieder zum Ausdruck gebracht werden, daß es gegen die Kriegsprovokationen des Hitlerfaschismus ist. Es muß von der antifaschistischen Opposition alles getan werden, [um] den aktiven Widerstand der Arbeiter, Bauern, Mittelständler und Intellektuellen sowie der Soldaten in der Armee gegen die verbrecherische Kriegspolitik des Hitlerfaschismus zu erzeugen, so daß es ihm nicht gelingt, das deutsche Volk in den Krieg hineinzureißen. Der Hitlerfaschismus muß vom deutschen Volk gestürzt werden, noch bevor ihm die Ausführung dieses Verbrechens gelingt. Aber auch für den Fall, daß es den Massen nicht gelingt, den Krieg zu verhindern, muß schon jetzt Klarheit und Übereinstimmung in der antifaschistischen Opposition geschaffen werden, die schnellste Beendigung des Krieges dadurch zu erreichen, daß es Pflicht der zum Kriegsdienst an der Front einberufenen Massen ist, die Verbrüderung mit den Truppen der anderen Mächte herbeizuführen und gemeinsam mit den Massen in den Betrieben, in den Städten und Dörfern den Hitlerfaschismus als den Feind im eigenen Land zu vernichten. Nur dadurch wird verhütet werden, daß wieder, wie 1918, das deutsche Volk für die Kriegsverbrechen seiner Machthaber verantwortlich gemacht wird und Vergeltungsmaßnahmen an ihm geübt werden. Außerdem ist Klarheit und Übereinstimmung über die Aufgaben der in der Emigration befindlichen antifaschistischen Opposition während des Krieges erforderlich, die selbstverständlich auf die Unterstützung dieser Aufgaben der Massen in Deutschland gerichtet sein müssen.

Die faschistische Diktatur ist nicht die Herrschaft der Bourgeoisie schlechthin, sondern die Herrschaft der "reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente"[2] der Bourgeoisie, sie ist die auf der Beherrschung der Schlüsselindustrien beruhende Diktatur des Trustkapitals. Das Trustkapital hat sich durch die Errichtung der faschistischen Diktatur die gesamte Wirtschaft des Landes zur Durchsetzung seiner imperialistischen Raubgier tributpflichtig gemacht, und in seinem Auftrag unternimmt der Hitlerfaschismus seine Kriegsprovokationen. Das Trustkapital zieht aus seiner Kriegswirtschaft ungeheure Gewinne und richtet dabei die Wirtschaft und die Finanzen des Staates zugrunde. Es versucht, durch den grausamsten Terror des Faschismus den Widerstand der Massen zu brechen, und drückt sie in immer tieferes Elend hinab. Zur Sicherung seiner Herrschaft und seiner Riesengewinne stützt sich das Trustkapital auf die faschistische Staatsgewalt ‑ auf die bewaffneten Banden des Faschismus, auf die Armee, Polizei und Bürokratie ‑, die ganz ausschließlich für diesen Zweck eingerichtet ist. Der Faschismus wird diese Gewalt mit aller Brutalität gegen die Massen anwenden, wenn diese durch ihren einmütigen Kampf den Profit, die Kriegspläne und die Herrschaft des Trustkapitals gefährden.

Der im Dienst des Trustkapitals stehende Faschismus ist, wie die werktätigen Massen in den sechs Jahren seiner Herrschaft erfahren haben, eine sehr grausame Macht, die schon unzählige Opfer von den werktätigen Massen gefordert hat und die auch vor dem größten Blutvergießen und Massenmord nicht zurückschrecken wird, wenn die Massen den Angriff zum Sturz des Faschismus unternehmen. Aber die faschistische Macht ist nicht unerschütterlich. Sie muß und wird durch den einheitlichen Willen der werktätigen Massen, durch ihre Einheitsfront und Volksfront vernichtet werden. Das Trustkapital vermochte die faschistische Diktatur nur aufzurichten, weil der Faschismus die Massen zu betrügen verstand und die Massen, vor allem die Arbeiterklasse, gespalten und zersplittert waren. Aus der wachsenden Erkenntnis der Massen über die Rolle des Faschismus als Herrschaftsorgan des Trustkapitals und über die Notwendigkeit des einheitlichen Kampfes gegen den Hitlerfaschismus erwächst aber die Kraft, die ihn und die Herrschaft des Trustkapitals vernichten wird.

Die wichtigste und dringlichste Aufgabe aller Antifaschisten ist die Förderung dieser Erkenntnis der Massen. Dabei ist die Einigung der sozialdemokratischen und der kommunistischen Arbeiter zum gemeinsamen Kampf gegen den Hitlerfaschismus von allergrößter Bedeutung. Sie sind der klassenbewußteste und kampfmäßig am besten geschulte Teil der Arbeiterklasse, dem die Aufgabe zufällt, die Führung in der Einheitsfront der Arbeiterklasse zu übernehmen, zu der alle Arbeiter ohne Unterschied ihrer politischen und weltanschaulichen Auffassungen vereinigt werden müssen. Dazu ist aber die Überwindung der Spaltung der Arbeiterbewegung die wichtigste Voraussetzung. Durch die Bildung von illegalen und vor den Gestapospitzeln gut gesicherten Einheitskomitees der von dieser Erkenntnis erfüllten Arbeiter wird die Entwicklung zur Einheit sehr gefördert werden. Die Einigung der sozialdemokratischen und der kommunistischen Arbeiter ‑ aller Mitglieder der Kommunistischen Partei, der Sozialdemokratischen Partei und aller von ihnen abgesplitterten Gruppen, soweit sie nicht, wie die Trotzkisten, Feinde dieser Vereinigung und Helfershelfer des Faschismus sind ‑ muß ihren höchsten Ausdruck in ihrer Wiedervereinigung in einer Partei finden, die die Aufgabe hat, die Massen zum Sturz des Hitlerfaschismus zu führen, die demokratische Republik auszubauen und die Voraussetzungen für den Sieg des Sozialismus zu schaffen. Nur die einige Arbeiterklasse ist zur Erfüllung dieser Aufgabe fähig. Die Einheitsfront der Arbeiterklasse wird nur geschaffen werden durch eine intensive Aufklärungsarbeit unter den Arbeitermassen über das reaktionäre Wesen des Faschismus, über seine arbeiterfeindlichen Maßnahmen, über die Kriegsgefahr, über die im Kampf gegen den Faschismus zu erfüllenden Aufgaben und über die in der Einheit der Arbeiterklasse liegende Kraft. Nur so wird in der Arbeiterklasse das Zutrauen zur eigenen Kraft und das Bewußtsein ihrer führenden Rolle in diesem Befreiungskampf erwachsen und gestärkt werden. Das wird am besten durch die Organisierung des täglichen Widerstandes in den Betrieben gefördert.

Der Sturz des Hitlerfaschismus ist nicht nur eine Angelegenheit des deutschen Volkes, sondern ist vor allem durch die fortgesetzten Kriegsprovokationen des Hitlerfaschismus zu einer Angelegenheit der Friedensfreunde und Antifaschisten in der ganzen Welt geworden. Das deutsche Volk findet deshalb auch in seinem Kampf für den Sturz des Hitlerfaschismus die stärkste Unterstützung durch die internationale antifaschistische Bewegung, für deren Stärkung und Führung die Herbeiführung der internationalen Einheit der Arbeiterklasse von größter Bedeutung ist. Das deutsche Volk, vor allem aber die deutsche Arbeiterklasse, unterstützt deshalb auf das stärkste die Bestrebungen, die von der Kommunistischen Internationale zur Herstellung der internationalen Aktionseinheit der Arbeiterklasse und einer einigen Arbeiterinternationale unternommen werden.

Durch die Schaffung der Volksfront soll das Bündnis der Arbeiterklasse mit den Bauern, dem städtischen Mittelstand, den Beamten und Intellektuellen verwirklicht werden. Ohne dieses Bündnis ist ein sicherer Sieg über den Faschismus nicht möglich. Diese Teile des werktätigen Volkes müssen von der Gemeinsamkeit ihrer Interessen mit denen der Arbeiterklasse überzeugt werden. Sie müssen verstehen lernen, daß sie ihre Interessen nur im Bunde mit der Arbeiterklasse durchzusetzen vermögen. Die Reaktion wird sich, wenn ihre Herrschaft bedroht ist, besonders an diese Teile mit irgendwelchen Versprechungen wenden, um sie aus der einheitlichen Kampffront herauszureißen. Gerade deshalb ist die sorgfältigste und nachhaltigste Aufklärungsarbeit der Arbeiterklasse unter diesen Teilen der werktätigen Massen dringend notwendig, um zu verhindern, daß es der faschistischen Reaktion gelingt, Schwankungen in diesen Teilen hervorzurufen und den einheitlichen Kampf der werktätigen Massen zu gefährden, um dadurch die Herrschaft der faschistischen Reaktion zu behaupten oder sie wieder zurückzuerobern.

Zur Vorbereitung des Sieges der antifaschistischen Volksfront über den Hitlerfaschismus ist die Schaffung der Einheitsfront und der Volksfront von größter Bedeutung für die Beeinflussung der Kräfte, auf die sich die faschistische Staatsgewalt stützt, Offiziere und Soldaten der Armee, Polizei und Bürokratie, um ihr Vertrauen zur faschistischen Diktatur zu erschüttern und sie in den entscheidenden Kämpfen zu veranlassen, auf die Seite der antifaschistischen Volksfront überzugehen. Das wird um so eher möglich sein, je einheitlicher und entschlossener die Kräfte der antifaschistischen Volksfront auftreten und je konsequenter sie ihren Kampf durchführen. Es ist sogar damit zu rechnen, daß Teile der Bourgeoisie sich vorübergehend diesem Kampf anschließen oder in der gleichen Richtung kämpfen, weil sie den Hitlerfaschismus und die Herrschaft des Trustkapitals ebenfalls ablehnen.

Die in der antifaschistischen Volksfront zum Kampf gegen den Hitlerfaschismus vereinten Volksmassen haben alle Chancen des Sieges für sich, wenn sie den Kampf mit aller Entschlossenheit aufnehmen und konsequent zu Ende führen. Der Kampf wird seine Zuspitzung zum unmittelbaren Sturz. des Faschismus durch die Verbreiterung und Intensität der Streikbewegung der Arbeiter finden, wobei sehr viel davon abhängt, daß diese Bewegung durch gleichartige Kampfmaßnahmen der Bauern und des .Mittelstandes unterstützt wird, so daß sie schließlich in gewaltigen Massenstreiks und Massenkämpfen ihre höchste Entfaltung finden wird. Die antifaschistischen Massen müssen dabei mit der Wahrscheinlichkeit rechnen, daß ihnen der Faschismus unter brutalster Anwendung der Waffengewalt entgegentreten wird. Wollen die Massen also siegen, so bleibt ihnen nichts anderes übrig, als ebenfalls zu den Waffen zu greifen. Der Kampf der Massen wird also die Form des bewaffneten Aufstandes gegen den Faschismus annehmen [müssen], um ihn dadurch zu vernichten. Es wäre eine gefährliche Selbsttäuschung, würden sich die Massen in ihrem Kampf gegen den Faschismus nicht auf diese bewaffnete Auseinandersetzung mit der faschistischen Staatsgewalt einrichten. Dieser Kampf wird um so schneller beendet und die Opfer werden um so geringer sein, je entschlossener und einheitlicher er von den Massen aufgenommen und durchgeführt wird. Die faschistische Staatsgewalt wird desto schneller zusammenbrechen, wenn große Teile der Armee und Polizei und der faschistischen Banden vor den Massen kapitulieren oder zu ihnen übergehen werden. Allerdings wird dabei sehr viel davon abhängen, mit welcher Konsequenz der Kampf um die Verwirklichung der demokratischen Republik zu Ende geführt wird.

An Stelle der faschistischen Diktatur wird die demokratische Republik errichtet werden, an die Stelle der Kriegswirtschaft des Trustkapitals wird eine auf dem friedlichen Austausch mit den anderen Völkern beruhende Friedenswirtschaft treten. Es wird ein Umsturz des Herrschaftssystems und eine Umgestaltung der Wirtschaft vorgenommen, die den Charakter einer Revolution tragen, indem die Führung der Republik auf die in der antifaschistischen Volksfront vereinigten Massen übergeht. Das wird noch keine sozialistische Revolution sein, aber es werden alle Möglichkeiten für den Ausbau der Demokratie, der Rechte und Freiheiten der werktätigen Massen geschaffen.

Für den Sieg der werktätigen Massen über den Faschismus ist die Beschaffenheit ihrer Führung in diesem Kampf von entscheidender Bedeutung. Je klarer deren Einsicht in die Bedingungen des Kampfes ist, je entschlossener und konsequenter sie diesen Kampf organisiert und führt, die Kräfte auf die schwachen Punkte des Gegners konzentriert, je rücksichtsloser sie seine Vernichtung durchführt, desto schneller und mit um so geringeren Opfern wird sie die Massen zum Sieg führen, wird sie die einzelnen eroberten Positionen in diesem Kampf ausbauen und sichern. Natürlich trägt die Arbeiterklasse die volle Verantwortung für die Führung in diesen Kämpfen. Aber die Führung wird sich in diesen Kämpfen der antifaschistischen Volksfront auch aus Vertretern der anderen Teile des werktätigen Volkes zusammensetzen. Um so wichtiger ist die Sicherung ihrer vollen Einheitlichkeit in der konsequenten Durchführung des Kampfes, weil sonst die Massen sehr leicht um den Erfolg ihres Kampfes gebracht werden können. Diese Einheitlichkeit der Führung muß durch Diskussion der für den Kampf und für die Verwirklichung der demokratischen Republik wichtigen Fragen erreicht werden. Es dürfen diese Fragestellung und die Diskussion nicht umgangen werden, weil sie sonst im Kampf selbst auftreten werden und dann eine Diskussion nicht möglich ist, wenn nicht wertvolle Zeit verlorengehen soll, in der der Gegner seine Kräfte zu sammeln vermag.

Mit dem Sturz des Faschismus ist erst ein Teil des antifaschistischen Kampfes erfüllt. Es steht vor den werktätigen Massen die Aufgabe der Sicherung ihres Sieges durch die völlige Vernichtung der Machtpositionen des Gegners und den Ausbau der demokratischen Republik. Wie sich die werktätigen Massen in diesem Kampf in allen Orten ihre führenden Organe der Einheitsfront und der Volksfront schaffen werden, durch die sie ihren Willen und ihre Forderungen geltend machen, so werden sie auch die Einsetzung einer provisorischen Regierung der antifaschistischen Volksfront vornehmen, die aus den besten führenden Kräften dieser Front bestehen muß, die sich in den Kämpfen das Vertrauen der Massen erworben haben. Es wird sehr viel von der Einheitlichkeit und Entschlossenheit einer solchen Regierung abhängen, mit der sie an die Verwirklichung der demokratischen Republik herangeht, über deren Grundzüge schon jetzt durch eine Diskussion volle Klarheit und Übereinstimmung geschaffen werden muß.

In den von der KPD schon im Juni 1936 zur Diskussion unterbreiteten Richtlinien für eine Plattform der Volksfront[3] sind die Grundzüge der demokratischen Republik dargelegt, gegen die wesentliche Einwendungen nicht bekannt geworden sind. Es seien hier nur die wichtigsten Grundzüge hervorgehoben. Die wichtigste Aufgabe wird zunächst in der Sicherung des Sieges der Volksfront gegenüber der Reaktion bestehen, die sich genauso wie 1918 zuerst verkriechen, dann aber in getarnter Form wieder hervorwagen wird. Wir erinnern uns, wie 1919 bei den Wahlen zur Nationalversammlung plötzlich die alten reaktionären Parteien sämtlich unter der Bezeichnung "Volkspartei" auftauchten, weil sie durch die Novemberrevolution nicht vernichtet worden waren. Es wird also diesmal darauf ankommen, eine gründliche Ausrottung aller faschistischen Organisationen und ihrer Presse vorzunehmen, den von den Faschisten geschaffenen Staatsapparat aufzulösen und einen neuen Staatsapparat aus den zuverlässigsten Kräften der Volksfront aufzubauen, die Armee und die Polizei von allen faschistischen Elementen gründlich zu säubern und an die Spitze der Armee und Polizei zuverlässige, der Sache der Volksfront treu ergebene Menschen zu stellen. Dazu kommt die Verhaftung und Aburteilung aller faschistischen Führer wegen der von ihnen am Volk begangenen Verbrechen. Die Vernichtung der faschistischen Reaktion muß konsequent zu Ende geführt werden, weil sonst sehr schnell die Gefahr ihrer Restauration erwachsen kann.

Unmittelbar mit der Sicherung des Sieges der Volksfront hängt die Vernichtung der Herrschaftsgewalt des Trustkapitals zusammen, weil sonst eine Umstellung der Kriegswirtschaft des Trustkapitals auf eine im Interesse des Volkes liegende Friedenswirtschaft nicht möglich ist. Die vom Staat subventionierte Kriegswirtschaft des Trustkapitals hat zu einer völligen Deformierung der Wirtschaft des Landes geführt, die zu einem ungeheuren Chaos der Wirtschaft und der Staatsfinanzen führen muß. Um die Umstellung der Wirtschaft überhaupt möglich zu machen, ist die Entthronung des Trust- und Bankkapitals von seiner Monopolstellung in der Wirtschaft durch die Verstaatlichung der gesamten Schlüsselindustrie, vor allem der Rüstungsindustrie und der Banken, unbedingt erforderlich. Infolge der ungeheuren Vergeudung des Reichtums des Landes durch die Kriegswirtschaft, die eine Verarmung des ganzen Volkes hervorgerufen hat, wird sich die Umstellung auf eine geregelte Friedenswirtschaft nur unter großen Schwierigkeiten durchführen lassen, die noch durch die Sabotage des Trustkapitals vermehrt werden. Es wird also auch gegen die Trustkapitalisten persönlich in der schärfsten Weise vorgegangen werden müssen, um ihnen diese Sabotage unmöglich zu machen. Die Verstaatlichung der Schlüsselindustrie und der Banken bedeutet noch nicht die Überführung des gesamten Privateigentums an den großen Produktionsmitteln in den Besitz des Staates, sondern ist zunächst nur die erste wirtschaftliche Maßnahme zur Umstellung der Wirtschaft, um die Produktion der Befriedigung der Bedürfnisse der Volksmassen anzupassen. Es ist klar, daß die aus Gründen der Kriegführung von den Faschisten betriebene Autarkiepolitik mit ihrem ungeheuren Mangel an Lebensmitteln und Bekleidung für die Massen völlig liquidiert werden muß.

Es ist selbstverständlich, daß die demokratische Republik die Wehrhaftigkeit des Landes sowohl durch die Schaffung einer wahren Volksarmee als auch durch deren beste Ausrüstung sicherstellen muß. Aber dazu muß die Rüstungsindustrie in den Händen des Staates und nicht in den Händen einer kleinen Oberschicht von Profitjägern und Kriegstreibern sein. Die demokratische Republik muß bei dem Sturz des Faschismus und dem Ausbau ihrer Demokratie mit der Gefahr einer feindlichen Intervention rechnen, die möglicherweise sogar die einheimische faschistische Reaktion herbeizuführen versuchen wird. Gegen diese Gefahr muß sich die demokratische Republik durch ihre eigene Wehrhaftigkeit und durch Bündnisverträge mit den ihr freundlich gesinnten Staaten, vor allem mit der Sowjetunion, sichern.

Nach einer vorläufig genügenden Sicherung des Sieges der Volksfront wird zum Ausbau der demokratischen Republik geschritten werden müssen, wozu in erster Linie die weitestgehende Freiheit des werktätigen Volkes in seiner politischen, religiösen und kulturellen Betätigung gehört. Es wird also zum Beispiel den Kirchen ebenso freistehen, für ihre Weltanschauungen zu werben, wie den politischen Parteien für ihre Auffassungen und Ziele. Die werktätigen Massen müssen völlig frei in der Anwendung der zur Erreichung ihrer Ziele notwendigen Kampfmittel sein, um ihre Forderungen an den Staat und an die Unternehmer durchsetzen zu können. Es ist selbstverständlich, daß diese Freiheit nicht der faschistischen Reaktion gegeben wird, und die werktätigen Massen und ihre Organe werden die größte Wachsamkeit darauf verwenden müssen, daß sieh die faschistische Reaktion nicht wieder einschleicht und erheben kann.

Wenn diese Freiheit des werktätigen Volkes einigermaßen gesichert ist, wird es an die Schaffung eines Parlaments und einer parlamentarischen Regierung der Volksfront auf Grund des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts herangehen. Vom Wahlrecht wird also niemand ausgeschlossen sein, aber es wird die faschistische Reaktion nicht die Freiheit der Wahlagitation für ihre faschistischen Ziele haben.

Es muß auch Klarheit und Übereinstimmung in der Volksfront darüber bestehen, daß der Ausbau der demokratischen Republik sowohl in ihrer Demokratie und Freiheit als auch in ihrer Wirtschaftspolitik nicht an einem bestimmten Entwicklungsgrad als abgeschlossen gelten kann, sondern daß diesem Ausbau keine Grenzen gesetzt werden können. Immer muß der Wille der Massen, der Wille des werktätigen Volkes für diesen Ausbau maßgebend sein, den zu beeinflussen das Recht aller für die Volksfront und für die Demokratie eintretenden Parteien und Organisationen ist. So darf auch dem aus dem vom Kapitalismus geschaffenen Zustand des Massenelends und der Existenzunsicherheit hervorgehenden Willen der werktätigen Massen für die Verwirklichung des Sozialismus und der Erzeugung und Förderung dieses Willens wie auch seiner Durchsetzung kein Widerstand durch die Organe der demokratischen Republik entgegengesetzt werden.

 

 

 

 

 



[1]. Seit der Annexion Österreichs im März 1938 grenzte fast die gesamte Tschechoslowakei an das Deutsche Reich. Am 28. März 1938 traf Hitler Konrad Henlein, den Führer der Sudetendeutschen Partei (SdP). Am 24. April 1938 verabschiedete die SdP das Karlsbader Programm. Die Erfüllung der in ihm geforderten weitgehenden Autonomierechte für die deutsche Minderheit, so zum Beispiel ein eigener Verwaltungsapparat, hätte das faktische Ende des tschechoslowakischen Staats bedeutet. Die wunschgemäße Zuspitzung der Krise nahm Hitler zum Anlaß, die Abtretung des Sudetengebiets an das Deutsche Reich zu fordern. Hitler, Mussolini, Chamberlain und der französische Premierminister Edouard Daladier trafen sich am 29. September in München. Sie unterzeichneten ein Abkommen, das die Abtretung des Sudetengebiets an das Deutsche Reich festgelegt. Die deutsche Besetzung sollte vom 1. bis zum 10. Oktober stattfinden, die Grenzen waren noch nicht genau festgelegt. Im Gegenzug garantierten England und Frankreich den Bestand des tschechoslowakischen Reststaats. Nichtsdestoweniger besetzte Deutschland im März 1939 auch dieses Gebiet und errichteten das Reichsprotektorat Böhmen und Mähren.

[2]. Diese Charakterisierung des Nationalsozialismus wurde auf dem 13. Plenum des EKKI im Dezember 1933 formuliert. (Cf. die angenommene Resolution .) Sie wurde dann von Georgi Dimitrow in seinem Bericht auf dem 7. Kongreß der Kommunistischen Internationale bekräftigt.

[3]. Cf. den Text .