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Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale

[Offener] Brief an alle Organisationen und Mitglieder
der KPD

August 1925

 

 

Quelle:

Die Rote Fahne, 1. September 1925.

Abgedruckt in:

Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hg.): Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung - Reihe 2 - Band 8 - Januar 1924‑Oktober 1929. Berlin, Dietz, 1975, S. 913‑934.

 

 

 

 

 

 

Erstellt: November 2014

Druckversion
KPD 1918 1945 - Inhalt

 

 

 

 

 

 

Werte Parteigenossen!

Schon während der letzten Sitzung der Erweiterten Exekutive ‑ März/April 1925 ‑ und kurz danach haben wir zusammen mit der Vertretung der Kommunistischen Partei Deutschlands ausführlich die Fragen besprochen, in denen unserer Meinung nach die größten Mängel der Parteiarbeit zum Ausdruck gekommen sind.

Die wichtigste Frage ‑ die Frage der deutschen Partei ‑ war damals und ist auch jetzt das Problem der Steigerung der Werbekraft unserer Partei, das Problem der Eroberung der Massen und besonders der Massen der sozialdemokratischen Arbeiterschaft. Von diesem Standpunkt aus haben wir unsere allgemeinpolitische Linie bestimmt, von diesem Standpunkt aus haben wir die anderen Fragen betrachtet. Dazu gehören u. a. folgende Aufgaben: die Arbeit in den Gewerkschaften; die Überzeugung der sozialdemokratischen Arbeiterschaft (Fragen der Propaganda, "andere Töne" usw.); "Normalisierung" des Parteilebens, innere Parteidemokratie, Ausnutzung der ehemaligen Opposition, Diskussionsfreiheit, Wählbarkeit der Parteifunktionäre, Heranziehung neuer führender Kräfte usw., was für uns auch als Voraussetzung des richtigen Verhältnisses zu den außerparteilichen Massen galt; die Liquidation des versteckten Kampfes gegen die Internationale (Liquidierung der Praxis der sogenannten selbständigen Emissäre in anderen Parteien, ehrliche Durchführung der wirklich bolschewistischen Linie).

Vor dem Parteitage[1] haben die Vertreter der Exekutive noch einmal mit der Vertretung der deutschen Partei verhandelt, zwar nicht vollkommen offiziell, das war auf Wunsch der deutschen Vertretung.

In diesen Verhandlungen wurden die drei wichtigsten Fragenkomplexe besprochen.

Erstens: Die Exekutive hat darauf hingewiesen, daß bei der führenden Gruppe Ruth Fischer-Maslow[2] einige rechte Abweichungen vorhanden sind, eine zu parlamentarische Einstellung usw.

Zweitens: Man hat beschlossen, eine wirkliche Wendung in der Gewerkschaftsfrage zu machen und demonstrativ auf dem Parteitag eine starke, arbeitsfähige Gewerkschaftsabteilung zu wählen bzw. den entsprechenden Auftrag der neuen Parteizentrale zu geben.

Drittens bestanden die Vertreter der Exekutive darauf, daß in die Zentrale neue führende Arbeitskräfte, insbesondere mit der Gewerkschaftsarbeit vertraute Genossen, darunter auch einige oppositionelle Genossen, zu wählen sind. Nicht deswegen, um die Partei nach "rechts" zu schleppen, wie es bewußt falsch behauptet wird, sondern um [der Zentrale] einen Zutritt zu den schwankenden Mitgliedern der Partei zu verschaffen. Über die Zusammensetzung der Parteizentrale hat die Exekutive dreimal nachträglich Anfragen erhalten und dreimal ihre Ratschläge bestätigt.

Auf dem Parteitage selbst wurden diese Beschlüsse größtenteils nicht durchgeführt. Die Gruppe der Genossin Ruth Fischer hat nicht nur die Beschlüsse sabotiert, sondern auch eine derartige Behandlung der Delegation der Exekutive hervorgerufen, daß die letztere gezwungen wurde, eine entsprechende Erklärung abzugeben. Am Schlusse des Parteitages wurde ein Bündnisangebot der Gruppe Scholem-Rosenberg[3] gegen die Exekutive stillschweigend angenommen, was prinzipienlos war, da politisch der Parteitag im Geiste des Kampfes gegen die Ultralinke[4] geführt worden war. Analog damit wurde ein Konflikt mit der Vertretung der Jugendinternationale hervorgerufen, und die internationale Jugendkonferenz, an der die Vertreter von 13 Ländern teilnahmen, hat offiziell dagegen Stellung genommen und die entsprechende Appellation an die Exekutive gerichtet.

Damit wurde eine schwere Krise geschaffen. Die erste Delegation[5], die zu uns kam mit der Direktive, die Desavouierung der EKKI-Delegation zu fordern, mußte nach heftiger Diskussion anerkennen, daß die Exekutive recht hat. Die gesamte Delegation hat die Erklärung abgegeben, daß sie die Kritik seitens des EKKI für richtig hält, das Auftreten der EKKI-Delegation für richtig hält und die politische Linie der Jugendvertretung sowie auch die der internationalen Jugendkonferenz unterstützt.

Inzwischen wurde ‑ auf Wunsch der deutschen Delegation ‑ beschlossen, die größere Vertretung kommen zu lassen. Mit allen möglichen Mitteln verzögerte Genossin Fischer deren Ankunft. Die zweite Delegation teilte sich in zwei Gruppen. Die Genossin Ruth Fischer kämpfte zuerst gegen die Kritik des EKKI, aber nach langer Diskussion in der Kommission des EKKI, in der die Vertreter aller wichtigen Parteien vorhanden waren, hat auch sie eine Erklärung abgegeben, in der sie die Richtigkeit der Kritik des EKKI anerkennt[6].

Dies ist kurz der Tatbestand. Wir wollen aber einige Erläuterungen dazu bringen, um den deutschen Genossen den Standpunkt der KI klarzumachen.

1. Allgemeine Lage

Die weltpolitische Situation kann man als sehr kritisch betrachten. Trotz der relativen Stabilisierung in Mitteleuropa stehen die wichtigsten Widersprüche des modernen Kapitalismus unter dem Zeichen der größten Spannung. Das stürmische Wachstum der Sowjetunion und der Niedergang in England, die Erfolge der internationalen roten Einheitsfront (englisch-russischer Gewerkschaftsblock[7] und der Kampf um die [internationale Gewerkschafts-] Einheit; die deutschen und anderen Arbeiterdelegationen nach Sowjetrußland; die Arbeiter-und-Bauern-Kongresse in Frankreich; die Revolutionierung der englischen Arbeiterbewegung überhaupt usw.), sowie auch die unerhörte Verschärfung der kolonialen und halbkolonialen Freiheitskämpfe (Marokko, Syrien, besonders aber China), andererseits die Konzentration der imperialistischen Kräfte gegen die Sowjetunion (der militärisch-diplomatische "Ring" um Moskau; Hetze in der bürgerlichen Presse; [die] englische Politik und der Garantiepakt[8]; Kriegs- und Blockade-Vorbereitungen; das Auftreten von Kautsky und der sozialdemokratischen Presse usw.) ‑ alles das sind die Symptome der allgemeinen Verschärfung der Lage.

Als sehr wichtige Erscheinung in diesem Komplex ist die Neuorientierung Deutschlands nach Westen zu bezeichnen. Diese Orientierung schafft eine andere allgemeine Stimmung im Volke, und teilweise findet sie auch ihre Widerspiegelung in den am wenigsten klassenbewußten Teilen des Proletariats.

Damit sind in der deutschen Arbeiterschaft zwei Prozesse zu bemerken: Erstens [eine] neue Welle der Sympathie zur Sowjetunion; die sozialdemokratischen Arbeiter beginnen sich zum Kommunismus zu entwickeln, zwar nicht direkt zur Kommunistischen Partei, sondern auf Umwegen und in neuartiger Weise, die die Partei einzuschätzen lernen soll. Das typische Beispiel sind die Arbeiterdelegationen. Andererseits ist in gewissen ‑ wenn auch kleinen ‑ korrumpierten Teilen der Arbeiterschaft ein Wachstum der sogenannten "antimoskowitischen" Tendenzen zu verzeichnen, die der Ausdruck der neuen Orientierung der Bourgeoisie sind. Dieser Prozeß ist teilweise auch in der KPD vorhanden. Die sogenannte ultralinke Tendenz ist manchmal nur ein Deckmantel für die sozialdemokratischen, reformistischen, "levitischen"[9] Stimmungen, die sich in einen direkten Verrat an der internationalen Arbeiterklasse zu verwandeln drohen. Diese beiden Prozesse sind internationaler Natur und deswegen besonders wichtig.

Zweifellos bestanden eine Reihe erschwerender Umstände, als die Linke die Parteiführung übernahm[10]: Oktoberniederlage, sechs Monate Illegalität, Macdonald-Regierung, Linkswahlen in Frankreich, Dawes-Gutachten und die daraus folgenden reformistischen Illusionen in breiten Arbeiterschichten.

Trotzdem wären die bis zu einem gewissen Grade unvermeidlichen Verluste der Partei nicht so stark gewesen, wenn die Führerschaft der Partei nicht die erwähnten schweren Fehler begangen hätte; trotzdem müssen wir hier konstatieren, daß die erwähnte Führergruppe der Parteizentrale keineswegs gewußt hat, richtig auf die neuen Prozesse in der Arbeiterschaft zu reagieren. Bei einer keineswegs schlechten Allgemeinlage bleibt die Zahl der Parteimitglieder bestenfalls stabil. Ernster Rückgang in den Gewerkschaften, starke Verluste bei den politischen Wahlen, ungenügende Entwicklung der Werbekraft der Partei trotz der scheinbaren Einheit, die keineswegs eine bolschewistische Einheit ist ‑ dazu ist man jetzt gekommen. Die Parteiführung wußte nicht, die sozialdemokratischen und parteilosen Arbeiter zu gewinnen.

Die Gruppe Ruth Fischer-Maslow verstand nicht, energisch gegen die "ultralinken", in Wirklichkeit aber antikommunistischen Tendenzen zu kämpfen, und unterstützte sogar diese Tendenzen, indem sie eine höchst zweideutige Rolle in den internationalen Fragen spielte.

2. Die Gewerkschaftsarbeit, die Komintern und die führenden Gruppen der Parteizentrale

Diese Mängel der Führung kamen in der Frage der Gewerkschaften besonders kraß zum Ausdruck. Bereits auf dem Frankfurter Parteitag (1924)[11], auf dem der Sieg der deutschen Linken über den Brandlerismus entschieden wurde, entstanden starke Differenzen zwischen der Exekutive und der neuen deutschen Parteileitung in der Gewerkschaftsfrage. Die führende Gruppe Maslow-Ruth Fischer wandte sich zwar gegen die gröbsten Verstöße der ultralinken Negierer der Arbeit in den reformistischen Verbänden, aber sie bewies durch die Halbheit der Beschlüsse (z. B. in der Frage der unabhängigen Verbände), daß sie den eigentlichen Kern und die ganze Größe des Problems unserer Gewerkschaftsarbeit nicht begriffen hat. Dieses Unverständnis für die Bedeutung der Gewerkschaftsarbeit hatte praktisch monatelang eine mangelhafte Durchführung der Beschlüsse der Komintern durch die Gruppe Maslow-Ruth Fischer zur Folge. Ein vertrauliches Telegramm der Exekutive nach dem Frankfurter Parteitag wurde in einem Zirkular an alle Bezirkssekretäre gesandt, um sie zum Protest gegen die Exekutive aufzureizen; die gewerkschaftsfeindliche Propaganda in den Reihen der Partei wurde bis zum 5. Weltkongreß nicht genügend bekämpft.

Der 5. Weltkongreß stellte zum ersten Male die Losung der internationalen Gewerkschaftseinheit auf die Tagesordnung. Er betrachtete diese neue Losung als Grundelement unserer gesamten bolschewistischen Strategie, deren nächstes Ziel die Eroberung der Mehrheit der Arbeiterklasse ist. In diesem Zusammenhang analysierte der 5. Kongreß die MacDonald-Regierung als das, was sie war: als die ‑ wenn auch falsche, reformistische ‑ Widerspiegelung eines tiefen, historischen Entwicklungsprozesses der englischen Arbeiterklasse.

Die deutsche Delegation unter Führung Ruth Fischers bekämpfte auf dem 5. Weltkongreß zunächst den Vorschlag der Exekutive. Dabei wurde der versteckte Anwurf erhoben, der Kampf um die internationale Gewerkschaftseinheit sei nur ein "Schachzug der russischen Außenpolitik", der Versuch einer Annäherung an die sozialdemokratische MacDonald-Regierung. Erst nach langen Verhandlungen ließ sich die Delegation von der Haltlosigkeit ihrer Politik überzeugen. Die Beschuldigung, der Kampf um die Gewerkschaftseinheit beruhe auf einem diplomatischen Spiel der russischen Außenpolitik, läßt sich nur aus einer im Grunde antibolschewistischen, sozialdemokratischen Mentalität der führenden Gruppe erklären. Die gleiche Beschuldigung wurde von MacDonald selbst sowie von allen englischen und internationalen Sozialverrätern erhoben, um den Kampf um die Gewerkschaftseinheit zu diskreditieren.

Der Kampf um die Einheit der Gewerkschaften ist ein Bestandteil der bolschewistischen Strategie gegenüber der Mehrheit der internationalen Arbeiterklasse. Wer sie nicht begriffen hat, konnte und kann die gesamte weltpolitische Konstellation der Gegenwart nicht richtig einschätzen und noch weniger die Taktik der Komintern im eigenen Lande mit ganzer Kraft durchführen.

Der Verständnislosigkeit der führenden Gruppe gegenüber der internationalen Gewerkschaftskampagne entsprachen die schweren Fehler und Versäumnisse ihrer Gewerkschaftsarbeit in Deutschland selbst. Die Beschlüsse des 5. Weltkongresses in der Gewerkschaftsfrage wurden allzusehr auf dem Wege des mechanischen Drucks und der Androhung von organisatorischen Maßnahmen "durchgeführt". Dagegen war die wirkliche Aufklärungsarbeit, die ideologische Erziehung der Parteimitglieder zum Verständnis unserer Gewerkschaftspolitik, die Ausarbeitung einer positiven politischen Linie innerhalb des ADGB äußerst mangelhaft.

So verstärkten sich die schweren Verluste, die unsere Partei im letzten Jahre auf allen Gebieten der Gewerkschaftsarbeit erlitt. Während die Opposition auf dem letzten ADGB-Kongreß (1922) 88 Delegierte zählte, ist sie auf dem diesjährigen Kongreß nur durch zwei Delegierte vertreten. Wir haben eine Reihe von Zahlstellen und Ortskartellen verloren. Nicht nur zahlenmäßig, sondern auch ideologisch und vor allem organisatorisch ist unser Einfluß auf die mehr als 80 Prozent parteilosen Mitglieder der deutschen freien Gewerkschaften aufs stärkste zurückgegangen. Obwohl eine Reihe von objektiven Umständen (die veränderte politische Lage, die Massenausschlüsse, die reaktionären Statuten und Wahlbestimmungen der Gewerkschaften) gleichfalls zu den Ursachen unserer Verluste gehören, spielen die Fehler und Versäumnisse der führenden Gruppe der Parteileitung eine entscheidende Rolle dabei.

Die Fehler unserer Gewerkschaftsarbeit bestehen vor allem in dem Unvermögen, die uns günstigen Stimmungen und Strömungen breiter Arbeiterschichten politisch-organisatorisch zu erfassen und festzuhalten. Seit einigen Monaten zeigt sich das langsame Wiedererwachen der politischen Aktivität großer Teile der deutschen Arbeiterschaft (Bauarbeiterstreik und andere Lohnkämpfe in den verschiedenen Industriezweigen, Holzarbeiterkampf, machtvolle Demonstrationen in vielen Großstädten, erfolgreiche Rote Tage usw., usw.). Die Parteileitung verstand es nicht, auf diese neuen Erscheinungen zu reagieren, vor allem nicht, sie für unsere Gewerkschaftsarbeit auszuwerten. Wir erwähnten schon, daß die Gruppe der Genossin Ruth Fischer die frühere Gewerkschaftsabteilung der Zentrale in leichtfertiger Weise auflöste. Die ausdrückliche Zusage des Vertreters der Zentrale, auf dem 10. Parteitag die erneute Bildung einer starken Gewerkschaftsabteilung vorzuschlagen, wurde nicht eingehalten. Für dieses Versäumnis lassen sich nur zwei Erklärungen finden: Entweder die führende Gruppe hat vergessen, den Beschluß der Komintern durchzuführen, oder sie wollte ihn nicht durchführen. Im ersten Falle hat sie nicht weniger als eine der wichtigsten organisatorisch-politischen Parteiaufgaben vergessen, im zweiten Falle hat sie den Willen der Kommunistischen Internationale sabotiert. In beiden Fällen hat sie vor der Partei und der Internationale eine schwere Verantwortung auf sich geladen.

Einer der Gründe für das Versagen der führenden Genossen dieser Gruppe in der Gewerkschaftsfrage ist der Mangel an Glauben an die politische Kraft und Aktivität der Massen sowohl der eigenen Parteimitglieder als auch der gesamten Arbeiterklasse. Dieser Pessimismus einiger führender Genossen, der alles andere als Bolschewismus ist, kommt beispielsweise in folgenden Ausführungen zum Ausdruck: "Wenn man absieht von den Spitzenfunktionären und sich die Mühe nimmt, hinunterzusteigen in die Mitgliedschaft, wird man sehen, daß unsere Proleten im Betrieb sich unsicher fühlen in der Verteidigung der Kommunistischen Partei. Sie fühlen sich nicht als die Sieger der Zukunft, sondern als die Traditionsleute, die dabei sind, weil es anständig ist." (Rede der Genossin Ruth Fischer auf dem Zentralausschuß vom 9. bis 10. Mai 1925, vgl. Protokoll in der Broschüre "Die monarchistische Gefahr und die Taktik der KPD", Seite 55[12].) Wir sind fest überzeugt, daß diese Äußerungen eine Geringschätzung der Kommunistischen Partei Deutschlands sind, die trotz aller Mängel ihrer Spitze zu den gesündesten, besten proletarischen Sektionen der Komintern gehört.

Noch krasser ist der Hinweis in der Rede Ruth Fischers (in der deutschen Kommission des Präsidiums [des EKKI]), "daß die Massen aus dem Alltag fliehen. Soldaten spielen": "Ich glaube, daß die Ursache der Schwierigkeiten aus zwei Hauptquellen kommt, die aber im Zusammenhang miteinander stehen. Erstens aus einer versteckten Liquidatorenstimmung tief in der Masse der Mitgliedschaft, die sagt: Wir haben keinen Sieg errungen, wozu sollen wir uns plagen, eine Kommunistische Partei aufzubauen. Wir können ebensogut Klassenkampf in der Sozialdemokratie machen. Als Beispiel, als Beweis dafür gilt, daß unsere Parteigenossen mit geradezu leidenschaftlicher Begeisterung Demonstrationen und Roten Frontkämpferbund machen. Warum? Weil sie sich damit vorspiegeln, daß sie an der Eroberung der Macht stehen, daß sie damit spielen können, Revolution zu machen, ohne die kleine Organisationsarbeit zu leisten. Meine Überzeugung ist, daß der Demonstrationscharakter überwiegt, weil unsere Leute sich flüchten in diese Demonstrationen, um die tägliche Arbeit in den Gewerkschaften und Betrieben nicht machen zu müssen."

Diese Auffassungen haben weder mit einer richtigen Einschätzung der realen Lage noch gar mit dem Bolschewismus irgend etwas gemeinsam. Sie sind ein Versuch, die Selbstkritik der führenden Gruppe durch eine falsche Kritik an der gesamten Parteimitgliedschaft zu ersetzen. Diese Geringschätzung der Parteimitglieder und der Arbeitermassen ist ein weiterer Schlüssel für die Fehler der erwähnten Genossen auch in der Gewerkschaftsarbeit.

Im Gegensatz zu diesen Abweichungen besteht die Aufgabe der Führung gerade darin, das Vertrauen der Partei in ihre eigene Kraft und in alle gesunden Kräfte der Arbeiterklasse zu stärken, ihren Kampfgeist zu wecken, in ihr das Bewußtsein ihrer wachsenden Stärke wachzurufen.

3. Das Verhältnis zur Kommunistischen Internationale

Die großen politischen Strömungen in der Arbeiterklasse bleiben auch auf die Partei der revolutionären Vorhut des Proletariats nicht ohne Einfluß. Der Drang immer breiterer Arbeiterschichten zum Zusammenschluß mit der siegreichen Arbeiterklasse der Sowjetunion spiegelt sich in unseren eigenen Reihen in der Durchdringung mit dem Leninismus, mit den Erfahrungen der Bolschewiki wider. Umgekehrt finden die Schwankungen und Verrätereien gewisser, von der bürgerlichen Antimoskau-Hetze beeinflußter Arbeitergruppen ihre letzte Ausstrahlung in den "antimoskowitischen", d. h. gegen die Sowjetunion, gegen die RKP(B) und gegen die Komintern gerichteten Tendenzen innerhalb unserer Partei.

Diese Gefahr ist in der KPD um so größer, als alle ihre heutigen Richtungen und Schattierungen ohne jede Ausnahme noch stark der Wirkung sozialdemokratischer, "westeuropäischer" Traditionen unterliegen. Jede bisherige Abweichung von der kommunistischen Politik begann in Deutschland mit einer Attacke gegen Sowjetrußland, die RKP(B), die Komintern. Die siebenjährigen Erfahrungen der deutschen Revolution lehren, daß alle derartigen Abweichungen, ganz gleichgültig, ob sie rechts oder "links" maskiert waren, sich entweder direkt zur Sozialdemokratie entwickelten oder faktisch ein Bündnis mit ihr eingingen. Das gilt für die KAPD[13], für Levi, für Friesland[14], für einige Brandlerianer[15], für die Schumacher-Gruppe[16] usw. Die Veränderung der politischen Situation, der endgültige Übergang der deutschen Bourgeoisie zur westlichen Orientierung, die bis zum Gipfelpunkt gesteigerte Rußlandhetze der Sozialdemokratie macht gegenwärtig die Gefahr antibolschewistischer Abweichungen in der KPD größer und akuter denn je.

Die ultralinke Gruppe Scholem-Rosenberg-Katz[17], die der Komintern und ihren wichtigsten Parteien "Opportunismus" vorwirft, hat nicht nur nichts mit dem Leninismus gemeinsam, sondern trägt sowohl in ihrem Verhältnis zur Komintern als auch in ihrer Stellungnahme zu den Problemen der deutschen Revolution ausgesprochen antibolschewistischen Charakter.

Gefährliche, im Wesen sozialdemokratische Abweichungen solcher Art bestehen jedoch nicht nur bei der offiziellen ultralinken Gruppe, sondern sie finden sich auch bei den führenden Personen der Gruppe Maslow-Ruth Fischer. Die Schriften des Gen. Maslow können nicht als ein Beitrag zur ernsten, gewissenhaften theoretischen Erziehung der Partei im Geiste des Leninismus gewertet werden. Namentlich seine letzten literarischen Arbeiten sind ein versteckter, äußerst gefährlicher Angriff gegen die Grundlagen des Leninismus und gegen die gesamte Politik der Komintern in der gegenwärtigen Periode. In seinem Buch "Die zwei Revolutionen des Jahres 1917" (Band 1, 4. Lieferung, S. 45 ff.) schreibt Gen. Maslow folgendes über den 3. Weltkongreß der KI: "Auf dem Dritten Weltkongreß sind meiner festen Überzeugung nach so große Fehler gemacht worden, daß er den europäischen (!!) Parteien weit mehr Schaden als Nutzen gebracht hat. Ganz sicher gilt das für die KPD [...] Auf dem Dritten Weltkongreß wurde eine Generalattacke gegen die Linken geritten, die bis zur Lächerlichkeit ging: hatte doch Gen. Trotzki sogar in der Partei Frossards[18] [...] in der KPF [...] auch höchst akute “Linksgefahren” entdeckt. Bedauerlicherweise beging Genosse Lenin den gleichen Fehler. Es ist das der einzige Fehler, der mir (!) von Seiten Lenins in der Behandlung der Partei bekannt ist. So den Charakter einer Partei wie der KPD mit ihren starken sozialdemokratischen Traditionen zu verkennen, insbesondere unter richtig erkannten objektiven Bedingungen, die gar keine Gelegenheit zu linken Exzessen gaben [...] Der Dritte Kongreß gab sachlich Levi recht [...] Der Kongreß stieß die deutsche Partei (ebenso wie die französische) nach rechts, löste eine schwere und langandauernde Liquidatorenkrise aus [...]"

Die Exekutive erklärt vor der ganzen Kommunistischen Internationale, daß dieser ungeheuerliche Angriff gegen Lenin und den Leninismus um keinen Preis geduldet werden kann. Der Vorwurf, die Komintern habe nicht nur die Kritik Levis an einigen ultralinken Fehlern der Partei anerkannt, sondern sie habe der levitischen Renegatengruppe "sachlich Recht gegeben", sie habe auf dem Dritten Kongreß die "europäischen Parteien" in den Opportunismus "gestoßen", er habe in der deutschen Partei das Liquidatorentum "ausgelöst", ist eine Wiederholung dessen, was Rühle[19], Pfemfert[20] und die inzwischen bei der Konterrevolution gelandeten KAPDisten im Jahre 1921 sagten. Genosse Maslow versucht, dem angeblichen "Opportunismus" Lenins einen "reinen", "linken", spezifisch "westeuropäischen" Kommunismus entgegenzustellen. Das entspricht genau der Plattform Paul Levis, Frossards, Höglunds[21] und aller Feinde des Leninismus. Unter dem Pseudonym eines Kampfes gegen den Trotzkismus und gegen den Renegaten Levi richtet Maslow seinen Vorstoß gegen Lenin, der "den Charakter der KPD verkannt" haben soll. Unter dem Mantel des Kampfes gegen die "westeuropäischen", d. h. antibolschewistischen Abweichungen vom Kommunismus propagiert Maslow einen "westeuropäischen Kommunismus" schlimmster Sorte.

Es ist kein Zufall, daß Genosse Maslow heute, im Jahre 1925, gerade den Dritten Weltkongreß zum Ziele seiner Attacke macht. Der Dritte Kongreß verkörpert gerade das konkrete Glied in der Kette der Entwicklung des Leninismus und der Komintern, das in der gegenwärtigen Situation für alle kommunistischen Parteien, in erster Linie aber für die deutsche, von größter, unmittelbarer, praktischer Bedeutung ist. Der Dritte Weltkongreß fand an einem Wendepunkt der internationalen proletarischen Revolution statt, im Moment des Überganges von der Periode des stürmischen revolutionären Aufstiegs in den Nachkriegsjahren 1919 und 1920 zur Periode der verlangsamten revolutionären Entwicklung von 1921 bis 1925 ‑ und darüber hinaus. Aus der neuen Einschätzung der Weltlage zog der Dritte Kongreß unter Führung Lenins neue Konsequenzen für die Taktik aller kommunistischen Parteien. Während der 1. und der 2. Weltkongreß die Strategie und Taktik der Komintern nur in ihren allgemeinen Umrissen bestimmten, arbeitete der 3. Kongreß die konkrete Politik der kommunistischen Parteien in der gegenwärtigen Übergangsperiode zwischen zwei Revolutionen heraus. Er stellte in den Mittelpunkt unserer Politik die Losung: "Heran an die Massen!", d. h. den Kurs auf die Gewinnung der ungeheuren Mehrheit der Arbeiterklasse. Damit schuf er den Anfang der bolschewistischen Einheitsfronttaktik, die die Achse unserer gegenwärtigen Politik bildet.

Wer ‑ wie Genosse Maslow ‑ diesen wichtigsten Wendepunkt unserer Taktik verleugnet, wer ihn als "Rechtsschwenkung" diskreditiert, wer ihn als Konzession an den Trotzkismus oder an den Renegaten Levi verspottet, der greift die Grundlagen der Komintern an.

Die praktischen Konsequenzen aus der falschen Theorie des Gen. Maslow sind unvermeidlich. Wenn man die Basis der Einheitsfronttaktik streicht, müssen ihre Resultate in der Praxis Null sein. Wenn man behauptet, "Lenin habe den Charakter der Kommunistischen Partei Deutschlands verkannt", kann man diese Partei nicht im Geiste des Leninismus führen. Die Ideologie des Genossen Maslow steht nicht nur in taktischem, sondern in prinzipiellem Gegensatz zum Leninismus. Sie ist eine der Wurzeln des jahrelangen Unverständnisses, das die führende Gruppe der deutschen Zentrale bis heute der Gewerkschaftsarbeit, diesem Kern unserer Politik, entgegenbringt. Sie ist schließlich eine der Wurzeln des fortgesetzten Kokettierens mit den ultralinken Gruppen von Seiten ihrer angeblichen "Bekämpfer", mit den Genossen Maslow und Ruth Fischer an der Spitze.

Das Verhältnis der Gruppe des Gen. Maslow zur Komintern ist seit dem 3. Weltkongreß ein unrichtiges, unbolschewistisches. Auf dem Jenaer Parteitag[22] bekämpfte diese Gruppe den Standpunkt Lenins und der Exekutive. Sie kritisierte nicht nur ‑ und dies mit vollem Recht ‑ die opportunistische Verdrehung der Einheitsfronttaktik durch die Brandlerianer, sondern sie erhob auch alle möglichen Bedenken und Vorbehalte gegen die richtige Einheitsfronttaktik der Komintern sowie gegen die Losung der "Arbeiter-und-Bauern-Regierung". Die antibolschewistischen Tendenzen besaßen bis vor kurzem maßgebenden Einfluß in ihrer Mitte. Nicht ungestraft bildete die Gruppe Maslow-Ruth Fischer, trotz aller Warnung der Komintern, bis vor fünf Monaten eine feste Einheit mit der Gruppe Scholem-Rosenberg-Katz. Auch auf dem Frankfurter Parteitag[23] zeigten sich "antimoskowitische" Vorstöße gegen die Komintern (in der Gewerkschaftsfrage, der Frage der Zusammensetzung der Zentrale u. a.). Im Verlaufe des letzten Jahres entsandte Gen. Ruth Fischer, trotz des Einspruchs der Exekutive, mehrfach Emissäre in verschiedene Sektionen der Komintern, deren "Mission" darin bestand, auf fraktionellem Wege die Taktik der Exekutive zu ändern. Das Resultat dieser Reisen war, daß die deutsche Partei in den Brudersektionen der Komintern diskreditiert, ihnen entfremdet wurde. Besonders scharf kamen diese Tendenzen auf dem letzten Parteitag[24] zum Ausdruck. Alle Vorschläge der Exekutive in der Gewerkschaftsfrage und in der Zentralefrage wurden trotz der gegebenen Zusagen abgelehnt. Von der versprochenen demonstrativen Wendung in unserer Gewerkschaftspolitik war ‑ außer in dem Referat des Gen. Thälmann[25] ‑ keine Rede auf dem Parteitag.

Allen Delegierten des Parteitages wurde durch die Zentrale eine Sondernummer des Berliner "Funken"[26] überreicht, deren Hauptinhalt ein ‑ "diplomatischer" ‑ Angriff Maslows gegen die Komintern bildet. In diesem Artikel "Einige Bemerkungen über unsere 10 Parteitage" schreibt Maslow u. a.: "Die spätere Linke der KPD hat vor dem 4. Weltkongreß in diesem Sinne und mit vollem Recht die Forderung “Zurück zum 2. Weltkongreß” erhoben. In dem schon erwähnten Erinnerungsbuch erzählt Genossin Zetkin, Lenin habe sich über diese “Dummheitlustig gemacht. Ich zweifle nicht daran, da ich mir vorstellen kann, wie ihm diese Losung dargestellt und ausgelegt worden ist [...] Nicht umsonst hat der 4. Kongreß, trotz des Spotts Lenins, die 21 Bedingungen ausdrücklich erneut bestätigt, und nicht umsonst mußte der 5. Weltkongreß [...] bewußt und betont auf die Grundsätze des zweiten zurückgreifen [...]" Maslow versucht hier abermals durch die demagogische Gegenüberstellung des 2., 4. und 5. Weltkongresses einerseits, des 3. andererseits die Einheit der politischen Entwicklung der Komintern ideologisch zu zerstören und die Grundlagen der kommunistischen Politik in der gegenwärtigen Periode zu diskreditieren. Maslow stellt ferner die unwahre Behauptung auf: "Leider wurden die Leviten geradezu unterstützt von den russischen Genossen." Dieser Hetze gegen die "russischen Genossen" folgt in Maslows Artikel die ebenfalls gefährliche Legende, daß "die Leviten sich in Moskau (!) auf dem Kongreß mit Recht als Sieger betrachteten".

"Der Dritte Kongreß", schreibt Maslow weiter, "hinderte vor allem die KPD, sich selbst Klarheit zu verschaffen. Der Dritte Kongreß hat so [...] auf die KPD einen ähnlichen Effekt ausgeübt, wie zwei Jahre früher der Heidelberger Parteitag[27]: trotz richtiger Beschlüsse [...] eine schädliche Wirkung." "Wären die Grundsätze des 2. Kongresses vorgetragen worden, ohne daß man sich den Popanz von “linken” Gefahren ausmalte [...], dann hätte man wahrscheinlich die Krise in der KPD wie auch in der KPF bedeutend abgekürzt. Aber auch die Exekutive und auch die russischen Genossen (!) waren ganz und gar nicht einig [...]" Maslow schreibt weiter, daß nicht seine eigene Gruppe, sondern die Exekutive "die deutsche Partei lange gehindert hat, in ein gutes Verhältnis zur Exekutive zu kommen". Er erzählt mit voller Zustimmung folgende Anekdote: "Als die Exekutive nach Jena ihren (durch nichts gerechtfertigten) Angriff durch eine Einladung, eine Berliner Delegation nach Moskau zu schicken, korrigieren wollte, war es zu spät; die Organisation lehnte diese Einladung nach dem Mittagessen einstimmig ab, und der schon rechte Friesland schrieb den Absagebrief im Auftrage der Organisation." Dieser letzte Absatz ist ein beispielloser Versuch der Herabsetzung der Kommunistischen Internationale vor den Augen der deutschen Arbeiter.

Das antibolschewistische Spiel der Gruppe Maslow selbst beweist am klarsten, daß Lenin sich auf dem 3. Weltkongreß nicht einen "Popanz von linken Gefahren ausmalte", sondern daß diese Gefahren noch heute, vier Jahre nach dem 3. Weltkongreß, die Entwicklung der deutschen Partei hemmen, sie an der gesunden politischen Arbeit hindern, ihre Ideologie vergiften. Der ausgesprochenste Vertreter dieser linken, besser levitistischen Gefahren ist Maslow und seine Auffassung vom 3Weltkongreß.

Die gesamte deutsche Partei, vor allem die besten Genossen der deutschen Linken in allen Parteiorganisationen und Bezirken haben die Pflicht, das von der Gruppe Maslow-Ruth Fischer geförderte, nicht bolschewistische System des Verhältnisses der Partei zur Komintern mit aller Kraft zu brechen. Gebrochen, endgültig gebrochen werden muß auch mit dem System der "doppelten Buchführung", das die erwähnten Genossen ein volles Jahr lang gegenüber der Komintern angewandt haben. Anstatt die richtige Linie der Komintern aufrichtig durchzuführen, unternahm diese Gruppe fortgesetzte Verschleppungsversuche vor den eigenen Parteimitgliedern durch den Hinweis auf den angeblichen "Druck nach rechts" von seiten der Exekutive; gleichzeitig leistete sie systematischen Widerstand vor der Exekutive durch den Hinweis auf den angeblichen "Zug nach ultralinks" von seiten der deutschen Parteimitglieder.

Die Erfahrungen der verflossenen Kampfperiode seit dem Frankfurter Parteitag[28] beweisen auch dem letzten deutschen Kommunisten, daß die Komintern in allen Streitfragen unbedingt recht hatte gegenüber der Gruppe Maslow-Ruth Fischer. Sie hatte recht in der Einheitsfronttaktik und in der Gewerkschaftsfrage. Sie hatte ebenso recht in der Frage der Präsidentschaftswahlen wie mit ihren ‑ jahrelang in den Wind geschlagenen ‑ Warnungen vor den ultralinken Gefahren in der deutschen Partei. Wir sind fest überzeugt, daß die kommunistischen Arbeiter Deutschlands sehr rasch erkennen werden, daß auch in dem gegenwärtigen Kampf um den innerparteilichen Kurs der KPD, um ihr Verhältnis zur Komintern, um ihr Verhältnis zu den deutschen Arbeitermassen, um ihr Verhältnis zur leninistischen Theorie die Komintern unbedingt recht hat, während die Gruppe Maslow-Ruth Fischer in allen diesen Fragen unbedingt unrecht hat.

4. Die innere Parteilinie

Die führende Gruppe der Parteizentrale verstand nicht, die richtigen Maßnahmen zu treffen, um den Zutritt zu den Massen zu finden. Das geschah auch aus dem Grunde nicht, weil ihre innerparteiliche Politik falsch war.

Wie erwähnt, wurden die Fragen des inneren Parteilebens während der Sitzung der Erweiterten Exekutive[29] ausführlich mit den Vertretern der deutschen Zentrale besprochen. Die Vertreter der Exekutive wiesen darauf hin, daß der Ultrazentralismus, der mechanische Druck, die vorwiegend administrativen Maßregeln, das Fehlen der Propaganda und der Überzeugungsmethode überhaupt, die Furcht vor neuen Kräften usw. unbedingt verheerende Wirkungen haben müßten.

In der damaligen Beratung wurde beschlossen, die innere Parteidemokratie zu verstärken. Wir waren der Meinung, daß, nachdem der Sieg über die Rechte gewonnen ist, nachdem die Linke die Oberhand in der Partei hat, nachdem also die organisatorischen Garantien für eine im Ganzen richtige allgemeine Politik geschaffen sind, das Problem der Parteierziehung in den Vordergrund tritt. Andererseits glaubten wir, daß der Kreis der neuen Führungskader der Partei zu verbreitern sei: Die Möglichkeit einer breiteren Auslese der Parteifunktionäre müsse garantiert werden, was ohne Diskussionen, Wählbarkeit, bewußte Politik der Heranziehung und Prüfung neuer Arbeiter unmöglich ist. Im Zusammenhang damit forder[te]n wir die Heranziehung neuer Kräfte, darunter auch der besten Mitglieder der ehemaligen Opposition, die der Komintern und der Partei treu geblieben sind. Diese Arbeit wurde aber nicht geleistet. Andererseits war bei uns diese Frage auch mit der Frage des Verhältnisses zu den parteilosen und sozialdemokratischen Arbeitern verbunden. Denn wenn man in der Partei lediglich administrative Mittel anwendet, so überträgt man die gleiche Politik in verstärktem Maße auf die außerhalb der Partei stehenden Arbeiter und schneidet sich damit die Wege zur Eroberung neuer Arbeiter ab. Wir glauben, daß ohne diese innerparteilichen Reformen die Partei nicht imstande sein wird, eine richtige Politik unter den Massen durchzuführen. Deshalb forderte die Exekutive diese Reformen in der Richtung der "Normalisierung des Parteilebens". Während der Erweiterten Exekutive hat die deutsche Delegation mit der Genossin Ruth Fischer an der Spitze diese Vorschläge angenommen.

Nochmals wurden diese Probleme mit der deutschen Delegation kurz vor dem Parteitag[30] besprochen. Die Exekutive schlug vor, die Zentrale durch eine Reihe von Parteiarbeitern, die mit der Masse eng verbunden sind, zu erweitern. Die russischen Genossen wiesen u. a. darauf hin, daß die RKP(B) seit dem Tode Lenins die Zahl ihrer Zentralemitglieder stark vergrößert und damit die Zentrale gestärkt, ihre Autorität gefestigt und gleichzeitig bessere Verbindungen mit der Parteimasse geschaffen hat, was ‑ im Zusammenhang mit der innerparteilichen Demokratisierung ‑ auch bessere Verbindungen zu den Arbeitermassen außerhalb der Partei schuf. (Leninaufgebot.)

Der deutsche Parteitag wurde aber so vorbereitet und so durchgeführt, daß trotz aller Versprechungen gerade das Gegenteil erzielt wurde. Obwohl in der Partei starke Flügelgruppen (Ultralinke und ‑rechte) existieren, fand diese Tatsache absolut keine Widerspiegelung auf dem Parteitag selbst. Es war keine politische Diskussion, da jede Delegation vorher ausführlich besprach, was zu sagen ist: Sogar auf dem Parteitag selbst ‑ der höchsten Instanz der Partei ‑ wurde die Diskussionsfreiheit annulliert. Wie schwach der Parteitag vorbereitet wurde, zeigen die gedruckten Anträge aus den Bezirken. Es gab nur sieben Anträge: einen über Esperanto (!), vier über Beiträge, einen über Arbeiterkorrespondenzen und einen über Kommunalkurse.

Analoge Erscheinungen sind auf ideologischem Gebiet zu konstatieren. Niemals in der Arbeiterpresse hat man eine solche Reklame gesehen wie für die Broschüre des Genossen Maslow. In Wirklichkeit besteht diese Broschüre lediglich aus richtigen Zitaten und durchaus unrichtigen Bemerkungen des Genossen Maslow. Nach diesem Muster versuchte man, das geistige Leben der Partei zu entwickeln.

Es wäre nicht so schlimm, wenn die persönliche Autorität der Führer hochstünde. Aber diese Autorität muß einige Voraussetzungen haben und nicht nur mechanisch erworben werden. Leider aber sehen wir etwas anderes, und das ist eine Gefahr für die Gesamtpartei.

Es mangelt in der Partei an der Kontrolle von unten, d. h. durch die Mitgliedschaft der Partei. Gleichzeitig kämpfte die führende Gruppe fortgesetzt gegen die Kontrolle von oben, d. h. durch die Exekutive der Komintern. Auf diese Weise wurde ein solcher Zustand geschaffen, daß man das Verantwortlichkeitsgefühl verlor, was zu verschiedenen, ganz unerträglichen Dingen geführt hat. Eine derartige Struktur der Partei macht die Entwicklung ihrer Werbekraft unmöglich. Ein derartiges System verdirbt die Partei selbst. Dieses System muß gebrochen werden, um einer noch größeren Krise vorzubeugen, die wirklich katastrophale Wirkungen haben kann.

5. Die Gefahr der Prinzipienlosigkeit

Der praktische Bolschewismus besteht u. a. darin, daß man nach theoretisch erkannten, ehrlich durchdachten politischen Linien handelt. Bei der Gruppe Maslow-Ruth Fischer befindet sich aber die innere Überzeugung, die innere Einschätzung der Lage in krassestem Konflikt mit der angenommenen Linie. Die tiefste Grundlage dieser Gruppe ist sehr pessimistisch ‑ keine revolutionären Perspektiven, überhaupt die Auffassung: Die Massen sind vollständig passiv, sie flüchten aus dem Alltagsleben, sie spielen Soldaten usw. Sie zu gewinnen ist eine unerfüllbare Aufgabe. Andererseits "fordert" die Komintern die Gewinnung der Massen. Schon damit ist der Zwiespalt in der Praxis dieser führenden Gruppe gegeben. Mit dem Pessimismus ist das Kokettieren mit den Ultralinken verbunden. Auf die Forderungen der Internationale erfolgt die papierene Anerkennung dieser Forderungen und die Anstrengung, sie im Leben zu verwirklichen, ohne daran zu glauben. Daraus folgt die schwankende Position und die politische Haltlosigkeit dieser Gruppe, eine Haltlosigkeit, die mit einer Diplomatie schlimmster Art im Verhältnis zur Komintern verbunden ist.

Das typische Beispiel dafür ist der 10. Parteitag. Wir haben bereits gesehen, wie man ihn "geistig" vorbereitete: Genosse Maslow schrieb die Artikel, deren einziger Sinn darin bestand, die Bedeutung des 3. Weltkongresses zu diskreditieren, die gesamte Taktik der Internationale ihrer Basis zu berauben und gleichzeitig die Basis für die ultralinken Gruppierungen zu begründen. Formell aber kämpfte man auf dem Parteitag gegen ultralinks. Andererseits wurde, sobald es mit der Internationale zum Konflikt gekommen war, sofort die politische Linie vergessen und der Block mit den Ultralinken geschlossen. In Moskau aber erklärte Genossin Ruth Fischer, daß der Parteitag ultralinks gestimmt war und sie gar nichts dagegen tun konnte, obwohl sie wollte! Auf einer Seite fördert man ultralinke Stimmungen, auf der anderen erklärt man: Wir haben uns in einer Notlage befunden.

Diese "Taktik" hat bereits ihre Traditionen. Genossin Ruth Fischer erklärte in Moskau immer wieder, daß die "Massen" sie stören, die Politik durchzuführen, die die Exekutive empfiehlt, während sie in Berlin sagte, daß ihr die KI eine unrichtige Politik aufzwingt.

Diese Gewohnheit fand ihren Ausdruck auch in der Rede des Genossen Schneller[31] ‑ Genosse Schneller hat inzwischen diesen Irrtum anerkannt ‑, der in Moskau erklärt hat (um Personen zu verteidigen), daß die Linke bankrott sei. Wir halten diese Behauptung für falsch. Nicht die Linke, sondern einige Führer dieser Linken sind bankrott, und die Linke wird sich behaupten auf anderen Gleisen, indem sie immer größere Schichten der Parteimitgliedschaft überzeugen und die energischste positive Arbeit entwickeln wird.

Eine große Rolle spielt bei dem prinzipiellen Kampf gegen die Kommunistische Internationale das Argument, daß wir die deutsche Partei ständig "nach rechts stoßen" wollen.

Wir konstatieren hier nochmals, daß in allen wichtigen Problemen die nachträgliche Erfahrung vollständig den Standpunkt der Komintern rechtfertigte. Jeder versteht das jetzt ganz klar. Nur ein politisch ganz bornierter Mensch sieht nicht ein, daß wir ohne diese Taktik anstatt der Partei heute bloß ein Häuflein Kommunisten, und dabei sehr schlechter, gehabt hätten. Aber die Legende über das permanente "Stoßen" der Partei nach "rechts" durch die Komintern muß endgültig und vollständig zerbrochen werden. Wir unterstreichen, daß die Exekutive im jetzigen Moment die führende Gruppe nicht von rechts, sondern von links kritisiert. Wir würden als bewußte Lüge jedes dahingehende Argument behandeln, die Komintern wolle die Partei "nach rechts" schleppen. Gerade um die Linke und mit ihr die Gesamtpartei aus dem Sumpfe herauszuziehen, bestehen wir auf den vorgeschlagenen Reformen.

6. Die Aufgaben der Partei

Die Kritik an den Fehlern der bisher führenden Gruppe wird nur dann einen wirklichen und dauernden Nutzen bringen, wenn sie zu einer besseren und entschlosseneren Erfüllung der positiven Aufgaben der Partei bei [der] Gewinnung der Massen führt. Die wichtigste Aufgabe der Partei besteht im gegenwärtigen Augenblick darin, rechtzeitig und tatkräftig auf die sich anbahnende politische Umgruppierung innerhalb der deutschen Arbeiterklasse zu reagieren. Die bedeutsamste Erscheinung der letzten Monate ist der beginnende Widerstand breiter Arbeitermassen gegen die "westliche Orientierung", d. h. gegen den Übergang der Bourgeoisie auf die Seite des Entente-Imperialismus, gegen die Führung der II. Internationale, die Wendung dieser Arbeitermassen zu Sowjetrußland und ‑ wenn auch auf Umwegen ‑ zur proletarischen Revolution. Ohne diesen Entwicklungsprozeß in seiner Bedeutung und seinem Tempo zu überschätzen, muß die Partei diese neuen Erscheinungen in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit rücken, sie sorgfältig verfolgen und bei jedem ihrer praktisch-politischen Schritte berücksichtigen.

Alles kommt darauf an, daß die Partei ihre Werbekraft in größerem Maße steigert. Sie muß den sich nach links entwickelnden sozialdemokratischen Arbeitermassen gegenüber neue Formen, einen neuen Ton, einen neuen Inhalt der Agitation finden. Sie muß alle Vorgänge im Lager der Sozialdemokratie genau erkennen, studieren, in den Bezirken, Unterbezirken und Ortsgruppen, entsprechend den lokalen Verhältnissen, durch unsere Agitation beeinflussen. Die sozialdemokratischen Arbeitermassen, die sich von ihren konterrevolutionären Führern abzukehren, langsam, zögernd, aber unverkennbar der proletarischen Revolution zuzuwenden beginnen, müssen das Gefühl haben: Die Kommunistische Partei ist wirklich eine Partei der Arbeiter, eine Partei, die unentwegt für unsere Interessen, unsere Teilforderungen, unsere Tagesnöte kämpft, die uns nicht nur als Agitationsobjekt, sondern als Klassenbrüder betrachtet, die ehrlich die Herstellung der proletarischen Einheitsfront im Klassenkampf will.

Vom Gesichtspunkt dieser Hauptaufgaben müssen alle anderen politischen Schritte der Partei unternommen werden. Von diesem Gesichtspunkt muß vor allem unsere Parlamentsarbeit geleistet werden. An jedem Ort und in jeder politischen Frage müssen wir die Tribüne suchen, von der aus die Partei zu den Arbeitermassen in den Gewerkschaften und in der Sozialdemokratie spricht, um sie auf die Seite des Klassenkampfes hinüberzuziehen. In diesem Licht müssen wir die Fragen des Garantiepaktes, des Völkerbundes, der Handelsverträge, der Kredite, der Zölle, der Steuern, der Wohnungspolitik usw. stellen.

Zugleich muß der Kampf gegen die monarchistische Gefahr, gegen die Klassenjustiz, für die Vollamnestie usw. mit den tagtäglichen ökonomischen Lohn- und Arbeitskämpfen des Proletariats verbunden werden.

Um wirklich einen Zugang zu dem besten Teil der deutschen sozialdemokratischen Arbeiter zu finden, muß man den Kampf aufnehmen gegen jene Exzesse, die aus der Zeit stammen, wo der Kampf mit der Waffe in der Hand geführt wurde. Den größten Schaden für die Sache der Arbeiterklasse bringen z. B. Fälle von gegenseitigen Schlägereien zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten (auf Versammlungen, unter der Jugend usw.), die durch die Schuld der Sozialdemokraten, mitunter aber auch nicht ohne Schuld der Kommunisten bis auf den heutigen Tag noch stattfinden. Den konterrevolutionären Führern der deutschen Sozialdemokratie kommen solche gegenseitigen Schlägereien gerade recht, und diese Führer fachen selbstverständlich einen solchen Kampf bewußt an. Die Kommunisten müssen die Initiative zur endgültigen Beseitigung solcher Erscheinungen ergreifen, was selbstverständlich den guten Willen bei den sozialdemokratischen Arbeitern voraussetzt.

Man muß nicht nur in Worten, sondern auch in der Tat zu unterscheiden verstehen zwischen den konterrevolutionären sozialdemokratischen Führern und der breiten Masse der sozialdemokratischen Arbeiter. Unsere Presse, insbesondere unsere Betriebszeitungen (Wandzeitungen usw.) müssen es verstehen, die Agitation gegen die verbrecherische Politik der sozialdemokratischen Führer so zu führen, daß dabei jeder sozialdemokratische Arbeiter in der betreffenden Fabrik oder in dem betreffenden Betrieb fühlt, daß ihm gegenüber, dem Arbeiter an der Drehbank, dem einfachen gewählten Betriebsratsvertreter, ein anderes Verhältnis besteht als gegenüber dem hohen "Barmat"-Führer[32], der die Arbeiter im Parlament von vorn und hinten verkauft.

Die wirkliche, für alle Arbeiter sichtbare Umstellung wird vollzogen, wenn die Partei alle Kräfte auf die Steigerung unserer Gewerkschaftsarbeit konzentriert. Durch unsere Gewerkschaftsarbeit muß die SPD geschlagen, durch unsere Gewerkschaftsarbeit muß die rote Einheitsfront gebildet werden.

Die Partei, ihre Gewerkschaftsfraktionen müssen in allen Verbänden, Ortskartellen und Zahlstellen eine großzügige Agitation auf Grund der Reise der ersten Arbeiterdelegation nach Sowjetrußland entfalten. Diese Reise muß einen gewaltigen Widerhall in der gesamten deutschen Arbeiterbewegung erwecken.

Der Drang der Arbeiter zur Einheit der Gewerkschaften muß möglichst bald zur Herausbildung eines linken Flügels in den Gewerkschaften nach dem Vorbild der englischen Arbeiterbewegung kristallisiert werden. Das ist der nächste Schritt vorwärts in der deutschen und internationalen Einheitsbewegung, den die deutsche Partei tun muß. Die große Bewegung für die Einheit der Gewerkschaften wird breiteste Massen erfassen und neuen Zustrom für die freien Gewerkschaften bringen, wenn die Kommunistische Partei zur treibenden Kraft für die Gewerkschaftseinheit wird. Die Kommunisten müssen verstehen lernen, in den Gewerkschaften die beste, energischste, sachlichste Arbeit zu leisten; sie müssen den parteilosen und sozialdemokratischen Gewerkschaftsmitgliedern durch Anschauungsunterricht beweisen, daß sie als Bolschewisten verstehen, zugleich aktive Gewerkschaftler zu sein. Unseren Fraktionen in den Gewerkschaften erwachsen damit eine Reihe von Aufgaben: wirkliches Eindringen in das Gewerkschaftsleben, intensivstes Studium der wirtschaftlichen und politischen Zusammenhänge (Konzernwesen, Wirtschaftskonjunktur, Lage der Industriezweige, Besonderheiten der Wirtschaftsgebiete usw.), Herausarbeitung einer klaren und sachkundigen Tarif- und Sozialpolitik, Führung von Arbeitskämpfen, insbesondere Streikstrategie, Stellung [nähme] zu allen Organisationsfragen der Gewerkschaften, Kampf für die Industrieverbände, besondere Berücksichtigung der Rolle und Aufgaben der Betriebsräte, Betonung der Interessen der Arbeiterjugend innerhalb der Gewerkschaften, der Arbeiterinnen usw. Der Ausbau einer starken Gewerkschaftsabteilung bei der Zentrale der KPD muß den ernsten Willen der Parteileitung zeigen, diese Arbeit zur Grundaufgabe der Partei zu machen.

Was bedeutet für die Kommunistische Partei die Erkämpfung des Einflusses in den Gewerkschaften in einem solchen Lande wie Deutschland? Das bedeutet vor allen Dingen, Einfluß unter den organisierten Arbeitern in den Fabriken, Betrieben, Bergwerken, Werkstätten, auf den Eisenbahnen, in allen Industrieunternehmungen erkämpfen und diesen Einfluß vertiefen. Irgendeinen nennenswerten ernsten Einfluß in den jetzigen deutschen Gewerkschaften kann nur derjenige kommunistische Arbeiter haben, der Einfluß im Betriebe hat. Der Einfluß der Kommunisten aber gerade in den Betrieben ist in der letzten Zeit schwächer geworden, was wir uns nicht zu verheimlichen brauchen. Man muß die einfache Wahrheit begreifen, daß der Kampf der Kommunistischen Partei und der Sozialdemokratie um den Einfluß auf die Massen letzten Endes in den Betrieben entschieden wird. Man muß begreifen, daß ein gründlicher und ernster Einfluß nicht sosehr auf dieser oder jener Versammlung erobert wird als vielmehr durch lange und beständige Arbeit unter den Massen in den Betrieben. Man muß begreifen, daß der Hauptfehler der deutschen Kommunisten in der letzten Zeit darin besteht, daß sie allzuviel Aufmerksamkeit den "hohen", "parlamentarischen" Fragen und allzuwenig Aufmerksamkeit der Arbeit in den Betrieben gewidmet haben.

Wie haben die russischen Bolschewisten seinerzeit die Menschewisten besiegt? Sie überließen den Menschewisten ruhig ihre Lorbeeren auf den "Konzert-Versammlungen", in den Couloirs des Parlaments usw., während sie selbst zu den Massen gingen, in die Fabriken und in die Betriebe, und durch jahrelange Arbeit in den Betrieben, in den Tiefen der Arbeitermassen die Mehrheit der Arbeiterklasse auf ihre Seite brachten.

Reden wir weniger davon, daß die Kommunistische Partei Deutschlands die einzige Arbeiterpartei ist! Handeln wir um so mehr, damit durch eine unermüdliche jahrelange Arbeit innerhalb der breiten Massen in den Betrieben die Mehrheit der Arbeiterschaft für uns gewonnen wird.

Die besten Parteigenossen der Kommunistischen Partei Deutschlands ‑ in die Betriebe und von dort in die Gewerkschaften! Ausdauer und die Bereitschaft, jahrelang die einfachste alltägliche Arbeit unter den Massen zu leisten, um Einfluß für ihre Partei zu erobern ‑ das ist es, was die deutschen Kommunisten brauchen!

Zur Durchführung der Gewerkschaftsarbeit ist eine entschlossene organisatorische Umstellung der Partei im Sinne der Organisationsbeschlüsse des letzten Parteitages[33] erforderlich. Die auf dem Parteitag in Berlin[34] beschlossenen neuen Statuten[35] und Organisationsrichtlinien müssen aufs rascheste verwirklicht werden. Die organisatorische Umstellung der Partei hängt eng mit der politischen zusammen. Ihre gemeinsame Richtlinie besteht in der Verlegung des Schwergewichts der gesamten politisch-organisatorischen Arbeit der Partei in die Betriebe, mit dem Ziel, die Massen der Arbeiter in den Betrieben zu erobern.

Im Vordergrund der organisatorischen Umstellung stehen folgende drei Aufgabengebiete:

1. Reform des innerparteilichen Kurses im Sinne der Normalisierung und Demokratisierung des Parteilebens, der lebendigen Verbindung der Parteiführung mit der Mitgliedschaft in allen und durch alle Organisationen der Partei.

2. Ernsthafte und unbedingt konsequente Reorganisation auf der Grundlage der Betriebszellen.

3. Organisatorische Zusammenfassung und Festigung des kommunistischen Einflusses in allen parteilosen Arbeiterorganisationen, vor allem in den Gewerkschaften, aber zugleich auch in den sich neu bildenden Massenorganisationen des Proletariats.

Die Durchführung einer lebendigen Verbindung der Parteiführung mit der Mitgliedschaft erfordert die Beseitigung des Überzentralismus, die Heranziehung neuer Kräfte nicht nur für die Zentrale, sondern für alle leitenden Organe der Partei, besonders auch für die Bezirksleitungen, die Garantie der kollektiven Arbeit der gesamten Mitgliedschaft und die engste Zusammenarbeit mit der Komintern.

Die Zusammenarbeit mit der Komintern ist um so notwendiger, weil durch sie die Partei durch die Erfahrungen der gesamten Internationale bereichert wird. Neben der Reform des innerparteilichen Kurses und der Umstellung auf die Betriebszellen ist von größter Wichtigkeit der rasche Aufbau eines Systems wirklich bolschewistischer, mit größter Initiative praktisch arbeitender Parteifraktionen in ausnahmslos allen Organisationen der Arbeiterschaft, wo Kommunisten sind.

Diese Aufgabe beschränkt sich keineswegs auf die Gewerkschaften, sondern gilt auch für sämtliche anderen parteilosen Massenorganisationen, sei es, daß sie bereits seit längerer Zeit bestehen, sei es, daß sie sich erst neu herausbilden. Der RFB bietet das beste Beispiel für die Neubildung proletarischer Massenorganisationen auf Grund der Kampferfahrungen des deutschen Proletariats. Rasche Einstellung der Partei auf solche Organisationen (Sport-, Mieter-, Freidenker-[organisationen], Rote Frauenliga usw.) und ihre Ausnutzung zur Stärkung der Gewerkschaftsarbeit ist notwendig.

In der Reihe der Fehler und Mängel der Leitung der KPD nimmt nicht den letzten Platz ihre vollkommen unrichtige Politik gegenüber dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands ein. Die zahlenmäßige Schwäche und die Schwierigkeiten des Jugendverbandes in Deutschland lassen sich in bedeutendem Maße dadurch erklären, daß die Partei fast nichts gemacht hat, um dem Jugendverband zu helfen, einen bedeutend höheren Stand zu erreichen. Aber die Hauptursache der Schwäche des deutschen Jugendverbandes ist die, daß er bis zur letzten Zeit auf demselben unrichtigen Wege ging, auf dem die Partei von ihrer Führung geleitet wurde, und mit der Partei alle ihre Fehler teilte. Um so mehr Bedeutung hat der Umstand, daß auf dem 10. Parteitag einzig die Jugend offen und bis zu Ende die Vorschläge der Komintern verteidigte. Das ist ein sicheres Zeichen dessen, daß die Jugend bereits ohne die Hilfe der Partei und sogar trotz des Widerstandes der Parteiführung selbständig den richtigen Weg zu beschreiten begonnen hatte. Vollkommen unzulässig war deshalb das Benehmen der Vertreter der Parteiführung, das auf dem Parteitag in der Obstruktion gegenüber der Jugend und danach in dem "Druck" gegenüber dem ZK des KJVD seinen Ausdruck fand. Die Partei muß verstehen, daß ein solches Verhältnis dem KJV gegenüber die ganze kommunistische Arbeit unter der arbeitenden Jugend zunichte machen kann; diese Arbeit ist aber eine der wichtigsten Voraussetzungen der wirklichen Bolschewisierung der Partei.

Die Organisationen des ländlichen und städtischen Kleinbürgertums bedürfen der besonderen Aufmerksamkeit der Partei. Zugleich müssen endlich die notwendigen Schritte unternommen werden, um in Deutschland praktisch eine leninistische Bauernpolitik zu verwirklichen. Die Partei muß die steigende Unzufriedenheit des Kleinbürgertums und des Bauerntums wegen der Regelung der Aufwertungsfrage, der Handelsverträge, der Kredite, der Steuern und Zölle zum gemeinsamen Kampf gegen die Bourgeoisie mobilisieren (kommunistische Fraktionsarbeit in den Aufwertungs-, Mieterorganisationen, den Organisationen der Weinbauern, Kleinbauern, Pächter usw.). Die Parlamentsarbeit der Partei im Reiche, [in] den Ländern und Kommunen muß in allererster Linie vom Gesichtspunkt der Förderung unserer Arbeit in den Massenorganisationen durchgeführt werden. Dazu ist die engste Zusammenarbeit zwischen den Parlamentsfraktionen und den kommunistischen Fraktionen in den Gewerkschaften usw. eine unerläßliche Voraussetzung.

Die Partei darf keinen Augenblick vergessen, daß nach wie vor ernste rechte und ultralinke Gefahren in ihren Reihen bestehen. Dagegen bieten nicht mechanische Maßnahmen einen Schutz, sondern die breite, gründliche, bis zum letzten Parteimitglied vordringende, alle Organisationen und Zellen umfassende Auf klärungs- und Erziehungsarbeit durch die Partei. Die ideologische Überwindung aller Fehler auf praktischem und theoretischem Gebiet erfolgt am besten auf dem Wege der Durchdringung der Partei mit den Grundsätzen des Leninismus und der Komintern, auf dem Wege der Anwendung dieser Grundsätze auf die konkreten Verhältnisse in Deutschland und die daraus erwachsenden praktischen Parteiaufgaben.

Eine breite Aufklärungskampagne unter der gesamten Mitgliedschaft über die Notwendigkeit und den politischen Sinn der gegenwärtigen Auseinandersetzung muß den bewußten Anfang dieser innerparteilichen Propagandaarbeit bilden.

7. Warum muß die Partei gerade jetzt und warum muß sie rasch umgestellt werden?

Viele Parteigenossen werden fragen, warum der Umschwung in der Führung der KPD so "plötzlich" notwendig ist; in Wirklichkeit handelt es sich keineswegs um "plötzlich" aufgetauchte Differenzen zwischen der Exekutive und der Gruppe Ruth Fischer. Es handelt sich vielmehr um Gegensätze, die während des ganzen Verlaufs der letzten anderthalb Jahre vorhanden waren und sich immer weiter bis zu dem jetzigen für die Partei und die Internationale völlig unerträglichen Zustand verschärften.

Mehr als einmal hat die Exekutive die führende Gruppe vor der Fortsetzung ihrer Abweichungen gewarnt. Bereits auf der Tagung der Erweiterten Exekutive[36] teilte die russische Delegation der deutschen Vertretung unter Führung Ruth Fischers nach ernsten, tagelangen Beratungen mit, daß bei der Fortsetzung des bisherigen innerparteilichen falschen Kurses ein schwerer Konflikt unvermeidlich sei. Die Vertreter der Exekutive in Deutschland wiesen immer wieder auf die Abweichungen und Irrtümer der erwähnten Gruppe hin. Trotzdem blieben alle Ratschläge und ernsten kameradschaftlichen Warnungen wirkungslos. Die Exekutive versuchte bis zuletzt, das Entstehen eines offenen Konfliktes und die daraus mit Notwendigkeit folgenden organisatorischen Maßnahmen zu vermeiden. Nur aus diesem Grunde beschränkte sich die Exekutive auf Verhandlungen mit der führenden Gruppe der Parteizentrale und verzichtete, in der Hoffnung auf diesem Wege eine Gesundung zu erreichen, auf die Austragung der sich ansammelnden Gegensätze vor den Organisationen und der Mitgliedschaft der Partei. Wir versuchten, auf dem Wege der erzieherischen Einwirkung, der kameradschaftlichen Zusammenarbeit die Gruppe Ruth Fischer-Maslow von ihren Fehlern zu überzeugen. Wir vermieden trotz aller Bedenken den offenen Kampf, um der Linken der deutschen Partei, mit deren politischer Linie sich die Exekutive mehr als einmal solidarisiert hat, nicht im Augenblick ihres schweren Kampfes gegen die rechten und ultralinken Abweichungen in der KPD Schwierigkeiten zu bereiten.

Dieser notwendige Schritt wurde uns dadurch erleichtert, daß sich innerhalb der Linken der deutschen Partei der Kern einer starken Opposition gegen das System der Genossen Ruth Fischer-Maslow herausgebildet hat. Der Berliner Parteitag[37] und die Ereignisse unmittelbar nach seiner Beendigung bewiesen endgültig, daß die Hoffnungen der Exekutive, die Differenzen auf dem Wege der normalen Zusammenarbeit beizulegen, gescheitert sind. Die Vorstöße der Genossen Ruth Fischer und Maslow machen es zur zwingenden Notwendigkeit, die Fragen der deutschen Partei offen vor der ganzen Mitgliedschaft zu stellen.

Mögen unsere Feinde in ein Triumphgeheul ausbrechen und ihre Finger auf die Wunden der deutschen Partei legen. Mag die Bourgeoisie, mögen die Sozialverräter ganz Deutschlands die Partei verspotten und verhöhnen. Lenin hat uns gelehrt, ohne Rücksicht auf den Feind schonungslos alle Fehler unserer Partei, der einzigen Partei der Vorhut des revolutionären Proletariats, mit bolschewistischer Offenheit bloßzulegen. Keine Partei der Welt ist imstande, so offen und bis zu Ende folgerichtig ihre eigenen Mängel zu erkennen und aufzudecken, wie die Kommunistische Partei. Dies allein ist das Unterpfand für die rasche und vollständige Überwindung dieser Fehler. Die Exekutive ist tief überzeugt, daß kein kommunistischer Arbeiter in Deutschland sich durch das mit Sicherheit zu erwartende Triumphgeschrei der bürgerlichen und sozialdemokratischen Presse auch nur einen Augenblick verwirren oder beirren lassen wird.

Mögen auch alle Rechten und Ultrarechten in unseren eigenen Reihen den Augenblick für gekommen halten, sich aufs neue hervorzuwagen. Mögen die Brandleristen erklären: "die Linke ist bankrott". Die Kommunistische Partei Deutschlands wird in geschlossenen Reihen vorwärtsgehen, ohne den Rufen der rechten und ultralinken Gegner auch nur Gehör zu schenken. Wir wiederholen nochmals: Nicht die deutsche Linke ist bankrott, sondern einige ihrer Führer. Die deutsche Linke ‑ mit all ihren Fehlern in der Vergangenheit und in der Gegenwart ‑ war nicht bloß eine Gruppe von einzelnen Personen. Sie hat eine große historische Rolle zu erfüllen. Sie zog die Lehren aus dem Oktober 1923, sie schlug den Brandlerismus, sie einigte die zerrissene Partei im Moment ihrer schwersten Krise. Die deutsche Linke muß die besten Traditionen der Vorhut des deutschen Industrieproletariats, der besten, stärksten Parteiorganisationen ‑ wie Berlin, Hamburg, Ruhrgebiet, Rheinland ‑ erhalten und fortsetzen, aber sie muß zugleich verstehen, alles Falsche, Unreife, Unbolschewistische aus ihrer Vergangenheit und Gegenwart auszumerzen. Dann wird sie nicht nur der linke, sondern der wirkliche, bolschewistische, führende Kern der KPD werden.

Lenin hat uns gelehrt, daß unsere Fehler offen und rücksichtslos vor der ganzen Arbeiterklasse zu kritisieren, bereits zur Hälfte sie zu überwinden bedeutet. Die RKP(B) hat in ihrer fünfundzwanzigjährigen Geschichte mehr als einmal ‑ frei von jeder kleinbürgerlichen Sentimentalität, von jedem Selbstgefühl ‑ ihre Schwächen aufgedeckt und überwunden. Die KPD wird diesem Beispiel folgen.

Die Hauptmängel sind nicht zu suchen in der kerngesunden proletarischen Mitgliedschaft der Partei, sondern in der Spitze ihrer Spitze, die versagt hat. Vor der Partei stehen neue große Aufgaben. Die Situation entwickelt sich nicht gegen uns, sondern für uns. Der Klassenkampf in Deutschland bewegt sich seit einigen Monaten nicht mehr auf der sinkenden, sondern auf der aufsteigenden Linie. Nur wenn die gesamte Partei alle Zeichen der Zeit erkennt, wenn sie sich auf sich selbst, auf ihre eigene Kraft, auf die Kommunistische Internationale, auf die unbesiegbare Kraft der deutschen Arbeiterklasse besinnt, kann sie die Krise überwinden und das deutsche Proletariat zum Siege führen. Dann aber mit Sicherheit.

 

Exekutive der KI:

Sinowjew, Bucharin, Manuilski, Pjatnitzki, Losowski ( Sowjetunion);
Jacob
 (Frankreich); Brown (Großbritannien); Kuusinen (Finnland); Scheflo (Norwegen); Kilbom (Schweden); Kolaroff, Dimitroff (Bulgarien); Boschkowitsch (Jugoslawien); Katayama (Japan); Roy (Indien); Mickiewicz‑Kapsukas (Litauen).

Delegation der KPD:

Thälmann, Ruth Fischer, Dengel, Schwan, Schneller, Schehr, Kühne, Strötzel, Heinz Neumann

und das

Zentralkomitee der KPD (Sektion der Kommunistischen Internationale).

 

 

 

 

 



[1]. Gemeint ist der 10. Parteitag der KPD, der vom 12. bis 17. Juli 1925 in Berlin tagte.

[2]. Ruth Fischer.

Am 17. Mai 1923 wird Fischer von dem ZA in die Zentrale kooptiert. Am 9. Parteitag (April 1924) erreicht die Gruppe Fischer-Maslow die Mehrheit. Auf dem 5. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale 1924 wird sie als Kandidatin ins EKKI gewählt. Im Juni 1926 verliert sie ihre Funktion als EKKI-Mitglied, am 20. August wird sie aus der KPD ausgeschlossen.

Arkadi Maslow.

Am 9. Parteitag (April 1924) wird Maslow in die Zentrale und ins Polbüro gewählt, und am 10. Parteitag (Juli 1925) wieder ins ZK und ins Polbüro. Am 20. August 1926 wird er aus der KPD ausgeschlossen.

[3]. Die hier genannte Gruppe bildet sich im Frühjahr 1925 aus bisherigen Mitgliedern der Maslow-Fischer-Gruppe. Sie lehnt unter anderem den vom EKKI formulierten Standpunkt betreffend eine "relative Stabilisierung des Kapitalismus" ab, und wiedersetzt sich allgemein der von dem EKKI und der KPdSU ausgehenden Einflussnahme. Auf dem 10. Parteitag bekämpft Ruth Fischer, von Ernst Thälmann, Ernst Schneller und Hermann Remmele unterstützt, ihre früheren Bundesgenossen. Am Ende des Parteitags kommt es zu einer Annäherung von Opposition und Führung.

Werner Scholem wird auf dem 9. Parteitag 1924 in die Zentrale sowie ins Polbüro gewählt, am 10. Parteitag wieder ins ZK und ins Polbüro. Er ist auch Teilnehmer des 6. EKKI-Plenums 1926. Nach der Veröffentlichung des "Offenen Briefes" des EKKI versucht er, die "alte Linke" zu sammeln und gegen die neue Führung Ernst Thälmanns und des EKKI zu mobilisieren. Er hält auf der Parteikonferenz im Oktober 1925 das Korreferat gegen den Parteivorsitzenden Thälmann und wird auf dieser Tagung sofort aus dem ZK und am 5. November 1926 aus der Partei ausgeschlossen.

Arthur Rosenberg wird auf dem 9. Parteitag in die Zentrale der KPD gewählt. Auf dem 5. Weltkongress der Komintern 1924 wird er zum Mitglied des EKKI und auch in dessen Präsidium gewählt. Auf dem 10. Parteitag wird er ins ZK gewählt. Auf der EKKI-Tagung im März 1926 trennt er sich von der ultralinken Gruppe und geht bald zur Thälmann-Führung über. Im März 1927 ist er Delegierter des 11. Parteitags, wo er bereits die Rechten und Heinrich Brandler verteidigt. Unter anderem kritisiert er als Hauptfeind der Partei die "scheinradikale Phrase". Am 26. April 1927 erklärt er "wegen des Versagens der Komintern in der China-Frage" seinen Austritt aus der KPD.

[4]. Die Bezeichnung "ultralinks" verweist auf die von Lenin formulierte Kritik des "Radikalismus" als "Kinderkrankheit" des Kommunismus. Es geht dabei um Fragen der Taktik, der Einheitsfront und der Gewerkschaftsarbeit.

[5]. Die Beratung mit der ersten Delegation, bestehend aus Ottomar Gesenke, Otto Kühne und Ernst Schneller, findet Ende Juli 1925 im EKKI statt.

[6]. Der zweiten Delegation gehören Philipp Dengel, Ruth Fischer, Otto Kühne, Heinz Neumann, John Schehr, Ernst Schneller, Wilhelm Schwan, Max Strötzel und Ernst Thälmann an.

[7]. Von 1925 bis 1927 bestehen offiziellen Kontakte zwischen den britischen Trade Unions und den sowjetischen Gewerkschaften.

[8]. Gemeint ist der am 16. Oktober 1925 in Locarno unterzeichnete Vertrag über die Garantie der Rheingrenze.

[9]. Paul Levi gehört zu den Gründern der KPD, deren Vorsitzender er März 1919 wird. Nach Konflikten innerhalb der Partei und mit der Führung der Kommunistischen Internationale wird er 1921 aus der Partei ausgeschlossen. Über die USPD kehrt er nach der Vereinigung von USPD und MSPD 1922 in die SPD zurück.

Der Ausdruck "levitisch" bezieht sich auf eine Reihe von Stellungnahmen, die Levi unter anderem bezüglich der Frage des Märzaufstandes in Mitteldeutschland von 1921 formulierte, und die vom Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale kritisiert wurden. Insbesondere veröffentlichte Levi 1921 eine Broschüre mit dem Titel "Unser Weg. Wider den Putschismus".

[10]Am 9. Parteitag der KPD, der vom 7. bis 10. April 1924 in Offenbach und Frankfurt am Main tagte.

[11]9. Parteitag.

[12]Zentrale der KPD (Hg.): Die monarchistische Gefahr und die Taktik der KPD, Berlin, 20. Mai 1925, o. O. u. J., S. 55.

[13]Der 2. Parteitag der KPD (Oktober 1919) nimmt Leitlinien an, die Fragen der kommunistischen Grundlagen und Taktik, des Parlamentarismus, der Gewerkschaftsarbeit behandeln. Der 3. Parteitag (Februar 1920) erklärt, dass diese Leitlinien zusammen mit dem auf dem Gründungsparteitag angenommenen Programm die grundlegende Basis für die Orientation bilden. Er schließt eine Reihe von Bezirksorganisationen aus der Partei aus, unter Hinweis darauf, dass sie Beschlüsse angenommen haben, die den Leitlinien widersprechen. April 1920 wird auf Initiative ehemaliger Mitglieder der KPD, die gerade ausgeschlossen worden sind, der Gründungsparteitag der “Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands” (KAPD) abgehalten. Es finden Diskussionen zwischen der KAPD und der Kommunistischen Internationale statt, jedoch beschließt das Präsidium des Exekutivkomitees der KI im September 1921, jeden Kontakt mit dieser Organisation abzubrechen. Im Laufe der Jahre 1922/1923 erleidet die KAPD Spaltungen und ihr Einfluss wird bedeutungslos. Restelemente existieren noch nach 1933.

[14]. Ernst Friesland (d. i. Ernst Reuter).

Auf dem 2. Parteitag der KPD (Oktober 1919) wird Friedland Ersatzmitglied der Zentrale. Auf dem 5. Parteitag (November 1920) tritt er der Zentrale als Kandidat bei, einen Monat später auf dem Vereinigungsparteitag von USPD-Linke und KPD zur VKPD wird er Mitglied des ZA. Nach den Kämpfen im März 1921 in Mitteldeutschland zählt er zu den schärfsten Kritikern Paul Levis. Der 7. Parteitag (August 1921) wählt ihn in die Zentrale und überträgt ihm die neue Funktion eines Generalsekretärs. Seine Vorstellungen über Charakter, Strategie und Zielsetzungen des Kommunismus nähern sich nun denen Paul Levis. Er wird im Dezember 1921 als Generalsekretär abberufen, dann aus der Zentrale und im Januar 1922 aus der Partei ausgeschlossen. Er geht zur von Levi gegründeten Kommunistischen Arbeitsgemeinschaft (KAG), dann zur USPD, und macht Oktober 1922 die Vereinigung der USPD mit der SPD mit.

[15]. Heinrich Brandler.

Am 2. Parteitages (Oktober 1919) wird Brandler in die Zentrale gewählt. Nach dem Rücktritt Paul Levis im Februar 1921 wird er Mitvorsitzender der Partei. Ab Juli 1922 übernimmt er als Sekretär des Polbüros die Führung der Partei. Auf dem 8. Parteitag (Januar 1923) hat eine starke Mehrheit für sich. Vom 10. bis 29. Oktober 1923 gehörte er der sozialdemokratisch/kommunistischen sächsischen Landesregierung an. Im Januar 1924 wird er von seiner Parteifunktion abgesetzt. Auf dem 9. Parteitag (April 1924) erleidet er eine vollständige Niederlage. Danach arbeitet er ‑ nunmehr Mitglied der russischen KP ‑ in Moskau. 1927 beschließt das ZK, ihn wieder zur Parteiarbeit in Deutschland heranzuziehen, doch er wird in Moskau zurückgehalten. Schließlich reist er im Oktober 1928 dennoch nach Deutschland und übernimmt zusammen mit August Thalheimer die Leitung der oppositionellen rechten Kommunisten. Er wird im Januar 1929 aus der KPdSU und damit aus der Kommunistischen Internationale ausgeschlossen.

[16]. Wilhelm Schumacher.

Schumacher ist Mitglied der KPD seit ihrer Gründung 1919. Anfang 1924 gründet er den kommunistischen "Verband Internationaler Bekleidungsarbeiter", dessen Vorsitzender und hauptamtlicher Sekretär er wird. Zunächst Anhänger der Ruth-Fischer-Führung, gerät er (zusammen mit Paul Kaiser und Paul Weyer) Mitte 1924 in Konflikt mit der Parteilinie, da er die Spaltung der Gewerkschaften propagiert. Als er auf dem 5. Weltkongress der Kommunistischen Internationale im Juni/Juli 1924 seine abweichende Haltung vertritt, beschließt die Tagung, "daß die Einstellung von Wilhelm Schumacher und Genossen zur Gewerkschaftsfrage und ihre Tätigkeit in der Gewerkschaftsbewegung den Beschlüssen des V. Weltkongresses der Komintern zuwiderlaufen". Daraufhin wird er gemeinsam mit Kaiser und Weyer September 1924 aus der Partei ausgeschlossen.

[17]. Cf. Fußnoten 3 und 4.

Iwan Katz wird vom 9. Parteitag im April 1924 in die Zentrale und ins Polbüro gewählt. Er wird ins EKKI-Präsidium nach Moskau geschickt. Während der Auseinandersetzungen 1925 wird er zunächst als Vertreter beim EKKI abgelöst. Am 12. Januar 1926 wird er aus der Partei ausgeschlossen.

[18]. Ludovic Oscar Frossard.

Frossard ist Generalsekretär der Kommunistischen Partei Frankreichs (PCF) ab Januar 1921. Er tritt Januar 1923 aus der Partei aus. Er selbst illustriert seine politischen Ansichten unter anderem durch folgenden Kommentar: "Es gelang uns nicht, die 21 Bedingungen ernst zu nehmen. [...] Wir hatten davon geträumt, die umfassende Menschlichkeit von Jaurès mit dem Wagemut des revolutionären Werkes Lenins in einer harmonischen Synthese zu verbinden. Man strebte an, uns einem Regime unterzuordnen, das sich durch seinen engen Dogmatismus und die willenlose Unterwerfung die es forderte, dem Jesuitenorden anglich." ["Nous ne parvenions pas à prendre au sérieux les vingt et une conditions... Nous avions rêvé d'associer dans une synthèse harmonieuse à la vaste humanité de Jaurès l'audace de réalisation révolutionnaire de Lénine. On prétendait nous soumettre à un régime qui tenait de l'ordre des Jésuites par son dogmatisme étroit et la soumission qu'il exigeait perinde ac cadaver."] (Zitiert in Gérard Walter: Histoire du Parti communiste français, Paris, Somogy, 1948, S. 122.)

[19]. Otto Rühle.

Rühle nimmt an der Gründung der KPD teil. Auf dem 2. Parteitag (Oktober 1919) muss er Tagung verlassen, weil er gegen die "Leitsätze über kommunistische Grundsätze und Taktik" gestimmt hat. Der 3. Parteitag (Februar 1920) schließt ihn aus der Partei aus. Im April 1920 ist er Mitbegründer der Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD). Im Juni 1920 nimmt er als Delegierter der KAPD am 3. Weltkongress der Kommunistischen Internationale teil. Nach der Rückkehr spricht er sich gegen jede Zusammenarbeit mit der KI aus. Deshalb wird er im Dezember 1920 aus der KAPD ausgeschlossen. Mit Franz Pfemfert führt er dann die Allgemeine Arbeiter-Union-Einheitsorganisation (AAU-E), eine rätekommunistisch orientierte Organisation.

[20]. Franz Pfemfert.

Pfemfert nimmt an der Gründung der KPD teil. Nach dem 2. Parteitag (Oktober 1919) tritt er aus der KPD aus. Im April 1920 ist er Mitbegründer der Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD). 1921 wird er aus der KAPD ausgeschlossen. Mit Otto Rühle führt er dann die Allgemeine Arbeiter-Union-Einheitsorganisation (AAU-E), eine rätekommunistisch orientierte Organisation.

[21]. Zeth Höglund.

Höglund ist zunächst Mitglied des Jugendverbandes der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Schwedens (Sveriges Socialdemokratiska Arbeterparti, SSDA). 1914 bildet sich ein oppositioneller Flügel, der im Jugendverband die Mehrheit erlangt. 1917 wird dieser Flügel aus der Partei ausgeschlossen und es konstituiert sich die “Linke Sozialdemokratische Partei Schwedens” (“Sveriges Socialdemokratiska Vänsterparti”, SSV). Diese beschließt 1919 den Anschluss an die Kommunistischen Internationale und ändert 1921 ihren Namen in “Kommunistische Partei Schwedens” (“Sveriges kommunistiska parti, SKP). Höglund ist von 1921 bis 1924 Vorsitzender der SKP. 1926 kehrt er zur SSDA zurück.

[22]. 7. Parteitag der KPD, der vom 22. bis 26. August 1921 in Jena tagte.

[23]. 9. Parteitag.

[24]. D. h. der 10. Parteitag.

[25]. Cf. Ernst Thälmann: Der Kampf um die Gewerkschaftseinheit und die deutsche Arbeiterklasse. In: Reden und Aufsätze zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung - Band 1, Berlin, Dietz, 1956, S. 92 ff. (Text .)

[26]Der Funke - Funktionärorgan der Bezirksleitung der KPD Berlin-Brandenburg-Lausitz.

[27]. 2. Parteitag der KPD, der vom 20. bis 24. Oktober 1919 in Heidelberg tagte.

[28]9. Parteitag.

[29]. D. h. das 5. Erweiterte EKKI-Plenum von März/April 1925.

[30]. D. h. der 10. Parteitag.

[31]. Ernst Schneller.

[32]. Korruptionsaffäre von 1925 um die Brüder Julius, Henry und David Barmat, in die hohe Kreise der SPD verstrickt waren.

[33]. D. h. der 10. Parteitag.

[34]. D. h. der 10. Parteitag.

[35]. Cf. IML beim ZK der SED (Hg.): Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung - Reihe 2 - Band 8, S. 171‑181.

[36]. D. h. das 5. Erweiterte EKKI-Plenum von März/April 1925.

[37]. D. h. der 10. Parteitag.