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Ernst Thälmann

10. Parteitag der Kommunistischen Partei Deutschlands:
Der Kampf um die Gewerkschaftseinheit und die deutsche Arbeiterklasse

16. Juli 1925

 

 

Quelle:

Bericht über die Verhandlungen des X. Parteitags der Kommunistischen Partei Deutschlands (Sektion der Kommunistischen Internationale), Berlin vom 12. bis 17. Juli 1925. Berlin, 1926, S. 519‑544.

Andere Quelle:

Ernst Thälmann: Reden und Aufsätze zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung - Band 1 - Juni 1919‑November 1928. Berlin, Dietz, 1956[1].

 

 

 

 

 

 

Erstellt: Januar 2013

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KPD 1918-1945 - Inhalt

 

 

 

 

 

 

Genossen! Im Mittelpunkt des Parteitages steht nicht nur die richtige Einschätzung der nationalen und internationalen Lage, aus der sich die taktischen Aufgaben der Partei für die Gegenwart und Zukunft ergeben, sondern das ernsteste Problem, welches der Parteitag zu behandeln hat, ist in erster Linie die Frage: Wie und auf welcher Basis und durch welche in Frage kommenden Organisationen gewinnen wir die Massen für die proletarische Revolution? In Verbindung mit diesem außerordentlich ernsten Problem steht zugleich die Frage, wie wir als Kommunistische Partei eine Massenpartei bleiben werden und gegenüber der SPD und der gesamten Arbeiterklasse in Zukunft unsere Basis verbreitern. Die Gewerkschaftsfrage ist die wichtigste politische Frage, die mit in den Aufgabenbereich der gesamten Parteiarbeit gehört. Besonders in der heutigen Entwicklung zwischen zwei Wellen der Revolution müssen wir uns um so mehr über den Charakter einer Massenpartei und einer bis ans Ende revolutionären, proletarischen Partei klarwerden. Je länger der Prozeß der Organisierung der Revolution ist, je schwieriger sich die Methoden des Kampfes gestalten, um so stärker müssen in den Massen das Kraftbewußtsein und der Glaube an den Sieg der proletarischen Diktatur geweckt werden. Dazu ist es in erster Linie notwendig, Gewerkschaftsmitglieder durch die Führung des Kampf es um die nächstliegenden wirtschaftlichen Aufgaben bis zu den Aufgaben des politischen Kampfes, für die Revolution zu gewinnen. Daher gehört zur Bolschewisierung der Kommunistischen Partei  das theoretische und praktische Verständnis, daß die Gewerkschaftsarbeit in den Mittelpunkt der politischen Arbeit der Gesamtpartei zu stellen ist.

In der jetzigen Epoche hat die internationale Gewerkschaftsbewegung eine ganz andere Bedeutung als noch bei Ausbruch des Weltkrieges. Die Gewerkschaftsbewegung hat, international betrachtet, nach dem Kriege zahlenmäßig ungeheure Fortschritte gemacht. Man rechnet mit einer Mitgliederzahl von etwa 16 Millionen in der Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale; die der Roten Gewerkschaftsinternationale angeschlossenen Verbände haben 7 Millionen Mitglieder, dazu kommen noch 3 Millionen Mitglieder der Minderheits- und Propagandakommissionen, die mit der Profintern[2] eng verbunden sind. Innerhalb der ganzen Welt rechnet man mit einer Zahl von über 45 Millionen organisierter Arbeiter.

Welches ist nun die Rolle der Gewerkschaften im Kampfe der Arbeiterklasse sowohl in Deutschland wie in der ganzen Welt? In der Vergangenheit, noch bis zum Jahre 1900, waren die deutschen Gewerkschaften Kampforganisationen gegen die Bourgeoisie. Wir sehen zwar früher schon Tendenzen, daß die Gewerkschaftsbürokratie versucht, in der Frage des Massenstreiks, der Maifeier usw. einen Standpunkt einzunehmen, der vom Klassenkampf abweicht.

Im Kriege änderte sich der Kurs der Gewerkschaftsbürokratie, die Gewerkschaften wurden zu imperialistischen Zwecken ausgenutzt und wurden Hilfstruppen des kapitalistischen Staates.

Ich erinnere nur an die Burgfriedenspolitik, an das Hilfsdienstpflichtgesetz, an das Streikverbot, wonach Streiks nur mit Bewilligung des Generalkommandos geführt werden konnten. Wir haben dann im Laufe der Entwicklung während des Krieges gesehen, daß wirklich ernste imperialistische Ansätze seitens der Führung der Gewerkschaftsbürokratie hervortraten. Ich erinnere an Paul Müller, den damaligen Redakteur vom "Courier", der unter anderem folgendes in einem Artikel niederlegte: "Die deutschen Fahnen wehen über Antwerpen hoffentlich für immer." In der Revolution und bei den späteren großen politischen Kämpfen wurden die Gewerkschaften durch die reformistische Führung der größte Hemmschuh jeder revolutionären Entwicklung. Nicht nur in Deutschland, sondern überall in den kapitalistischen Ländern sehen wir eine ähnliche Entwicklung. Wie sich im Anfangsstadium der Gewerkschaften zwischen Ferdinand Lassalle und Karl Marx ernste Differenzen in der Frage der Existenznotwendigkeit der Gewerkschaften zeigten, so wurde auch in der späteren Entwicklung, zwar nur eine kurze Zeit, der Kampf der Generalkommission der Gewerkschaften mit der SPD in der Frage des politischen Massenstreiks geführt. Schon auf dem Gewerkschaftskongreß in Köln 1905 wurde die Resolution für den politischen Massenstreik abgelehnt, in jener Zeit, als die Sozialdemokratie noch zeitweilig versuchte, die deutsche Arbeiterklasse zum Kampf gegen die Bourgeoisie zu mobilisieren. Schon auf dem Parteitag der SPD in Mannheim im Jahre 1906 zeigten sich in dieser Frage das reformistische Gesicht der SPD und der Einfluß der Gewerkschaftsbürokratie in der Sozialdemokratischen Partei.

Während die Partei als höchste Form der Klassenorganisation nur die bewußten Kämpfer umfaßt, sind die Gewerkschaften die erste primitive grundlegende Form der Arbeiterorganisation. Zuerst verstehen die Arbeiter, daß sie ihre Berufsinteressen gemeinsam mit ihren Berufskollegen organisiert vertreten müssen; diese primitive Erkenntnis gewinnen sie im und aus dem Produktionsprozeß selbst. Darüber hinaus, zur politischen Erkenntnis, kommen sie erst durch die Partei. Erst durch die Partei begreifen sie, daß eine Klassenorganisation zur Vertretung ihrer Klasseninteressen notwendig ist.

Der Aufschwung der Arbeiterbewegung ist immer mit dem Wachstum der Gewerkschaften verbunden, jeder Rückschlag zeigt sich im Rückgang der Zahl der Organisierten. Nach den großen Leiden und Opfern des Weltkrieges sehen wir eine allgemeine Radikalisierung der Arbeiterklasse, gefördert durch die russische Revolution und durch die Hoffnungen, die die Revolution in Mitteleuropa erweckte, sowie durch die Zugeständnisse, die die Bourgeoisie machte, um die Massen zu beruhigen. Ich erinnere daran, daß sich die deutschen Proletarier innerhalb 24 Stunden in der Revolution von 1918 den Achtstundentag errungen haben, daß das Betriebsrätegesetz, wenn auch mit allen kapitalistischen Bestimmungen, gegen die Bourgeoisie erkämpft wurde und auf verschiedenen Gebieten wesentliche Fortschritte als Errungenschaften der Revolution zu verzeichnen waren.

Die Massenbewegung der internationalen Gewerkschaften

Nach Beendigung des Krieges sehen wir in verschiedenen kapitalistischen Ländern einen großen Zustrom zu den Gewerkschaften. Ich möchte hierfür einige Zahlen anführen:

In England hatten wir 1913 3 600 000, 1920 7 200 000 und haben heute knapp 5 Millionen Gewerkschaftsmitglieder. In Frankreich hatten wir 1913 400 000, 1920 2 700 000 und haben momentan, wo die Gewerkschaftsbewegung zersplittert ist, in der CGTU 400 000 und in der CGT[3] 300 000 Mitglieder. In Amerika hatten wir vor dem Kriege 2 600 000, 1920 4 200 000 und haben momentan 2 400 000 Mitglieder. In Deutschland waren es 1913 3 100 000, 1920 8 800 000, und heute rechnet man mit nicht ganz 5 Millionen im ADGB organisierten Mitgliedern. Die Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale, die 1913 etwa 12 Millionen Mitglieder hatte, zählte 1920 28 Millionen und hat momentan 16 Millionen Mitglieder.

Reformistische Entartung

Dem organisatorischen Wachstum der Gewerkschaften entspricht keinesfalls ein Wachsen des politischen Einflusses, der Sicherung und Erweiterung der Errungenschaften der Revolution. Wir haben uns die Frage vorzulegen: Wie konnte eine solche Entwicklung der Gewerkschaftsbewegung entstehen? Mit dem Zustrom der Massen zu den Gewerkschaften, mit ihrer organisatorischen und finanziellen Stärkung, entstand zugleich die Tendenz zur reformistischen Entartung, zur Bildung einer ausgedehnten, gut situierten, am ruhigen Bestand des Kapitalismus interessierten Gewerkschaftsbürokratie.

Die Bourgeoisie benutzte diese Bürokratie zur Korrumpierung eines Teiles der Arbeiterschaft, der Arbeiteraristokratie, um so die Arbeiterschaft zu spalten und Teile von ihr am Kapitalismus und an der imperialistischen Politik zu interessieren. Diese Tendenz war schon vor dem Kriege sehr stark. Die Gompers-Gewerkschaften[4] in Amerika versuchten schon vor dem Kriege gemeinsam mit der Bourgeoisie, die wirtschaftlichen Kämpfe niederzuschlagen. Die englischen Gewerkschaften waren ganz im Fahrwasser des Imperialismus. In Deutschland war die Gewerkschaftsbürokratie die Stütze der Rechten in der Sozialdemokratie. Mit dieser reformistischen Entartung zeigte sich ebenfalls eine Gegentendenz, eine bewußte Linksopposition innerhalb der modernen Gewerkschaftsbewegung. Diese Tendenz wurde um so stärker, je mehr die reformistische Entartung den Bankerott der Gewerkschaftsbewegung offenbarte, je größer die Klassengegensätze wurden, je mehr die Arbeiter das Herannahen großer Kämpfe fühlten.

Gewerkschaftsopposition gegen Reformismus

Nach dem Kriege zeigten sich in den Kreisen der Gewerkschaftsbürokratie diese linken Tendenzen sehr stark, ich erinnere an Fimmen[5] usw. So war zum Beispiel D’Aragona[6] in Italien bereit, in die Rote Gewerkschaftsinternationale einzutreten. In Deutschland spielte Dißmann[7] eine radikale Opposition, und die Linksschwenkung der englischen Gewerkschaften war eine Folge der Krise des englischen Imperialismus. Diese Linksbewegung verspricht dauernder und tiefer zu werden, sie hat einen internationalen Charakter angenommen, weil die internationale Entwicklung des Imperialismus die Arbeiterschaft aller Länder bedroht. Durch die Zuspitzung der imperialistischen Gegensätze sind Kriege unvermeidlich.

Internationale Einheitsbewegung

Der reaktionäre Kurs und die Offensive des Weltkapitalismus erzeugen in den Reihen der Arbeiterschaft neue Widerstände. Diese Oppositionserscheinungen werden für die revolutionäre Gewerkschaftsbewegung eine große Bedeutung haben. Auf dem III. Kongreß der Roten Gewerkschaftsinternationale, der zu den Beschlüssen des V. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale Stellung nahm, wurden in der Frage der internationalen Einheit eine Reihe ernster Schritte unternommen, die den Kampf um die Einheit der revolutionären Gewerkschaftsbewegung vorwärtsbrachten. Der Kampf um die Einheit der internationalen Gewerkschaftsbewegung stieß überall auf die Sabotage und den Widerstand der reformistischen Bürokratie.

Ich will versuchen, im folgenden einige wichtige Erscheinungen im internationalen Maßstabe zu kennzeichnen und zeigen, in welcher Form seit dem III. RGI-Kongreß und dem V. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale die Einheitsbewegung Fortschritte gemacht hat.

In Frankreich

Im August und September des vergangenen Jahres gingen die französischen Verbände der Buchdrucker, Lehrer, Friseure, Textilarbeiter, Bergarbeiter, Lederarbeiter und andere, die der reformistischen wie der unitären Konföderation angehören, dazu über, die Frage der Vereinigung der beiden Konföderationen und der internationalen Einheitsbewegung aufzurollen. Es fanden zentrale Verhandlungen statt, die aber durch das Ausweichen der Reformisten resultatlos waren. Am 30. Januar dieses Jahres wiederholten die revolutionären Gewerkschaften ihren Vorschlag und schlugen den Reformisten vor, im September einen Vereinigungskongreß abzuhalten und eine gemischte Kommission einzusetzen, die die Vorbereitungen zur Konferenz und zur Vereinigung der Konföderationen treffen sollte. Am 12. Februar lehnten das die Reformisten ab und erklärten, daß sie auf ihrem Kongreß im September zu diesen Fragen Stellung nehmen würden. Trotzdem sprachen sich einige reformistische Verbände, wie die Eisenbahner von Orleans und Tarbes, das Transportarbeitersyndikat des Pariser Kreises, die Seeleute von Dünkirchen, der Nationalrat der Post-, Telegrafen- und Telefonangestellten und noch andere für die Vereinigung aus und stellten sich auf den Standpunkt, daß man die Einheitsbewegung zu fördern habe. Die französische Kommunistische Partei nahm sich der internationalen Gewerkschaftseinheitsbewegung an und mobilisiert alles, um im September, wenn die beiden Kongresse - an einem Tage in Paris - stattfinden, eine Einigung herbeizuführen. Dabei wird ein Teil der reformistischen Verbände, die ohnehin starke Neigung zur Vereinigung haben, sich höchstwahrscheinlich den revolutionären Verbänden anschließen. Bei dem dann verbleibenden Rest wird auch dann noch eine Spaltung unvermeidlich sein. Am 4. Juli fand in Paris ein Betriebsrätekongreß statt, der von über 2200 Delegierten beschickt war, die 1 200 000 Arbeiter vertraten, und der Stellung nahm zu verschiedenen politischen Fragen, wie zur Marokkokrise und zur Frage der Einheit. Der belgische sozialdemokratische Gewerkschaftssekretär Liebert, der eine interessante Broschüre über die Lügenmeldungen über die Sowjetunion geschrieben hat, forderte dort die Vereinigung der Gewerkschaftsbewegung im Anschluß an das englisch-russische Einheitskomitee[8]. Die Einheitsbewegung wird bestimmt Fortschritte machen, weil in Verbindung mit der finanziellen und der Marokkokrise die Entwicklung in Frankreich ernste revolutionäre Ansätze zeigt. Wir sehen überall eine starke Unzufriedenheit in den reformistischen Verbänden, weil diese unter Führung von Jouhaux versuchen, eine neue Burgfriedenspolitik mit der französischen Bourgeoisie zu machen; bereits die Hälfte der Organisationen wehrt sich gegen diese nationalistischen imperialistischen Tendenzen. Wir können für die Zukunft der Bewegung in Frankreich voraussagen, daß voraussichtlich im September ein Teil der reformistischen Verbände mit den revolutionären zu einer Einigung kommen wird.

In England

Die bedeutendsten Erfolge der Einheitsbewegung zeigen sich in erster Linie in England. In England sind etwa 5 Millionen organisiert, die in ungefähr 1500 Verbänden und 200 Föderationen zusammengefaßt sind. Die Ursachen der Erfolge sind erstens in der ernsten ökonomischen Krise Englands und zweitens in dem imperialistischen Vorstoß Englands gegen die Sowjetunion zu suchen. Es herrscht eine starke Kohlenkrise, und in vielen anderen Industrien ist ebenfalls die Arbeitslosigkeit im Steigen begriffen. Momentan zählt man etwa 1½ Millionen Erwerbslose. Seit dem 1. November 1924 sind allein 361 Bergwerke mit 72 000 Beschäftigten geschlossen worden. Mit dieser ökonomischen Krise wächst die Revolutionierung in der Arbeiterschaft Englands, besonders in Schottland. Wenn es Chamberlain nicht gelungen ist, jetzt die Sowjetdiplomaten auszuweisen und die diplomatischen Beziehungen zur Sowjetunion abzubrechen, so nur wegen des energischen Widerstandes, den die englische Arbeiterbewegung ihm entgegensetzte. Mit der einsetzenden Unternehmeroffensive, die einen brutalen Charakter anzunehmen droht, will man bei den Bergarbeitern, bei den Schiffbauern und bei den Eisenbahnern eine Lohnreduzierung von 10 bis 20 Prozent durchführen. Dadurch wird die Bewegung weitere Fortschritte machen. Am 4. Juni dieses Jahres fand in London eine Konferenz statt, auf der über 100 Gewerkschaftsführer anwesend waren, die 2½ Millionen Berg-, Metall-, Transportarbeiter und Eisenbahner vertraten, und die den Beschluß faßte, einen sogenannten Viererverband zu gründen. Das bedeutet, daß die Gewerkschaften versuchen wollen, die kommenden Kämpfe zentral zusammenzufassen. Ob die Möglichkeit besteht, daß dieser Viererverband schon bei den nächsten Kämpfen in Aktion tritt, kann man noch nicht mit Bestimmtheit voraussagen. Es ist klar, daß unter solchen Umständen die Bewegung für die internationale Einheit der Gewerkschaften mehr und mehr Fuß faßt.

Zu den allgemein bekannten Ereignissen der Konferenz in Hull[9], der Reise der englischen Gewerkschaftsdelegation zum Kongreß des Allrussischen Gewerkschaftsrates, ihrer Berichterstattung in England empfehle ich den Delegierten des Parteitages, die Broschüre des Genossen Heckert über die Einheit der internationalen Gewerkschaftsbewegung und den Bericht der englischen Gewerkschaftsdelegation besonders nachzuprüfen und zu lesen, weil in diesem Bericht alles über die Entwicklung der internationalen Gewerkschaftsbewegung enthalten ist.

Auf einer Minderheitskonferenz, die am 25. Januar dieses Jahres in London stattfand ‑ auf der 567 Delegierte etwa 600 000 Arbeiter vertraten und auf der man zu den sowjetischen Vorschlägen Stellung nahm ‑, ging man dazu über, zu beschließen: 1. ein Programm für die Gewerkschaftsarbeit zu fordern und 2. die in Frage kommenden Vorschläge der sowjetischen Gewerkschafter zu akzeptieren. Neuerdings sind wesentliche Fortschritte auch in der Frage der Verbindung zu verzeichnen, so daß heute die sowjetischen Gewerkschaften in einem viel engeren Verhältnis zu den englischen Gewerkschaften stehen, als es noch Anfang des Jahres der Fall war. Inzwischen ist eine Frauendelegation aus den Kreisen der Nähmaschinenarbeiter und der Textilarbeiter nach der Sowjetunion gefahren und hat schon unter den Frauen in England Bericht erstattet. Wenn momentan eine neue Delegation von Abgeordneten der Labour Party nach der Sowjetunion fährt, so wird auch diese Delegation nach ihrer Rückkehr in den Kreisen der Labour Party den Standpunkt vertreten, der in der Linie der Delegation der englischen Gewerkschaftsbewegung liegt. In England sind allerdings starke Bestrebungen der Reformisten vorhanden, die versuchen, diesen langsamen Revolutionierungsprozeß zu hemmen. Wenn einzelne Gewerkschaftsführer, die als Minister in die MacDonald-Regierung eintraten, auf Grund der statutarischen Bestimmungen der Gewerkschaften in England aus der Führung der Gewerkschaftsbewegung ausscheiden mußten ‑ so unter anderem der Sekretär der Eisenbahner und zugleich der Vorsitzende der Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale, Herr Thomas ‑, so sind jetzt, nachdem die MacDonald-Regierung beseitigt ist, bereits Bestrebungen in die Wege geleitet, diese Führer wieder in den Generalrat der englischen Gewerkschaften hineinzuwählen. Der Generalrat, der gegen wenige Stimmen einen Antrag angenommen hat, einen Weltkongreß der Vertreter der Amsterdamer und der RGI einzuberufen, versucht mit allen Mitteln, durch seinen Druck auf die Amsterdamer das durchzuführen. Dieser Beschluß, der an den Kongreß keine Bedingungen stellt, wird von der reformistischen Gewerkschaftsbürokratie in der Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale sabotiert. Es zeigen sich in der Bewegung Englands, besonders in der Gewerkschaftsbewegung, verschiedene Tendenzen, aber auch schärfere Gegensätze zwischen der Labour Party einerseits und den Gewerkschaften und dem Generalrat andererseits.

In England, wo die Frage der Einheit der Gewerkschaftsbewegung wirklich eine ernsthafte Bewegung auslöst, die festen Fuß in verschiedenen Gewerkschaften und Betrieben, in Genossenschaften usw. gefaßt hat, sehen wir die wirklich ernste innere politische Überzeugung in den Massen, daß es notwendig ist, der Kapitalsoffensive und den Bestrebungen des englischen Imperialismus eine revolutionäre Einheitsfront der Arbeiterklasse gegenüberzustellen. Wenn Thomas dazu übergegangen ist, mit MacDonald zu empfehlen, man müsse versuchen, mit den deutschen Arbeitern eine englisch-deutsche Allianz zu bilden, so tut er es deshalb, um einen neuen Block gegen die englisch-russische Allianz zu bilden. Wir sehen, daß die Bourgeoisie in England auf diese Lakaien bereits reagiert und sich, wie in Deutschland, solidarisiert mit MacDonald, Thomas und der reformistischen Gewerkschaftsbürokratie. Es hat eine unverbindliche Verhandlung zwischen einigen Führern der Labour Party und dem Generalrat der Gewerkschaften stattgefunden. Bei dieser Gelegenheit wurde erörtert, ob man nicht über den Rahmen der bis jetzt gepflogenen Verhandlungen mit den sowjetischen Gewerkschaften hinaus dazu übergehen sollte, zu versuchen, ebenfalls mit der deutschen Gewerkschaftsbewegung und ihrer Führung irgendwelche Verhandlungen in die Wege zu leiten. Bei dieser Gelegenheit haben Mitglieder des Generalrats erklärt: Wir werden später zur deutschen Arbeiterklasse gehen. Es zeigen sich ferner Gegensätze in der Frage des Kampfes zur Behebung der Arbeitslosigkeit. Die englischen Gewerkschaften gehen dazu über, ohne daß sie die Labour Party mit unterstützt, große Arbeitslosendemonstrationen zu veranstalten, die Gegenmaßnahmen gegen die konservative Baldwin-Regierung sind, welche versucht, die Ausgaben für die Erwerbslosenunterstützung herabzusetzen. Die Forderung der Gewerkschaften, auf einer Kreditgrundlage den Handel mit der Sowjetunion zu eröffnen und zur Erhöhung der Produktion zu entwickeln, wird ebenfalls von der Labour Party nicht unterstützt. Außerdem gibt es in der Bildung der Allianz verschiedene Tendenzen. In der Frage der Zentralisation der wirtschaftlichen Kämpfe durch die Gewerkschaften wird die Labour Party mit allen Mitteln versuchen, diesen Bestrebungen der oppositionellen Gewerkschaftsführung gegenüber ihre reformistische Einstellung durchzusetzen.

Auch in der Beurteilung des Dawesgutachtens gibt es starke Meinungsverschiedenheiten. Der schottische Gewerkschaftskongreß, der über 1 Million Arbeiter vertritt, hat eine Resolution gegen das Dawesgutachten angenommen, weil die englischen Arbeiter sehr stark zu spüren beginnen, daß das Dawesgutachten für sie ebenfalls eine Verschlechterung der Lebenslage bedeutet. Die Schließung verschiedener Bergwerke, die Stillegung anderer Betriebe, die immer größer werdende Erwerbslosigkeit usw. sind die ersten wirtschaftlichen und politischen Erschütterungen, die die Auswirkungen des Dawesgutachtens zeigen.

Eine weitere Differenz besteht in der Stellung zur Nationalisierung der Bergwerke. Die Labour Party vertritt den Standpunkt, ähnlich wie unsere Sozialdemokraten in den Jahren 1918 und 1919, daß man dazu übergehen soll, eine Entschädigungsform zu finden, um auf diesem Wege die Sozialisierung vorzunehmen, während die Exekutive der Bergarbeiter auf dem Standpunkt steht, man solle die Nationalisierung konfiskatorisch durchführen. Andere Gewerkschaften haben auf Grund dieses Beschlusses der Exekutive der Bergarbeiter zu dieser Frage ebenfalls Stellung genommen und ähnliche Beschlüsse gefaßt. Außerdem gibt es Meinungsverschiedenheiten in der Stellung des Generalrats zur Labour Party, in der Beurteilung des Kampfes in Marokko und China. Wenn MacDonald dazu übergeht, seine ganze Kraft anzuwenden, um gegen diese oppositionelle Strömung eine andere Verbindung einzuleiten, so darum, weil die Labour Party sieht, daß es in ihren Reihen zu bröckeln beginnt und daß der anglo-russische Block an Bedeutung gewinnt. Deutlich ist festzustellen, daß die Führer der II. Internationale und die verwandten Reformisten der Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale versuchen, mit allen Mitteln gegen die revolutionäre Opposition der Gewerkschaften und der mit ihnen verwandten Kommunistischen Partei Englands vorzustoßen. Momentan steigt die Kraft der revolutionären Bewegung noch. Aber man muß auch hier aussprechen, daß es nicht unmöglich ist, wenn sich die Kräfteverhältnisse im Generalrat verändern sollten, wenn die früheren Minister in den Generalrat hineinkommen, wie zum Beispiel Thomas, daß dann immerhin Gefahren von den Reformisten drohen. Aber die bevorstehenden wirklich ernsten wirtschaftlichen Kämpfe in England werden die englische Arbeiterschaft dazu bringen, ihre ganze Kraft anzuwenden, um diesen Prozeß der internationalen Einheitsbewegung auf das entschiedenste zu fördern.

Interessant ist es in England, daß die Kommunistische Partei mit nur 5000 Mitgliedern jene gewaltig vorwärtsstrebende Bewegung leitet. Diese 5000 Mitglieder versuchen mit aller Kraft, diese Bewegung überall in England zu unterstützen, und so ist zu erwarten, daß im Laufe der Entwicklung durch den Prozeß der inneren Revolutionierung der Gewerkschaften gleichzeitig auch die Kommunistische Partei Englands an politischer und zahlenmäßiger Bedeutung gewinnen wird.

In Holland

Ich will jetzt noch versuchen, einige charakteristische Erscheinungen aus anderen kapitalistischen Ländern der Welt zu kennzeichnen. In Holland, wo der Sitz der Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale ist, sehen wir schwere Differenzen zwischen den Führern der Amsterdamer Gewerkschaften Oudegeest und Steenhus einerseits und Fimmen andererseits. In Amsterdam hat die oppositionelle Bewegung innerhalb der Gewerkschaften bereits Fuß gefaßt. Ein Kennzeichen dafür, daß auch in Holland momentan die Bewegung vorwärtsmarschiert, ist, daß zum Beispiel der Vorstand der NAS[10] versucht hat, Fimmen aufzufordern, eine Konferenz einzuberufen, um den linken Flügel in den freien Gewerkschaften zu verstärken.

In Belgien

Hier sehen wir seit April auf Grund der Kämpfe der Bergarbeiter eine vollständige Umwandlung. Die reformistische Gewerkschaftszentrale in Belgien verlangte unter anderem von der Brüsseler Zentralstelle des Metallarbeiterverbandes den sofortigen Ausschluß der Kommunisten. Die Generalversammlung der Brüsseler Metallarbeiter hat gegen eine Stimme den Vorschlag abgelehnt, und es ist der Gewerkschaftszentrale in Belgien bis jetzt nicht gelungen, irgendwelche organisatorischen Maßnahmen gegen die Kommunisten anzuwenden und Kommunisten auszuschließen. Anfang Juni, nach verschiedenen Wirtschaftskämpfen, hat sich aus dem Metallarbeiterverband ein Komitee von zwölf Funktionären, ohne Kommunisten, gebildet, das versucht, innerhalb der belgischen Arbeiterbewegung die Bestrebungen der Einheitsgewerkschaftsbewegung einzuleiten und zu fördern, und das auf das schärfste gegen den Ausschluß von Kommunisten protestiert. In letzter Zeit ist in der von der Opposition gegründeten linken Gewerkschaftszeitung "Die Einheit" ein Aufruf erschienen gegen den antisowjetischen Block und für das anglo-russische Komitee.

In Italien

Die interessanteste Erscheinung auf dem Gebiete der Gewerkschaftsbewegung ist Italien. Dort sehen wir, daß seit der Betriebsbesetzung 1920 mit steigender Kraft des Faschismus zu gleicher Zeit die Gewerkschaften geschwächt wurden und daß besonders in den ersten Monaten Mussolini dazu überging, die Gewerkschaften zu unterdrücken. An die Stelle der früheren Gewerkschaften traten die faschistischen, und sie versuchten, in den verschiedenen Situationen den Kämpfen der Arbeiterschaft nicht nur glatt auszuweichen, sondern sie auch zu hemmen. Ich möchte einige Beispiele der Gewerkschaftsarbeit aus Italien anführen. Im April fand eine Konferenz der Textilarbeiter statt, an der hundert Delegierte aus allen Bezirken teilnahmen und wo die verschiedenen Abstimmungen zeigten, daß sich der steigende Einfluß der Kommunisten bemerkbar machte. Für die kommunistischen Resolutionen wurden über 30 Prozent der Stimmen abgegeben, für die Resolution der Maximalisten[11] 23 Prozent und die restlichen 46 Prozent für die Reformisten. Auf der vorjährigen Konferenz waren es nur 11 Prozent für die Kommunisten. Wir sehen in einem Jahre eine Verdreifachung der Stimmen. Die gleichen Anzeichen zeigen sich in anderen Verbänden, zum Beispiel bei der Vorstandswahl des Chemiearbeiterverbandes, bei der die Reformisten 2000 Stimmen erhielten, die Maximalisten 800 Stimmen und die Kommunisten 548 Stimmen. Bei der letzten Wahl hatten wir noch keine hundert Stimmen. Mit dem Steigen des kommunistischen Einflusses in den verschiedenen Gewerkschaften sehen wir zugleich den Niedergang der faschistischen Gewerkschaften. Darauf hat eine ungeheure Hetzkampagne gegen die Kommunisten eingesetzt; bei der Aufstellung eigener Listen bei der Betriebsrätewahl werden die Kommunisten aus den Gewerkschaften ausgeschlossen. In Italien, wo die Reformisten und die Maximalisten entschlossen sind, die energischsten Maßnahmen gegen die Kommunisten zu unternehmen, wird die Spaltung in nächster Zeit unvermeidlich sein.

In den nordischen Ländern

In Skandinavien, besonders in Dänemark, sehen wir, daß die nicht sehr starke Partei der Kommunisten doch einen großen Einfluß auf die Gewerkschaftsbewegung hat. Bis vor kurzem war es noch nicht möglich, gut arbeitende Fraktionen aufzubauen. Heute bestehen in über 18 Verbänden Fraktionen, und die letzten Wirtschaftskämpfe in Dänemark haben bereits gezeigt, daß auch die Gewerkschaftsbürokratie heute mit allen Mitteln versucht, wie bei uns in den Jahren 1922 und 1923, die Spaltung in den Gewerkschaften vorzunehmen.

In Finnland sehen wir trotz des weißen Terrors einen großen Einfluß der illegal arbeitenden Kommunisten in den finnischen Gewerkschaften. Von dem Vorstand der gesamten Gewerkschaften, der 20 Mitglieder zählt, sind nur 4 bei den Reformisten, 16 sympathisieren mit uns und vertreten den Standpunkt der Einheitsfront im internationalen Maßstabe.

In Norwegen besteht eine legale Kommunistische Partei, aber drei Gruppierungen innerhalb der Gewerkschaftsbewegung, die die Einheitsarbeit ungeheuer schwächen.

In Rumänien und Jugoslawien

Hier sehen wir, daß trotz der Unterdrückung die revolutionäre Gewerkschaftsarbeit weitere Fortschritte macht. Wenn in Rumänien die revolutionären Gewerkschaften heute 30 000 Mitglieder zählen und die Reformisten 20 000, so ist das ein Zeichen dafür, daß - obwohl die Kommunistische Partei verboten ist - die Gewerkschaftsbewegung ungeheure Bedeutung hat.

In Ungarn

Dort ist hervorzuheben, daß die Sozialdemokraten dazu übergingen, mit der Regierung einen Vertrag abzuschließen, nach dem in Zukunft die Landarbeiter nicht mehr gewerkschaftlich zu organisieren sind, so daß die Sozialdemokraten offen als Helfershelfer der reaktionären Horthy-Regierung auftreten.

In Bulgarien

Die gesamte Gewerkschaftsbewegung ist vollständig aufgelöst, und es wird in den nächsten Monaten sehr schwierig sein, bei dem blutigen Zankoff-Regiment in diesem Lande ernsthaft Fuß zu fassen.

Die Gewerkschaftsentwicklung in verschiedenen anderen Ländern Europas ist nicht so bedeutend. Erwähnenswert ist noch aus Asien, daß in China die Verhandlungen so weit gediehen sind, daß die 450 000 organisierten Mitglieder der Gewerkschaften dazu übergehen werden, sich der Roten Gewerkschaftsinternationale anzuschließen. Auch in Japan zeigt die Bewegung Fortschritte, die eine Radikalisierung in den Anfangsstadien darstellen.

In der Sowjetunion

Ein paar Äußerungen noch über die sowjetischen Gewerkschaften. In der Sowjetunion sind momentan 6 Millionen organisierte Mitglieder in den Gewerkschaften, vielleicht sind es heute schon mehr als 6 Millionen. Die Gewerkschaftsbewegung der Sowjetunion bietet natürlich ein ganz anderes Bild als die Gewerkschaftsbewegung in irgendeinem anderen Lande der Welt. Während die revolutionäre Gewerkschaftsbewegung in den kapitalistischen Ländern das Ziel hat, die Gewerkschaften wieder in Klassenkampfinstrumente umzuwandeln, den Kapitalismus zu zerstören, haben die sowjetischen Gewerkschaften die Aufgabe, verantwortliche Mitarbeit am Aufbau des Kommunismus zu leisten. Die sowjetischen Gewerkschaften, die entscheidenden Einfluß auf die Produktion und die Lenkung des Staates haben, bestimmen die Lebenshaltung der sowjetischen Arbeiterklasse. Die sowjetische Arbeiterschaft ist nicht ein Instrument des Staates, wie es die Reformisten fälschlich behaupten, sondern der proletarische Staat ist ein Instrument der Arbeiterklasse. Im übrigen wird zur Zerstreuung der Lügenmeldungen, die verbreitet sind, die erste deutsche gewerkschaftliche Arbeiterdelegation, die jetzt in Leningrad eingetroffen ist, nach ihrer Rückkehr bei der Berichterstattung den deutschen Arbeitern Aufklärung darüber geben, welche Fortschritte in der Sowjetunion zu verzeichnen sind.

Ich will bei der Erörterung der internationalen Angelegenheiten der Gewerkschaftsbewegung jetzt noch kurz über die Betriebsrätebewegung im internationalen Maßstabe sprechen.

Die Betriebsrätebewegung

Die Betriebsrätebewegung, die zwar nur in einem Teile Europas Fuß gefaßt hat, ist in Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei gesetzlich fundiert, während sie in Frankreich erst beginnt, praktische politische Bedeutung zu erhalten. Auch in Italien beginnt diese Bewegung stärkere Wurzeln zu fassen. Ich habe darauf hingewiesen, daß in Italien, trotz der Maßnahmen Mussolinis, die Betriebsrätebewegung, die im Jahre 1920 eine so große Bedeutung hatte, sich wieder zu heben beginnt und daß sich die ersten revolutionären Ansätze der Betriebsrätebewegung zeigen.

Der wichtigste Keim der Entwicklung der Betriebsrätebewegung im internationalen Maßstabe ist Frankreich, weil in Frankreich mit dem Revolutionierungsprozeß der Gewerkschaften die Betriebsrätebewegung mehr und mehr an Boden gewinnt. Wir erkennen an den verschiedenen Beschlüssen der Konferenzen, daß man sich mit den Fragen des Achtstundentages, der Arbeiterlöhne, der Streikstrategie und kürzlich am 4. Juli in Paris mit der Marokkokrise usw., also mit wirklich ernsten politischen Problemen beschäftigt hat, so daß auch die Betriebsrätebewegung in der internationalen Einheitsbewegung für die Zukunft ernste Bedeutung haben wird.

Internationale Charakteristik

Es lassen sich international vier charakteristische Merkmale in der Gewerkschaftsbewegung feststellen: 1. Wir sehen eine wachsende Revolutionierung der Gewerkschaften in den größten imperialistischen Staaten Europas (England und Frankreich). 2. Mit der besseren Lebenshaltung der sowjetischen Arbeiterklasse und der steigenden weltpolitischen Bedeutung der sowjetischen Gewerkschaften wächst das Bestreben für die internationale Einheit der Gewerkschaftsbewegung der ganzen Welt. 3. Selbst in Ländern des weißen Terrors, wie in Finnland, Polen, Ungarn und den Balkanländern, wo die kommunistischen Parteien grausam unterdrückt werden, sind die Gewerkschaften fast das einzige Gebiet, auf dem die Kommunisten große Erfolge erringen können. Die letzten Monate haben gezeigt, daß die Kommunisten in den Gewerkschaften jene Ideen publizieren, die sie anderswo in der Öffentlichkeit nicht erörtern können, weil die kommunistischen Parteien verboten sind. 4. Trotz der revolutionären Erfahrungen, die das deutsche Proletariat im Bürgerkriege gesammelt hat, ist Deutschland bisher fast das einzige große Land in dem die Linksschwenkung der Gewerkschaftsbewegung noch nicht zum Durchbruch gelangte, im Gegenteil, der ADGB ist heute noch der stärkste Hort der Reaktion innerhalb Amsterdams.

Fassen wir diese Gesamtlage in einem plastischen Bild zusammen: Die englischen Imperialisten sitzen in London, bereiten den neuen Angriffskrieg gegen die Sowjetunion vor. Sie berechnen strategisch und militärisch ihre Kraft, sie rechnen mit der Kriegsflotte, mit den Kriegsfliegern und mit den imperialistischen Vasallenstaaten, und sie rechnen mit der konterrevolutionären Gewerkschaftsbürokratie der verschiedenen kapitalistischen Länder. Man muß sich fragen: Auf wen können sie als stärkeres Hilfsmittel neben den englischen Kriegsschiffen gegen die Sowjetunion rechnen auf die englischen Gewerkschaften oder den ADGB in Deutschland? Ich glaube, wir deutschen Kommunisten müssen offen auf diesem Parteitag zum Ausdruck bringen, daß heute im Zeichen des Garantiepaktes die Führer des ADGB das sicherste Instrument der Imperialisten gegen die Sowjetunion sind. Auf die englische Gewerkschaftsbewegung kann Chamberlain nicht mehr zählen, weil dort der Revolutionierungsprozeß eingesetzt hat, weil dort so starke Regungen vorhanden sind, daß ein Druck auf die Labour Party, auf die englische Bourgeoisie und auch auf die Regierung ausgeübt wird, so daß diese schon vor ernsten Angriffsmaßnahmen gegen die Sowjetunion zurückschrecken. Auf den ADGB können Chamberlain und Luther heute noch zählen, weil noch kein starker linker Flügel in der deutschen Gewerkschaftsbewegung vorhanden ist, der die Massen mobilisiert.

Internationale Bedeutung der deutschen Gewerkschaften

Hieraus ersehen wir die ganze weltumfassende Bedeutung der deutschen Gewerkschaftsfrage. Eben weil sie international so wichtig ist und weil sie eine so große Bedeutung für die ganze Welt hat, deshalb muß die Gewerkschaftsfrage in den Mittelpunkt des X. Parteitages gestellt werden. Wir haben zu untersuchen, welches die Gründe für das Fehlen eines linken Flügels im ADGB nach 4 Jahren Krieg und 7 Jahren revolutionärer Kämpfe sind ‑ angesichts der internationalen Bewegung für die Gewerkschaftseinheit angesichts der wachsenden Bedeutung der sowjetischen Gewerkschaften, angesichts des Versailler Friedens, des Dawesplans und des drohenden Garantiepakts. Der Hauptgrund ist die Schule der opportunistischen Sozialdemokratischen Partei, durch die Millionen deutscher Arbeiter gegangen sind. Auch in der Kommunistischen Partei Deutschlands sehen wir in der Gewerkschaftsfrage noch die Wehen des Brandlerismus stark in Erscheinung treten, die sich, allgemein angedeutet, in der nicht genügenden Aktivität der kommunistischen Arbeit in den Gewerkschaften äußern. Wir müssen, wenn wir die Frage verstehen wollen, das Verhältnis der Sozialdemokraten zu den Gewerkschaften ergründen und prüfen. Heute sind ihre Hauptstützpunkte in den Gewerkschaften die Gewerkschaftsbürokratie und die Vertrauensleute der sozialdemokratischen Gewerkschaftsfunktionäre in den Gewerkschaften und Betrieben, die einen ungeheuren inneren politischen Einfluß auf das gesamte Leben der Arbeiterschaft ausüben Viele Genossen in unserer Partei denken, daß nur die Gewerkschaftsbürokratie die Hauptstütze in der reformistischen Tätigkeit der Gewerkschaften ist. Daneben übt die Millionenpresse der Gewerkschaften auch einen ungeheuren ideologischen Einfluß auf die Massen aus, denn sie ist eine der wichtigsten “geistigen” Waffen, die die Gewerkschaftsbürokratie bei allen politischen Angelegenheiten fest in der Hand hat.

Struktur des ADGB

Wir wollen an Hand von Zahlen feststellen, wie groß der Umfang der engeren Gewerkschaftsbürokratie überhaupt ist, Ihre Zahl wird größtenteils überschätzt, sowohl in unserer Partei wie in den Kreisen der Gesamtarbeiterschaft. Einige Genossen erklären: Wir haben Zehntausende Angestellte in den Gewerkschaften. Eine neuere Statistik besagt, daß mit allein technischen Personal etwa 5000 Angestellte in den Gewerkschaften vorhanden sind, die sich auf 26 000 Zahlstellen, auf eine Mitgliederzahl von etwa 5 Millionen verteilen, das heißt, daß auf 1000 Mitglieder ein Angestellter kommt. Rechnen wir 5000 Angestellte, von denen allein 4500 in den 50 deutschen Großstädten mit 2000 Zahlstellen angestellt sind, so bleiben noch etwa 24 000 Zahlstellen übrig, wo kein Angestellter ist. Diese 24 000 Zahlstellen in Deutschland, wo also die kleinen Vertrauensleute der Sozialdemokratie, wo die Gewerkschaftsfunktionäre aus den Betrieben ausschließlich und ehrenamtlich an der Spitze stehen und dort den Apparat, in der Hand haben, sind nach meiner Auffassung mit die wichtigste politische Stütze und Stärke der SPD innerhalb der Gewerkschaftsbewegung.

Wir haben ferner in Verbindung mit dieser Frage zu untersuchen, wie der Einfluß des Gewerkschaftsbürokratismus zu erklären ist. Die Hauptstütze der Gewerkschaftsbewegung sind zweifellos die 600 000 gewerkschaftlich organisierten SPD-Arbeiter im ADGB. Wir sehen, daß gerade diese 600 000 organisierten sozialdemokratischen Arbeiter den gesamten Gewerkschaftsapparat in der Hand haben, und wir gewinnen erst ein richtiges Bild von der Struktur der Gewerkschaften, wenn wir den Machteinfluß der Gewerkschaftsbürokratie und des Vertrauensmännersystems vergleichen. Die eigentliche Bürokratie beträgt 0,1 Prozent. Sie ist prozentual viel schwächer als die Kommunisten, die mit etwa 200 000 Mitgliedern, ohne die Sympathisierenden, deren Zahl schwer festzustellen ist, 4 Prozent des ADGB ausmachen. Die 0,1 Prozent Gewerkschaftsbürokratie können durch ihren Apparat die Gewerkschaften nur darum beherrschen, weil sie sich auf die 12 Prozent sozialdemokratische Arbeiter und Funktionäre in den Gewerkschaften und Betrieben stützen. So beherrschen 0,1 Prozent Bürokraten, gestützt auf 12 Prozent sozialdemokratische Arbeiter und Funktionäre, die ungeheure Masse der 85 Prozent parteilosen, neutralen Arbeiter des ADGB. Diese 4,2 Millionen Mitglieder der deutschen Gewerkschaften - das ist der deutsche Durchschnittsarbeiter, um dessen Seele wir ringen müssen, das ist der Kerntrupp des deutschen Industrieproletariats, ohne den wir, die kommunistische Vorhut, nicht siegen können. Von diesen 85 Prozent zwar nicht politisch feststehenden Proletariermassen haben mehr als die Hälfte bei verschiedenen Situationen mit den Kommunisten nicht nur sympathisiert, sondern sind auch mit ihnen marschiert. Ich erinnere nur daran, daß im Jahre 1923 mindestens die Hälfte dieser 85 Prozent bereit war, mit der KPD gegen die Bourgeoisie zu kämpfen. Genau wie der Mittelstand im Jahre 1923, der immer zwischen Bourgeoisie und Proletariat schwankt, schon teilweise bereit war, mit uns zu gehen, ist es auch mit diesen Parteilosen innerhalb der Gewerkschaftsbewegung, die sicher noch leichter zu gewinnen sind, wenn die Kommunisten es nur ernsthaft verstehen, praktische Arbeit in den Gewerkschaften zu leisten, wie sie der politischen Bedeutung entsprechend notwendig ist. Ein Teil der Sympathisierenden ist heute noch in den Gewerkschaften in verschiedenen Situationen bei verschiedenen Entscheidungen mit uns. Ich will nur an das ausgezeichnete Resultat der Berliner Metallarbeiterwahlen vom Sonntag erinnern, welches deutlich genug den kommunistischen Einfluß zeigt. Dort hat unsere kleine Fraktion fast 50 Prozent der Stimmen bekommen, nur ein paar hundert Stimmen weniger als die Ortsverwaltung mit ihrem sozialdemokratischen Apparat. Die Metallarbeiterwahl in Berlin kann man als die erste wirkliche Bresche, die wir seit dem Oktober 1923 geschlagen haben, charakterisieren. Im allgemeinen muß festgestellt werden, daß unsere Gewerkschaftsarbeit brachliegt, daß wir mit dem Wiedereintritt in die Gewerkschaften noch am Anfang der politischen Lösung unserer Gewerkschaftsaufgaben steten. Unsere Partei ist heute noch von der Mehrheit der Millionen Arbeiter in den Gewerkschaften Deutschlands isoliert, und man muß mit viel mehr Energie und Liebe an die Arbeit gehen, damit gerade diese 85 Prozent Parteilosen unter unseren Einfluß gebracht werden. Die Isolierung der Partei ist eine der stärksten Garantien für die Macht der Bourgeoisie und der sozialdemokratischen Führer, mit einem Wort, der ganzen kapitalistischen Stabilisierung Je größer die Revolutionierung der Gewerkschaften, desto schwieriger die Bestrebungen der Konsolidierung der Bourgeoisie. Schon in den nächsten Jahren wird sich auf dem deutschen Wirtschaftsmarkt zeigen, daß sich mit der Erfüllung der Separationsbestimmungen die innere Krise verschärfen muß, noch dazu, da die Regierung durch ihre Steuer- und Schutzzollpolitik das Passivum der Handelsbilanz in der nächsten Zeit erhöhen wird. Im Lande selbst muß sich die Lage verschärfen, weil die deutsche Konkurrenz auf dem Weltwirtschaftsmarkte mehr und mehr unterliegen wird, weil momentan Deutschland nur in der Lage ist, die Zahlungen an Amerika, England, Italien, Belgien und Frankreich - aus den Reparationsverpflichtungen - durch Sachlieferungen zu erledigen. Und schon die ersten Beratungen auf der Brüsseler Handelskammerkonferenz, wo durch den englischen Bankier Stamp zum Ausdruck gebracht wurde, daß verschiedene Produktionskrisen auf Grund der Auswirkung des Dawesplans in Amerika und England unvermeidlich sind, zeigen überall die steigenden Schwierigkeiten. Umgekehrt müssen wir zu der Isolierung von den 85 Prozent Parteilosen feststellen: Gelingt es uns, diese Isolierung zu durchbrechen und zu zerstören, gelingt es uns, die Millionen Durchschnittsarbeiter in den deutschen Gewerkschaften auf unsere Seite zu bringen, gelingt es uns, in den unvermeidlichen Lohn- und Arbeitskämpfen der nächsten Zeit - die sich bereits heute in ihrem Anfangsstadium zeigen - die Führung der parteilosen Gewerkschaftsmassen zu erobern, dann wankt die ganze kapitalistische Stabilisierung.

Wenn zum Beispiel heute in Deutschland 120 000 Bauarbeiter ausgesperrt sind, wenn die Gas- und Wasserwerksangestellten in Berlin schon mit dem Streik drohen und in den nächsten Monaten bei dem Steigen der Lebensmittelpreise und dem Sinken des Reallohnes neue Kämpfe unvermeidlich sind, wird es notwendig sein, daß die Kommunisten es endlich mehr denn je verstehen, in den Gewerkschaften ihren politischen Einfluß wirklich auszuüben. Durch diese politische Führung der einzelnen Wirtschaftskämpfe wird zu gleicher Zeit auch das Bestreben der Bourgeoisie durchkreuzt und im wesentlichen zunichte gemacht; denn jeder kleinste, politisch geführte ökonomische Streik bedeutet schon einen Riß in der Stabilisierung des Kapitalismus. So wird die Gewerkschaftsfrage zum Knotenpunkt aller politischen Probleme. Die Gewerkschaftsfrage ist die Grundlage unserer Taktik. Durch sie wird das Verhältnis von Partei und Klasse entschieden, das Verhältnis unserer Partei zur deutschen Arbeiterklasse. Wir haben außerdem bei dieser Frage festzustellen, daß in dem Moment, wo wir 85 Prozent der Parteilosen für uns gewinnen, auch das Verhältnis der Linksentwicklung in den Massen und das Verhältnis der Linksentwicklung in der Führung ein anderes wird. Augenblicklich kann man nicht von dem Vorhandensein eines ernsten linken Flügels im ADGB sprechen, wenn auch einige Tendenzen da sind. Wenn zum Beispiel Dißmann in der Frage der Organisationsbildung der Industrieverbände im ADGB gegen Schumann kämpft, so sind das keine wirklich ernsten oppositionell-revolutionären Tendenzen, denen man dieselbe politische Beachtung schenken könnte, wie wenn die Kommunisten es verstünden, eine wirklich ernste Linksentwicklung in den Massen der Gewerkschaftsmitglieder zu erzeugen - zum Beispiel in Belgien, wo noch vor zwei bis drei Monaten, als dort die großen Kämpfe waren, sich kein Sozialdemokrat bereit fand, für die Einheit der Gewerkschaftsbewegung zu kämpfen. Jetzt tritt der sozialdemokratische Gewerkschaftssekretär Liebert energisch für diese Einheitsbestrebungen ein. Wenn die Kommunisten es verstehen, ihre politische Arbeit in den Gewerkschaften zu verstärken, so kann man damit rechnen, daß wir nach ganz kurzer Entwicklung, in der ohne Zweifel wirtschaftliche Kämpfe hereinbrechen werden, Fortschritte in der Radikalisierung der Arbeiterschaft machen und dabei natürlich auch unseren politischen Einfluß erweitern werden.

Die Arbeit der KPD

Diese Aufgabe praktisch zu lösen erfordert mindestens 75 Prozent der Arbeitskraft der Gesamtpartei, wie es ja auch im Brief der Exekutive ganz scharf ausgesprochen wird. Die Delegierten des Parteitages und die Parteimitgliedschaft sollten auf Grund dieser richtigen Andeutung, die dort gegeben wird, es verstehen, daß gerade diese Arbeit die Arbeit der Gesamtpartei im politischen Rahmen ist.

Wir müssen aber auch die Durchführung dieser Aufgabe in ihrer ganzen Kompliziertheit sehen. Wir dürfen uns nicht nur an die Gewinnung der 85 Prozent Parteilosen klammern, sondern wir müssen uns auch fragen: Welches sind die Machtfaktoren der Bürokratie in den Gewerkschaften? Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß durch den Mechanismus der Sozialdemokratie die Macht der deutschen Gewerkschaftsbürokratie verzehnfacht wird, was ein gewaltiger Unterschied zur englischen Gewerkschaftsbewegung ist. In Deutschland übt die Sozialdemokratie in allen Institutionen der Gewerkschaften einen starken Einfluß aus, und umgekehrt stehen die Spitzen der deutschen Gewerkschaftsbürokratie durch ein ganzes Netz von Fäden mit den Spitzen der Sozialdemokratie in Verbindung, was in England in dem Maße nicht der Fall ist. So zum Beispiel sind von 130 Reichstagsabgeordneten der SPD 46 Gewerkschaftsführer; im Vorstand der Reichstagsfraktion sitzen mehrere hervorragende Führer des ADGB, zum Beispiel Graßmann, der zweite Vorsitzende des ADGB; außerdem gehören Schumann, Dißmann und noch andere dem Vorstand der Reichstagsfraktion an. Ferner ist der Vorsitzende des Fabrikarbeiterverbandes, Brey, Mitglied der Kontrollkommission der SPD. Diese Verbindung zwischen Gewerkschaftsapparat und sozialdemokratischer Parteimaschine reicht hinunter bis in den Bezirk, die Lokalorganisation und die Funktionärkader in den Betrieben. Die Kontrollkommission der SPD wird zum Beispiel auf dem nächsten Parteitag der SPD zur Situation und zu den Differenzen innerhalb der SPD wegen der “linken” Einstellung der sozialdemokratischen Führer in Sachsen Stellung nehmen. Ein Teil der Gewerkschaftsbürokratie wird also dort seinen reformistischen Einfluß ausüben können, und andere Führer der Gewerkschaftsbewegung innerhalb der Sozialdemokratischen Partei werden auf anderen Gebieten in demselben Maße ihren reformistischen Einfluß geltend machen.

Daraus folgt die Lehre, daß unsere Gewerkschaftstaktik unlöslich verbunden ist mit unserer Taktik gegenüber der SPD.

Die Gewerkschaftsfrage ‑ keine Ressortfrage

Wir können die 85 Prozent parteilose Arbeiter nicht erobern, ohne wenigstens einen Teil der 600 000 organisierten sozialdemokratischen Proleten des ADGB für uns zu gewinnen. Solange das Fundament der 600 000 organisierten sozialdemokratischen Proleten bestehen bleibt, ohne daß wir dieses Fundament zu unterwühlen, zu unterhöhlen beginnen, solange wird auch die Gewinnung der 85 Prozent Parteilosen auf gewaltige, große Schwierigkeiten stoßen. Deshalb müssen wir versuchen, diesen SPD-Apparat zu unterminieren, die sozialdemokratischen Arbeiter von ihren Führern loszulösen, und das wird um so eher möglich sein, als unsere politische Linie den Kampfgeist des Proletariats fördert. Wir müssen in der praktischen Arbeit mit allen Methoden und Mitteln die sozialdemokratischen Proleten für die Kommunistische Partei zu gewinnen suchen. Darum ist die Gewerkschaftsfrage keine Ressortfrage, wie es früher leider in der Partei der Fall war, sondern ein politisches Problem im weitesten Sinne des Wortes.

Unsere Gewerkschaftserfolge hängen in erster Linie von zwei Faktoren ab:

Von unserer politischen Arbeit gegenüber der SPD, zum Beispiel in der Frage des Achtstundentages, der Zölle und der Steuern, der Aufwertung, des Kampfes gegen die monarchistische Gefahr und in sonstigen wirklich ernsten politischen Fragen.

Von der politisch-organisatorischen Stärke und Aktivität unserer kommunistischen Fraktionen in allen Kartellen, Verbänden, Ortsausschüssen und Zahlstellen des ADGB in Deutschland.

Wir müssen bei diesen beiden wichtigen Faktoren auf diesem Parteitag die Partei erneut an Frankfurt erinnern. In Frankfurt sahen wir eine sehr starke “ultralinke” Strömung, deren Vertreter noch nicht genügend die politische Bedeutung der Gewerkschaftsarbeit erkannten, und wir von der Zentrale versuchten in Frankfurt mit verschiedenen ehrlichen, noch nicht genügend überzeugten Arbeitern aus den Betrieben über diese Fragen, über den Ernst der Gesamtsituation zu sprechen und ihnen klarzumachen, welche Rolle die Gewerkschaftsfrage in Deutschland und in der Internationale in der Zukunft spielen wird. Die damaligen Strömungen haben natürlich heute noch ihre Nachwirkungen in der Partei, so daß heute noch nicht die genügende Erkenntnis der politischen Bedeutung in der Partei vorhanden ist, wie wichtig diese Arbeit in den Gewerkschaften und Betrieben ist. Und solange solche “ultralinken” Strömungen gefühlsmäßig noch vorhanden sind, sind sie natürlich ein Hemmschuh für die zu steigernde Aktivität, hindern sie uns, diese schwierigen Fragen so zu lösen, wie es dem politischen Wert der Arbeit in den Betrieben und Gewerkschaften geziemt.

Falsche Gewerkschaftspolitik

Dazu kommt noch die neue “ultralinke” Erscheinung der Genossen Scholem, Rosenberg, Katz, die uns auf anderem Gebiete, wo die Partei versucht, in der Strategie und Taktik Vorstöße zu machen und verschiedene Manöver durchzuführen, in der Konkretisierung der Beschlüsse der Taktik von Frankfurt Schwierigkeiten machen, weil sie nicht verstehen, daß man auch politisch bei der Entlarvung und im Kampf gegen die SPD in dieser Situation andere leninistische Methoden gegen die mit ihr verbündete Gewerkschaftsbürokratie anwenden muß. Diese beiden Tendenzen sind im wesentlichen Krankheitserscheinungen des Brandlerismus in der Gesamtpartei, und wir haben diese Krankheitserscheinungen des Brandlerismus, die im Laufe der letzten Jahre sowohl von “ultralinks” wie von rechts eine falsche Taktik in der Gewerkschaftsfrage hervorgerufen haben, zu prüfen und ihre Ursachen zu ergründen.

Ich will deshalb versuchen, die Ursachen dieser Krankheitserscheinungen in den vier Stadien der falschen Gewerkschaftspolitik in Deutschland zu charakterisieren:

1. Au dem Gründungsparteitag der Kommunistischen Partei (Spartakusbund) im Dezember 1918 war es Genossin Rosa Luxemburg, die versuchte, in verschiedenen Fragen ‑ in der Frage des Verhältnisses zu den Gewerkschaften und der Beteiligung der Kommunisten am Parlament ‑ gegen die starken “ultralinken” Strömungen zu kämpfen, ohne sich damals durchsetzen zu können. Sie war deshalb nicht in der Lage, sich durchzusetzen, weil die Arbeiter aus den Betrieben unter dem Eindruck der revolutionären Kämpfe gefühlsmäßig eingestellt waren. Sie empfanden gefühlsmäßig, daß die vorgeschlagene Beteiligung der Kommunisten am Parlament, ohne den Stützpunkt gleichzeitiger Maßnahmen der Partei zur Organisierung der Revolution, in der Luft hing. Sie empfanden in bezug auf die bolschewistischen Grundprobleme die damals vorhandene Lücke in der Partei, denn die deutsche Arbeiterbewegung war jahrzehntelang durch den Sumpf des Reformismus hindurchmarschiert und war nicht über die ernsten Probleme der proletarischen Diktatur und der Organisierung der Revolution unterrichtet. Deshalb war es verständlich, daß diese gefühlsmäßigen, aber falschen und antibolschewistischen Stimmungen damals die Mehrheit auf dem Parteitag bekamen. Es wurde beschlossen, aus den Gewerkschaften auszutreten und neue Gewerkschaften zu gründen. Das kam dann in der Gründung der Allgemeinen Arbeiterunion zum Ausdruck.

2. Es steht fest, daß die opportunistische Taktik im allgemeinen und die ihr entsprechenden falschen Methoden der Anwendung der Einheitsfronttaktik in den Gewerkschaften nach dem Vereinigungsparteitag in der KPD ihre Nachwirkungen zeigten. An zwei Beispielen will ich andeuten, wie sich diese Taktik in Kampfsituationen als falsch erwies: erstens bei der Rathenau-Demonstration, die schon oft in unserer Partei und vor der Exekutive behandelt worden ist, und zweitens bei der opportunistischen und auf der Grundlage einer reinen Spontaneitätstheorie aufgebauten Anwendung der Einheitsfronttaktik in der Gewerkschaftsfrage im besonderen und in der Gewinnung der Massen im allgemeinen.

3. Daraus mußte logischerweise das Gegenteil, das entgegengesetzte Extrem entstehen: die Bildung neuer Splitterorganisationen ohne große Massen in den Jahren 1922 und 1923. Ferner muß auf dem Parteitag ausgesprochen werden, daß die Resolution, die mit der Exekutive im Januar 1924 vereinbart wurde, sogar noch von der Zusammenfassung von Parallelorganisationen spricht, was schon im Zusammenhang mit den damaligen Verhältnissen falsch war. Wir sehen, daß im Verlaufe der Entwicklung Schumacher, Weyer, Schmidke und andere einen gewissen Einfluß ausübten, daß sie das andere Gesicht des Brandlerismus, politisch gesehen, zeigten: Brandler und Genossen mit ihren politischen rechten Tendenzen einerseits und Schumacher und Genossen mit “ultralinken” Tendenzen auf der anderen Seite. Das hat der Partei in der Gewerkschaftsarbeit außerordentlich geschadet. Auf dem Frankfurter Parteitag zeigten sich derartige Tendenzen noch so stark, daß sich ein großer Teil der Delegierten für die Auffassungen von Schumacher aussprach und versuchte, in die Resolution, die dort angenommen wurde, solche Tendenzen hineinzubringen.

4. Heute haben wir die Schuhmacherei zum größten Teil überwunden, aber wir verstehen immer noch nicht, in den Gewerkschaften gewerkschaftlich und gewerkschaftspolitisch zu arbeiten, ich wiederhole: gewerkschaftlich und gewerkschaftspolitisch zu arbeiten.

Schwächen unserer Gewerkschaftsarbeit

Genossen! Diese vier Hauptkrankheitserscheinungen der falschen und nicht konkreten Gewerkschaftsarbeit ‑ vom Gründungsparteitag der Kommunistischen Partei (Spartakusbund) über den Vereinigungsparteitag weiter bis Frankfurt und bis heute ‑ wird die gesamte Partei erkennen müssen, ebenso, daß heute noch die Nachwehen dieser Krankheit gefühlsmäßig zu 60 Prozent in der Partei vorhanden sind. Heute können wir mit großer Freude auf dem X. Parteitag aussprechen, daß keine prinzipiellen Differenzen in dieser Frage mehr bestehen, daß aber die praktischen Erfolge noch fehlen, die die Partei ‑ von der Parteizelle unten im Betrieb bis zum Kopf, der Parteizentrale ‑ stärken würden. Weil diese praktischen Erfolge noch fehlen, müssen wir im besonderen auf jene Dinge eingehen, die uns zeigen, wo und in welcher Form wir künftig Fortschritte erzielen können.

Außer diesem Nichtvorhandensein prinzipieller Streitigkeiten haben wir von Frankfurt bis heute noch einige günstige Fortschritte zu verzeichnen: 1. haben wir in Frankfurt eine Resolution in der Gewerkschaftsfrage einstimmig angenommen, 2. haben wir im Oktober 1924 im Zentralausschuß jedes Mitglied der Partei verpflichtet, in die Gewerkschaft einzutreten, und 3. können wir in der Strategie und Manövrierfähigkeit der Partei heute einen Schritt mehr wagen, als es vor neun Monaten möglich war. Auch der Prozeß der Liquidierung der selbständigen Verbände geht langsam seinem Ende zu. Die Weyer-Schumacher-Verbände[12] haben schon gar keine Existenzberechtigung mehr in den Augen des Proletariats: 1. weil sie keine Rolle spielten in den wirtschaftlichen Kämpfen und weil sie besonders bei politisch scharfen Kämpfen absolut nicht auf den Plan traten, um das Proletariat im Kampfe zu unterstützen; 2. haben sie im Laufe der Entwicklung der letzten zwei Jahre nicht die Massen aufsaugen und sie von den freien Verbänden trennen können. Was ihre Liquidierung anbelangt, so haben wir in den letzten Monaten ungeheure Fortschritte zu verzeichnen, so sind zum Beispiel in verschiedenen Bezirken die Genossen aus dem Freien Eisenbahnerverband in den Deutschen Eisenbahnerverband übergetreten, und bestehende Ortsgruppen wurden aufgelöst. Wenn Scheffel auf dem letzten Kongreß des Deutschen Eisenbahnerverbandes, Anfang Juli dieses Jahres, dazu überging, den Freien Eisenbahnerverband nicht aufzunehmen, so ist das ein Zeichen der wirklichen Spaltungsabsichten, die in den Kreisen der Gewerkschaftsbürokratie heute noch stark vorhanden sind. Wäre unsere Einheitskampagne verstärkt unter den Massen durchgeführt worden, so wäre Scheffer gezwungen gewesen, diese Organisation aufzunehmen.

Wir sehen ferner, daß der Seemannsbund versucht, sich mit dem Verkehrsbund Deutschlands zu verschmelzen, und daß die Gewerkschaftsbürokratie auf dem Verbandstag in München aller Voraussicht nach ebenfalls dazu übergehen wird, den Seemannsbund nicht aufzunehmen, da der Vorsitzende des Verkehrsbundes, Schumann, und andere es nicht wünschen. Wir müssen im Interesse der Einheit der Gewerkschaften alles tun, um die Delegierten, die dort auf dem Verbandstag sind, zu veranlassen, dafür einzutreten, daß der Seemannsbund aufgenommen wird. In anderen selbständigen Verbänden, wie dem Landarbeiterverband, dein Textilarbeiterverband usw., ist der Auflösungsprozeß weiter fortgeschritten. Größere Schwierigkeiten sind nur noch bei der Liquidierung des Bauarbeiterverbandes und der Bergarbeiterunion vorhanden. Dieser Prozeß der Liquidierung wird hier etwas langsamer vor sich gehen. Im Bauarbeiterverband liegen die Verhältnisse insofern anders, als er in Sachsen, im Rheinland, in Solingen noch ein Kampffaktor ist und in den Kämpfen immerhin eine Rolle spielt. Der Vorsitzende des Baugewerksbundes, Paeplow, ist der größte Kommunistenfresser und sabotiert jede Einheit mit aller Schärfe.

Wir glauben, daß alle selbständigen Verbände, außer der Bergarbeiterunion und dem Bauarbeiterverband im nächsten Vierteljahr liquidiert sein werden.

Die Liquidierung der Bergarbeiterunion wird, trotzdem sie auch an politischer Bedeutung im Ruhrgebiet in den letzten Monaten verloren hat, noch längere Zeit in Anspruch nehmen. In Mitteldeutschland ist die Union bereits aufgelöst, und ihre Mitglieder sind dem Bergarbeiterverband zugeführt worden.

Neben diesen allgemeinen Schilderungen der wichtigsten Erscheinungen, national und international, will ich jetzt einige Dinge über die in Frage kommenden Aufgaben der Partei in der Gewerkschaftsarbeit anführen. Bei den Aufgaben, die sich die Partei für die Zukunft zu stellen hat, ist es notwendig, sich in erster Linie darüber klarzuwerden, daß der Grundstock unserer politischen Plattform und der Arbeit in den Gewerkschaften vor allen Dingen das Fundament der Organisation ist. Wir haben bei der Erörterung der Organisation zu prüfen, welches die Pfeiler und die Stützpunkte dieses Organisationsfundaments sind. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß die SPD durch ihre freigewerkschaftlichen Vertrauensleute und ihre Betriebsräte einen ungeheuren Einfluß in den Gewerkschaften ausübt. Solange wir nicht dazu übergehen, das Vertrauensmännersystem in den Betrieben auszubauen, solange wir nicht dazu übergehen, die Betriebszellen in engste Verbindung mit den Massen in den Betrieben zu bringen, solange wird es uns nicht möglich sein, Aktivität in den Betrieben und Gewerkschaften zu entfalten.

Ich will die verschiedenen organisatorischen Fragen nicht im einzelnen anführen, sondern die wichtigsten Merkmale herausgreifen, die dazu dienen, auf der organisatorischen Plattform jene Erfolge zu erzielen, die uns die Durchführung der Massenbewegung erleichtern. Genosse Geschke hat bereits versucht, in seinem Referat auf die Betriebsfrage hinzuweisen und sie zu erläutern. Wir müssen bei der Erörterung der Betriebszellenarbeit in Verbindung mit der freigewerkschaftlichen Arbeit hier auf dem Parteitag auch wirklich einige ernste Dinge in der Gesamtpartei anführen, um zu kennzeichnen, wie lax unsere eigene Arbeit trotz der manchmal wirklich ernstlichen Sympathien in den Betrieben ist. Die Bezirksleitung Ruhrgebiet berichtet zum Beispiel unter dem 22. Juni dieses Jahres an die Zentrale folgendes:

Im Deutschen Metallarbeiterverband, Verwaltungsstellen Dortmund, Hörde und Witten, besteht das Delegierten-Generalversammlungssystem; wir haben nun leider zu verzeichnen, daß wir in diesen Verwaltungsstellen nicht einen einzigen kommunistischen Delegierten haben, und daher ist bei der Kandidatenaufstellung die Liste der Amsterdamer in allen drei Verwaltungsstellen einstimmig gewählt worden.

Die Delegierten der Generalversammlung bestehen zu einem großen, ja wahrscheinlich zum größten Teil aus gewerkschaftlichen Vertrauensleuten in den Betrieben, und es geht aus obigem hervor, daß die Kommunisten in sämtlichen Betrieben dieses wichtigen Industriegebietes nicht einen einzigen Vertrauensmannsposten im DMV[13] bekleiden. An diesem Beispiel sieht man, daß wir, trotzdem bei anderen Anlässen wesentliche Fortschritte zu verzeichnen waren, bei dieser Wahl absolut keinen Kandidaten bekamen, weil die Genossen nicht das nötige Interesse für die Arbeit in den Gewerkschaften zeigten.

Im Siemens-Konzern Berlin, in dem annähernd 40 000 Proletarier beschäftigt sind, besteht der freigewerkschaftliche Vertrauensmännerkörper aus etwa 220 Mann, davon sind nur etwa 12 bis 18 Kommunisten, obwohl die Kommunisten bei den Betriebsrätewahlen etwa 40 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigten. Wenn wir also damals 40 Prozent aller Stimmen erhielten und jetzt nur 18 Kommunisten gewählt wurden, so beweist das allzu deutlich, daß unsere Genossen nicht verstehen, in den Betrieben und Gewerkschaften zu arbeiten.

Im AEG-Betrieb Brunnenstraße, Berlin, mit über 9000 Arbeitern sind etwa 70 gewerkschaftliche Vertrauensleute, davon sind nur 5 oder 6 Kommunisten, so daß bei allen wichtigen Angelegenheiten, die in diesem Betrieb nur vom Funktionärkörper erledigt werden, die Kommunisten überhaupt nicht zur Geltung kommen. Bei den Betriebsrätewahlen im vorigen Jahre haben die Kommunisten 45 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigt und in diesem Jahre 38 Prozent aller Stimmen. Auch dieses Beispiel zeigt in erschreckendem Maße, daß unsere Genossen nicht die Wichtigkeit der Arbeit in den Gewerkschaften und in den Betrieben erkennen.

An diesen wenigen Beispielen, die noch hundertfach zu ergänzen wären, will ich nur die schlechte Arbeit unserer Genossen kennzeichnen und die unbedingte Notwendigkeit, daß unsere Genossen verstehen, endlich verstehen lernen müssen, mehr Wert auf die gewerkschaftliche Tätigkeit in den Betrieben und auf die Fraktionsarbeit in den Gewerkschaften zu legen. Es sind fetzt theoretisch die Voraussetzungen geschaffen, um zum erstenmal politisch an diese Aufgabe heranzutreten. Damit sind wiederum die Voraussetzungen geschaffen, um die Aufgabe unserer Genossen denkbar zu erleichtern.

Wir sehen ferner, daß auch die, reaktionäre Bourgeoisie versucht, in den Betrieben in Form anderer Zellen Organisationsmaßnahmen zu ergreifen. Zum Beispiel die Werkfeuerwehr, die sogenannte Pinkertongarde, die besonders in den Werften eine Zeitlang eine Rolle spielte, die Werkpolizei, die Technische Nothilfe und andere kennzeichnen die Rolle der Bourgeoisie in den Betrieben. Das politische Spiegelbild dieser Gruppen außerhalb der Betriebe sind die faschistischen Verbände und das Reichsbanner. Wenn wir ihnen den Roten Frontkämpferbund gegenüberstellen, so müssen wir erkennen, daß er auch in den Betrieben eine Bedeutung hat, weil er in den Wirtschaftskämpfen für die nötige Disziplin, für den Aufmarsch der Streikenden, für die Ordnung und Geschlossenheit usw. zu sorgen hat. Es liegt schon ein charakteristisches Beispiel vor. Bei dem Überfall auf das Gewerkschaftshaus in Remscheid, wo die Faschisten versuchten, die rote Fahne herunterzuholen, haben die Roten Frontkämpfer die Faschisten verjagt. Natürlich kann der Frontkämpferbund als eine neben der KPD stehende, mit ihr sympathisierende Organisation sich nicht nur darum kümmern, die Frontkämpfer zusammenzufassen, gegen die Kriegsgefahr Stellung zu nehmen und Maßnahmen zum Kampf gegen die Reaktion zu ergreifen, sondern die Roten Frontkämpfer müssen auch der Vortrupp in Betrieben und Gewerkschaften erden, um unter der Führung der Partei wirklich politisch für die Organisierung der Revolution zu arbeiten.

Was die Frage der Arbeit in den Gewerkschaften betrifft, so genügt es nicht, daß jedes Mitglied der KPD Mitglied der Gewerkschaften wird, sondern diese gefühlsmäßige Einstellung, daß die Genossen nur aus Disziplin Mitglieder werden, muß überwunden werden, und sie müssen davon überzeugt werden, daß es notwendig ist, Fraktionen zu bilden um von diesen Fraktionen aus politische Arbeit zu leisten und dadurch den Kreis der Sympathisierenden zu erweitern. In jeder Gewerkschaft, in jedem Betriebe, in jeder Ortsgruppe ist es notwendig, auf schnellstem Wege sofort die Gründung von Fraktionen vorzunehmen, wo solche noch nicht bestehen. Wir müssen auch dem Parteitag die Frage vorlegen: Warum bestehen nicht überall Fraktionen? Das liegt einmal an der Passivität und dem Nichterkennen der Notwendigkeit der Fraktionsarbeit seitens der Parteimitglieder und - was noch schlimmer ist - an dem Unverständnis einiger Bezirksleitungen und Unterbezirksleitungen, zum anderen aber an der zu schematischen, rein organisatorischen Fraktionsarbeit. Die Fraktionen dürfen nicht nur eine zahlenmäßige Zusammenfassung der Mitglieder mit einer Leitung sein, sondern sie müssen vor allem aktive, äußerst lebendige Organe und bewegliche Organe sein, für die es keine die Arbeiterinteressen berührenden Fragen geben kann, die sie nicht sofort in der Fraktion, dann in der Gewerkschaft, beziehungsweise unter den Mitgliedermassen behandeln und je nachdem in den Mittelpunkt der politischen Arbeit stellen. Auch in bezug auf die Zusammenfassung der Gewerkschaften durch Rote Kartelle muß unsere Fraktionsarbeit bedeutend verschärft werden. Wir müssen versuchen, nicht nur gute Fraktionen zu bilden, sondern wir müssen auch den Fraktionen den politischen Inhalt geben. Dabei will ich nur noch erwähnen, daß es notwendig ist, besonders in der chemischen Industrie, wie auch in der Munitionsindustrie und bei den Eisenbahnern, die Bildung von revolutionären Zellen mit erhöhter Energie anzupacken und vor allem dort die politische Arbeit durchzuführen. Diese Arbeit ist deswegen so ungeheuer ernst, weil sie zu gleicher Zeit eine Vorbereitung des wirklichen Kampfes im Betriebe gegen den imperialistischen Krieg bedeutet. Genau wie es in Rußland Genosse Lenin nach der Niederlage der ersten russischen Revolution im Jahre 1905 verstand, in dem berühmten Aufsatz über den Moskauer Aufstand die politische Bedeutung der kommunistischen Arbeit in den Munitionsbetrieben, den Chemiebetrieben und der Eisenbahn zu zeigen, so ist es auch die Aufgabe der deutschen Kommunistischen Partei, heute schon jene Arbeit zu leisten, die in der Periode der imperialistischen Konflikte von wirklich revolutionärer Bedeutung sein wird.

Wir haben ferner zu erwägen, ob die Zentrale, die Bezirksleitungen, die Unterbezirksleitungen und die größeren Ortsgruppen nicht dazu übergehen müssen, die größeren Verbände zu beobachten und zu kontrollieren. Dabei ist festzustellen, wie die Gewerkschaften bei Erörterung der wirtschaftlichen Kämpfe und bei verschiedenen politischen Entscheidungen versuchen, eine Basis durchzusetzen, die im allgemeinen den Niedergang der Energie und der Kraft des deutschen Proletariats bedeuten muß.

Betriebsrätearbeit

In Verbindung mit der Gewerkschaftsarbeit in den Betrieben will ich kurz noch über die Betriebsrätearbeit sprechen. Wir sehen, daß unsere Genossen nicht den Wert der Konzentration ihrer eigenen Kräfte gegenüber der Konzentration der Kräfte des Kapitalismus verstehen. Ich will einige Beispiele aus der Entwicklung der Konzentration des Kapitalismus auf der Basis der Konzerne in Deutschland anführen. Wir haben verschiedene größere Konzerne. Der AEG-Konzern umfaßt 444 Betriebe. Der Konzern Siemens-Rhein-Elbe-Schuckert-Union umfaßt 134 Betriebe, der Klöckner-Konzern einschließlich der Haniel- und Stumm-Gruppe 91 Betriebe und die Friedrich Krupp Aktiengesellschaft einschließlich der Rheinstahl-Arenberg-Gruppe 91 Betriebe, der Thyssen-Konzern 43 Betriebe. Alle Konzerne sind auf die verschiedenen Zweige der Industrie und des Bergbaus in ganz Deutschland verteilt. Ich werfe auf diesem Parteitag die Frage auf, ob sich die Genossen schon überall dafür interessiert haben, die sich in diesen Konzernen befindenden Betriebsräte aus den verschiedenen Betrieben zusammenzufassen, um das einheitliche Vorgehen der verschiedenen Arbeiter in den verschiedenen Betrieben zu besprechen und eine konzentrierte Kampfgrundlage gegen ihre Kapitalisten zu schaffen. Die Dinge, die sich in dem Betrieb abspielen, Maßnahmen in der Linie der Produktionskontrolle, Prüfung der Geschäftsgeheimnisse, Dividendenüberschüsse und allgemeine Bilanz müssen zur Grundlage unserer Lohnstrategie gemacht werden.

Die Betriebsrätebewegung hat natürlich momentan nicht den politischen Boden, wie es sich im Stadium des revolutionären Aufschwungs in Deutschland zeigte. Aber auch schon heute müssen in Verbindung mit der Arbeit in den Gewerkschaften die Betriebsräte freigewerkschaftlich zusammengefaßt werden, und sie müssen sich Kampfaufgaben in den wirtschaftlichen, politischen Kampf stellen, weil die Betriebsräte im Falle des verstärkten Kampfes wieder eine um so größere Bedeutung erhalten, wenn sie auch kein Ersatz für die wirklichen ersten Fundamente der Revolution sind. Früher gab es auch Parteiauffassungen, daß Betriebsräte die politischen Arbeiterräte ersetzen könnten. Aber die revolutionäre Praxis hat ergeben, daß die Betriebsräte nicht die revolutionären Faktoren in dem Prozeß der unmittelbaren Revolution sein können, sondern daß im revolutionären Kampfe auf erhöhter Stufe neue politische Arbeiterräte entstehen, als Stützpunkt der Partei in den breiten Massen zur Führung des Kampfes um die proletarische Diktatur.

Weitere Arbeitsgebiete

Ich will jetzt bei den Aufgaben der Partei noch einige Dinge herausgreifen, die im Zusammenhang mit den künftigen Aufgaben, die wir uns als Partei stellen, eine Rolle spielen werden. Zu den knapp 5 Millionen organisierten Arbeitern im ADGB kommen noch die Mitglieder des AfA-Bundes mit gut 350 000 und des ADB[14] mit etwa 150 000 Mitgliedern. In diesen beiden letzten Organisationen haben unsere kommunistischen Genossen wenig oder gar keinen Einfluß, weil wir eben noch nicht verstehen, unseren Einfluß auch unter den Beamten und Angestellten auszudehnen. Die Beamten und Angestellten haben auch für die Zukunft für die Massenbewegungen eine Bedeutung, wie wir es bei den Eisenbahnerkämpfen schon früher gesehen haben. Wir müssen versuchen, auf diesem Gebiet unseren politischen Einfluß mehr und mehr zu erhöhen. Außerdem ist unser Einfluß in den christlichen Organisationen sehr gering, und es wäre Pflicht und Aufgabe der Partei, besonders in den Gebieten, wo christliche Verbände stark sind, zu versuchen, sie in den Bann der wichtigsten Aufgaben des wirtschaftlichen revolutionären Kampfes mit hineinzuziehen.

Arbeiterinnenbewegung

Wir müssen unser Augenmerk auch auf die gewerkschaftliche Frauenarbeit lenken. Wenn wir auf dem Standpunkt der politischen Gleichberechtigung der Frauen stehen, dann müssen wir uns auch dafür einsetzen, daß die Arbeiterinnen auch wirtschaftlich den Arbeitern gleichgestellt, ihre Löhne denen der Männer angepaßt werden und sie nicht gezwungen werden, dem Mann gegenüber Lohndrücker zu werden.

Jugendbewegung

Dasselbe sehen wir bei der Jugend, die heute noch mehr als die Älteren vom deutschen Kapitalismus ausgebeutet wird. Auch der Jugendarbeit in den Gewerkschaften haben wir unsere größte Aufmerksamkeit zu widmen. Der Bourgeoisie ist es zum Beispiel bei der Staffelung der Löhne möglich, auf Grund der Tarifverträge mit Altersstufen, Millionen an Geldern zu sparen, da die Jugendlichen, die dieselbe Arbeit leisten müssen, sehr oft einen geringeren Lohn bekommen. Deswegen müssen wir Kommunisten dafür sorgen, daß die Staffelung der Löhne der Jugendlichen und Älteren aufhört. Noch dazu, da die Reformisten in der Gewerkschaftstarifpolitik keine Anstrengungen machen, diese Ungerechtigkeit aufzuheben. Ferner müssen die Bestrebungen der Bourgeoisie, das Arbeitsdienstpflichtgesetz für die Jugendlichen einzuführen, den schärfsten Widerstand erzeugen.

Erwerbslosenbewegung

Ebenso müssen wir bei unseren Aufgaben die Erwerbslosenbewegung erörtern. Das eine steht fest, daß die Erwerbslosigkeit in Deutschland in den letzten Monaten allgemein zurückgegangen ist, so daß wir heute prozentual weniger Erwerbslose in Deutschland haben, als es vor dem Kriege im allgemeinen der Fall war. Die Zahl der Erwerbslosen wird sich in der Zukunft bestimmt erhöhen. Wir müssen unser besonderes Augenmerk auf die Bewegung richten und dazu die Erwerbslosenräte unterstützen, um die Bestrebungen der Bourgeoisie und der reformistischen Gewerkschaftsbürokratie zu durchkreuzen, die die Zersplitterung zwischen den im Betriebe stehenden und den erwerbslosen Arbeitern wollen. Jede Zersplitterung in den Reihen der Arbeiterschaft muß auf das entschiedenste vermieden werden. Wir müssen ferner versuchen, daß die Erwerbslosen m den Produktionsprozeß mit eingereiht werden, selbst wenn es unter großen Schwierigkeiten und sehr selten möglich ist.

Der ADGB-Kongreß

Ich will jetzt kurz zu den Aufgaben der Kommunisten zu dem ADGB-Kongreß Stellung nehmen.

Unter den acht Tagesordnungspunkten, die für den Kongreß angekündigt sind, ist im allgemeinen kein einziger Punkt, der der Arbeiterschaft einen Ausweg aus der Situation zeigt. Auf der Tagesordnung des ADGB-Kongresses steht nicht die Frage des Kampfes der Arbeiterschaft um die Besserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen, sondern stehen solche Fragen wie die Wirtschaftsdemokratie, das heißt also das Zusammengehen mit der Bourgeoisie auf kapitalistischer wirtschaftsfriedlicher Grundlage.

An Stelle des Kampfes um den Achtstundentag steht die abstrakte Frage der Sozialgesetzgebung. Die Führer des ADGB fürchten sich, vor der Arbeiterschaft Rechenschaft abzulegen, was der ADGB für den Achtstundentag getan hat und tun wird. Es steht fest, daß die Gewerkschaftsbürokratie, die auf dem Nürnberger Gewerkschaftskongreß im Jahre 1919 durch das Bekenntnis zur Arbeitsgemeinschaft den Weg zum Abbau des Achtstundentages frei gemacht hat, heute bestimmt nichts tun wird, um den Achtstundentag zurückzuerobern. Auch die Summen, die die Mitglieder für die Einleitung einer Kampagne, einer Volksabstimmung über das Washingtoner Abkommen, gezahlt haben, scheinen für diesen Zweck nicht mehr verwendet zu werden. Vielleicht wird der ADGB-Kongreß darüber Aufklärung geben müssen. Die Gewerkschaftsbürokratie schweigt sich heute über den Achtstundentag aus und fürchtet sich, diese Frage vor den Massen offen zu stellen. Mit den wichtigsten politischen Fragen, wie der Zoll- und Steuerpolitik, der Aufwertungsfrage, der Freilassung der politischen Gefangenen, der allgemeinen Amnestie, mit dem Dawespakt und seinen katastrophalen Auswirkungen, dem Garantiepakt, dem Völkerbund usw., wollen sich die Führer auf dem Kongreß nicht beschäftigen. Um so klarer müssen wir Kommunisten noch in der Zeit vor dem Kongreß diese Fragen vor den Massen und in den Gewerkschaften stellen.

Amt dem Bundeskongreß des ADGB werden unter den Führern des ADGB-Bundesvorstandes Differenzen in der Frage der Bildung von Industrieverbänden ausbrechen. Der Leipziger Gewerkschaftskongreß hat den Bundesvorstand beauftragt, eine Kommission einzusetzen, um die Frage zu prüfen. Die eingesetzte Kommission konnte sich nicht einigen, weil dort die Auffassung von Dißmann und Genossen vorhanden war, die eine organisierte Neugestaltung der Gewerkschaften nach Industrieverbänden forderten, während Schumann und Genossen eine freiwillige Verständigung der Gewerkschaften untereinander verlangten. In der letzten Zeit sehen wir, daß Tarnow, der Vorsitzende des Holzarbeiterverbandes, und Brey, der Vorsitzende des Fabrikarbeiterverbandes, schon damit drohen, wirklich ernste Maßnahmen zu ergreifen, wenn auf dem Bundeskongreß die Auffassung Dißmanns ‑ die Neugestaltung der Organisation nach Industrieverbänden ‑, die aller Wahrscheinlichkeit nach siegen wird, verwirklicht wird. Tarnow hat sogar mit einer gewissen Spaltung im ADGB gedroht. Wir haben uns dabei zu gleicher Zeit darüber klar zu sein, daß es der Gewerkschaftsbürokratie gelingen wird, auf dem Bundeskongreß irgendein Kompromiß zu finden, durch das man diese beiden Gruppierungen trotz scharfer Gegensätze in dieser Frage auf eine Plattform bringen wird.

Die wichtigste Frage, die auf dem Kongreß behandelt werden wird, ist die internationale Einheitsbewegung der Gewerkschaften. Wir sehen, daß in Deutschland die Kommunistische Partei versucht, in den verschiedenen Organisationen die ersten Ansätze dafür zu schaffen, um dieser Bewegung eine ernste internationale Plattform zu geben. Der Kongreß wird insofern für die deutsche Arbeiterklasse eine Bedeutung haben, als dort der Antrag gestellt oder die Frage entschieden wird, ob die Vertreter der sowjetischen Gewerkschaften zugelassen werden. Schon heute versucht die Bürokratie in ihrer Gewerkschaftspresse zum Ausdruck zu bringen, daß man die sowjetischen Gewerkschaften nicht zulassen wird. Aber auch die Anwesenheit der Vertreter der englischen Gewerkschaften, die ja bekanntlich zu 80 Prozent die Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale finanzieren, wird zu gleicher Zeit eine ernste politische internationale Bedeutung haben. Die englischen Gewerkschaftsvertreter werden auf dem Kongreß ihre Meinung über die gesamte Bewegung Englands äußern, und wir werden sehen, ob der Bundeskongreß, nachdem die deutschen Arbeiterdelegationen nach der Sowjetunion gegangen sind und dort aufgenommen wurden, es wagen wird, die Zulassung der sowjetischen Delegation der Gewerkschaften abzulehnen. Die Arbeiterdelegation, die aller Wahrscheinlichkeit nach noch vor dem Beginn des Bundeskongresses zurückkommt, wird in der Auswirkungen die sich entwickelnden linken Tendenzen innerhalb der Gewerkschaftsbewegung eine ungeheuer große Bedeutung haben. Wir müssen schon heute dazu übergehen, weitere Delegationen zusammenzustellen, die sich die Entwicklung in der Sowjetunion mit eigenen Augen ansehen und über ihre Eindrücke Bericht erstatten.

Im Zusammenhang mit diesen Aufgaben stehen jene ernsten Probleme, die gegenwärtig in Deutschland überhaupt auf der Tagesordnung stehen. Man kann die Arbeit in den Gewerkschaften niemals von der Gesamtarbeit der Partei trennen, und da die Kommunistische Partei die einzige Arbeiterpartei ist, die die Arbeiterklasse für ihre Klasseninteressen mobilisiert, spielt natürlich die Gewerkschaftsbewegung auch für unsere Kampfaufgaben eine ungeheure Rolle. Wir sehen, daß die Schwierigkeiten der Bourgeoisie von Tag zu Tag zunehmen, wir sehen, daß Differenzen bei der Durchführung des Dawespaktes vorhanden sind. Wir haben gesehen, daß sich Schwierigkeiten bei der Steuer-, Zoll- und Aufwertungsfrage gezeigt haben. Wir sehen ferner, daß heute auch die Regierung Luther-Stresemann selbst von Kreisen der Bourgeoisie Schwierigkeiten erfährt. Und wenn die Kommunistische Partei ihre politische Arbeit in der politischen Arena und besonders in der Gewerkschaftsbewegung verstärkt, dann wird natürlich auch diese Arbeit für die internationale Einheitsbewegung von eminent großer Bedeutung sein.

Ich will nur daran erinnern, daß die Kommunistische Partei einen offenen Brief an den ADGB richtete, was er in Hinblick auf die Wucherpolitik der Regierung zu tun gedenke. Der ADGB hat darauf keine Antwort gegeben. Hätten eine wirklich linke Bewegung in den Gewerkschaften, dann wäre auch der ADGB gezwungen, zu dem offenen Brief mindestens Stellung zu nehmen und Maßnahmen in der Linie des Kampfes gegen die Pläne der Bourgeoisie zu ergreifen. Wie wir sehen, ist es erforderlich, daß die Kommunisten über die Wirtschaftskämpfe wirklich informiert sein müssen, um bei der Lohnstrategie und der mit ihr in Verbindung stehenden Streikstrategie und in sonstigen Gewerkschaftsfragen die richtige politische Stellung einnehmen zu können. Wir müssen dazu übergehen, den Bestrebungen der Bourgeoisie zur Offensive die Verstärkung der roten Klassenfront gegenüberzustellen, und müssen versuchen, bei günstigen Anlässen die Zentralisation der Lohnkämpfe in die Wege zu leiten.

Außerdem haben wir über die Grenzen Deutschlands hinaus auch die internationalen Probleme zu erkennen, und wir müssen sie mit der gesamten revö1utinären Gewerkschaftsarbeit verbinden. Es stehen ernste Weltprobleme vor uns: Imperialismus oder Revolution; Amsterdamer Spaltung der Gewerkschaftsbewegung oder internationale Einheitsfront; Konterrevolution oder Kampf an der Seite der Sowjetunion. Wie beim Ausbruch des Weltkrieges die Amsterdamer die festesten Bollwerke des Imperialismus waren, so ist heute die rechte Front der Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale die zuverlässigste Hilfstruppe der reaktionären Front des englischen Imperialismus im Kampf gegen die Sowjetunion und die revolutionäre Arbeiterschaft der ganzen Welt. Je stärker die Linksentwicklung der Gewerkschaftsbewegung in Deutschland, um so größer ist die Gefahr für die Pläne der internationalen Bourgeoisie, weil Deutschland das Land sein wird, das möglicherweise bei Ausbruch von kriegerischen Konflikten gegen die Sowjetunion das Aufmarschgebiet des Ententeimperialismus werden kann, ähnlich wie es Belgien im Weltkriege für den Durchmarsch der Truppen war.

Und gerade, weil die Amsterdamer gemeinsam mit dem Imperialismus die offene Konterrevolution dokumentieren und auf der anderen Seite die Sowjetunion im Bündnis mit der internationalen revolutionären Einheitsfront der Arbeiter der ganzen Welt steht, ist es notwendig, daß auch die deutsche Arbeiterklasse von der reaktionären Front getrennt wird und sich der revolutionären Front des internationalen Proletariats angliedert. Aus diesem Grunde müssen wir alle Kräfte in der Partei anspannen, um den Gewerkschaften den revolutionären Charakter zu geben. Die Genossen müssen, wenn sie zu jeder Zeit bereit sind, mit dem Gewehr auf den Barrikaden zu kämpfen, auch in den Betrieben und Gewerkschaften Barrikadenkämpfer für das gesamte Proletariat werden. Im zähen unermüdlichen Kleinkampf muß die Aufrichtung der Barrikaden der revolutionären Front in den Gewerkschaften und Betrieben vorbereitet werden. Wenn wir auf diesem Parteitag die wirklich ernsten parteipolitischen Fragen klären und zu gleicher Zeit auf dem Gebiete der praktischen Gewerkschaftsarbeit den politischen Wert dieser Arbeit mehr denn je ernsthaft erkennen, dann wird der X. Parteitag für die deutsche Partei einen Fortschritt, einen neuen Kampfruf bedeuten, wird er die Genossen aufrufen, alles einzusetzen, im zähen Kleinkrieg um jedes Proletarierhirn ringen, über die verschiedenen Gefechte und Kämpfe hinaus bis zur Hauptschlacht für den Sieg, für die proletarische Diktatur. Ich glaube, daß bei der Kompliziertheit des ganzen Fragenkomplexes die Genossen versuchen müssen, in der Diskussion manches noch zu ergänzen, aus den Erfahrungen ihrer täglichen Arbeit und Kämpfe Beispiele und Anregungen zu bringen, damit der Parteitag in der Lage ist, in der eingesetzten Gewerkschaftskommission alle diese Dinge zu behandeln und die Resolution so zu vervollkommnen, daß es eine wirklich praktische, politisch-gewerkschaftliche Plattform wird, die uns die Aufgabe stellt, das reformistische Gesicht des ADGB zu ändern, die reformistischen Arbeiter zur Erfüllung der Arbeit für die Organisierung der Revolution herüberzuziehen. Daß wir ferner in der politischen Linie unserer Arbeit jene Fortschritte machen, die uns die Gewähr geben, uns auf die große verantwortungsvolle Arbeit der internationalen revolutionären Linie einzustellen, das heißt auf den Sieg. Es geht darum, diese Etappe der proletarischen Revolution zu verkürzen, darum, daß die Partei mit ihrer ganzen Kraft und Energie versteht, diese Arbeit mit Lust und Liebe durchzuführen und mit dem Glauben an den Sieg der Revolution an diese Arbeit heranzutreten!

 

 

 

 

 



[1]. Cf. http://www.deutsche-kommunisten.de/Ernst_Thaelmann/Band1/thaelmann-band1-028.shtml.

[2]. Rote Gewerkschaftsinternationale (Profintern), 1921 bis Ende 1937.

[3]. Die CGT (Confédération Générale du Travail - Allgemeiner Gewerkschaftsbund) wurde im Jahre 1895 auf dem Kongreß von Limoges gegründet. Sie stand lange Zeit unter dem Einfluß der Anarcho-Syndikalisten und Reformisten. In ihren Reihen entwickelte sich während des ersten imperialistischen Weltkrieges eine revolutionäre Opposition, die nach der russischen Oktoberrevolution wachsenden Einfluß unter den Massen gewann. Innerhalb der Gewerkschaften bildeten sich die Komitees der revolutionären Gewerkschafter. Einige Fachverbände, die unter dem Einfluß der revolutionären Gewerkschafter standen, wurden auf Betreiben der reaktionären Gewerkschaftsführer aus der CGT ausgeschlossen und gründeten im Juni 1922 die CGTU (Confédération Générale du Travail Unitaire), die für die Verwirklichung der Ziele der Roten Gewerkschaftsinternationale kämpfte. Im späteren Verlaufe war die reformistische Führung der CGT gezwungen, dem von der CGTU vorgeschlagenen Zusammenschluß zuzustimmen, der auf dem Kongreß von Toulouse (2. bis 5. März 1936) vollzogen wurde.

[4]American Federation of Labor (AFL), die Vereinigung eines Teiles der Gewerkschaftsverbände der USA, die 1881 von Samuel Gompers gegründet wurde.

[5]. Edo Fimmen. Niederländischer Gewerkschaftsfunktionär; war von August 1919 bis November 1923 Sekretär der Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale und anschließend Generalsekretär der Internationalen Transportarbeiterföderation (ITF). Innerhalb der ITF vertrat er besonders in den Jahren der revolutionären Nachkriegskrise den Gedanken der Einheitsfront mit den sowjetischen Gewerkschaften und den anderen Verbänden der RGI mit dem Ziel, die drohenden Angriffe der Imperialisten gegen die Sowjetunion abzuwehren und den Kampf gegen Krieg, Faschismus und Reaktion zu führen.

[6]. Ludovico D’Aragona. Einer der Führer des reformistischen Flügels der italienischen sozialistischen Partei und der Gewerkschaften. Mit dem Anwachsen der revolutionären Bewegung trat er in Worten für eine einheitliche Gewerkschaftsbewegung ein, ging jedoch Mitte der zwanziger Jahre zum äußersten rechten Flügel über und unterstützte aktiv Mussolini.

[7]. Robert Dißmann. Von 1919 bis 1926 Vorsitzender des Deutschen Metallarbeiterverbandes. Gehörte bis 1922 der USPD und anschließend der SPD an.

[8]. Das englisch-sowjetische oder englisch-russische Einheitskomitee (Vereinigtes beratendes Komitee der Gewerkschaftsbewegung Großbritanniens und der UdSSR) wurde auf Initiative des Zentralrats der Gewerkschaften der Sowjetunion auf der englisch-russischen Gewerkschaftskonferenz, die vom 6. bis 8. April 1925 in London tagte, gebildet. Dem Komitee gehörten Vertreter des Zentralrats der Gewerkschaften der Sowjetunion und des Generalrats des Kongresses der englischen Trade-Unions an. Das Komitee hörte im Herbst 1927 auf zu existieren.

[9]. Auf dem 56. Jahreskongreß der englischen Trade-Unions in Hull (1. bis 6. September 1924) zwang die revolutionäre Opposition, an deren Spitze Harry Pollitt und Palme Dutt standen, den Generalrat der Trade-Unions, sich zumindest formell für die internationale Gewerkschaftseinheit auszusprechen. Der Kongreß brachte die englischen und die sowjetischen Gewerkschaften einander näher und führte zur Bildung des englisch-sowjetischen Einheitskomitees.

[10]. NAS (Nationales Arbeitersekretariat) eine niederländische Gewerkschaftsorganisation, die im Jahre 1893 gegründet wurde und in der die anarcho-syndikalistische Richtung vorherrschte. Das NAS gehörte für kurze Zeit (1927) der RGI an.

[11]. Maximalisten bezeichnet die Vertreter des Zentrismus in der Sozialistischen Partei Italiens. Die Maximalisten unter der Führung von Lazzari und Serrati bildeten während des ersten Weltkrieges und danach die Mehrheit in der Sozialistischen Partei.

[12]. Der III. RGI-Kongreß (Juli 1924), der Maßnahmen zur Wiederherstellung der internationalen Gewerkschaftseinheit beschloß, führte auch zur Auflösung der 1921 entstandenen "Union der Hand- und Kopfarbeiter". Paul Weyer und Wilhelm Schumacher, zwei ihrer Führer, sabotierten die Beschlüsse und gründeten eigene Gewerkschaftsverbände, die Weyer-Schumacher-Verbände, die aber bedeutungslos blieben und bald zerfielen.

[13]. Deutscher Metallarbeiterverband.

[14]. Allgemeiner Deutscher Beamtenbund.