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Landesvorstand Sachsen der KPD, Programm zur Bildung einer 29. September 1923 |
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Quelle: Der Kämpfer (Chemnitz), Nr. 229, 1. Oktober 1923. Abgedruckt in: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hg.): Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung - Reihe 2 - Band 7 - Februar 1919‑Dezember 1923 - Halbband 2 - Januar 1922‑Dezember 1923. Berlin, Dietz, 1966, S. 437‑438. |
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Erstellt: Oktober 2014 |
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Gemeinsam schlagen wir den Feind! Arbeiterregierung gegen Militärdiktatur! An die sächsischen Arbeiter, Angestellten und Beamten ! Die Militärdiktatur der Großen Koalition enthüllt ihr wahres Gesicht. Die bayerischen Monarchisten stehen auf dem Sprunge, die Macht in ganz Deutschland an sich zu reißen. Zug um Zug setzt sich die Militärgewalt in den Besitz aller entscheidenden Machtpositionen. Wie beim Kapp-Putsch in Bayern, so jetzt im Reich. Wenige Tage noch, und die sozialdemokratischen Minister werden von ihren eigenen Generälen aus der Großen Koalition herausgeworfen. 48 Stunden Militärdiktatur genügten, um dem Proletariat zu zeigen, daß die Diktatur nicht gegen rechts, sondern gegen links vollstreckt wird. Kahr[1] verbietet den bayerischen Betriebsrätekongreß. Kahr verbietet die Morgenfeier des pazifistischen republikanischen Reichsbundes. Kahr verbietet die sozialdemokratischen Arbeiterwehren und läßt in der sozialdemokratischen "Münchener Post" haussuchen. Das sind die ersten Schläge gegen die Arbeiterklasse unter der Diktatur Kahr-Gessler[2]. Nun soll auch in Sachsen der weiße Terror durchgesetzt werden. Demonstrationen sind verboten, Versammlungen der Linksparteien untersagt. Die proletarischen Kontrollausschüsse werden unterdrückt. Das Verbot der Hundertschaften[3] ist angekündigt. Ein Zivilkommissar wird nicht geduldet. Die Faschisten pfeifen auf den Belagerungszustand. Sie sind heute bereits die Herren in Bayern und wollen es morgen in Sachsen sein. Gesslers Verbot des "Völkischen Beobachters" wird in München mit Hohngelächter aufgenommen. Das Republikschutzgesetz wird für Bayern außer Kraft gesetzt. In Bayreuth findet eine nationalistische "Deutsche Woche" statt. Ludendorff und Hitler sprechen. Auf dem "Leibertag"[4] in München wird Kronprinz Rupprecht seine Ansprüche anmelden. Kahr hat bereits erklärt, was er tue, tue er mit Billigung des Königs. Er betrachte sich als dessen Statthalter. In Freiberg in Sachsen hat General Müller den "Deutschen Tag" der Faschisten, der von der sächsischen Regierung verboten werden sollte, ausdrücklich genehmigt. So sieht in Wirklichkeit der Kampf der Militärdiktatur der Großen Koalition gegen die "bayerische Gefahr" aus. "Die Gefahr droht von Sachsen!" Das ist das Stichwort der Stinnes[5] und Ludendorff[6] für die Niederwerfung der sächsischen und der gesamten mitteldeutschen Arbeiterschaft. Glückt dieser Streich, dann hat die Diktatur der Faschisten die letzte Barriere niedergerissen. Das muß verhindert werden! Mit angehaltenem Atem stehen die Arbeiter in diesen Tagen in den Betrieben. Jederzeit bereit, mit ihrer ganzen Persönlichkeit sich einzusetzen für den Freiheitskampf des Proletariats. Breiteste Einheitsfront ist das Gebot der Stunde! Es geht ums Ganze! Wird das Proletariat diesmal entscheidend geschlagen, dann ist die Arbeiterschaft auf Jahre hinaus vernichtet. In der Erkenntnis des gewaltigen Ernstes und der Schwere dieser entscheidungsvollen Tage ist die Kommunistische Partei erneut an die Sozialdemokratische Partei, die Regierung und die Gewerkschaften herangetreten, um einen Zusammenschluß aller proletarischen Kräfte zu einer Notfront gegen den Faschismus zu schaffen. Der Feind steht bereits mitten im proletarischen Sachsen. Deshalb muß die Zusammenballung der proletarischen Kräfte in den Massen unten und in den Spitzen oben sofort verwirklicht werden. Die Rettung kann einzig und allein sein eine gemeinsame Aktion der Parteien und Gewerkschaften. Die KPD hat die Initiative dazu ergriffen und unter Zurückstellung früherer Forderungen eine gemeinsame Regierung aus Sozialdemokraten und Kommunisten vorgeschlagen. Die Plattform für die gemeinsame Arbeiterregierung besteht in folgendem sofort zu verwirklichenden Notprogramm: 1. Sofortige Mobilisierung der Massen. Gemeinsame Proklamation an die gesamte deutsche Arbeiterschaft. Sofortige Einberufung des Landtages. 2. Anwendung aller Mittel zur Beseitigung des Ausnahmezustandes. 3. Verstärkung, Ausbau und Bewaffnung der gemeinsamen Abwehrorganisationen. 4. Sicherung der sächsischen Grenze gegen Bayern durch die gemeinsamen Abwehrorganisationen. 5. Zur Unterstützung der Arbeiterregierung sofortige Einsetzung gemeinsamer Aktionsausschüsse für die Dauer des Ausnahmezustandes. 6. Zur Abwehr der faschistischen Militärdiktatur Vorbereitungen zur Durchführung des politischen Massenstreiks. 7. Bildung eines mitteldeutschen Abwehrblocks Sachsen-Thüringen[7] zur Abwehr des bayerisch-faschistischen Angriffes. 8. Maßnahmen zur Sicherstellung der Existenz der Arbeiter: a) Gewährung eines Existenzminimums für Erwerbslose, Sozialrentner und Fürsorgeempfänger in der Höhe von mindestens zwei Dritteln eines Durchschnittswochenlohnes; b) Gewährung von Staatskrediten zur Weiterführung der stillgelegten Betriebe durch die Betriebsräte; c) Sicherstellung der Ernährung durch Beschlagnahme der Ernte, sofortiges direktes Getreideabkommen mit Sowjetrußland; d) Beschlagnahmerecht der Kontrollausschüsse; e) Mittelbeschaffung durch Zwangskredite und Verpfändung von Staatsbesitz (nicht Staatsbetrieben). 9. Schärfster Kampf gegen die Große Koalition und für die Arbeiterregierung im Reiche. Proletarier in Stadt und Land! Eure kämpfende Einheitsfront, die machtvollen Reserven aus dem Millionenheer der Ausgebeuteten werden die bewaffnete Macht der Konterrevolution zermürben und zerbrechen. Ihr müßt nur den Entschluß zum Kampf und den Willen zum Sieg haben. Mobilisiert jeden Betrieb! Betriebsräte an die Front! Stellt die Gewerkschaften in die Kampffront! Schafft überall gemeinsame Aktionsausschüsse! Folgt dem Zwickauer Beispiel! Formiert gemeinsame Hundertschaften! Hinein in die proletarischen Abwehrorganisationen! Fort mit der Großen Koalition! Nieder mit der Militärdiktatur gegen die Arbeiterklasse! Es lebe die Arbeiterregierung in Sachsen und im Reich! Es lebe die proletarische Einheitsfront!
Landesvorstand Sachsen der KPD Landtagsfraktion der KPD |
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[1]. Gustav von Kahr.
1917 wird er Regierungspräsident von Oberbayern. Am 29. Februar 1920, nach dem gescheiterten Lüttwitz-Kapp-Putsch, wird er als Kandidat der Bayerischen Volkspartei (BVP) Ministerpräsident in Bayern. Nachdem die Reichsregierung die vom Versailler Vertrag geforderte Entwaffnung der rechtsextremen bayerischen Einwohnerwehren durchgesetzt hat, tritt er am 11. September 1921 von seinem Amt zurück und wird neuerlich Regierungspräsident von Oberbayern. Am 25. September 1923 ernennt ihn das bayerische Staatsministerium zum Generalstaatskommissar und überträgt ihm die vollziehende Gewalt. Er verbietet sofort linksgerichtete Organisationen und Zeitungen; am folgenden Tag verhängt er den Ausnahmezustand in Bayern und übernimmt die exekutive Gewalt. Am 19. Oktober verweigert er den Befehl des Reichswehrministers Otto Geßler, den Völkischen Beobachter wegen Beleidigung der Reichsregierung zu verbieten. Er erkennt die Befugnisse der Reichsregierung in Bayern nicht mehr an und unterstellt die in Bayern stationierten Einheiten der Reichswehr seiner Befehlsgewalt. Jedoch, am 9. November, trägt er mit Hilfe der Landespolizei und der Reichswehr zum Niederschlag des Hitler-Putschversuches bei.
[2]. Otto Gessler.
1918 gehört er zu den Mitbegründern der Deutschen Demokratischen Partei (DDP). Am 25. Oktober 1919 wird er zum Reichsminister für Wiederaufbau ernannt. Nach der Niederschlagung des Lüttwitz-Kapp-Putsches übernimmt er am 27. März 1920 das Amt des Reichswehrministers, als Nachfolger des von seiner eigenen Partei zum Rücktritt gezwungen Gustav Noske (SPD). Am 26. September 1923 verhängt die bayerische Regierung den Ausnahmezustand in Bayern; daraufhin erklärt am folgenden Tage der Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) als Gegenmaßnahme den Ausnahmezustand für das Reichsgebiet; die vollziehende Gewalt erhält Gessler.
[3]. Im März 1923 wurden zunächst in Thüringen, wo eine SPD-Regierung amtierte, sogenannte proletarische Hundertschaften gebildet. In der Folge entwickelten sich diese Selbstverteidigungsorgane der Arbeiterbewegung auch in Sachsen, in Berlin, im Ruhrgebiet. Für Preußen erlässt der Minister des Innern Carl Severing (SPD) am 12. Mai 1923 ein Verbot der proletarischen Hundertschaften.
[4]. Es handelt sich um eine Gedächtnistradition bezüglich eines von König Maximilian I. Joseph von Bayern 1814 gegründeten Grenadier-Garde-Regimentes, das 1835 die Bezeichnung "Königlich-Bayerisches Infanterie-Leibregiment" erhielt. Unter dem Namen "die Leiber" wird es im München des 19. Jahrhunderts zu einem volkstümlichen Truppenteil. Zusammen mit der Bayerischen Armee wird es 1919 aufgelöst. Alljährlich finden weiterhin Feierlichkeiten statt, die als "Leibertage" bekannt sind.
[5]. Hugo Stinnes, eines der dominierenden Mitglieder des deutschen Großkapitals im Bereiche der Bergwerks- und Stahlindustrie.
[6]. Erich Ludendorff.
Am 29. August 1916 übernimmt Paul von Hindenburg mit Ludendorff als "Erstem Generalquartiermeister" ‑ ein eigens neu geschaffener Titel ‑ die Oberste Heeresleitung (OHL). Am 26. Oktober 1918 wird Ludendorff aus dem Dienst entlassen. Er flieht nach Schweden, kehrt dann 1919 wieder nach Berlin zurück. Er unterhält Verbindungen zur "Nationalen Vereinigung", der auch Wolfgang Kapp angehört. Am 9. November 1923 beteiligt er sich am Hitler-Putschversuch in München.
[7]. Am 10. Oktober 1923 kommt es zur Bildung einer Landesregierung in Sachsen, der unter dem Ministerpräsidenten Erich Zeigner (SPD) zwei Vertreter der KPD als Minister angehören. Am 16. Oktober wird in Thüringen ebenfalls eine Landesregierung gebildet, der unter dem Ministerpräsidenten August Frölich (SPD) zwei Vertreter der KPD als Minister angehören. Siehe dazu das von der Bezirksleitung Groß-Thüringen der KPD formulierte Programm zur Bildung einer Arbeiter- und Kleinbauern- Regierung in Thüringen, vom 11. September 1923 (►).