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Kommunistische Partei Deutschlands

Aufruf

14. März 1920

 

 

Quelle:

Flugblatt. StAB, ZPA, D. F. VI/13, Bl. 27‑28.

Abgedruckt in:

Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hg.): Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung - Reihe 2 - Band 7 - Februar 1919‑Dezember 1923 - Halbband 1 - Februar 1919‑Dezember 1921. Berlin, Dietz, 1966, S. 215‑217.

Erwin Könnemann, Gerhard Schulze (Hg.): Der Kapp-Lüttwitz-Ludendorff-Putsch - Dokumente. München, Olzog, 2002, S. 169‑171.

 

 

 

 

 

 

Erstellt: Oktober 2014

Druckversion
KPD 1918 1945 - Inhalt

 

 

 

 

 

 

Nieder mit der Militärdiktatur[1]!

Für die Diktatur des Proletariats!

Nach kurzem Zögern erhebt sich das Proletariat spontan, zornentbrannt gegen die von einer Handvoll Stahlbehelmter eingesetzte Diktatur der Generale und Junker.

Das gesamte Proletariat ist entschlossen, eine Militärdiktatur nicht zu ertragen. Keinen Augenblick läßt es sich täuschen durch die demagogischen Versprechungen derer, die es vier Jahre [lang] kalten Blutes auf die Schlachtbank geführt haben, die es im Innern mit eiserner Faust niedergehalten und die schließlich die Nation in den Abgrund geführt haben.

Euch ist allen klar, gegen wen wir kämpfen müssen. Es gilt jetzt, sich klarzuwerden, für wen und für was wir kämpfen wollen.

Diese Klarheit fehlte im November 1918. Die grausamen und blutigen Erfahrungen der anderthalb Revolutionsjahre müssen gelehrt haben: Der große und verhängnisvolle Irrtum der Vergangenheit, der Glaube an die bürgerliche Demokratie, muß jetzt endgültig abgetan sein.

Die bürgerliche Demokratie, vertreten durch die Ebert-Noske-Scheidemann, hat sich enthüllt als blutige Diktatur des Kapitals. Sie hat die Arbeitermacht niedergeworfen in den barbarischen Kämpfen des Januar bis Mai 1919, in den Straßen Berlins, Bremens, [in] Halle und München, in den Industrierevieren Rheinland-Westfalen und Oberschlesien. Die bürgerliche Demokratie hat uns Arbeiter mit schamloser Gewalt und noch schamloserem Betrug in den Betrieben wieder unter die Füße der Unternehmer gezwungen.

15000 Proletarierleichen, die geschändeten Leichen Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts, die überfüllten Gefängnisse und Zuchthäuser, die staatliche Organisation des Streikbrechertums[2], die Schließung der Eisenbahnwerkstätten, der Blutbefehl der Ebert-Noske-Regierung gegen die Bergarbeiter[3], zahllose unterdrückte revolutionäre Blätter, durch Bewaffnete gesprengte revolutionäre Arbeiterversammlungen auf der einen Seite, die Bewaffnung der Bourgeoisie, die Bildung von Prätorianergarden, der Krieg gegen Sowjetrußland, die Solidarisierung mit den Massenmördern des Weltkrieges auf der andern Seite. Diese und viele andre Taten zeugen unwidersprechlich für das Wesen der bürgerlichen Demokratie und für das Wesen der mehrheitssozialistischen Partei- und Gewerkschaftsbürokratie.

Vor dem bloßen Stirnrunzeln ihrer Stahlbehelmten ist die Ebertrepublik in Nacht und Nebel entwichen, um sich in irgendeinem Winkel Deutschlands zu verkriechen. Die Ebertrepublik ist tot, erloschen ist in den Arbeiterköpfen der Glaube an die bürgerliche Demokratie, einen Fluch schleudert sie ihr nach ins Grab.

Proletarier!

Wenn ihr jetzt euch sammelt zum Kampf gegen die Militärdiktatur, müßt ihr euch klar bewußt sein, daß ihr nicht kämpfen könnt für eine Wiederaufrichtung der Blutherrschaft der Noske-Ebert-Bauer.

Die deutschen Proletarier können auch nicht kämpfen für die Wiederherstellung einer sozialistischen Novemberregierung, die nur ein verkapptes Bündnis mit der Bourgeoisie war. Jetzt gilt es, ein neues Kapitel zu eröffnen. Jetzt endlich muß das deutsche Proletariat den Kampf um seine eigne Macht eröffnen, den Kampf um die proletarische Diktatur und die kommunistische Räterepublik.

Proletarier in Stadt und Land! Unter der Fahne der proletarischen Diktatur, der Herrschaft der Arbeiterräte, sammelt euch zum Kampf gegen die Militärdiktatur.

Zur Eröffnung dieses Kampfes führt der Generalstreik.

Zur Führung des Kampfes formiert euch sogleich zu Betriebsräten. Schließt die Betriebsräte zusammen zu Arbeiterräten, zu Vollversammlungen, die den Kampf leiten. In den Arbeiterräten schafft euch wieder Organe, durch die ihr euren gemeinsamen Willen feststellen und gemeinsame Aktionen führen könnt.

In den Arbeiterräten schafft euch den Hammer, der auf das Haupt der Militärdiktatur der Bourgeoisie und ihrer Helfer niedersaust.

In den Arbeiterräten schafft euch das Werkzeug, das im kapitalistischen Wirrsal kommunistische Ordnung schafft, das Wirtschaft und Staat der Proletarier aufbaut.

Keine Wiederkehr der Nationalversammlung. Keine Wiederkehr der Ebert-Noske. Keine Wiederkehr des Betruges einer sozialistischen Regierung mit bürgerlichem Unterbau, mit Staatsbürokratie und Parlamenten.

Euer Ziel ist der Rätekongreß als zentrales politisches Organ, in dem die Macht der Arbeiterschaft sich zusammenfaßt, der Rat der Volkskommissare als ihr ausführendes Organ.

Die Macht der Militärdiktatur kann auf die Dauer sich nicht halten gegen die zusammengeballte und ihres Zieles klar bewußte Macht der Arbeitermasse. Wenn die entscheidenden Schichten des Proletariats in Stadt und Land sich gesammelt haben werden zum Kampf um die Räteherrschaft, entschlossen, sie auf Leben und Tod gegen jeden Gegner zu verteidigen, dann zerstiebt die Macht der Militärdiktatur wie Spreu vor dem Sturme. Der wirtschaftliche Zustand schreit nach der starken und sicheren Faust der Arbeiterklasse, damit sie Ordnung in das Wirrsal, damit sie Plan in die Unvernunft, damit sie wahren Gemeinsinn in eine Welt der schrankenlosen Eigensucht und Raubgier hineinbringt.

Von dem Tempo, in dem die deutsche Arbeiterklasse zu diesem eisernen Willen und dieser Klarheit über ihre Ziele zusammenfinden wird, wird es abhängen, wann sie imstande sein wird, der Kapitalsherrschaft die Entscheidungsschlacht zu liefern.

Wieder wie im November 1918 geht durch das deutsche Proletariat der stürmische Ruf nach Zusammenschluß. Der Zusammenschluß der Arbeiterschaft ist eine gebieterische Notwendigkeit, aber er ist nur dann mehr als ein trügerischer Schein, wenn die Arbeiterschaft über die Grundlagen und Ziele des Zusammenschlusses restlos klargeworden ist.

Im November 1918 schloß sich die Arbeiterschaft zusammen unter den Losungen der Nationalversammlung, der bürgerlichen Demokratie. Dieser Zusammenschluß hat in den Abgrund geführt, auf dessen Grunde die Arbeiterklasse ja jetzt angekommen ist.

Heute gilt es, die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen, es gilt, entschlossen einen Strich durch die begangenen Irrtümer zu machen, es gilt, sich zu sammeln um die proletarische Diktatur, um die Herrschaft der Arbeiterräte.

Die allgemeinen Losungen des Kampfes gegen die Militärdiktatur sind:

Nieder mit der Militärdiktatur!

Nieder mit der bürgerlichen Demokratie!

Alle Macht den Arbeiterräten!

Eure nächsten Forderungen sind: Sofortiger Rücktritt der Regierung Kapp-Lüttwitz. Entwaffnung und Auflösung der Reichswehr, der Sicherheitspolizei, der Einwohnerwehren, der Zeitfreiwilligen. Sofortige Beschlagnahme aller Waffen der Bourgeoisie. Bildung einer revolutionären, zuverlässigen Arbeiterwehr unter Kontrolle der Arbeiterräte. Freilassung aller politischen Gefangenen. Arbeiter in Stadt und Land, Angestellte, werktätige Männer und Frauen! Tretet sofort in allen Fabriken, Werkstätten, Gutshöfen, Gruben, Kontoren zusammen zur Wahl revolutionärer Betriebsräte!

Schließt diese Betriebsräte zu Arbeiterräten zusammen! Durch sie führt euern Kampf, in ihnen schließt euch zusammen gegen die Militärdiktatur und gegen die Kapitalsdiktatur!

In eurer Hand, deutsche Proletarier, liegt jetzt das Schicksal der Weltrevolution. Beweist durch die Tat, daß ihr eure Macht zielbewußt in den Dienst der Weltrevolution zu stellen wißt!

Proletarier in Stadt und Land! Unter der Fahne der proletarischen Diktatur, der Herrschaft der Arbeiterräte, sammelt euch zum Kampf gegen die Militärdiktatur!

 

Kommunistische Partei Deutschlands (Spartakusbund)

 

 

 

 

 



[1]. Mit diesem Text korrigiert die KPD die am vorhergegangenen Tage veröffentlichte Stellungnahme zur selben Frage.

Cf. Aufruf der Zentrale der KPD vom 13. März 1920 .

[2]. Gemeint ist die Technische Nothilfe.

Die Einrichtung der "Technischen Nothilfe" ging auf die Berliner Situation in den ersten Januartagen des Jahres 1919 zurück. Angesichts der Streik- und Aufstandswelle der ersten Monate, wurden zunächst als "Technische Abteilungen" fungierende, reguläre militärische Einheiten zum Schutz lebenswichtiger Betriebe gebildet. Diese Organisationsform stand aber nicht im Einklang mit den militärischen Bedingungen des Versailler Friedensvertrags, der die Höchststärke des republikanischen Heeres auf 100 000 Mann festlegte. Unter der Leitung des Reserveoffiziers Otto Lummitzsch wurde daher im September 1919 die zivile "Technische Nothilfe" (TN) als Nachfolgeorganisation eingerichtet, zunächst noch unter dem Geschäftsbereich des Reichswehrministeriums, ab November 1919 des Reichsinnenministeriums.

(Siehe Andreas Wirsching: Vom Weltkrieg zum Bürgerkrieg? - politischer Extremismus in Deutschland und Frankreich 19181933/39 - Berlin und Paris im Vergleich. München, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 1999, S. 116.)

Ein Erlass des Reichsinnenministers vom 2. Februar 1920 formulierte die Aufgaben der TN wie folgt:

"Die Technische Nothilfe ist eine Arbeitsgemeinschaft namentlich technisch vorgebildeter Arbeitskräfte, die sich bereit erklärt hat, zur Sicherung der inneren Ruhe und Ordnung und des Wiederaufbaues des deutschen Wirtschaftslebens Notstandsarbeiten dort zu verrichten, wo es sich um die Aufrechterhaltung gefährdeter lebenswichtiger Betriebe handelt, sowie in Fällen der Not durch höhere Gewalt z. B. Feuer- und Wassernot, Eisenbahnunglücken usw. einzugreifen."

(Siehe Andreas Linhardt: Feuerwehr im Luftschutz 19261945 - Die Umstrukturierung des öffentlichen Feuerlöschwesens in Deutschland unter Gesichtspunkten des zivilen Luftschutzes. Norderstedt, Books on Demand, 2002, S. 614.)

Eine Verordnung des Reichspräsidenten vom 10. November 1920 legte allgemeine Grundlagen für derartige Einsätze:

"Auf Grund des Artikel 48 Abs. 2 der Reichsverfassung verordne ich zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für das Reichsgebiet folgendes:

§ 1. In Betrieben, welche die Bevölkerung mit Gas, Wasser und Elektrizität versorgen, sind Aussperrungen und Arbeitsniederlegungen (Streiks) erst zulässig, wenn der zuständige Schlichtungsausschuß einen Schiedsspruch gefällt hat und seit der Verkündung des Schiedsspruchs mindestens drei Tage vergangen sind. [...]

§ 2. Werden durch eine Aussperrung oder Arbeitsniederlegung Betriebe der genannten Art ganz oder teilweise stillgelegt, so ist der Reichsminister des Innern berechtigt, Notstandsarbeiten und Notstandsversorgung zu sichern, sowie alle Verwaltungsmaßnahmen zu treffen, die zur Versorgung der Bevölkerung oder zur Weiterführung des Betriebes geeignet sind. Hierzu gehört auch die Herbeiführung der Befriedigung berechtigter Ansprüche der Arbeitnehmer. Die durch derartige Anordnungen entstehenden Kosten fallen dem Betriebsunternehmer zur Last. [...]"

(Siehe Herbert Michaelis, Ernst Schraepler (Hg.): Ursachen und Folgen - Vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart - Band 4 - Die Weimarer Republik - Vertragserfüllung und innere Bedrohung 1919/1922. Berlin, DokumentenVerlag Dr. Herbert Wendler, 1962, S. 138.)

[3]. Anfang des Jahres 1920 wurden in den Regierungsbezirken Arnsberg, Minden, Münster und Düsseldorf Standgerichte und außerordentliche Kriegsgerichte geschaffen, mit deren Hilfe das Ruhrproletariat zu Überschichten und "Notstandsarbeiten" gezwungen werden sollte.