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13. Plenum des Exekutivkomitees
der Kommunistischen Internationale
(Dezember 1933)

Vilʹgelʹm Knorin
Rede : Faschismus, Sozialdemokratie und Kommunisten

Dezember 1933

 

 

Quelle:

W. Knorin: Faschismus, Sozialdemokratie und Kommunisten - XIII. Plenum des EKKI, Moskau, Verlagsgenossenschaft Ausländischer Arbeiter in der UdSSR, 1934 [1].

 

 

 

 

 

 

Erstellt: Oktober 2017

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Dokumente der Kommunistischen Internationale ‑ Übersicht

 

 

 

 

 

 

1. Unsere Taktik ist richtig

Genossen! Sechs Jahre sind im ganzen vergangen, seitdem Rudolf Hilferding auf dem Kieler Parteitag der SPD mit dem neuen Programm der Nachkriegssozialdemokratie auftrat, mit der Theorie vom "organisierten Kapitalismus" und "friedlichen Hineinwachsen in den Sozialismus auf dem Wege der Demokratie".

Die Kommunisten gehen zugrunde - es mag etwas länger oder etwas kürzer dauern ... Aber eine Bedeutung für die sozialistische Bewegung hat die Kommunistische Partei gar nicht, sie ist verloren! ... Ein großer Sieg der Sozialdemokratie erscheint als möglich. Ich sage nochmals: wir kennen den Weg, wir kennen das Ziel. Wenn wir kämpfen unter dem Wahlspruch: treu dem sozialistischen Prinzip, unbeirrbar im Ziele der Eroberung der Staatsmacht, aber freie Beweglichkeit für unsere Taktik, dann wird aus der Möglichkeit des Sieges die Wirklichkeit des Sieges werden.

So schloß Rudolf Hilferding seine Rede auf dem Kieler Parteitag vor den Reichstagswahlen von 1928.

Die Welt stand damals noch im Zeichen der relativen Stabilisierung des Kapitalismus. Produktion, Handel und Technik waren im Aufstieg begriffen. Die Vereinigten Staaten waren berauscht von ihrer Prosperität, von dem "amerikanischen Wirtschaftswunder". Die Sozialdemokratie kam im Jahre 1928 in Deutschland ans Ruder, und die preußische Regierung befand sich seit 1918 ununterbrochen in ihren Händen. Die Theorie vom "organisierten Kapitalismus" wurde zum Gemeingut der gesamten 2. Internationale. In der revolutionären Bewegung spürte man noch die Stille, die nach 1923 eingetreten war.

Unter diesen Verhältnissen traten im Jahre 1928 zwei Weltkongresse zusammen: in Brüssel der Kongreß der 2. Internationale, in Moskau der 6. Kongreß der Kommunistischen Internationale. Und während die Sozialdemokraten auf ihrem Brüsseler Weltkongreß in ihren Beschlüssen erklärten, daß der Kapitalismus seine Wunden geheilt habe, konstatierte zur gleichen Zeit, in denselben Herbstmonaten des Jahres 1928, unser 6. Kongreß der Komintern den Beginn einer neuen, dritten Periode der Nachkriegskrise des Kapitalismus, einer Periode der Erschütterung der Stabilisierung des Kapitalismus und des immer stärkeren revolutionären Aufschwungs der Massen. Während die Sozialdemokratie zusammen mit der gesamten Bourgeoisie die Genesung des Kapitalismus feierte, schleuderte ihnen unsere Kommunistische Weltpartei ihre herausfordernde Einschätzung der Lage entgegen: Herrschaften, ihr könnt heute noch jubeln, aber ihr seid todkrank; kaum zu Hause angelangt, wird euch die Pest der Krise ergreifen. Nach einem Jahre spürte man bereits in der ganzen Welt das Herannahen der wirtschaftlichen Krise der Überproduktion. Gleich nach den Massendemonstrationen im Jahre 1927 gegen die Hinrichtung von Sacco und Vanzetti, die zeigten, daß die Stille in der Arbeiterbewegung bereits vorübergeht, entstand im Jahre 1928 eine mächtige Streikbewegung (Lodz, Ruhrgebiet, München­Gladbach u. a.). Aber die Änderungen, die vor sich gingen, wurden am allerwenigsten von der Sozialdemokratie begriffen, die vom Wege des Marxismus abgewichen war. Sie ergötzte sich immer noch an den Theorien vom "organisierten Kapitalismus" und der "krisenlosen Entwicklung". Angesichts des herannahenden Bankrotts der Weimarer Republik brüstete sich die Deutsche Sozialdemokratie auf dem Magdeburger Parteitag im Jahre 1929 immer noch mit ihrer Stärke. Dittmann erklärte, daß es in Deutschland mehr Sozialismus gäbe, als in der Sowjetunion. Wels erklärte: wenn schon eine Diktatur, dann unsere! Sie verschärfte den Terror gegen das revolutionäre Proletariat, gegen den revolutionären Aufschwung der Massen und offenbarte immer starker ihren antidemokratischen Charakter.

In scharfem Gegensatz zu der Einschätzung der Sozialdemokratie wiesen wir auf unserem 10. Plenum im Juli 1929 darauf hin, daß die Gegensätze zwischen den Klassen und Staaten sich vertiefen, daß ein neuer revolutionärer Aufschwung anbricht, daß die Wirtschaftskrise nicht mehr fern ist.

Es verging einige Zeit. Die Wirtschaftskrise wütete bereits in der ganzen Welt. Im Frühjahr 1930 warf die Bourgeoisie in Deutschland die Sozialdemokratie aus den Ministersesseln hinaus. Im Herbst erlitt die Regierung der Labour Party in England eine Niederlage. Die Theorie vom "organisierten Kapitalismus" brach zusammen. Die Sozialdemokraten stellten die "Theorie" auf, daß der Kapitalismus ernsthaft krank sei, daß die Sozialdemokratie ihn kurieren müsse.

Wir aber zeigten damals auf dem 11. Plenum des EKKI den Massen den sich verschärfenden Gegensatz zwischen den zwei Systemen: dem System des im Aufbau befindlichen Sozialismus und dem System des verfaulenden Kapitalismus. Wir stellten das Anwachsen der Voraussetzungen der revolutionären Krise in einer Reihe von Ländern fest und wiesen darauf hin, daß die Revolution für die werktätigen Massen der einzige Ausweg aus der Krise ist.

Und schließlich, auf unserem verflossenen 12. Plenum des Exekutivkomitees der Komintern, als die bereits kopflos gewordene Sozialdemokratie zu dem Geschwätz von der konterrevolutionären Situation übergegangen war, erklärten wir fest und unerschütterlich, daß die Stabilisierung des Kapitalismus zu Ende ist, daß die Welt vor großen Konflikten zwischen den Klassen und Staaten steht, daß jähe Änderungen und Wendungen der Ereignisse möglich sind, daß sich der Übergang zu einer neuen Phase von Revolutionen und Kriegen vollzieht.

Wir haben mit unserer ganzen Einschätzung der Lage recht behalten. Unsere Analyse ist von Jahr zu Jahr bestätigt worden. Wir haben nichts zu revidieren brauchen. Und alles das, was uns die Theoretiker der Bourgeoisie und vor allem die Sozialdemokratie entgegenstellten, ist von Jahr zu Jahr wie Kartenhäuser auseinandergefallen. Denn wir stützten und stützen uns auf die einzige wissenschaftliche Theorie, auf die Theorie des Marxismus-Leninismus, die Sozialdemokratie aber hat den Marxismus längst preis gegeben; denn wir fürchten uns nicht, den Tatsachen ins Auge zu schauen und die Dinge bei ihrem wirklichen Namen zu nennen. Indem wir, ausgerüstet mit der Theorie des Marxismus-Leninismus, die Weltlage analysierten, die gewaltigen Schwierigkeiten erkannten, vor denen wir stehen, riefen wir die werktätigen Massen zum Kampf gegen den Faschismus und den Krieg, für den Sturz der Macht der Ausbeuterklasse und die Errichtung der Diktatur des Proletariats. Im Bewußtsein der gewaltigen Verantwortung für das Schicksal der internationalen Arbeiterbewegung führten wir unsere ganze Arbeit im verflossenen Jahre auf dem Boden der Direktiven des 12. Plenums des EKKI.

An zwei Hauptpunkten, in Deutschland und im Fernen Osten, haben die Gegensätze des kapitalistischen Systems ihre größte Schärfe erlangt. Der revolutionäre Aufschwung dauert in der ganzen Welt weiter an. In China hat sich die Sowjetrevolution ausgedehnt. In Spanien, in Deutschland, in Polen, in der Tschechoslowakei und in vielen anderen Ländern sind ernste Klassenkämpfe vor sich gegangen. Aber der Faschismus hat vorübergehend in Deutschland gesiegt. Die deutsche Bourgeoisie hat auf kurze Zeit ihre Macht gestärkt. Im Fernen Osten hat sich der Krieg ausgedehnt. Der Überfall Japans auf die Sowjetunion ist zur aktuellen Frage geworden. Wir können aber sagen, daß unsere ruhmreiche Kommunistische Partei Deutschlands für den Kampf gegen den Faschismus alles getan hat, was in ihren Kräften stand und was sich aus dem gegebenen konkreten Kräfteverhältnis der Massen ergab. Wir können auch sagen, daß die Kommunistischen Parteien Japans und Chinas für den Kampf .gegen den Krieg alles getan haben, was in ihren Kräften stand und was sich aus dem gegebenen konkreten Kräfteverhältnis der Klassen ergab. Und wenn jetzt in einer Reihe von Ländern der Faschismus zur Macht gelangt, wenn die Kriegsgefahr zu einer unmittelbaren Gefahr geworden ist, so können wir doch jetzt mit größerer Gewißheit denn je sagen: die Kräfte der Revolution wachsen trotz des faschistischen Terrors und der Sozialdemokratie. Weder die Hitlerbanden noch die Armeen Arakis werden imstande sein, dieses Wachstum der Kräfte der Revolution zu verhindern.

Unsere Analyse der Lage ist richtig, unsere Taktik ist richtig. Das zeigt ein Rückblick auf die Ereignisse in den fünf Jahren, die seit dem 6. Kongreß der Kommunistischen Internationale verflossen sind.

2. Der gegenwärtige kapitalistische Staat

Jetzt nähert sich die Welt auf Grund der ehernen Gesetze ihrer Entwicklung, wie Genosse Kuusinen hier gesagt hat, bereits unmittelbar der neuen Phase der Revolutionen und Kriege.

Die festesten Pfeiler der kapitalistischen Gesellschaft werden durch die gewaltige zerstörende Kraft der Krise, durch die Kraft des Wachstums der Sowjetunion und des Erstarkens der revolutionären Bewegung der werktätigen Massen in den kapitalistischen Ländern selbst erschüttert. Die Gegensätze zwischen den Klassen und Staaten verschärfen sich in katastrophaler Weise. Kein einziger kapitalistischer Staat ist von der Unantastbarkeit seiner Grenzen überzeugt. Kein einziger kapitalistischer Staat ist seiner Zukunft sicher. Überall gehen heftige Kämpfe zwischen den Kräften der Revolution und den Kräften der Reaktion vor sich. Der Krieg zwischen den Staaten wird vorbereitet durch den Krieg der stärksten Machtfaktoren der Bourgeoisie gegen die kommunistischen Parteien und die Arbeiterklasse. Es geht eine außerordentliche Verschärfung der Gegensätze zwischen den kapitalistischen Ländern vor sich. Gleichzeitig erhebt sich eine Welle des Nationalismus, die von der Bourgeoisie ausgenutzt wird, um in einer Reihe von Ländern Regierungen aus den reaktionärsten, chauvinistischsten, faschistischsten Parteien der Bourgeoisie zu schaffen. Die finstersten Kräfte der Reaktion, die Überreste des Mittelalters werden aufgeboten, um den sterbenden, im Todeskrampfe sich windenden Kapitalismus zu verteidigen.

Aber nichtsdestoweniger sehen die herrschenden Klassen, daß sie das Steuer ihres Systems nicht in der Hand haben. Die kapitalistische Welt treibt wie ein Schiff ohne Steuer ihrem Untergang entgegen. Die Philosophen der Ausbeuterklasse sind von tiefstem Pessimismus erfüllt und stellen Betrachtungen an über den Untergang Europas. Ihre Schriftsteller schreiben utopische Romane vom bevorstehenden Krieg und der Errichtung der faschistischen Diktatur, der Diktatur Weniger, einer Diktatur von Ingenieuren, Technikern oder Fliegern. Ihre Ökonomisten, die eine neue Prosperität und das Ende der Krise verkünden, entpuppen sich als gewöhnliche  Börsenspekulanten, die auf ein Steigen der Aktienkurse spekulieren, oder erweisen sich als reaktionäre Utopisten, die davon phantasieren, daß die Geschichte zur kleinen Warenproduktion zurückkehren werde. Ihre Politiker sprechen mit dem größten Zynismus vom kommenden Krieg, so wie sie gewöhnt sind, von der auf den kommenden Sommer festgesetzten Vergnügungsreise durch das Mittelländische Meer zu sprechen. Die Kräfte der herrschenden Klassen, die vor dem Angesicht der Geschichte Bankrott gemacht haben, schwinden dahin.

Der Kapitalismus hat sich überlebt. Die besten denkenden Menschen der kapitalistischen Gesellschaft fangen immer mehr an, das zu begreifen. Ihre Sympathien wenden sich immer mehr uns zu. Hunderte von Schriftstellern, Gelehrten, Ingenieuren und Technikern verfolgen mit größter Sympathie den sozialistischen Aufbau in der Sowjetunion. Sowjetchina, das zu einem großen politischen Faktor im Fernen Osten geworden ist, beginnt die Sympathien breiter Schichten der Intelligenz, insbesondere in Amerika und im Fernen Osten, zu erobern. Der Kapitalismus dagegen stützt sich auf Bajonette, auf den kolossal angewachsenen Staatsapparat, der aus den Steuerzahlern Mittel für die Subsidierung der Banken und großen Trusts herauspreßt und die revolutionäre Bewegung der Arbeiter und Bauern mit Feuer und Schwert unterdrückt.

Die Krise des Kapitalismus ist so tief, daß sogar Mussolini in seiner Rede im November 1933 vor dem Nationalrat der faschistischen Korporationen sich gezwungen sah, folgendes zu erklären:

Wir sind so weit gekommen, daß, wenn der Staat auf 24 Stunden einschliefe, eine solche Unterbrechung genügen würde, damit eine Katastrophe eintrete. Jetzt gibt es kein Wirtschaftsgebiet mehr, in das sich der Staat nicht einmischen dürfte. Wenn wir diesem Kapitalismus seine letzte Stunde verlängern wollen, so kommen wir zum Staatskapitalismus, der nichts anderes ist als ein umgekehrter Staatssozialismus. Das eben ist die Krise des kapitalistischen Systems in ihrer universalen Bedeutung.

Wenn der heutige monopolistisch-kapitalistische bürgerliche Staat auf 24 Stunden einschliefe, so würde der Kapitalismus zerfallen, so würde die Macht an die Kommunisten übergehen. Das erkennt Mussolini an, dieser hervorragende Vertreter des modernen Monopolkapitals.

Aber je tiefer die Krise ist, je schlechter es um die Bourgeoisie bestellt ist, desto mehr vergrößert sich der parasitäre Staatsapparat der Bourgeoisie. Und die Zahlen, die Genosse Kuusinen[2] hier auf dem Plenum über das gewaltige Anwachsen desjenigen Teils des Volkseinkommens mitgeteilt hat, der vom Staat mit Beschlag belegt und verschlungen wird, halte ich für ein Merkmal der außerordentlichen Verschärfung des Klassenkampfes und des Kampfes zwischen den Staaten, für ein Merkmal der Schwachen und der Unsicherheit der kapitalistischen Ordnung. Der Kapitalismus will sein Leben durch Vergrößerung der Staatsmaschine, durch Vergrößerung der Mittel zur Unterdrückung der ausgebeuteten Klassen verlängern. Der Staat besteht, wie Engels sagt, "nicht bloß aus bewaffneten Menschen, sondern auch aus sachlichen Anhängseln, Gefängnissen und Zwangsanstalten ..." Je überreifer der Kapitalismus ist, desto mehr stützt sich die Bourgeoisie bei der Unterdrückung des Widerstandes der werktätigen Massen auf die Armee, die Polizei, die ganze moderne Kriegstechnik, desto mehr wächst der Terror gegen die werktätigen Massen. Die Herrschaft der Bourgeoisie wird zu einem blutigen Regime der Beschießung von Arbeiterdemonstrationen und der Niederschlagung von Bauernaufständen, der Überfälle mit Flugzeugen und Gas auf die Dörfer der Kolonialvölker, einem Regime der mittelalterlichen Inquisition in den Gefängnissen der sogenannten fortgeschrittenen zivilisierten Kulturländer. Die Oktoberrevolution in Rußland und der darauffolgende Bürgerkrieg sind in bezug auf die Zahl der Opfer durch die chinesische Revolution und den Kampf in Deutschland bereits längst übertroffen worden. Aber trotzdem der Terror zur üblichen Regierungsmethode der Bourgeoisie geworden, ist es ihr nicht gelungen, ihre Herrschaft zu festigen. Deshalb versucht die herrschende Finanzoligarchie den Staatsapparat weiter zu stärken, eine Staatsmacht zu schaffen, die auf die terroristische Überwindung der inneren Gegensätze des kapitalistischen Systems, auf die blutige Unterdrückung der wachsenden revolutionieren Bewegung, auf die Mobilisierung aller Kräfte des kapitalistischen Staats zum Kampf gegen die werktätigen Massen zugeschnitten ist. Die selbstverständliche Politik der Finanzoligarchie ist daher in der jetzigen Periode, am Vorabend der neuen Phase der Revolutionen und Kriege, der Faschismus, dieser letzte, verzweifelte Versuch der am meisten reaktionären, terroristischen, nationalistischen Gruppen der Bourgeoisie, die Staatsmacht in den Händen zu behalten, und zwar durch Stärkung des staatlichen Apparats der Unterdrückung, des Terrors und des Bürgerkriegs gegen die werktätigen Massen; dieser Versuch, einen Ausweg aus der Krise zu finden durch gesteigerte Vorbereitung eines neuen imperialistischen Krieges für eine Neuaufteilung der Welt.

Die jetzige faschistische Welle ist kein Zeichen der Stärke, sondern ein Zeichen der Schwäche und der Erschütterung des ganzen kapitalistischen Systems, das die Bourgeoisie durch die Vergrößerung der Staatsmaschine und durch den Übergang zu den faschistischen Methoden der Unterdrückung der Massen zu stärken versucht. Die Bourgeoisie geht zu den Regierungsmethoden der terroristischen, faschistischen Diktatur über, aber keineswegs aus freien Stücken, sondern aus Zwang. Sie schafft sich eine Massenstütze in dem durch die Krise wildgewordenen Kleinbürgertum und verspricht ihm die Stärkung des Kleinbesitzes. Sie bildet terroristische Banden aus nationalistisch-chauvinistischen Elementen. Sie reiht diese faschistischen Banden in den Staatsapparat ein und eröffnet, gestützt auf diese Banden, den Bürgerkrieg gegen die Arbeiterklasse, weil ihr alter normaler Apparat mit der Funktion der Unterdrückung der unterjochten Klassen nicht mehr fertig wird. Sie hebt die bürgerliche Gesetzlichkeit auf, weil das Prestige der bürgerlichen Staatsmacht und des Gesetzes seine Wirkung auf die Arbeitermassen eingebüßt hat, weil die Illusionen von der Möglichkeit einer friedlichen Entwicklung des Kapitalismus und eines demokratischen Weges zum Sozialismus verschwinden, weil die entscheidenden Kämpfe herannahen, weil die Bourgeoisie vor der Unvermeidlichkeit überaus schwerer, für sie gefährlicher Kriege steht, weil der Parlamentarismus nicht mehr imstande ist, die Verteidigung des Kapitalismus gegen die wachsende revolutionäre Bewegung und die Vorbereitung des Krieges für die Neuaufteilung der Märkte unter den Imperialisten sicherzustellen. Sie beginnt, sich in die wirtschaftliche Tätigkeit einzumischen, sogenannte staatskapitalistische Maßnahmen durchzuführen, weil das ganze System des Kapitalismus unterwühlt ist, weil der Zusammenbruch einer einzelnen Bank oder eines einzelnen Trusts die Gefahr eines Zusammenbruchs des gesamten Staates heraufbeschwört. Deshalb ist es nicht weiter verwunderlich, daß eine solche Regierung des Finanzkapitals, eine solche erzreaktionäre Regierung, wie die faschistische Regierung Hitlers oder Mussolinis, es versucht, die Banken zusammenzufassen, oder von einer Verstaatlichung der Banken redet. Das ist kein Schritt zum Sozialismus. Im Gegenteil, das ist ein Versuch, die Macht des Finanzkapitals vor dem völligen Zusammenbruch zu bewahren.

Aber der Sieg des Faschismus wird nur dort unvermeidlich oder möglich, wo es der Sozialdemokratie gelingt, ihre proletarischen Anhänger durch das System der zentralisierten proletarischen Massenorganisationen von der revolutionieren Einheitsfront mit den Kommunisten abzuhalten, trotz der überaus tiefen Krise die Eroberung der Mehrheit des Proletariats durch die Kommunistische Partei zu verhindern, gleichzeitig Erfolge im Klassenkampf des Proletariats zu verhindern und dadurch den Marxismus und den Klassenkampf in den Augen der breiten Massen des städtischen Kleinbürgertums und der Bauernschaft zu kompromittieren. Der Faschismus kann in keinem einzigen Lande ohne die direkte Unterstützung durch die Sozialdemokratie siegen, die eine lange Zeit hindurch das Proletariat spaltet, es vom Kampf zurückhält, seine Kampfkraft durch Polizeiwillkür, Terror und Betrug schwächt und es dem Faschismus ganz ausliefert.

3. Der Faschismus und die deutsche Sozialdemokratie

Je organisierter die Massen sind, je schwerer die Lage des Kapitalismus ist, desto rascher und desto vollständiger führt die faschistische Diktatur die Beseitigung aller nichtfaschistischen oder nicht vollständig faschistischen Organisationen durch, in desto größerem Maße bedarf sie der sogenannten staatskapitalistischen Maßnahmen und des korporativen Systems. Mussolini beseitigte in Italien die bürgerlichen Parteien nach und nach, weil die Existenz der bürgerlichen Parteien die Durchführung der faschistischen Diktatur nicht allzusehr behinderte. Mussolini duldete die Sozialdemokratie so lange, als sie in Italien eine relativ geringe Rolle spielte. Er vernichtete sie, als die faschistische Diktatur ihre erste scharfe Krise erlebte. Hitler kam in einem Lande zur Macht, das "durchorganisiert" ist; in einem Lande, in dem man die Zentralisation der Führung nicht verstärken kann ohne alle bürgerlichen Parteien und Organisationen zu beseitigen; in einem Lande, in dem man den die Bourgeoisie schwächenden wütenden Kampf zwischen ihren verschiedenen Gruppen um die Verteilung des sich verringernden Teils des Mehrwerts, der sich verringernden Profitmasse, den Kampf zwischen den einzelnen kapitalistischen Gruppen für die Deckung der Verluste durch den Staat nicht aus der Welt schaffen kann, ohne die Vertretungen ihrer Gruppen (Parteien, Organisationen) zu beseitigen. Hitler kam in einem Lande zur Macht, in dem die Arbeiterklasse mehr als in irgendeinem anderen Lande organisiert ist. Aber die Gewerkschaften des deutschen Proletariats, deren Führung die Sozialdemokraten an sich rissen, hatten längst aufgehört, Organisationen des Massenkampfes zu sein. Die größte Partei, die die Mehrheit des Proletariats hinter sich hatte, wurde zu einer sozialfaschistischen Partei. Trotz des raschen Anwachsens ihres Einflusses vermochte es die Kommunistische Partei noch nicht, den Einfluß der Sozialdemokratie zu untergraben.

Die Arbeiterklasse ist ohne eine eigene revolutioniere Führung nicht fähig zu irgendwelchen Aktionen. Damit die Arbeiterklasse imstande sei, revolutionier zu handeln, muß sie sich um ihre revolutionäre Partei sammeln. Da die Kommunistische Partei noch nicht die Mehrheit der Arbeiterklasse hinter sich hatte, hing das Schicksal des deutschen Proletariats vom Verhalten der Sozialdemokratie ab.

Um die Arbeiterklasse zu unterdrücken, stellte sich der Faschismus die Aufgabe, vor allem die Kommunistische Partei zu vernichten. Aber bei der zugespitzten Lage, die wir in Deutschland hatten und haben, konnten die Sozialdemokratische Partei und insbesondere die Gewerkschaften zum Sammelbecken der mit dem Faschismus unzufriedenen Elemente werden. Zu einem solchen Sammelbecken wurde bereits im März jede beliebige Organisation, sogar eine so reaktionäre Organisation wie der "Stahlhelm". Deshalb vernichtete der Faschismus, der zur Macht kam, weil die Sozialdemokratie noch stark genug war, um durch das System einer zentralisierten Organisationen die Massen vom Widerstand gegen den Vormarsch der faschistischen Diktatur abzuhalten, aber nicht mehr stark genug war, um durch ihre Unterstützung die Festigkeit des kapitalistischen Systems zu garantieren, seinen Gehilfen, die Sozialdemokratie; deshalb zerschlug er die sozialdemokratischen Organisationen, um die Arbeiterklasse zu atomisieren, um selbst zu versuchen, die Führung der desorganisierten, ihrer Organisationen beraubten Arbeiterklasse in die Hand zu bekommen, sie in das System des faschistischen Staates einzureihen oder, wenn das nicht gelingen sollte, sie zumindest zu zersplittern. Das Tempo, in dem die deutschen Faschisten die ganze Prozedur der Gleichschaltung aller bürgerlichen Parteien und kapitalistischen Organisationen sowie der Sozialdemokratie, der reformistischen und christlichen Gewerkschaften vollzogen, erklärt sich nicht dadurch, daß Hitler manches bei Mussolini gelernt hat, sondern erstens dadurch, daß Hitler unter Verhältnissen zur Macht gelangte, wo man den deutschen Kapitalismus für eine Zeitlang nur dadurch retten konnte, daß man sofort alle seine Teile einer hyperzentralisierten diktatorischen Gewalt des faschistischen Staates unterstellte; zweitens dadurch, daß in Deutschland das parlamentarische System und zusammen mit ihm die Sozialdemokratie, die seit dem Jahre 1918 in der Regierung saß, Bankrott gemacht hatten und korrupter geworden waren als in irgendeinem anderen Lande. Die deutsche Sozialdemokratie war für alles zu haben. Sie ließ selbst Hitler an die Macht, aber der Faschismus forderte von der Sozialdemokratie eine solche Dosis Nationalismus und Chauvinismus, eine solche Unterwerfung unter den Willen des Finanzkapitals, die wohl oder übel die Vernichtung ihrer Organisationen, die Gleichschaltung, die Verschmelzung mit den Nazis bedeutet hatte; dazu aber konnte die Sozialdemokratie, solange der imperialistische Krieg noch nicht begonnen hatte, ihre Organisation nicht bewegen, obwohl sie den Versuch dazu unternahm. Das zeigt der Austritt Wels' aus der 2. Internationale Anfang März 1933 und die Abstimmung der sozialdemokratischen Fraktion für die Politik Hitlers am 17. Mai 1933 im Reichstag. Hitler hatte es offenbar eilig. Die ganze Situation in Deutschland, die katastrophale Lage des deutschen Kapitalismus zwang ihn dazu, sich mit seinen Maßnahmen zu beeilen. Deshalb mußte er von der Sozialdemokratie, diesem überreifen Fräulein, mehr verlangen, als sie geben konnte; und als sie seine Wünsche nicht erfüllen konnte, mußte er ihr den Garaus machen. Die deutsche Sozialdemokratie ist als Partei untergegangen, indem sie bis zur äußersten Konsequenz ihre Rolle als Mätresse der deutschen Bourgeoisie spielte und nach Kräften alle Wünsche ihrer Herren von der demokratischen Partei bis zur Partei der Nationalsozialisten befriedigte.

Übrigens sah das mehr einem Selbstmord ähnlich als einem Mord, denn die Sozialdemokratie ist, wie Genosse Heckert in seinem Artikel "Was geht in Deutschland vor?" richtig sagte, nicht deshalb untergegangen, weil Hitler sich als stärker erwiesen hat. Die Sozialdemokratie ist untergegangen, weil sie politisch und moralisch Selbstmord verübte, als sie auf den Kampf gegen den Faschismus verzichtete, vor dem Faschismus kapitulierte und sich damit einverstanden erklärte, in seine Dienste zu treten.

Die Tatsache des Bankrotts der deutschen Sozialdemokratie ist sogar für die 2. Internationale, sogar für ihre Theoretiker, für ihre Publizisten so augenscheinlich, daß jeder Versuch, ihn zu leugnen, lächerlich wäre. Aber indem die andern Parteien der 2. Internationale den Bankrott der deutschen Sozialdemokratie anerkennen, wollen sie ihren eigenen Bankrott verbergen. Sie wollen die Tatsache unterschlagen, daß sie ihre eigene politische Linie verloren haben, daß sie ohne Steuer geblieben sind; sie wollen die Sache darauf reduzieren, daß nur die deutsche Sozialdemokratie bankrott sei, daß die Führer der deutschen Sozialdemokratie, daß die besonderen Verhältnisse schuld seien, in denen sich Deutschland befand, daß die Fehler der deutschen Sozialdemokratie schuld seien, und nicht die Politik der 2. Internationale, nicht der Umstand, daß sie Sozialfaschisten geworden sind. Unserer Auffassung nach ist jedoch alles gerade darauf zurückzuführen, daß sie Sozialfaschisten geworden sind.

Aber diese ganze Kritik der 2. Internationale an der deutschen Sozialdemokratie, ihrer Katastrophe, ihrem Bankrott ist nicht neu. Wels hat nur in weniger geschickter Form und mit anderen Schlußfolgerungen dasselbe getan, was früher MacDonald gemacht hat. Damals kritisierten Wels und Vandervelde MacDonald, jetzt kritisieren Vandervelde, Blum, Henderson und Bauer - Wels. MacDonald spaltete die Labour Party in England, ging offen zur Bourgeoisie über und blieb königlicher Minister. Man brauchte ihn. Wels dagegen brauchte man nicht. Er wurde davongejagt. Der Streit zwischen Wels und Vandervelde endete mit einer zeitweiligen Versöhnung, weil Wels nicht imstande war, sich in die deutsche nationale Front einzufügen, sondern sich gezwungen sah, in die 2. Internationale zurückzukehren. Die Dinge verhielten sich doch tatsachlich so: er verließ die 2. Internationale, ging zu Hitler, wurde aber nicht aufgenommen. Man sagte ihm: arbeite lieber in der 2. Internationale ‑ und er kehrte in die 2. Internationale zurück und wurde aufgenommen.

Indem die Theoretiker der 2. Internationale, die die deutsche Sozialdemokratie kritisieren, sie "beschuldigen", daß die deutsche Revolution die historischen Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848 nicht vollendet habe, Aufgaben, wie die Umwandlung des halbabsolutistischen Staates in einen demokratischen Staat, wie die Vollendung der im Jahre 1789 in Frankreich begonnenen bürgerlichen Agrarrevolution gegen den Feudalismus, wie den Generalangriff gegen die Junker, die auch im Deutschland der Weimarer Verfassung weiter eine große Rolle spielten; indem sie die Schuld auf die "besonderen Verhältnisse der Revolution von 1918" schieben die "den Übergang von den Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution zur Lösung der Aufgaben der proletarischen Revolution erschwert" haben sollen; indem sie die deutsche Sozialdemokratie beschuldigen, daß "sie die Festigkeit des demokratischen Regimes in Deutschland nicht gesichert und die Macht an Hitler ausgeliefert hätte", wollen sie die sogenannte "Ehre" des sogenannten "demokratischen Sozialismus" retten und wenigstens den Schein wahren, daß nicht ihr ganzer strategischer Plan zusammengebrochen sei, wollen sie der 2. Internationale noch irgendwie das Leben retten. Dadurch, daß sie die Niederlage ihrer führenden Partei, die ihre Taktik und Strategie kompromittierte, aus den spezifischen Bedingungen Deutschlands erklären, wollen sie sich den Einfluß auf die Massen in den anderen Ländern bewahren, wollen sie die bankrotten Führer und das System retten, wollen sie die Sozialdemokratie retten und wieder auferstehen lassen.       

Aber alle diese Versuche, die Katastrophe der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zu erklären, sind ganz unhaltbar. Es ist natürlich richtig, daß die Revolution von 1918 die bürgerlich-demokratische Revolution von 1848 und 1789 nicht zu Ende geführt hat; es ist richtig, daß die Sozialdemokratie, die diese Revolution niederschlug, die Weimarer Verfassung auf dem Grundbesitz der Junker aufbaute, das Junkertum und die Hohenzollernoffiziere konservierte und sie mit Pensionen versorgte. Es ist natürlich richtig, daß die Sozialdemokratie im Jahre 1918 nicht den Weg der sozialistischen Revolution gegangen ist, obwohl alle Bedingungen für sie vorhanden waren, sondern im Bunde mit den Junkern und den Offizieren die begonnene sozialistische Revolution niedergeschlagen hat. Aber das ist bei weitem nicht alles.

Die Sache ist letzten Endes die, daß die deutsche Sozialdemokratie seit 1918 die Diktatur der Bourgeoisie in der Form der Weimarer Republik verwirklichte, die unter den Verhältnissen der allgemeinen Krise des Kapitalismus, insbesondere in einem Lande wie Deutschland, das im Weltkrieg besiegt worden war, nichts anderes als eine reaktionäre Diktatur sein konnte. Die Sache ist die, daß die deutsche Sozialdemokratie, dadurch daß sie den Kampf gegen alle wirklich revolutionären Kräfte des Landes führte, den Faschisten volle Freiheit einräumte und die revolutionären Arbeiterorganisationen zerschlug, das deutsche Proletariat der faschistischen Diktatur entgegenführte. Ohne die deutsche Sozialdemokratie gäbe es keinen Faschismus in Deutschland. Ohne die direkte Unterstützung durch die Sozialdemokratie kann die Bourgeoisie keine faschistische Diktatur errichten, kann sie kein Land regieren.

4. Wenn die Sozialdemokratie im Jahre 1932...

Vor drei Jahren schrieb der damalige Breslauer linke Sozialdemokrat Müller den phantastischen Roman "Wenn wir 1918..." in dem er zu schildern versuchte, wie die Ereignisse sich entwickelt hätten, wenn die Sozialdemokratie im Jahre 1918 eine revolutionäre Partei gewesen wäre. Wir könnten jetzt eine utopische Schilderung darüber bringen, was geschehen wäre, wenn die Sozialdemokratie im Juli 1932 die Weimarer "Demokratie" hätte verteidigen wollen. Nicht mehr! Wenn sie nur die Weimarer "Demokratie" hätte verteidigen wollen! Wir schlugen damals der Sozialdemokratie eine Einheitsfront zur Ausrufung des Generalstreiks vor. Die Arbeitermassen waren für den Generalstreik. Sie warteten nur auf die Direktiven der Gewerkschaften und der Sozialdemokratischen Partei. Die sozialdemokratischen Arbeiter konnten sich nicht entschließen, dem Ruf der Kommunisten Folge zu leisten und gegen die Sozialdemokratie aufzutreten. Wenn die Sozialdemokratie das Angebot der Kommunisten über die Herstellung einer Einheitsfront zur Ausrufung des Generalstreiks angenommen hätte, wenn sie wenigstens ihren Staatsapparat zum Widerstand gegen den faschistischen Umsturz in Preußen ausgenutzt hätte, dann wären die Faschisten gezwungen gewesen, den Rückzug anzutreten. Die kleinbürgerlichen und bäuerlichen Massen hätten sich der Revolution zugewandt.            Die Faschisten hätten keine Möglichkeit gehabt, die Macht zu ergreifen und wären zerfallen. Die Symptome des Zerfalls waren im August 1932 sehr stark, trotzdem Preußen sich bereits in den Händen von Papens Kommissaren befand. Die Kommunisten waren bereit zum Kampf. Der Kampf wurde durch die Sozialdemokratie vereitelt. Im Januar 1933 verschlechterte sich die Lage bereits, aber die Sozialdemokratie war immer noch stärker als die Faschisten. Wenn die Sozialdemokraten die Januardemonstration der Kommunisten gegen den Faschismus in Berlin unterstützt hätten, dann hätte es Hitler nicht gewagt, die Macht zu ergreifen. Wenn die Sozialdemokratie noch am 30. Januar 1933 das Angebot der Kommunisten über die Ausrufung des Generalstreiks angenommen hätte, wenn sie den Generalstreik ausgerufen und nicht die Massen vom Streik abgehalten, den Generalstreik nicht vereitelt hätte, dann hätte Hitler durch die vereinigten Kräfte des gesamten Proletariats geschlagen werden können, trotzdem alle Fristen bereits verpaßt waren, trotzdem die nationalistische Explosion bereits eine Tatsache war.

Wie lange die Weimarer Republik nach einem solchen Streik erhalten geblieben wäre, das hing nur von den Arbeitermassen selbst ab. Die Kommunisten hätten den Kampf um die Mehrheit der Arbeiterklasse mit noch größerer Energie fortgesetzt. Sie hätten den Massen gezeigt, daß nur der Sozialismus der Ausweg aus der Krise ist, daß man die Faschisten endgültig besiegen kann, nur wenn man die Diktatur des Proletariats errichtet. Aber ein solches Kampfbündnis gegen Hitler hätte noch nicht die sozialistische Revolution bedeutet, solange die Mehrheit der Arbeiterklasse nicht hinter den Kommunisten stand. Das wäre ein Kampf gewesen wie etwa der Kampf gegen die "Kornilowjade". Die deutschen Kommunisten hätten zusammen mit den sozialdemokratischen Arbeitern gegen die Banden Hitlers und des "Stahlhelms" gekämpft und gleichzeitig die Schwächen, die Schwankungen der Braun-Severing entlarvt, hätten ihre Versuche entlarvt, zu einer Verständigung mit Hitler zu gelangen, hätten die Schaffung von Bedingungen vorbereitet, unter denen das Proletariat wirklich die Macht hätte ergreifen können.

Aber die deutsche Sozialdemokratie hielt die Massen vom Kampfe zurück, kapitulierte kampflos vor Hitler und begrüßte sogar Hitler als Menschen, der den Werktätigen entstammte. Sie war es, die die Weimarer Republik endgültig vernichtete und Selbstmord beging.

Und so verlaufen die Ereignisse nicht nur in Deutschland.

In Spanien kam nach der Aprilrevolution im Jahre 1931 die Sozialdemokratie in Koalition mit den bürgerlichen   Parteien an die Macht. Als die spanische Sozialdemokratie zur Macht gelangte, beschritt sie ganz den konterrevolutionären Weg der deutschen Sozialdemokratie. Die spanische Koalitionsregierung, die sich auf den alten Staatsapparat der Monarchie, auf ihre Zivilgarde, ihre Polizei und Armee stützte, nahm den Kampf auf gegen die Arbeiter- und Bauernmassen, die für Brot, für Sozialversicherung, für den Siebenstundentag der Arbeiter, für die Übergabe des Landes an die Bauern, für das Selbstbestimmungsrecht der unterdrückten Völker kämpften.         Die Feudalherren, die Klöster, die Kirche behielten ihre Rechte.       Die feudalen Überbleibsel, Überbleibsel der Leibeigenschaf t und des Mittelalters bestehen weiter. Keine einzige revolutionäre Maßnahme ist durchgeführt worden. Keine einzige Kampforganisation der Bourgeoisie und der Gutsbesitzer ist entwaffnet worden. Nichts ist geschehen, um den Widerstand gegen die Kräfte der Konterrevolution zu organisieren. Aber die Kommunistische Partei wird verfolgt, ihre Presse wird verboten. Die revolutionären Arbeiter und Bauern werden verfolgt. Und es ist weiter kein Wunder, daß die Massen infolge dieser Politik der Sozialdemokratie ihr den Rücken kehren, daß bei den soeben beendeten Wahlen die Sozialdemokratische Partei Spaniens eine gewaltige Niederlage erlitten hat.

Die Sozialdemokratische Partei Spaniens kritisiert ebenfalls das Verhalten der deutschen Sozialdemokratie, aber sie geht denselben Weg, denn es gibt für die Sozialdemokratie keinen andern Weg, mit welchen geschickten Phrasen sie sich auch bemänteln mag. Die Sozialdemokratische Partei Spaniens wird genau so wie die Sozialdemokratische Partei Deutschlands den Faschisten die Macht ausliefern, wenn die spanischen Kommunisten sie nicht in raschem Tempo von den Massen isolieren werden.

In Österreich schrieb Otto Bauer wiederholt, daß die österreichische Sozialdemokratie im Jahre 1918 nicht imstande gewesen sei, den Kurs auf die Eroberung des Sozialismus einzuschlagen, weil Österreich ein kleines Land ist und sofort von den Interventionsmächten vernichtet worden wäre, wenn es den Versuch unternommen hätte, sich gegen den Kapitalismus zu erheben. Aber Otto Bauer will die Tatsache unterschlagen, daß auch in Österreich ‑ wo er an der Macht war ‑ nicht nur nichts zur Errichtung des Sozialismus unternommen worden ist, sondern auch die Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution nicht zu Ende geführt worden sind, der Einfluß des Junkertums und der Habsburger Offiziere nicht gebrochen worden ist. Otto Bauer kritisiert die deutsche Sozialdemokratie und will die Tatsache unterschlagen, daß er bereits am 1. Dezember 1929 eine Art Preußischen 20. Juli hatte, daß die österreichische Sozialdemokratie, die sich mit radikalen Phrasen bemäntelt, Schritt für Schritt der faschistischen Diktatur Platz machte, daß die österreichische Sozialdemokratie den Kampf des österreichischen Proletariats gegen den Vormarsch des Austrofaschismus vereitelt, genau so wie die deutsche Sozialdemokratie das im Laufe vieler Jahre getan hat. Otto Bauer vergißt, daß sein Freund Karl Renner, ebenfalls Austromarxist, bereits vor 4 Jahren zu beweisen versuchte, daß die Sozialdemokraten eingedenk der italienischen Lehren versuchen müßten, sich mit den Faschisten zu verständigen, daß sie auf die parlamentarische Tätigkeit verzichten und für die Erhaltung ihrer Posten im Staatsapparat kämpfen müßten. Folglich hat Karl Renner bereits vor 4 Jahren theoretisch jene niederträchtige Politik begründet, die Löbe und Künstler am 17. Mai 1933 im Deutschen Reichstag betrieben. Das darf man nicht vergessen.

Die österreichische Sozialdemokratie ist dank dieser ihrer Politik in den letzten Jahren bedeutend geschwächt worden. Aber sie ist heute noch unvergleichlich stärker als der österreichische Faschismus. Wenn sie die Macht der hinter ihr stehenden österreichischen Arbeiter ausnutzen wollte, so würden die österreichischen Faschisten vom Erdboden verschwinden. Bei den jetzigen außerordentlich scharfen Gegensätzen würde kein einziger Generalstab ‑ und gerade darauf beruft sich immer Bauer ‑ es wagen, sich einzumischen. Wegen Österreich würden sich wohl kaum in der jetzigen Situation irgendwelche Großmächte dazu entschließen, einen Krieg anzufangen. Aber die österreichische Sozialdemokratie schwätzt nur davon, daß sie im Falle des Einmarsches von ausländischen Truppen nach Österreich, im Falle der Absetzung des Wiener sozialdemokratischen Bürgermeisters Seitz, im Falle des Verbots der Sozialdemokratischen Partei und der Gleichschaltung der reformistischen Gewerkschaften zum Generalstreik aufrufen werde. Sie verpaßt eine Frist nach der andern. Durch ihre Passivität stößt sie die kleinbürgerlichen Massen vom Proletariat ab. Durch ihre Politik des Verzichts auf den Kampf demoralisiert sie das Proletariat. Sie bereitet ihre völlige Kapitulation vor dem Faschismus, die Übergabe Wiens und Österreichs an die Faschisten vor. Sie bereitet mit ihrer Politik die Niederlage des österreichischen Proletariats vor.

Hinter der österreichischen Sozialdemokratie stehen immer noch fünf Sechstel des österreichischen Proletariats. Die österreichischen Arbeiter sind für den Generalstreik, sie wollen kämpfen. Aber sie glauben immer noch, daß die Sozialdemokratie ihre Organisation ist, die sie zum Kampfe rufen wird, sobald es notwendig sein sollte. Wenn die Sozialdemokratie zum Generalstreik aufriefe, so wäre das Proletariat einig im Kampfe gegen den Faschismus und würde den faschistischen Angriff zurückschlagen. Die Kommunisten würden die ersten Organisatoren des Kampfes sein. Die Kommunisten würden nicht die Frage der sofortigen Errichtung der Diktatur des Proletariats stellen, solange die Mehrheit der Arbeiterklasse nicht hinter ihnen stünde. Sie würden zunächst nur Agitation für die Diktatur des Proletariats, für die Sowjetmacht als der einzigen Rettung für die Arbeiterklasse Österreichs vor Elend, Not und Faschismus treiben. Sie würden den Kampf für die Hegemonie innerhalb der österreichischen Arbeiterbewegung aufnehmen und beweisen, daß die einzige Rettung, der einzige Ausweg aus Not und Elend die Diktatur des Proletariats ist. Erst nach der Eroberung der Massen würden sie zum bewaffneten Aufstand für die Errichtung der Sowjetmacht schreiten.

Aber gegen den Faschismus würden die Kommunisten zusammen mit den Sozialdemokraten kämpfen, wenn die Sozialdemokraten kämpfen wollten.

Die österreichischen Kommunisten allein können gegen die Einheitsfront der Sozialdemokratie und der gesamten Bourgeoisie zunächst noch keinen Generalstreik erfolgreich durchführen; denn sie können die entscheidenden Schichten des Proletariats nicht mit sich reißen. Aber sie stellen sich zur Aufgabe, den Arbeitern den Weg des Kampfes gegen den Faschismus zu zeigen. Sie stellen sich zur Aufgabe, den Kampf zu organisieren, den die Sozialdemokraten nicht wollen.           Wenn die Sozialdemokratie die relative Schwäche der österreichischen Kommunisten sich zunutze machen und den Faschisten die Macht ausliefern wird, so wird die Verantwortung für all die Schrecken, denen die österreichische Arbeiterklasse ausgesetzt werden wird, allein auf die Sozialdemokratie fallen. Die Kommunisten werden nicht kapitulieren. Sie werden allein weiter gegen den Faschismus und für die Diktatur des Proletariats kämpfen.

In Lettland und Estland wird die faschistische Diktatur errichtet. Auch hier hängt von der Sozialdemokratie genau so wie in Österreich die Frage des Seins oder Nichtseins der faschistischen Diktatur ab. Sie und nur sie trägt die Verantwortung für das Schicksal der lettischen und estländischen Arbeiterklasse in der gegenwärtigen konkreten Situation.

Ohne direkte Unterstützung durch die Sozialdemokratie wäre die faschistische Diktatur in Deutschland nicht errichtet worden, kann die faschistische Diktatur weder in Österreich noch in Spanien, noch in Lettland, noch in Estland, noch in irgendeinem andern Lande errichtet werden.

In der Tschechoslowakei wird die faschistische Diktatur in raschem Tempo errichtet. Bereits im April 1933 schrieb das Sekretariat des Exekutivkomitees der Komintern an das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei folgendes:

Der Prozeß der Faschisierung der Tschechoslowakei wird seinen eigenen besonderen Weg einschlagen. Jetzt von einem Brüningregime in der Tschechoslowakei zu reden, ja sogar von einem eben erst beginnenden Brüningregime, würde eine Unterschätzung des Ernstes der gegenwärtigen Lage und der Möglichkeit plötzlicher Überfälle und Provokationen der jetzigen Regierung gegen die Kommunistische Partei bedeuten, würde auch eine Unterschätzung der konterrevolutionären Rolle der Sozialdemokratie bedeuten. Das wichtigste für die tschechischen Kommunisten ist jetzt, zu begreifen, daß die "Burg" die Führung der tschechischen Bourgeoisie ist, die bestrebt ist, die nationale Konzentration und Faschisierung der Tschechoslowakei unter der Flagge der Verteidigung der "Demokratie" und der militärischen sogenannten "Verteidigung" des Versailler Systems im Bunde mit dem faschistischen Polen, Jugoslawien und Rumänien unter Führung Frankreichs durchzuführen, sowohl gegen die proletarische Revolution als auch gegen die faschistischen Revolutionspläne Deutschlands. Die nationalistische Welle in Deutschland richtete sich gegen die Weimarer Republik als dem Ausdruck der Knechtung Deutschlands durch die Siegerländer. Das Symbol des Sieges des tschechischen Nationalismus ist die "Burg", weil sie das Hauptsammelbecken der nationalistischen Stimmungen ist, die im tschechischen Volke entstehen, und angesichts der Bedrohung der Tschechoslowakei diese Rolle in noch größerem Maße als bisher spielen wird.

Auf diesem Wege vollzieht sich, wie wir sehen, bisher die Faschisierung der Tschechoslowakei. Die Sozialdemokratie spielt hier die aktivste Rolle als Agent des Faschismus unter der Flagge der Verteidigung der Demokratie.

Die Sozialdemokratie der Tschechoslowakei ist der Urheber der Notverordnung, der Gesetzentwürfe über das Verbot der kommunistischen Organisationen, der Kommunistischen Partei. Der tschechische Faschismus wird durch die Sozialdemokratie der Tschechoslowakei, durch ihre Koalition mit den bürgerlichen Parteien errichtet. Aber damit wird der Prozeß der Faschisierung nicht beendet sein. Die Sozialdemokratie der Tschechoslowakei muß nicht unbedingt ebenso beseitigt werden, wie die deutsche Sozialdemokratie. Ihr Ende kann in etwas anderer Form und weniger tragisch eintreten als das in Deutschland der Fall war.

Aber letzten Endes werden die Folgen die gleichen sein. Die tschechoslowakische Sozialdemokratie vernichtet sich als Partei, indem sie die "Demokratie" im Lande liquidiert. Die tschechische Sozialdemokratie zeigt durch Taten, daß sie nicht nur keine sozialistische Partei ist, sondern nicht einmal eine demokratische Partei im alten Masarykschen Sinne des Wortes. Sie ist eine Partei der reaktionären Bourgeoisie und zusammen mit dieser Bourgeoisie errichtet sie die faschistische Diktatur.

Wenn es in der Tschechoslowakei eine wirkliche bürgerlich demokratische Partei gäbe, dann würde sie den Weg der Vertiefung der Demokratie, der Befreiung der unterdrückten Völker, der Vollendung der Agrarrevolution, des plebejischen Kampfes gegen den Faschismus und den Krieg gehen, aber eine solche Partei gibt es in der Tschechoslowakei nicht. Eine solche Partei gibt es in keinem einzigen imperialistischen Lande mehr.

Alle bürgerlichen Parteien, einschließlich der Sozialdemokratie, sind zu Parteien der Reaktion, der Konterrevolution geworden.

Es gibt nur eine einzige Partei der Revolution - die Kommunistische Partei.

Die Sozialdemokratie hat ihr eigenes Antlitz als Partei eingebüßt; sie steht in der konterrevolutionären Einheitsfront mit der gesamten Bourgeoisie.

Der Erfolg des Faschismus ist die Folge der Faschisierung der Sozialdemokratie, die Folge davon, daß die Sozialdemokratie zu einer sozialfaschistischen Partei geworden ist, wie wir das bereits auf dem 6. Kongreß der Komintern festgestellt haben.

Wenn die Sozialdemokratie im Jahre 1918 eine revolutionäre marxistische Partei gewesen wäre, dann wäre Europa längst sozialistisch.

Wenn die Sozialdemokratie im Jahre 1933 wenigstens eine demokratische Partei gewesen wäre, dann hätte Deutschland nicht faschistisch werden können.

Die jetzige Krise der Sozialdemokratie ist eine Krise, die sich aus ihrer raschen Faschisierung, aus ihrer Kapitulation vor dem Faschismus ergibt.

5. Die Besonderheiten der jetzigen Krise der Sozialdemokratie

Die jetzige Krise der Sozialdemokratie unterscheidet sich wesentlich von der Krise der Sozialdemokratie, die während des Weltkriegs begonnen hatte. Damals verriet die Sozialdemokratie, die zu einer reformistischen kleinbürgerlichen Partei entartet war, die Arbeiterklasse und ging in jedem einzelnen Lande auf die Seite ihrer Bourgeoisie über, wurde zu einer Partei der Sozialnationalisten, Sozialchauvinisten, Sozialpatrioten, Sozialimperialisten. Als sie das deutsche und österreichische Proletariat im Jahre 1918 niederschlug, erstand sie wieder als Partei des sogenannten "demokratischen Weges zum Sozialismus", des "friedlichen Hineinwachsens in den Sozialismus", als Partei, die sich auf die demokratisch-patriotischen und pazifistisch-patriotischen Illusionen der kriegsmüden Massen stützte. Die Zweite Internationale wurde nach der Schaffung des Völkerbundes als "sozialistisches" Anhängsel zum Völkerbund restauriert. Ihrer Außenpolitik legte sie die Zusammenarbeit der kapitalistischen Regierungen im Völkerbund und den Kampf gegen die Sowjetunion zugrunde. Ihrer Innenpolitik legte sie die Spaltung der Arbeiterbewegung und den Kampf gegen den Kommunismus zugrunde. Ihrer innerparteilichen Politik legte sie die Ausnutzung der alten, früher marxistischen Organisationen der Arbeiterklasse zugrunde, um die revolutionäre Energie der Arbeiterklasse zu fesseln.

Die jetzige Krise dieser Zweiten Internationale der Nachkriegszeit begann, als der sich verschärfende Kontrast zwischen dem Lande des sozialistischen Aufbaus und den Ländern des verfaulenden Kapitalismus offensichtlich wurde, als die Sozialdemokratische Partei Deutschlands vor Hitler kapitulierte.

Die 2. Internationale zerfällt: im internationalen Maßstab infolge der nationalen Gegensätze zwischen den bürgerlichen Staaten und in jedem einzelnen Lande ‑ in einzelne Gruppen, die den Faschisierungsgrad der einzelnen Schichten der Sozialdemokratie eines gegebenen Landes widerspiegeln. Das ist der Ausdruck dafür, daß die Sozialdemokratie jetzt nicht nur als revolutionäre Partei, sondern auch als reformistische Partei, als demokratische Partei Verrat begangen hat. Deshalb ist es durchaus richtig, wenn man jetzt nicht nur von der politischen Niederlage, sondern auch von der ideologischen Katastrophe der Sozialdemokratie spricht.

Diese ideologische Katastrophe führt dazu, daß die Gruppen, in die die Sozialdemokratie zerfallen ist, sich gegenseitig kritisieren, einander anklagen und sich dabei einzelner Bruchstücke des alten ideologischen Guts bedienen.

In Deutschland gibt es jetzt keine sozialdemokratische Organisation. In der deutschen Sozialdemokratie gibt es jetzt eine Prager Gruppe, die die Losung "Revolution gegen Hitler, für die Wiederherstellung der Demokratie!" ausgibt; eine Berliner Gruppe Loebe-Künstler, die sich dem faschistischen Regime anpaßt, so weit es das erlaubte; eine Pariser Gruppe, die dem sozialdemokratischen ideologischen Wirrwarr einige radikale Phrasen hinzufügt; ferner Dutzende kleiner Gruppen und einzelner Schriftsteller, die ihre alte Ideologie kritisieren, aber nicht fähig sind, sich zum Marxismus, zum Kommunismus zu erheben, die sich heillos verwirrt haben und durch ihre ideologische Verwirrung sehr ernsthaft den Kampf der Arbeiterklasse behindern, von denen jede durch ihre Methoden die Massen vom Übergang zum Kommunismus abhält.

In Frankreich haben wir die Gruppe Renaudel-Déat, die offen ins Lager des bürgerlichen Nationalismus übergeht; die Gruppe Blum, die die alten Positionen zu behalten bestrebt ist; die Gruppe "Action socialiste" die die Radikalisierung der Arbeitermassen zum Ausdruck bringt. In England haben wir die Nationallabouristen, die Labouristen, die Unabhängigen, Anfänge der Zersetzung in Österreich, in der Schweiz, zwei Parteien in Holland. Fast in jedem Lande gibt es jetzt .wenigstens drei sozialdemokratische Parteien, in jeder sozialdemokratischen Partei Dutzende von Richtungen, denen lediglich die Rolle der Sozialdemokratie als soziale Hauptstütze der Bourgeoisie und der Kampf gegen die Komintern gemeinsam ist.

Die Zweite Internationale versucht formell, dieses Chaos nationalistischer Parteien, verworrener Gruppen und Grüppchen zusammenzufassen. Sie tritt für die Versöhnung Blums mit Renaudel (einen entsprechenden Beschluß faßte die letzte Sitzung des Büros der Zweiten Internationale), Wels' mit Seydewitz ein, sie nimmt ruhig den Austritt und die Rückkehr von Wels hin. Sie verfaßt Resolutionen, in denen alle Hoffnungen auf das Wunder gesetzt werden, das sich in Genf vollziehen soll, wo der zerfallene Völkerbund und die bankrotte "Abrüstungs"konferenz alle Imperialisten zusammenschließen und entwaffnen sollen. In Wirklichkeit bedeutet das die Einbuße jeder ernsten Überlegung! In Wirklichkeit bedeutet das, daß man nicht nur die politische Linie, sondern auch den Kopf verloren hat. Das gilt nicht nur für die deutsche Sozialdemokratie, sondern für die ganze Zweite Internationale. Und das ist deshalb der Fall, weil es keine besondere Politik der deutschen. Sozialdemokratie gegeben hat; weil es eine allgemeine Politik der gesamten internationalen Sozialdemokratie gegeben hat und gibt; weil das Schicksal der deutschen Sozialdemokratie von den sozialdemokratischen Parteien aller Länder geteilt wird. Sie haben sich alle zu einer konterrevolutionären Einheitsfront mit der gesamten Bourgeoisie zum Kampf gegen die proletarische Einheitsfront zusammengeschlossen; sie treiben alle eine Politik der Schwächung des Proletariats; sie sind alle Sozialfaschisten, Parteien, die zur Kapitulation vor dem Faschismus schreiten.

Worin bestehen aber die Ursachen für diese Krise der Sozialdemokratie?

Die Ursachen der Krise der Sozialdemokratie bestehen erstens darin, daß sich die Welt am Vorabend einer neuen Phase imperialistischer Kriege befindet; daß die Vorbereitung dazu bereits zu einem stürmischen Ausbruch des Nationalismus geführt hat. Deshalb zerfällt die Zweite Internationale, denn die Sozialdemokratie eines jeden Landes tritt auf die Seite ihrer Bourgeoisie. Zweitens konnte die jetzige Sozialdemokratie nur unter dem Parlamentarismus einen Platz im bürgerlichen Regierungssystem einnehmen. Bei der außerordentlichen Zentralisierung der Staatsmacht, von der ich bereits gesprochen habe, ist sie in dem unmittelbaren Regierungsapparat in einer Reihe von Ländern bereits überflüssig geworden. Drittens hat das Anwachsen der Not und des Elends der Massen dazu geführt, daß die Sozialdemokratie ihren Einfluß auf die Massen verloren hat. Das zwingt sie, sich den Forderungen ihrer Bourgeoisie noch rascher anzupassen, sich noch rascher zu faschisieren.

Daher die beschleunigte Faschisierung der Sozialdemokratie in jedem einzelnen Lande, der Zerfall der Sozialdemokratie in eine Reihe von einzelnen Gruppen und Parteien, die die verschiedenen Stufen ihrer Faschisierung kennzeichnen; daher der Zerfall der 2. Internationale in ihre nationalen Bestandteile im Zusammenhang mit den Gruppierungen des kommenden imperialistischen Krieges; daher die Zerfahrenheit und der Bankrott der sozialdemokratischen Ideologie, denn die Theorie vom "demokratischen Sozialismus" ist zusammengebrochen, denn es verfliegen die Illusionen von der friedlichen Entwicklung des Kapitalismus und dem "demokratischen Weg zum Sozialismus".

In jeder sozialdemokratischen Partei bestehen mehrere Fraktionen, die den ideologischen Zerfall der Sozialdemokratie widerspiegeln. Aber die Rechten handeln, gehen offen zum Faschismus über, spannen sich offen vor den Wagen des Nationalismus. Die "Linken" bleiben passiv und schwätzen und halten die Massen vom Übergang zum Kommunismus zurück. Die Rechten handeln, organisieren, die "Linken" schreiben "linke" Resolutionen, schwatzen und halten mit ihren radikalen Phrasen, ihren "radikalen" Reden über Diktatur des Proletariats, ihren Plänen über eine Reform der Sozialdemokratie usw. die Massen in der konterrevolutionären Einheitsfront mit der Bourgeoisie zurück. In dieser Arbeitsteilung besteht gerade die Rolle der "Linken".

Unter diesen Verhältnissen des Zerfalls der Sozialdemokratie dienen die kleinen Grüppchen Trotzkis, Brandlers u. a. der Bourgeoisie zum Abhalten der Massen von dem Übergang zu den Kommunisten, dienen sie ihr, um die Arbeiterklasse der Diktatur der Bourgeoisie zu unterwerfen. Sie bemühen sich, die jetzt für die Bourgeoisie wichtigste und schwierigste Aufgabe zu erfüllen, die die alte Sozialdemokratie nicht mehr erfüllen kann. Gleichzeitig sind sie die Hauptlieferanten der Theorien und Argumente gegen die Sowjetunion und die Kommunistische Internationale. Sie erfüllen noch eine dritte, für die Faschisten ebenso wichtige Aufgabe ‑ die Zersplitterung der Arbeiterbewegung, die Verwandlung der Arbeiterbewegung in ein Konglomerat von Sekten und Gruppen. Darin besteht ihre Rolle als Vortrupp der konterrevolutionären Bourgeoisie. Die Kommunistische Internationale, die den Kampf gegen die Sozialdemokratie führt, muß gleichzeitig für die Vernichtung der von den Faschisten geförderten Gruppen der Trotzkisten und der Brandlerianer, gegen die Zersplitterung der Arbeiterbewegung in kleine Gruppen, für ihren Zusammenschluß unter der Führung der Kommunisten kämpfen.

6. Wir gehen der Revolution entgegen...

Die Krise der Sozialdemokratie ist einer der wichtigsten Bestandteile der allgemeinen Krise des kapitalistischen Systems. In Deutschland wollen die Massen nicht unter dem Stiefel Hitlers leben, wollen aber auch nicht zur Weimarer Demokratie zurück. In Polen, Ungarn, Italien wird die faschistische Diktatur offensichtlich schwächer. Österreich ist ein brodelnder Kessel. In Lettland und Estland sucht ein großer Teil der Bevölkerung eine Partei, die imstande wäre, von heute auf morgen die herrschende Clique zu verjagen, obwohl diese Massen noch nicht darauf vorbereitet sind, zur proletarischen Revolution zu schreiten. In Japan durchbricht der Wille der Massen zur Revolution das System des wahnwitzigen Terrors. Große revolutionäre Ereignisse können ganz unerwartet eintreten. Deshalb sind wir verpflichtet, wie Genosse Kuusinen gesagt hat, die Frage des Kampfes für die Sowjetmacht, des Sturzes der Macht der herrschenden Klassen durch den bewaffneten Aufstand auf die Tagesordnung zu setzen. Wir sind verpflichtet, überall das Programm der Sowjetregierung zu propagieren, die Massen dafür zu mobilisieren, sie darauf vorzubereiten, damit sie unsere Ziele kennen, damit sie imstande seinen, bei günstigem Kräfteverhältnis, beim Heranreifen einer revolutionären Situation die Macht in ihre Hände zu nehmen. Es besteht noch in keinem einzigen der ausschlaggebenden imperialistischen Länder eine revolutionäre Situation, aber sie kann sehr bald heranreifen. Die jetzige Etappe ist schon keine Etappe der friedlichen Entwicklung. Für die meisten Länder ist die jetzige Etappe bereits keine Etappe, wo man einfach die Sozialdemokratie entlarven muß. Die jetzige Etappe in Deutschland, in Österreich ist nicht einfach eine Etappe des Kampfes für die Mehrheit der Arbeiterklasse, sondern eine Etappe der Formierung der revolutionären Armee für die entscheidenden Klassenkämpfe um die Macht, eine Etappe der Mobilisierung von Kadern, die zu allen Opfern bereit sind, um das herrschende Regime zu vernichten, um den Sieg des Proletariats herbeizuführen. Was bedeutet das? Wir sehen ein spontanes Vorwärtsdringen, eine spontane Erregung der Massen, obwohl sie noch nicht offen durch bricht. Die Kommunisten erfassen nicht immer diese spontane Erregung, lenken sie nicht immer in die nötige Richtung. De Kommunisten erfassen es nicht immer, wenn die Unzufriedenheit den Rahmen der wirtschaftlichen Forderungen durchbricht, wenn  sie sich gegen den Staat als Ganzes richtet.

Wir müssen auf dieses spontane Vorwärtsdrängen, auf diese spontane Erregung der Massen besser reagieren.

In Deutschland erproben es die Massen, wie, in welcher Weise und in welcher Form man gegen die faschistische Diktatur auftreten kann. Es braucht bloß irgendein großer Streik, irgendeine große Demonstration einzusetzen, und der Weg für den Durchbruch der Unzufriedenheit der Massen wird gefunden sein.

Deshalb müssen wir gleichzeitig mit der Losung des Kampfes um die Macht die Losung des Generalstreiks auf die Tagesordnung setzen, eines Generalstreiks, der von den Kommunisten organisiert und durchgeführt wird, für den man die Massen durch Entfaltung wirtschaftlicher Streiks mobilisieren muß

In Österreich haben die Sozialdemokraten unter dem Druck der Massen die Losung des Generalstreiks ausgegeben, aber die Sozialdemokraten fürchten die Revolution mehr als den Faschismus. Die Kommunisten müssen mit allen Kräften dem spontanen Vorwärtsdrängen der Massen, die einen solchen Streik fordern, eine bestimmte Form geben. Die Kommunisten müssen die Hauptagitatoren für den Generalstreik sein. Das gilt in gleichem Maße für Lettland. Das gilt in gleicher Weise für alle anderen Länder, denen die Errichtung der faschistischen Diktatur droht.

In Polen haben wir bei einer großen Streikbewegung in diesem Jahre weniger politische Streiks, aber das darf keineswegs bedeuten und bedeutet auch nicht, daß der Beschluß des 12. Plenums über den Generalstreik in Polen vergessen werden darf. Man darf ihn nicht vergessen.

In der Tschechoslowakei hat es unter der sozialdemokratischen Koalitionsregierung eine Reihe von guten politischen Streiks gegeben, die sich gegen den Staat richteten. Solche Streiks können und müssen abermals ausbrechen. Die Entwicklung der Ereignisse in den letzten Wochen in der Tschechoslowakei erlaubt uns, was eine Reihe von Äußerungen der tschechischen Genossen gezeigt hat, auf ein Anwachsen der politischen Streikbewegung in der Tschechoslowakei zu hoffen.

Amerika, England, Frankreich bleiben natürlich in der Hauptsache noch Länder wirtschaftlicher Streiks, aber auch hier muß man die Streikbewegung vom wirtschaftlichen zum politischen Streik erheben. Insbesondere in Amerika können große politische Streiks entstehen. Die amerikanische Partei muß jetzt die Erregung der Massen in diese Richtung lenken.

Welches können jetzt die Losungen des politischen Massenstreiks sein? Sie müssen die Massen zum Kampf um die Macht erheben, müssen die Massen von der Verteidigung zum Angriff führen. In Österreich, in Lettland, in der Tschechoslowakei, überall, wo der Faschismus angreift, muß sich der politische Streik die Aufgabe stellen, die elementaren Rechte der Arbeiter zu verteidigen, den Kampf gegen die Verwirklichung der faschistischen Diktatur, den Kampf gegen die jetzige Regierung zu führen, die den Faschismus verwirklicht.

In Deutschland können die Losungen des politischen Streiks sein: Freie Wahl der Betriebsräte! Freilassung aller Verhafteten! Entfernung der SA-Sturmtrupps aus den Arbeitervierteln! Sturz der faschistischen Diktatur! Errichtung der Sowjetmacht!

Aber das Wichtigste bei der Formierung der revolutionären Armee ist die Taktik der Einheitsfront. Gestützt auf die spontane Erregung der Massen, müssen die Kommunistischen Parteien sich an die sozialdemokratischen und parteilosen Arbeiter wenden, ohne auch nur für einen Augenblick die Bewegung aus den Händen zu lassen. Sie müssen Aufklarung darüber verbreiten, daß man durch aktive gemeinsame Aktionen aller Arbeiter unter der Führung der Kommunistischen Parteien dem Faschismus den Weg versperren kann. Sie müssen Aufklärung darüber verbreiten, daß, wenn die Sozialdemokratie in Deutschland nicht den Kampf gegen den Faschismus führte, die Spaltung der Arbeiterbewegung nichts damit zu tun hat. Schuld an dem Machtantritt der Faschisten in Deutschland sowie in jedem anderen Lande sind nur die Sozialdemokraten. Die Spaltung der Arbeiterbewegung hat nichts damit zu tun. Die Spalter sind die Sozialdemokraten, die eine konterrevolutionäre Einheitsfront mit der Bourgeoisie geschaffen haben. Zum Kampf gegen die Bourgeoisie, zum Kampf gegen den Faschismus kann stets, in jedem Augenblick eine revolutionäre Einheitsfront geschaffen werden, wenn die Sozialdemokratie nur gegen den Faschismus kämpfen wollte. Diese Einheitsfront wird gegen den Willen der Sozialdemokratie geschaffen werden, sobald sich die Arbeiter überzeugen werden, daß die Sozialdemokratie sie den Faschisten ausliefert.

Es gibt nichts Schlimmeres, als das nicht zu verstehen.

Das Positive in der Einheitsfronttaktik in Deutschland bestand stets darin, daß die deutschen Genossen den sozialdemokratischen Arbeitern immer die Wahrheit über ihre Partei sagten und stets richtig den Weg wiesen, den man gehen muß. Und es ist durchaus richtig, wenn sie jetzt sagen, das Wichtigste ist, daß man die Wiederherstellung der sozialdemokratischen Führung in den Arbeiterorganisationen, in erster Linie in den Gewerkschaften, nicht zulassen darf; daß man es nicht zulassen darf, daß die Arbeiterorganisationen ausgenutzt werden, um die Arbeiter vom Kampf abzuhalten.

Das Negative an der Taktik Guttmanns in der Tschechoslowakei bestand darin, daß Guttmann für die Einheit um der Einheit willen eintrat, daß er sich nicht von der Aufgabe der Formierung der revolutionären Armee zum Kampf für die politischen Ziele unserer Partei, zum Kampf um die Macht leiten ließ, sondern dazu aufforderte, sich den rückständigen Stimmungen und Ansichten der sozialdemokratischen Arbeiter anzupassen.

Deshalb war die Einheitsfronttaktik Thälmanns revolutionär, die Einheitsfronttaktik Guttmanns opportunistisch, liquidatorisch.

Insofern der Guttmannismus, wenn man sich so ausdrücken darf, in einige Schichten der KPTsch eingedrungen ist, hat er natürlich der KPTsch viel Schaden zugefügt; aber die KPTsch ist stark genug, hat genügend starke Kader und einen genügend festen Kontakt mit den Massen, um unter Führung des Genossen Gottwald die Fehler zu korrigieren und neuen Erfolgen entgegen zu gehen.

7. Die deutsche Frage und die Kommunistische Internationale

Durch drei große Fragen wird jetzt die revolutionäre Reife und Zielklarheit einer jeden Kommunistischen Partei, eines jeden Kommunisten, eines jeden Revolutionärs erprobt. Erstens durch die Frage der Sowjetunion, das Verstehen der Rolle und der Bedeutung der Sowjetunion für die internationale proletarische Revolution, das Verstehen der Politik der Sowjetunion, das Verstehen der Tatsache, daß die Sowjetunion ein Vorbild für die Umgestaltung aller Länder ist. Wer nicht alle seine Kräfte für die Verteidigung der Sowjetunion einsetzt, ist kein Revolutionär, ist ein Konterevolutionär, ist gegen die Diktatur des Proletariats, gegen die sozialistische Revolution. Zweitens durch die Stellung zur chinesischen Revolution und zur Chinesischen Sowjetrepublik. Wer nicht alle seine Kräfte und organisatorischen Fähigkeiten für die Verteidigung der chinesischen Revolution und der Chinesischen Sowjetrepublik einsetzt, zerreißt den internationalen Bund der Kommunisten, kämpft nicht für das Bündnis des Proletariats der imperialistischen Länder mit den werktätigen Völkern der Kolonien und Halbkolonien, denkt nicht ernsthaft an die Diktatur des Proletariats, an die Sowjetmacht im eigenen Lande. Drittens durch die Stellung zur deutschen Revolution, das Verstehen ihrer Probleme und des Kampfes des deutschen Proletariats. Wer nicht die deutsche Frage versteht, versteht nicht die Wege der Entwicklung der Proletarischen Revolution in Europa. Wer nicht alle seine Kräfte zur Unterstützung des deutschen Proletariats einsetzt, kämpft nicht für die proletarische Revolution in Europa; denn der Sieg des deutschen Proletariats würde den Sieg der proletarischen Revolution in ganz Europa bedeuten, die Niederlage des deutschen Proletariats würde die Entwicklung der proletarischen Revolution in den anderen Ländern Europas hinauszögern.

Deutschland war und bleibt das schwächste Glied der Kette der imperialistischen Staaten. Deutschland ist ein Land, in dem die Klassengegensätze am meisten zugespitzt sind. Deutschland ist ein Land, in dem alle Gegensätze der kapitalistischen Welt die schärfste Form angenommen haben. Und gleichzeitig ist Deutschland das Herz des kapitalistischen Europas, ein Land, das wirtschaftlich und politisch mit allen kapitalistischen Ländern Europas verflochten ist. Deshalb steht in Deutschland die proletarische Revolution näher bevor als in irgendeinem anderen Lande. Und der der Sieg des Proletariats in Deutschland bedeutet den Sieg der proletarischen Revolution in ganz Europa; denn das kapitalistische Europa kann nicht existieren, wenn es sein Herz einbüßt. Deshalb ist es klar, daß die deutschen Fragen am Vorabend der zweiten Phase der Kriege und Revolutionen die Hauptfragen sind. Das aber erlegt allen kommunistischen Partien, allen Kommunsten die größte Verantwortung für das Schicksal der deutschen Revolution auf.

Der Erfolg des Faschismus in Deutschland war ein großes Examen, das zeigte, wie jede Partei und jeder Kommunist die internationale Lage und die Entwicklung des revolutionären Prozesses begriffen hatte. Bei diesem Examen hat sich unsere Starke gezeigt, sind aber auch natürlich jene faulen Elemente zutage getreten, die leider noch in unseren Reihen vorhanden waren.

Mit der größten Freude muß man vor allem die Tatsache feststellen, daß unsere junge spanische Partei mit ihrem Zentralorgan, "Mundo Obrero", die selbst im Feuer der Revolution steht, von Anfang an die Lage in Deutschland, die Bedeutung der deutschen Ereignisse richtig eingeschätzt und es verstanden hat, eine große Kampagne der internationalen proletarischen Solidität mit den deutschen Arbeitern zu entfalten. Eine ebenso energische Solidaritätskampagne entfaltet die Kommunistische Partei Polens, die selbst unter dem Joch des Faschismus kämpft. Die Kommunistische Partei Polens entwickelte eine großzügige Kampagne in den Fabriken, in den Betrieben und Schachtanlagen. Ihre ganze Presse beschäftigte sich im Laufe einer ganzen Reihe von Monaten mit den deutschen Ereignissen. Sie sagte den Massen:

Das deutsche Proletariat steht nicht allein dar. Es wird von der aktiven Solidarität und Unterstützung des revolutionären Weltproletariats umgeben sein, das versteht, daß der Sieg der deutschen sozialistischen Revolution den Sieg der Weltrevolution sichert. An diesem aktiven Kampfe werden vor allem die werktätigen Massen Polens teilnehmen, die selbst unter dem faschistischen Joch kämpfen.

Eine, ihren Kräften nach, genügend energische Aufklärungskampagne unter den Massen und eine Massenbewegung entfaltete die österreichische, belgische, dänische, holländische Partei und eine Reihe anderer kleiner Parteien. Bedeutend schwächer, d. h. nicht ihren Kräften entsprechend, erwiesen sich in der Frage der Unterstützung des deutschen Proletariats die Kommunistischen Parteien der Vereinigten Staaten, Frankreichs und der Tschechoslowakei. Die amerikanischen Genossen schenkten längere Zeit hindurch den deutschen Ereignissen keine ernste Aufmerksamkeit und klärten die Massen nicht über das Wesen der deutschen Ereignisse auf. Die KP Englands verstand es, nach einer gewissen flauen Haltung in den ersten Tagen, als sie offenbar die Notwendigkeit des Kampfes gegen den Faschismus unterschätzte, später ‑ und hier hat Genosse Gallacher recht ‑ eine ernste und ununterbrochene Kampagne zu entfalten und eine klare politische Haltung einzunehmen. In der Tschechoslowakei wurde die nicht schlecht begonnene antifaschistische Solidaritätskampagne durch die opportunistische Einstellung der Gruppe Guttmann stark geschwächt, die mit Hilfe des "überaus linken, historisch-linken" Genossen Reimann die Parteipresse in die Hand bekommen hatte.

Piatnizki (Zwischenruf ): Linken in Gänsefüßchen.

Bei ihnen gab es "historisch Rechte". Ich glaube, daß man mit demselben Recht jetzt sagen kann, daß sie jetzt "historisch­Linke" haben, die aber im Grunde genommen Rechte sind.

Das Gleiche gilt für Frankreich, wo im März und April in der Partei trotzkistische Anschauungen verbreitet waren, daß die Kommunistische Partei Deutschlands kapituliert habe, wo die "Cahiers de bolchévisme" sich mehr mit der Erforschung der "Fehler" der Kommunistischen Partei Deutschlands, als mit der Entlarvung der verräterischen Rolle der Sozialdemokratie bei dem Sieg des Faschismus in Deutschland, als mit der Mobilisierung der Massen gegen den deutschen Faschismus beschäftigten.

Aber, Genossen, wenn man eine Reihe von Erfolgen unserer Parteien auf diesem Gebiet feststellen kann, die das Anwachsen eines tatkräftigen Internationalismus zeigen, so muß man sogar dort, wo unsere Unterstützungskampagne für die deutsche Revolution und die Aufklärung über den Sinn der deutschen Ereignisse am besten durchgeführt worden ist, feststellen, daß sie trotzdem bei weitem nicht genügend war. Insbesondere war unsere Kampagne zur Unterstützung und Verteidigung des deutschen Proletariats im Zusammenhang mit dem Prozeß gegen Dimitrow, Torgler, Popow und Tanew bei weitem noch nicht genügend. Wenn diese Massenkampagne, die wir jetzt entwickelt haben, mit der Kampagne vergleichen, die das internationale Proletariat im Fall Sacco und Vanzetti entfaltet hat, so müssen wir sagen, daß jene Kampagne größer war als die jetzige. Wir haben es noch nicht vermocht, uns bis zu jenem Niveau zu erheben, obwohl die politische Bedeutung des Leipziger Prozesses viel größer ist als der Fall Sacco und Vanzetti. Das geschah damals ganz am Anfang des revolutionären Aufschwungs. Auf Grund der Massenbewegung zur Verteidigung Saccos und Vanzettis haben wir zum erstenmal den Schluß gezogen, daß ein revolutionärer Aufschwung, daß ein neuer revolutionärer Aufschwung herannaht. Jetzt stehen wir am Vorabend der zweiten Phase der Revolutionen und Kriege. Wenn das damals der Beginn einer neuen mächtigen Bewegung war, so ist jetzt diese Kampagne der Solidarität mit den deutschen Genossen, mit den Leipziger Gefangenen, unser internationaler Kampf für die deutsche Revolution, unsere Unterstützung für die deutsche Revolution. Unsere Massenbewegung gegen den faschistischen Terror kann zum Ausgangspunkt großer politischer Aktionen und Bewegungen der Arbeiterklasse werden.

8. Der Kampf gegen die "linke" Sozialdemokratie und gegen die rechte Abweichung in den Kommunistischen Parteien

Und hier, Genossen, muß ich die Frage stellen: woher kommt und was bedeutet der Standpunkt Guttmans, der die Veröffentlichung und Popularisierung der Resolution des EKKI über die Lage in Deutschland direkt sabotiert hat, woher kommen ferner die opportunistischen Einstellungen der Kollegen des Genossen Reimann aus der Redaktion der "Cahiers de bolchévisme"?

Diese Genossen haben die revolutionäre Perspektive verloren, sind unter den Einfluß der Sozialdemokratie geraten, insbesondre unter den Einfluß der Brandlerianer und Trotzkisten, die eine wütende Kampagne gegen die .Kommunistische Internationale und die Kommunistische Partei Deutschlands führen.

Als die Kapitulation der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands vor Hitler unter den Arbeitermassen der anderen Länder Empörung hervorrief, als die Gefahr entstand daß die durch das Verhalten der deutschen Sozialdemokraten empörten Arbeiter anfangen werden, zu den Kommunisten überzugehen, fädelte die Sozialdemokratie ein großes Manöver gegen die Sowjetunion und die Kommunistische Internationale ein, um sie in den Augen der werktätigen Massen zu kompromittieren. Die tschechoslowakischen Sozialdemokraten erklärten, daß die Sowjetunion die Hoffnungen der deutschen Proletarier betrogen hätte, weil sie keinen Krieg gegen den Faschismus begonnen habe. Diese offenkundig provokatorische Kampagne hatte jedoch keinen Erfolg.

Da begann die Kampagne, daß die Sowjetunion die Sache der Arbeiterklasse verrate, weil sie normale diplomatische Beziehungen mit Deutschland aufrechterhalte. Aber die starke Sprache, die die Sowjetunion Deutschland gegenüber anschlug, führte dazu, daß diese Kampagne eingestellt wurde.

Für uns Kommunisten ist es keine Schande, wenn das größte und stolzeste kapitalistische Land, wenn die Vereinigten Staaten zur Stärkung des Friedens und ihrer Positionen nach 16 Jahren die Sowjetunion anerkennen. Für uns Kommunisten ist es keine Schande, wenn Mussolini Litwinow bittet, nach Rom zu kommen. Die Sowjetunion spricht mit allen die Sprache der Stärke. Für die Kommunisten ist es die größte Anerkennung, wenn unsere schlimmsten Feinde gezwungen sind, mit der Sowjetunion zu verhandeln. Für die Kommunisten ist es die größte Anerkennung, wenn alle bürgerlichen Staaten gezwungen sind, mit der Stärke der Sowjetunion, mit der Starke der Diktatur des Proletariats zu rechnen.

Jetzt muß man nicht mehr einfach von dem Gegensatz sprechen, jetzt muß man von dem Übergewicht der Sowjetunion über jeden beliebigen einzelnen imperialistischen Staat und über ganze Gruppen von imperialistischen Ländern sprechen. Als die Kampagne gegen die Sowjetunion zusammenbrach, da gaben die Sozialdemokraten die Losung des Boykotts der deutschen Waren aus. Einige Zeitungen brachten damals unrichtige Meldungen darüber, daß die Kommunisten an dem Boykott nicht teilnehmen, weil ein Boykott angeblich im Widerspruch zu den wirtschaftlichen Interessen. der Sowjetunion stehe. Die Sowjetunion hat keine Interessen, die von den Interessen der Weltrevolution verschieden sind, und das internationale Proletariat hat natürlich keine Interessen, die von den Interessen der Sowjetunion verschieden sind.

Aber was hätte der Boykott dem Proletariat Deutschlands und der deutschen Revolution bringen können? Eine Verschärfung des Wirtschaftskriegs im Interesse der konkurrierenden Kapitalistengruppen. Kann ein Boykott die Existenz eines kapitalistischen Landes untergraben? Offenbar nicht. Warum sollen wir an einem solchen Boykott teilnehmen; zu dessen Durchführung die Sozialdemokraten selbst nichts unternehmen, den die Sozialdemokraten den Kommunisten aufzwingen wollen, der zwecklos und zum Scheitern verurteilt ist?

Am klarsten sprachen die österreichischen Sozialdemokraten in ihrer Meldung vom Boykott, daß die österreichische Sozialdemokratie Deutschland boykottieren müsse, weil Hitlerdeutschland den Touristen den Weg nach Österreich versperrt habe. Ist das aber von Bedeutung für die Interessen der internationalen Arbeiterbewegung? Für die Besitzer der österreichischen Hotels, ja, für die internationale Arbeiterbewegung ‑ wohl kaum. Wenn es um die wirklichen Interessen der deutschen Revolution gehen wird, wenn der Boykott wirklich eine Unterstützung der revolutionären Bewegung in Deutschland, ein Kampf für den Sturz Hitlers sein wird, wenn wirklich eine Massenbewegung für den Boykott entstehen wird, wenn in Deutschland selbst eine Massenbewegung entstehen wird, dann werden die Kommunisten diejenigen sein, die einen solchen Boykott organisieren werden.

Die infolge ihres Bankrotts ohnmächtigen und von Wut gegen die Kommunistische Internationale und gegen die Sowjetunion erfüllten Brandlerianer und Trotzkisten begannen davon zu sprechen, daß nicht nur die Sozialdemokratische Partei Deutschlands Bankrott gemacht habe, daß auch die Kommunistische Partei Deutschlands Bankrott sei. Um den Bankrott der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zu bemänteln, begannen sie nachzuweisen, daß beide Parteien Bankrott gemacht haben. Diese Feiglinge und Lumpen begannen von der KPD Aufstände im Augenblick des Machtantritts Hitlers zu fordern. Das Ziel dieses Manövers war offenbar, die einzige Partei zu diskreditieren, die imstande ist, die Massen für die Revolution zu organisieren, die Massen zur Revolution zu führen. Die "Radikalsten" unter ihnen, z. B. Brockway, brachten, als die Kommunistische Partei Deutschlands durch ihren Heroismus bereits die allgemeine Bewunderung erregte, auf der "internationalen" Konferenz der Renegatengruppen ihren eigenen Antrag ein, der besagte, daß "nicht nur die Politik der Sozialdemokratie in Deutschland Bankrott gemacht hätte, sondern daß auch die Kommunistische Partei Deutschlands für die deutsche Katastrophe verantwortlich sei, obwohl sie im Grunde eine gesunde revolutionäre Partei sei. Ihr Zusammenbruch aber erklärt sich aus der unrichtigen Taktik."         

Es fragt sich nun, hat etwa nicht Guttmann diese "linke" Einstellung übernommen, als er erklärte, daß "gewisse Schwächen der Kommunistischen Partei Deutschlands bei der Anwendung der Einheitsfronttaktik den Sieg Hitlers erleichtert hätten, daß man, wenn die Fehler der Kommunistischen Partei Deutschlands nicht zugegeben werden, den Standpunkt einnehmen müsse, daß die faschistische Diktatur unvermeidlich war". Haben etwa nicht diese "Linken" den Redakteuren der "Cahiers de bolchévisme" die Liste der "Fehler" der KPD geliefert? Haben etwa diese "Linken" dem außerordentlich schweigsamen Genossen Humbert­Droz nicht die Einstellung geliefert, daß die Kommunistische Internationale mit ihrer Antwort auf das Angebot der Zweiten Internationale eine neue Taktik in der Frage der Einheitsfront ein geschlagen habe?

Diese Leute haben sich genau so wie die Remmele-Neumann mit der linken Sozialdemokratie zusammengeschlossen. Im entscheidenden Augenblick verloren sie die Orientierung und wurden zum Sprachrohr der Sozialdemokratie, wurden zu Liquidatoren gegenüber der eigenen Partei.

Deshalb brauchen wir vor allem eine klare Stellung zur Sozialdemokratie und vor allem zur linken Sozialdemokratie, diesem schlimmsten Feind des Kommunismus.

In Genf trugen die Sozialdemokraten bei den Wahlen, nach den großen politischen Ereignissen im vergangenen Jahr, einen großen Sieg davon, die Kommunisten eine Niederlage. Die Arbeiter haben recht, wenn sie sagen: weshalb sollen wir für die Kommunisten stimmen, wenn man keinen Unterschied zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten erkennen kann? In Genf sind die Sozialdemokraten "Linke", die Kommunisten aber Rechte. Der "linke" Sozialdemokrat Nicole in Genf schloß einen Block mit den bürgerlichen Parteien, bildete eine Koalitionsregierung und kam zur Macht. Jetzt verkündet er im Namen dieser Koalitionsregierung die "Arbeiter- und Bauerndemokratie" in Genf, proklamiert er in Genf die sozialistische Republik. Einige Kommunisten sollen sich dafür begeistern und die Regierung Nicoles begrüßen. Aber Nicole hat wiederholt "radikale" Phrasen gebraucht und dann wiederholt den Canossagang zu den Rechten angetreten. Wir haben keinerlei Veranlassung, diesem überaus "linken" Nicole zu trauen. Wir müssen ihm Forderungen stellen, müssen ihn entlarven, müssen schon jetzt sagen, daß Nicole im Bunde mit der Bourgeoisie steht, daß er nicht gegen die Bourgeoisie, aber zusammen mit der Bourgeoisie gegen die Arbeiter kämpfen wird. Wir müssen den Massen tief einprägen, daß das Proletariat nicht anders zur Macht kommen kann als durch den Sturz der Bourgeoisie und die Zerstörung ihrer Staatsmaschine.

Genf ist eine typische Erscheinung. Deshalb spreche ich von Genf. Wir müssen sagen, daß zwischen den "linken" Sozialdemokraten und den rechten bürgerlichen Parteien kein wesentlicher Unterschied besteht: wenn die Rechten Hunderte und Tausende von Arbeitern erschießen und sich dessen noch rühmen, so erschießen die "linken" Sozialdemokralen vom Schlag Nicole            Dutzende Arbeiter, beklagen sie und sagen: seht, dahin haben mich, einen Demokraten und Pazifisten, die Kommunisten gebracht! Nur darin, Genossen, besteht der Unterschied.       

Es gibt und kann keine anderen Linken geben als unsere Partei. Wir sind die einzigen Linken. Das müssen wir heute klar und deutlich aussprechen. In der jetzigen Situation muß man, um ein wirklicher Revolutionär zu werden, offen gegen die konterrevolutionäre Sozialdemokratie auftreten. Was sind Nicole in der Schweiz und Fischer in Österreich für Revolutionäre, wenn sie sich den Befehlen der sozialdemokratischen Führung fügen?

Entweder in unsere Reihen oder Kampf gegen uns! Einen anderen Weg gibt es nicht. Und zwar werden wir den erbittertsten Kampf führen gegen die "Linken" als die letzte Schützengrabenkette der Bourgeoisie.

Damit unsere Linie gegenüber der Sozialdemokratie klar sei, bedarf es des entschiedenen Kampfes gegen den Opportunismus in unseren Reihen.

Remmele-Neumann traten unter einem "linken" Schild auf, Guttmann unter einem Rechten, aber sowohl die einen wie die anderen sind das Sprachrohr der Sozialdemokratie. Daß die Sozialdemokratie eine tiefe Krise durchmacht, beweist nur, daß ein noch schärferer Kampf gegen sie, gegen alle ihre Gruppen und gleichzeitig ein Zweifrontenkampf in unseren eigenen Reihen notwendig ist.

Nur so werden wir fähig sein, die gewaltigen Aufgaben, vor denen wir stehen, zu bewältigen.

Nur wir tragen in die spontan anwachsende Arbeiterbewegung kommunistisches Zielbewußtsein hinein. Ohne hartnäckige Arbeit werden wir die Mehrheit der Arbeiterklasse für die Revolution nicht erobern können. Nur dort wo eine spontane Bewegung sich mit zielbewußter Arbeit der Kommunisten verbindet, kommt ein revolutionäres Werk zustande.

Die wichtigste Aufgabe für alle Parteien, insbesondere aber für die deutsche, die tschechoslowakische und die österreichische Partei besteht jetzt darin, die politische Führung der Massen sicherzustellen, rechtzeitig auf die Ereignisse zu reagieren, rechtzeitig politische Losungen auszugeben.

Nur dadurch werden wir imstande sein, die Massen zu führen. Die zweite wichtige Aufgabe besteht darin, daß man es verstehen muß, die illegale Arbeit mit einer wirklichen illegalen Massenarbeit zu verknüpfen.

Die dritte Aufgabe besteht darin, eine wirklich ununterbrochene Arbeit jeder Parteiorganisation zu ermöglichen, von der Zelle bis zum ZK, damit die Ereignisse nicht an uns vorbeigehen, damit wir auf alle Ereignisse reagieren.

Die vierte überaus wichtige Aufgabe besteht darin, den proletarischen Internationalismus nicht im Munde zu führen, sondern in die Tat umzusetzen.

In bezug auf die Verknüpfung aller dieser Aufgaben war und ist zunächst das beste lebendige Beispiel unter allen Parteien der illegalen Länder die Kommunistische Partei Polens, diese älteste illegale Massenpartei.

*  *

*

Unsere Aufgaben sind schwierig, aber unsere Ziele sind groß und klar, unser Weg ist richtig. Das können wir heute mit größerem Recht denn je sagen. Man denke nur: was wäre geschehen, wenn die Bolschewiki vor 30 Jahren sich nicht gegen den Opportunismus der Zweiten Internationale erhoben hätten, wenn nicht vor 15  Jahren die Kommunistische Internationale geschaffen worden wäre, wenn die Sowjetunion nicht bestünde. Dann wäre die europäische Arbeiterbewegung durch den Nationalismus zerschlagen, zerrissen worden. Der Faschismus würde triumphieren. Die von der Sozialdemokratie verratene Arbeiterklasse würde ohne Perspektive, ohne Führung dastehen.

Jetzt gibt es keine Macht, die uns vernichten könnte. Das Schicksal der internationalen Arbeiterbewegung liegt letzten Endes in unseren Händen. Die Sozialdemokratie orientiert die Massen auf eine Epoche des Faschismus; wir zeigen, daß eine neue Phase der Revolutionen und Kriege vor uns liegt. Ob die Revolution den Krieg überholen wird, wissen wir nicht, aber auch ein Krieg kann uns nicht schrecken, denn auf den Krieg wird die Revolution folgen. Die Sowjetunion ist zur stärksten Macht der Weltpolitik .geworden. Der Sozialismus ist auf einem Sechstel des Erdballs zur Wirklichkeit geworden. Es wächst die Chinesische Sowjetrepublik. Wir werden dieses Plenum mit der Losung des Kampfes für die Sowjetmacht in der ganzen Welt verlassen.

Was wird jetzt von einem jeden von uns verlangt?

Jetzt wird von jedem Kommunisten vor allen Dingen eins verlangt ‑ der Wille zum Kampf um die Macht.

Wille zur Macht heißt: hartnäckiger, schwerer, selbstaufopfernder Kampf für die Eroberung der Mehrheit der Arbeiterklasse, für die Formierung der revolutionären Armee der treuesten Kämpfer für den Kommunismus.

Wille zur Macht heißt: hartnackige Arbeit zur Verteidigung der tagtäglichen Interessen der Arbeiterklasse in den Fabriken, in den Betrieben, in den Gewerkschaften, auf den Arbeitsnachweisen.

Wille zur Macht heißt: hartnäckiger und schwerer Kampf um die Bundesgenossen des Proletariats in der Revolution, um die Bauernmassen und um die Massen des faschistischen Kleinbürgertums, die durch die Krise ruiniert worden sind; denn wer nicht an die Verbündeten denkt, stellt nicht ernsthaft die Frage der Macht, denkt nicht ernsthaft an die Diktatur des Proletariats.

Wille zur Macht heißt: Kampf gegen Krieg und Faschismus, für die Verteidigung der Sowjetunion und der chinesischen Sowjets, für die Verteidigung des deutschen Proletariats.

Mir fällt eine alte russische Sage von Mikula Seljaninowitsch ein, der eine gewaltige Kraft besaß, aber keinen Stützpunkt für sie fand.

"Wenn ich einen Stützpunkt fände, so würde ich die ganze Erde aus den Angeln heben" ‑ erklärte er.

Wir haben diesen Stützpunkt gefunden.

Dieser Stützpunkt ist die Arbeit unter den Massen.

Wir besitzen eine gewaltige Kraft, und wenn wir diese unsere Kraft bei der Arbeit unter den Massen anwenden, wenn wir unsere Schwächen beseitigen, an die Arbeit in den Fabriken, in den Werken, in den Gewerkschaften wirklich herangehen, so werden wir trotz der ganzen Weltbourgeoisie, trotz des Faschismus die ganze Welt umkehren und den völligen Sieg des Proletariats sichern.

 

 

 

 

 

Fußnoten



[1].     [321ignition] Die Fußnoten sind von uns, unter Verwendung von eventuellen in der Quelle enthaltenen Fußnoten, formuliert.

[2].     Aus dem Referat des Genossen Kuusinen auf dem XIII. Plenum: [NdE]

In Deutschland betrug vor dem Kriege der Reichsetat 7 Prozent des Nationaleinkommens; im Jahre 1929 betrugen die Ausgaben des Reichs, der einzelnen Länder und der Kommunen bereits 26 Prozent und im Jahre 1932 ‑ 33 Prozent des Nationaleinkommens. In den Vereinigten Staaten machte das Budget im Jahr 1913 nur 2 Prozent des Nationaleinkommens aus; im Jahre 1932 dagegen 6mal mehr. In England betrug das Budget vor dem Kriege 8 Prozent, im Jahre 1932 bereits 23 Prozent; in Frankreich vor dem Kriege 14 Prozent, jetzt 25 Prozent; in Italien vor dem Kriege 16 Prozent, jetzt 34 Prozent des Nationaleinkommens.

Wenn man das Anwachsen der Ausgaben für Kriegszwecke im Gesamtbudget vergleicht, so bekommt man folgendes Bild: in Frankreich ist der Prozentsatz der direkten Ausgaben für Kriegszwecke im Gesamtbudget 1920‑1931 von 17 auf 32; in Italien 1920‑32 von 30 auf 35; in .Japan 1929‑33 von 28 auf 37 Prozent usw. gestiegen. Hier nehmen wir nur die Ausgaben für Rüstungszwecke im engeren Sinne des Wortes. Wenn man noch die Ausgaben für die Polizei, für Staatsschulden in Rechnung stellt, so kann. man sagen, daß in den bürgerlichen Staaten die Ausgaben für den vergangenen und kommenden Krieg 40 bis 70 Prozent des gesamten Budgets ausmachen. Ein wahrhaft gigantisches Anwachsen des Parasitismus.

Zu diesen Ziffern muß man noch die gewaltigen Summen hinzufügen, die von den bürgerlichen Regierungen zur Rettung der größten Trusts, Konzerne, Banken zur Erhaltung ihrer Profite ausgegeben werden. Wir haben bereits darauf hingewiesen, daß in den Vereinigten Staaten im Jahre 1933 durch die Maßnahmen Roosevelts der Staat Ausgaben, Garantien in Höhe von 15 Milliarden Dollar übernommen hat. In Italien hat die Regierung zur Ersetzung der Verluste der großen Konzerne 7 Milliarden Lire ausgegeben. In Deutschland hat der Staat allein für die Rettung der Großbanken 1,1 Milliarde Mark verausgabt.

Die "Arbeitsbeschaffung" in Deutschland wird dem "Dritten Reich" auf 3.967 Millionen Mark zu stehen kommen. Die Regierung Hitlers aber überträgt diese Ausgaben auf das Staatsbudget der künftigen Jahre. Auf diese Weise wurden im Jahre 1933 700 Millionen Mark der künftigen Budgeteinnahmen von 1934 ausgegeben, und von den Einnahmen des Jahres 1938 nicht weniger als 2 Milliarden Mark. Dieser Betrug und diese Bestehlung der Staatskasse nennen sie "Vorfinanzierung".