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Berner Parteikonferenz der Kommunistischen Partei Deutschlands

Resolution:
Der Weg zum Sturze Hitlers
und der Kampf um die neue, demokratische Republik

1. Februar 1939

 

 

Quelle:

Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hg.): Zur Geschichte der Kommunistischen Partei Deutschlands. Berlin, Dietz, 1955. S. 393‑410.

 

 

 

 

 

 

Erstellt: Januar 2013

Druckversion
KPD 1918 1945 - Inhalt

 

 

 

 

 

 

I. Die drohende Kriegs- und Wirtschaftskatastrophe

Die Entwicklung seit der Eroberung Österreichs und der Annexion des Sudetengebietes bestätigt die Feststellung der Resolution des ZK vom Mai 1938[1], daß die Losungen des Hitlerregimes "Großdeutschland" und "Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes" nur ein Vorwand zur Durchführung der Eroberungspläne gegen andere Volker und zur imperialistischen "Neuverteilung" der Welt durch den Faschismus sind. Den Sieg von München ausnützend, den es nur infolge der Hilfsstellung der englischen und franzosischen Reaktion erringen konnte, versucht das Hitlerregime, im Bunde mit Mussolini, mit allen Mitteln das heldenmütige spanische Volk niederzuringen. Spanien soll in eine Kolonie des deutschen und italienischen Faschismus verwandelt werden, um dem franzosischen Volk die Pistole auf die Brust zu setzen und durch Kriegsdrohungen von ihm die Preisgabe franzosischer Gebiete zu erpressen. In seiner Rede vom 30. Januar 1939 hat Hitler zum ersten Male seine verbrecherische Intervention in Spanien öffentlich eingestanden und seine Bereitschaft erklärt, das deutsche Volk für die Eroberungspolitik Mussolinis in den Krieg gegen Frankreich zu treiben. Gleichzeitig setzt das Hitlerregime in brutalster Weise die Politik der Versklavung der kleinen Volker fort, droht, jeden Widerstand dieser Völker mit militärischen Maßnahmen zu brechen, verlangt Kolonien, um sie als militärische Stützpunkte für den Krieg auszubauen, und bereitet seine Anschläge gegen die Sowjetunion vor. Im Westen wie im Osten schafft daher das Hitlerregime eine Lage, wo über Nacht das deutsche Volk in die Katastrophe des Krieges gestürzt werden kann - eines Krieges gegen die gewaltige Front aller von Hitler und der Kriegsachse bedrohten und angegriffenen Volker.

Zur Durchführung dieser Eroberungspolitik im Interesse der Trust- und Rüstungskapitalisten wird das deutsche Volk immer mehr geknechtet, immer unerträglicheren Lebensbedingungen unterworfen. Die Desorganisation und Deformation der deutschen Wirtschaft als Folge der Kriegspolitik Hitlers schreitet in noch schnellerem Tempo als bisher fort. Immer ausschließlicher werden auf Kosten des Exports und des Massenkonsums die Arbeitskräfte, Rohstoffe, Maschinen, Neuanlagen, Kredite usw. nur für die Rüstungsindustrie verwendet. Die Absetzung von Schacht[2] signalisiert die wachsenden Krisen- und Zerfallserscheinungen auf allen Gebieten der Wirtschaft, besonders die fortschreitende Zerrüttung der Finanzen. Hitler bezeichnet den Export als eine Lebensfrage für das deutsche Volk: "Exportier oder stirb!" Er selbst aber ist der Schuldige am Rückgang der Ein- und Ausfuhr, denn seine Kriegspolitik ruiniert den deutschen Außenhandel. Der bisherige Grad der Massenausbeutung, die Steuerausplünderung, die Ausplünderung der Sparkassen und der Sozialversicherungen, die Sammlungen zur "Winterhilfe", die unzähligen Zwangsabgaben, Beiträge usw., die Ausräuberung der Juden und die Zwangsanleihen - das alles genügt nicht mehr zur Bestreitung der rasend anschwellenden Kosten der Kriegsvorbereitung. Daher plant die Hitlerregierung neue Steuern, neue Anschläge gegen Juden und das Vermögen der Kirchen. Besonders ist die sogenannte Rationalisierung eine neue Offensive zur Steigerung des Raubbaus an der Arbeitskraft und zur weiteren Verschlechterung der Lohn- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter und Angestellten im Interesse der Kriegsvorbereitung und der Rüstungsmillionäre. Gleichzeitig greift die Hitlerregierung stärker zu direkt inflationistischen Maßnahmen. Die offene Inflation als Mittel der totalen Kriegsvorbereitung wird zu einer immer größeren Gefahr für die deutsche Wirtschaft und für das ganze deutsche Volk.

Trotz der ungeheuren Antreiberei und der Verlängerung der Arbeitszeit durch die neue Arbeitszeitordnung[3], beginnt die Arbeitsleistung infolge der elenden Löhne, der körperlichen Erschöpfung, der mangelhaften Ernährung, der schlechten Rohstoffe zurückzugehen. Der Mittelstand wird systematisch im Interesse der Rüstungskapitalisten enteignet, Handwerker und Kleinhändler werden in die Fabriken getrieben. Trotz aller Propagandareden über "Blut und Boden", trotz aller "Erzeugungsschlachten" und immer neuer Zwangsbestimmungen, die den berechtigten Widerstand der Bauern hervorrufen, wachsen der Lebensmittelmangel und die Landflucht.

Das alles sind bereits heute die Kosten, die das deutsche Volk für die Eroberung Österreichs und des Sudetengebietes, für die Intervention in Spanien und für die Vorbereitung der weiteren Eroberungspläne Hitlers zahlen muß. Auch Kolonien würden zwar einige Großkapitalisten weiter bereichern, aber dem deutschen Volk nur neue schwere Lasten bringen. Je mehr das Hitlerregime solche Eroberungen macht, je mehr sich die Rüstungskapitalisten und die braunen Bonzen daran bereichern, je mehr sie rüsten und erobern wollen, desto schneller entwickeln sich die Krisenerscheinungen der faschistischen Kriegswirtschaft und desto schneller nimmt die Verelendung des Volkes zu. Die Fortsetzung dieser totalen Rüstungs- und Kriegspolitik droht, über das deutsche Volk die größte Wirtschaftskatastrophe seiner Geschichte heraufzubeschwören.

II. Der Kampf um die Rettung der deutschen Nation

Diese Politik des Hitlerfaschismus dient nicht den nationalen Interessen Deutschlands, sondern den Interessen der großen Rüstungskapitalisten und der Nazibürokratie. Sie ist in Wirklichkeit ein Verrat an den Interessen des deutschen Volkes und bedroht die Existenz der deutschen Nation. Denn der Versuch der Nazidiktatur und der Kriegsachse, den Völkern ein faschistisches Versailles aufzuzwingen, muß ebenso unweigerlich Schiffbruch erleiden wie das seinerzeit über Deutschland verhängte Versailles und kann nur in einem furchtbaren und hoffnungslosen Krieg enden.

Daher erklärt die Berner Konferenz der KPD, daß der Kampf gegen den Krieg, für den Sturz des Kriegstreibers Hitler, die höchste nationale Aufgabe aller Deutschen ist.

Die Berner Konferenz der KPD erklärt, daß die Politik des Bündnisses mit den Kriegstreibern, mit Mussolini und den japanischen Militaristen, die größte Gefahr für den Frieden und die Sicherheit Deutschlands bedeutet und daß es daher im nationalen Interesse Deutschlands liegt, das Kriegsbündnis mit Rom und Tokio zu liquidieren. Diese Bundesgenossen Hitlers, die die wildesten Verteidiger des Versailler Friedensvertrages waren, werden bei der ersten sich bietenden Gelegenheit das deutsche Volk ebenso zu verraten und zu versklaven versuchen, wie sie das heute mit anderen Völkern tun.

Die Aufgabe aller Antifaschisten, aller klarblickenden Deutschen ist es, sich aktiv mit dem gerechten Krieg des spanischen und des chinesischen Volkes um ihre nationale Unabhängigkeit und um ihre Selbstbestimmung zu solidarisieren.

Es ist gerade in dieser schwersten Stunde des spanischen Volkes die besondere Ehrenaufgabe der deutschen Antifaschisten, alles zu versuchen, um gegen die Intervention Hitlers die breiteste Massenstimmung zu entwickeln und die Intervention Hitlers für Franco zu erschweren, zu stören und zu durchkreuzen.

Es ist die Pflicht aller Deutschen, dem österreichischen und dem tschechischen Volk, denen von unseren Machthabern so furchtbares Unrecht angetan wird, in ihrem Kampf um Selbstbestimmung und nationale Unabhängigkeit beizustehen.

Die deutschen Antifaschisten müssen diese Eroberungspläne Hitlers und Mussolinis, dieses alten Deutschenhassers, die sie gegen Frankreich hegen, durch die Entfachung eines Volkssturmes durchkreuzen und die Durchführung dieses Verbrechens mit allen Mitteln unmöglich machen. Das deutsche Volk muß sich mit den französischen Arbeitern und Bauern, mit dem französischen Volk, das in Frieden und Freiheit leben will, gegen Hitler und Mussolini verbünden. Die deutschen Antifaschisten müssen des Gelöbnisses der Verbrüderung beider Völker gegen den Faschismus eingedenk sein, das Ernst Thälmann im Oktober 1932 vor den Pariser Arbeitern abgab.

Der Freiheitskampf des deutschen Volkes zum Sturze der Hitlerdiktatur, für ein demokratisches Deutschland ist untrennbar verbunden mit dem Kampf der von Hitler und der Kriegsachse unterjochten und bedrohten Völker. Nur eine solche Politik liegt im nationalen Interesse Deutschlands und ist eine Gewähr dafür, daß das deutsche Volk in diesen Völkern nicht Feinde, sondern Bundesgenossen findet.

Je einiger und aktiver die deutsche hitlerfeindliche Opposition auftritt, desto erfolgreicher wird sich auch der Kampf der Völker gegen die reaktionären und profaschistischen Spießgesellen der Kriegsachse, gegen die Chamberlains in allen Ländern, entfalten. Desto weniger werden solche Verschwörungen des internationalen Trustkapitals wie die gegen das heldenmütige spanische Volk und wie die von München erfolgreich sein können. Desto schneller wird sich die Friedenspolitik der Sowjetunion, die Politik der Isolierung der Kriegsbrandstifter und des Zusammenschlusses aller friedensliebenden Kräfte zur Befreiung der Menschheit von der Geißel des Krieges, durchsetzen. Desto leichter werden die Bedingungen für den Freiheitskampf des deutschen Volkes.

Die deutschen Antifaschisten dürfen niemals vergessen, daß sie in der Sowjetunion, in der internationalen Arbeiterklasse, in den friedens- und freiheitliebenden Kräften der ganzen Welt ihre engsten Bundesgenossen besitzen. Die Feststellung des Genossen Dimitroff nach München, daß die Völker ihr letztes Wort noch nicht gesprochen haben, wird durch die rasch anwachsenden Erkenntnisse der Völker von der Schändlichkeit der Münchner Verschwörung gegen den Frieden und die Freiheit und die wachsende Massenbewegung besonders in Amerika, England und Frankreich bestätigt.

Die Berner Konferenz der KPD erklärt, daß die Politik des Hitlerregimes gegen die Sowjetunion der niederträchtigste Verrat an den nationalen Interessen Deutschlands ist. Die Sowjetunion war nach der Niederlage Deutschlands im Weltkrieg, trotz der barbarischen Handlungen der Armeen Kaiser Wilhelms in der Ukraine, der einzige Freund Deutschlands, der unversöhnliche Gegner des Diktats von Versailles, das von Lenin und Stalin als unvereinbar mit der Größe des deutschen Volkes bezeichnet wurde. Die Sowjetunion hat seit ihrer Existenz bewiesen, daß von ihrer Seite Deutschland niemals eine Gefahr droht. Die Sowjetunion hat in den Zeiten der Isolierung Deutschlands durch den Versailler Vertrag der deutschen Wirtschaft Milliardenaufträge gegeben und die Beschäftigung von Hunderttausenden von Arbeitern ermöglicht. In der Sowjetunion genießen die Werktätigen mit Bewunderung die unsterblichen Werke der großen deutschen Geisteshelden. Gegen dieses Land mit seinen 180 Millionen Menschen, mit seiner gewaltigen sozialistischen Industrie und Landwirtschaft, mit seinen unerschöpflichen Rohstoff- und Lebensmittelquellen, mit seinen gewaltigen Goldschätzen, mit der stärksten Armee der Welt, verbunden in jahrelanger erprobter Freundschaft mit dem deutschen Volke, geliebt von der deutschen Arbeiterklasse, ein unversöhnlicher Feind der Unterdrückung anderer Völker - gegen ein solches Land eine Politik der Feindschaft zu betreiben und das deutsche Volk in den Krieg jagen zu wollen ist nationale Katastrophenpolitik. Das deutsche Volk muß auch durchschauen, daß die reaktionären Großkapitalisten in England und Frankreich versuchen, Hitler als Gendarm und das deutsche Volk als Kanonenfutter gegen die Sowjetunion zu benützen, mit der Absicht, nicht nur die Sowjetunion, sondern auch Deutschland zu schwächen.

Das deutsche Volk darf sich niemals dazu hergeben, gegen die sozialistische Sowjetunion zu kämpfen. Im Kriegsfalle muß und wird es alle Mittel anwenden, um durch seine selbständige Aktion, im Bündnis mit der Roten Armee den Faschismus zu stürzen, den Frieden und die Freiheit Deutschlands zu erkämpfen.

Es ist besonders die heilige Pflicht der Kommunisten und Sozialisten, die Wahrheit über die große sozialistische Macht zu verbreiten und die Lügenhetze der Faschisten, ihrer trotzkistischen Agenten und aller ihrer Feinde unschädlich zu machen.

Die Kommunistische Partei Deutschlands erklärt: Wenn es trotz aller Anstrengungen der Hitlergegner nicht möglich ist, den von Hitler gegen andere Völker provozierten Krieg zu verhindern, liegt es im nationalen Interesse des deutschen Volkes, ihn schnellstens und mit allen Mitteln durch den Sturz des Hitlerregimes zu beenden. Denn nur dadurch kann sich das deutsche Volk vor den grauenhaften Folgen eines solchen Krieges für Blut und Gut, für die ganze Existenz der Nation retten.

Das befreite deutsche Volk wird dann auch die Kraft haben, gestützt auf eine wirkliche Volksarmee, im Bunde mit der Sowjetunion, der internationalen Arbeiterklasse, der französischen Volksfront, mit allen friedens- und freiheitliebenden Völkern und Kräften alle etwaigen imperialistischen Anschläge gegen ein freies Deutschland abzuschlagen.

Angesichts der Kriegspolitik des Hitlerregimes mit ihren furchtbaren Konsequenzen für das ganze Volk ist es die Aufgabe der Kommunisten, der Antifaschisten, aller verantwortungsbewußten Deutschen, die chauvinistischen Phrasen des Hitlerregimes zu entlarven und den breiten Massen seinen antinationalen Charakter zum Bewußtsein zu bringen. Hitlers Rüstungspolitik macht die Millionäre reicher, aber die Nation ärmer und bedeutet die Verschleuderung des Reichtums der Nation zugunsten der großen Trusts. Es kann keine starke Nation geben, in der die große Mehrheit der Nation, Arbeiter, Bauern, Mittelständler und Intellektuelle, rechtlos und unterdrückt ist. Die Nazidiktatur vernichtet die kulturelle Grundlage der Nation, indem sie die freie deutsche Wissenschaft, die schöpferische deutsche Kunst, jeden freien Gedanken verfemt und verfolgt, die deutsche Geschichte und das Erbe der deutschen Kultur verfälscht. Sie untergräbt den Bestand und die Zukunft der Nation, indem sie die deutsche Jugend im barbarischen Rassenwahn und im Geiste der Völkerverhetzung erzieht. Die Nazidiktatur ruiniert durch die Judenpogrome, durch ihre barbarischen Maßnahmen gegen das eigene Volk und gegen andere Völker das Ansehen Deutschlands in der Welt. Sie erzeugt damit die Gefahr, daß die Völker Deutschland verabscheuen und hassen und das deutsche Volk verantwortlich für die Schandtaten seiner jetzigen Beherrscher machen.

Der Kampf gegen die nationalsozialistische Diktatur, der Kampf um ein Regime, das den Interessen der deutschen Nation entspricht, ist daher nicht nur ein Kampf im Interesse einer einzelnen Klasse oder Schicht, ob Arbeiter, Bauer oder Mittelstand, sondern gleichzeitig der Kampf um die Interessen des ganzen Volkes und um die Rettung der deutschen Nation. Dieser Kampf ist die Aufgabe aller wirklich nationalgesinnten Deutschen. Das deutsche Volk für diese Aufgabe zu einigen - das will die deutsche Volksfront.

III. Die Lehren der Septemberkrise

Die Haltung des deutschen Volkes in den kritischen Tagen vor München beweist allen Zweiflern und Kleingläubigen, daß die Einigung des Volkes im Kampfe gegen den Krieg die günstigsten Voraussetzungen und die breiteste Grundlage hat. Seit dem Antritt des Hitlerregimes war dies das bedeutendste Ereignis im Leben des Volkes. In diesen Septembertagen und bei den Judenpogromen zeigte es sich, daß immer breitere Massen der Kriegs- und Rassenhetze des Regimes, diesen beiden Hauptinstrumenten der Hitlerpropaganda, die Gefolgschaft versagen.

Mit einer Einmütigkeit wie noch nie bildete sich in den Tagen vor München elementar die breiteste, aus allen Schichten bestehende, bis tief in die Nazianhängerschaft hineinreichende Friedensfront, die nicht nur den Krieg ablehnte, sondern in Bestürzung, Empörung und Feindschaft der abenteuerlichen Politik des Hitlerregimes gegenüberstand. Es zeigte sich, daß angesichts der Massenstimmung gegen den Krieg der Terror vielfach durchbrochen wurde und das Volk sich tagelang die Freiheit der Meinungsäußerung und der Diskussion selbst nahm. Gegenüber dieser mächtigen Massenstimmung, die große Teile der Nazianhänger unter ihren Einfluß brachte, waren die Goebbelspropaganda, der Terrorapparat der Gestapo und SS, der Apparat der NSDAP in den Betrieben und Massenorganisationen in der Defensive.

Dieser Widerstand gegen den Krieg äußerte sich in den vielfältigsten Formen in einer Breite und Gleichzeitigkeit, wie sie bisher unter dem Hitlerregime noch nicht vorhanden waren. In den Betrieben diskutierten die Arbeiter in Gruppen und ließen in zahlreichen Fällen die Maschinen langsamer laufen. Es gab vereinzelte Fälle von Arbeitsunterbrechungen, eigenmächtiges Ausfahren der Belegschaften aus der Grube, Zusammenströmen in den Kantinen; in einer Anzahl von großen Kriegsbetrieben gab es bewußt hervorgerufene Maßnahmen zur Verlangsamung und Störung der Produktion. Die aktivsten antifaschistischen Arbeiter organisierten Flüsterparolen gegen den Krieg und das Hitlerregime, vertrieben Handzettel, schrieben Losungen an, und in einigen Fällen hielten besonders beherzte Arbeiter kurze Ansprachen und organisierten kleine Friedenskundgebungen.

Eine besondere Rolle spielten dabei die Frauen, die in den Häusern, auf den Straßen, auf den Märkten und in den Geschäften, beim Abschied von ihren mobilisierten Söhnen und Männern auf den Bahnhöfen, in den Luftschutzversammlungen ihre Kriegsgegnerschaft offen zum Ausdruck brachten und ein sehr wichtiger Faktor in der Schaffung der Volksstimmung gegen Hitlers Kriegspolitik waren.

Die gemeinsame Gefahr ließ Arbeiter und Mittelstand eine gemeinsame Sprache der Verständigung und Übereinstimmung gegen den Krieg finden.

In den Dörfern äußerte sich die Kriegsabneigung der Bauern in zähen Versuchen der Widersetzung gegen die Requirierung ihrer Pferde und Wagen.

Auch in den Kreisen des Bürgertums und sogar im Offizierskorps gab es viele Stimmen, die es als Wahnsinn bezeichneten, bei einer solchen Volksstimmung Deutschland dem Risiko eines Krieges gegen die größten Mächte der Welt auszusetzen.

Es zeigte sich, daß überall dort, wo Antifaschisten mit Initiative und Kühnheit die günstige Massenstimmung ausnutzten, der Widerstand am größten war und höhere Formen annahm. Angesichts der drohenden Kriegsgefahr zeigte sich die ganze Schwäche und Verwundbarkeit des Regimes. Die klarblickenden Antifaschisten erkannten den sich immer mehr erweiternden Gegensatz zwischen dem Kriegswillen des Regimes und dem Friedenswillen des Volkes. Auf Grund dieser Erfahrungen, die die Voraussage der Kommunisten über die Entwicklung vollauf bestätigen, müssen alle Antifaschisten den Schluß ziehen, daß es im Kampfe um den Frieden und um die Freiheit möglich ist, das Volk zu sammeln, für ein immer aktiveres Auftreten zu gewinnen, das Regime zu unterhöhlen und Hitler zu stürzen.

Der zähe und heldenmütige Kampf, vor allem der Kommunisten, gegen den Krieg und die Nazidiktatur hat wesentlich dazu beigetragen, daß es Hitler nicht gelang, das Volk in Kriegsstimmung zu versetzen, sondern daß sich eine breite Opposition des Volkes gegen den drohenden Krieg entwickelte.

Indem die Berner Konferenz der KPD dies feststellt, solidarisiert sie sich auch gleichzeitig mit den Auffassungen vieler Kommunisten und Antifaschisten, die aus den Septembertagen die Lehre ziehen, daß bereits viel mehr hätte getan werden müssen und hätte getan werden können. Es ist die Aufgabe einer revolutionären Partei, rücksichtslos alle Schwächen aufzudecken, um aus ihnen die Lehren für die schnellere Entwicklung des Kampfes der gesamten antifaschistischen Front zu ziehen. Dies ist um so dringender, da angesichts der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung das deutsche Volk überraschend schnell wieder vor ähnlichen oder noch kritischeren Situationen und Entscheidungen als in den Septembertagen stehen kann.

Die entscheidende Schwäche war die noch vorhandene Zersplitterung der antifaschistischen Kräfte, die verhinderte, daß die elementare Massenstimmung und Massenopposition gegen den Krieg zum aktiven Massenwiderstand gegen das Hitlerregime entwickelt werden konnte. Die Septembertage fanden vor allem die Arbeiterklasse noch selbst unvorbereitet, sich an die Spitze der großen Opposition im Volk gegen die Kriegspolitik Hitlers zu stellen. Die Antifaschisten müssen aus diesen Erfahrungen die Schlußfolgerung ziehen, daß die Schaffung der Einheitsfront aller Arbeiter und die Zusammenfassung aller Hitlergegner in der Volksfront die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Kampf um den Frieden und zum Sturze des Hitlerregimes sind.

Es zeigte sich gerade in diesen Tagen die ganze Gefährlichkeit der von der KPD seit jeher bekämpften falschen Orientierung vieler Hitlergegner, darunter leider auch mancher Kommunisten, daß der Sturz Hitlers nur durch den Krieg möglich sei. Diese falsche Einstellung trug sehr viel dazu bei, daß viele Antifaschisten in diesen Tagen unvorbereitet waren, die breite Massenstimmung gegen die Kriegsgefahr und gegen Hitler auszunützen und sich an die Spitze der von Kriegsfurcht erfüllten Massen zu stellen, um sie in eine aktive Massenbewegung gegen das Hitlerregime zu führen.

Die schnell wechselnde Situation in den Tagen zwischen Godesberg[4] und München ebenso wie die Absetzung von Schacht, die Judenpogrome und die Absetzung der Generale am 4. Februar 1938[5] lehren, daß die Antifaschisten die Fähigkeit entwickeln müssen, sich schnell auf die in immer kürzeren Abständen folgenden krisenartigen Situationen einzustellen, um die Massen orientieren und die der Lage entsprechenden Maßnahmen zur Steigerung des Kampfes anwenden zu können.

Mit der Entwicklung der Volksbewegung gegen den Krieg wird dieser Widerstand die vielfältigsten Formen annehmen, angefangen von der Auslösung von Massendiskussionen, der Bildung von Diskussionsgruppen in den Betrieben und auf den Straßen, dem Zusammenströmen der Arbeiter zu Betriebsversammlungen, der Verbrüderung der Volksmassen auf den Straßen und Plätzen mit den mobilisierten Soldaten gegen den Krieg - bis zu Straßendemonstrationen, Streiks der Betriebe und den ersten gewaltsamen Auseinandersetzungen des Volkes mit der verhaßten Gewaltherrschaft. Die Kommunisten und Antifaschisten müssen klar diese Entwicklung vor Augen haben, ihre ganze Arbeit in dieser Richtung orientieren, aufs innigste die Massenstimmung und den Grad der Kampfbereitschaft der Massen kennen und in Situationen der rasch wachsenden Massenempörung und der Kampfbereitschaft bereit sein, die Lage voll auszunutzen.

An Hand der Septembererfahrungen muß endlich jeder Kommunist, jeder Antifaschist, der erfolgreich Massen beeinflussen und in den Kampf führen will, verstehen, von welch ungeheurer Bedeutung es in der Septemberkrise gewesen wäre und erst recht in der Zukunft sein wird, daß die Antifaschisten fest mit den Massen in den Organisationen der DAF[6], im Luftschutz, in den Sportorganisationen, in der NSV, in den Bauern- und Mittelstandsorganisationen, in der Hitlerjugend, in den Wehrmannschaften und in der Armee verbunden sind und überall legale Stützpunkte und ein Netz von Verbindungen und Vertrauensleuten aufgebaut haben. Denn sie bieten unter den gegebenen Bedingungen die besten Möglichkeiten zur Durchführung einer erfolgreichen Massenpolitik. Für den Fall, daß es zum Kriege kommt, erleichtern sie auch den Hitlergegnern durch die feste Verbundenheit mit den Massen an der Front und im Hinterland die Fortsetzung ihres Kampfes mit allen Mitteln bis zum Sturz des Regimes.

IV. Die Volksfront - der Weg zum Sturz Hitlers

Die Berner Konferenz der KPD stellt mit tiefster Besorgnis fest, daß die Zusammenfassung der antifaschistischen Kräfte in der Volksfrontbewegung in keiner Weise den Notwendigkeiten und Möglichkeiten entspricht.

Das Hitlerregime kann immer noch über die Uneinigkeit seiner Gegner, zu denen sich aus allen Schichten des Volkes immer neue gesellen, triumphieren. Noch immer kann es Gegensätze aus der Vergangenheit und weltanschauliche Differenzen zwischen seinen Gegnern ausnutzen, um nach dem Grundsatz "Teile und herrsche" seine Macht aufrechtzuerhalten. Noch immer verhindern enge Partei- und Gruppeninteressen, Spekulationen auf "Revolution von oben", auf Militärdiktatur, auf Koalitionspolitik, die schon unter Weimar Bankrott gemacht hat, sowie der planmäßig gezüchtete "Kommunistenschreck" die Einigung aller Hitlergegner.

Das ZK der KPD wiederholt ausdrücklich vor allen Sozialdemokraten, Katholiken, Demokraten, vor allen verantwortungsbewußten Deutschen, daß die Politik der Kommunistischen Partei Deutschlands fest und gradlinig darauf gerichtet ist, in engster Gemeinschaft mit allen fried- und freiheitliebenden Deutschen Hitler zur stürzen und an die Stelle der Hitlerdiktatur eine vom ganzen Volk frei gewählte Volksregierung in einer neuen, demokratischen Republik zu setzen.

Die Berner Konferenz der KPD erklärt, daß die Rettung Deutschlands vor der Katastrophenpolitik des Hitlerregimes die Unterordnung der Sonderinteressen aller Hitlergegner unter das Gesamtinteresse der deutschen Nation erheischt.

Die Septembertage und die Judenpogrome haben gezeigt, wie der Wunsch nach Frieden und wie der Abscheu gegen die Kulturbarbarei die breitesten Massen des Volkes elementar verbinden. Die steigenden Lasten der Kriegswirtschaft, die anwachsende Furcht vor der Inflation öffnen den Bauern und dem Mittelstand die Augen darüber, daß nicht die Arbeiterklasse, nicht die Gewerkschaften, nicht der Marxismus sie ruinieren und ihre Feinde sind, sondern das Hitlerregime, die schrankenlose Herrschaft der Trusts und Rüstungsindustriellen. Diejenigen Deutschen, die aus berechtigtem Haß gegen das Diktat von Versailles sich täuschen ließen und in Hitler den Befreier Deutschlands aus der nationalen Unterdrückung zu sehen glaubten, beginnen nun zu erkennen, daß seine Politik Deutschland in die Katastrophe eines Krieges führt. Die Sorge vor den Konsequenzen dieser Politik geht bis in das Offizierskorps und in die Spitze der Armee. Die Furcht vor der Wirtschaftskatastrophe verbreitet sich in immer breiteren Schichten des Bürgertums. Viele Nazianhänger, die der antikapitalistischen Demagogie des Hitlerregimes zum Opfer fielen, spüren jetzt am eigenen Leibe, daß es noch niemals in der Geschichte Deutschlands eine so schrankenlose Herrschaft der größten Kapitalisten gab wie unter Hitler. Unter allen Schichten des Volkes wächst die Sorge über die Zerstörung der Familie und um die von Hitler so schändlich mißbrauchte Jugend. Die Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler erleben mit steigendem Entsetzen den Niedergang der Literatur, der Kunst, der Wissenschaft und der Erziehung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Jene, die zuerst glaubten, daß man sich mit dem Hitlerregime verständigen könne, weil es ja "nur gegen die Kommunisten" ginge, haben die Erfahrung machen müssen, daß der Kampf Hitlers gegen den Kommunismus der Vorwand war, um die gesamten Freiheiten des Volkes, die Freiheit der Meinung, der Religion, der Wissenschaft, der Kunst barbarisch zu unterdrücken. Sie beginnen daher jetzt leichter zu verstehen, daß jeder seine Freiheit nur im gemeinsamen Kampf aller Schichten des Volkes gegen Hitler wiedererringen kann.

Vor allem aber haben große Kreise der Arbeiter erkannt, daß die Arbeiterklasse ihre Einigkeit herstellen und den übrigen Volksschichten die Hand zum Kampf gegen den gemeinsamen Feind reichen muß.

Diese in allen Schichten des Volkes anwachsende Opposition und die zunehmenden Widerstandsbewegungen gegen das Hitlerregime zu einer breiten einheitlichen Volksbewegung zusammenzufassen und weiterzuentwickeln - das ist die entscheidende Aufgabe aller Anhänger der deutschen Volksfront.

Die Berner Konferenz der KPD stellt daher vor alle Antifaschisten, insbesondere vor die Kommunisten, die sich für die Schaffung der Volksfront besonders verantwortlich fühlen müssen, folgende Hauptaufgaben:

Entwicklung der intensivsten, in allen Schichten des Volkes zu führenden Propaganda für den Frieden, für die freiheitlichen und materiellen Forderungen, für die Solidarität der Hitlergegner untereinander, für die Einigung des deutschen Volkes in der Volksfront, für den Kampf um eine neue, demokratische Republik.

Gegenseitige Unterstützung, Rat und Hilfe in den Widerstandsbewegungen der einzelnen Schichten und Entwicklung ihres gemeinsamen Kampfes. Die Arbeiter müssen systematisch die engste Verbindung mit den Bauern, Mittelständlern und Intellektuellen entwickeln.

Eine der dringendsten Aufgaben aller Antifaschisten ist es, der weiteren Vergiftung der deutschen Jugend durch den Nationalsozialismus entgegenzutreten und die Jugend für den Freiheitskampf des deutschen Volkes zu gewinnen. Ein erfolgreicher Kampf gegen den Krieg, gegen die braune Kulturschande und für die Freiheit verlangt unbedingt, daß die erwachsenen Antifaschisten ihre besondere Aufmerksamkeit der Jugend zuwenden und daß sie besonders in der Hitlerjugend alle Kräfte, Ansätze und Bewegungen, die sich gegen den Nationalsozialismus richten, unterstützen und entwickeln. Die Erwachsenen in den Betrieben müssen geduldig und systematisch die jungen Arbeiter und Lehrlinge aufklären und ihnen im Kampf um die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen beistehen. Die Eltern müssen geduldig und systematisch unter Ausnutzung der großen Geisteswerke der deutschen Vergangenheit ihre Kinder mit dem Geist der Ideale des Fortschritts, der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Humanismus erfüllen. Alle Hitlergegner müssen die Jugend über die Gendarmenrolle der großkapitalistischen Verderber Deutschlands aufklären und sie im Sinne des Freiheitskampfes des deutschen Volkes und der anderen Völker beeinflussen.

Die Gewinnung der Armee für die Sache des Volkes ist die Aufgabe aller Antifaschisten, der gesamten deutschen Volksfrontbewegung, an deren Durchführung die Arbeitskollegen, die Eltern, die Frauen und Bräute der Soldaten und Offiziere sich beteiligen müssen. Die Antifaschisten in der Armee müssen ein gutes kameradschaftliches Verhältnis zu ihren Kameraden herstellen, ihnen mit Rat und Tat ein Beispiel sein und auch Verbindungen zu jenen zahlreichen Unteroffizieren und Offizieren knüpfen, die in Opposition zur Politik des Hitlerregimes stehen. Im Kampfe des deutschen Volkes wird die Frage der Gewinnung der Armee von ausschlaggebender Bedeutung sein.

Der neue Erlaß Hitlers, der alle wehrfähigen Deutschen vom 17. Jahre an zur vor- und nachmilitärischen Erziehung in die SA zwingt, macht die SA jetzt zu einer der wichtigsten Organisationen der totalen Militarisierung. Die Antifaschisten müssen daher sofort beginnen, die Arbeit in ihr aufzunehmen, um die jugendlichen und erwachsenen Wehrfähigen für den Kampf an der Seite des Volkes zu gewinnen. Die wachsende Stimmung der Erbitterung und der Enttäuschung in den Reihen der Nazianhänger und insbesondere der im Betrieb stehenden SA-Männer bieten günstige Voraussetzungen zur Gewinnung dieser Schichten.

Die Antifaschisten dürfen der erbärmlichen Judenhetze des Regimes nicht die geringsten Konzessionen machen, sondern müssen überall der Judenhetze aufklärend entgegentreten, die Pogromisten im Volke isolieren und die jüdischen Mitbürger moralisch und materiell nach Kräften unterstützen. Der Kampf gegen den Antisemitismus ist untrennbar verbunden mit dem Kampf gegen den Krieg und zur Befreiung des ganzen Volkes vom Joch der Hitlerdiktatur.

Angesichts der Gefahr der wachsenden Katholikenverfolgungen ist es eine dringende Pflicht, den katholischen Leidensgefährten die Hand zum gemeinsamen Kampf zu geben und ihnen gegen Anschläge des Hitlerregimes auf ihren Glauben und ihre kirchlichen Einrichtungen mit allen Mitteln beizustehen. Die Kommunisten und die nichtkatholischen Antifaschisten müssen sich von allen sektiererischen Hemmungen gegenüber den Katholiken befreien und die engste Kampfgemeinschaft mit den früheren Anhängern des Zentrums und der christlichen Gewerkschaften herstellen. Kein Kommunist und kein Antifaschist darf sich darin durch die Haltung einiger Bischöfe und katholischer Politiker beirren lassen, die die verhängnisvolle Politik des sogenannten Zweifrontenkrieges "gegen Faschismus und Bolschewismus" trotz all der gemachten schlechten Erfahrungen fortsetzen; eine Politik, die wie das Beispiel Innitzer[7] zeigt, zu katastrophalen Folgen für die Katholiken führt.

Die wachsende Sorge der Frauen um das Schicksal ihrer durch einen Krieg bedrohten Söhne, Männer und Angehörigen; die schwere Belastung der Frauen durch ihre massenhafte Einbeziehung in die Kriegsindustrie; die zunehmenden Schwierigkeiten, die ihnen die Lebensmittelknappheit, die furchtbare Ausbeutung ihrer Männer, deren Verschickung zu Festungs[bau]arbeiten und zu weit entfernten Arbeitsstellen verursachen, führen zu einer ständig anwachsenden Gärung in den Massen der deutschen Frauen. Diese Entwicklung erleichtert die Einbeziehung der Frauenmassen in den antifaschistischen Kampf. Es ist die Aufgabe der Antifaschisten und besonders der Kommunisten, der Arbeit unter den Frauen die größte Aufmerksamkeit zu widmen und ihnen in den Betrieben und Massenorganisationen (besonders im Luftschutz und in der NSV) zu helfen, die geeigneten Methoden des Widerstandes zu entwickeln.

V. Die neue, demokratische Republik

Auf Grund der ganzen letzten Entwicklung wächst nicht nur die Opposition gegen einzelne Maßnahmen des Hitlerregimes, sondern die Stimmung "Hitler muß weg - so kann es nicht weitergehen - es gibt keine Ruhe, solange die am Ruder sind" verbreitet sich im Volk. In allen Schichten wächst die Sehnsucht nach einem Regime und einer Regierung, unter der man nicht immer in ständiger Furcht vor dem Ausbruch des Krieges, vor der Gestapo, vor neuen, das ganze Leben umstürzenden Maßnahmen bangen muß und in der man mit Zuversicht der Zukunft entgegensehen kann.

Aber es besteht noch wenig Klarheit darüber, was nach Hitler kommen soll. Die Verschiedenheit der Auffassungen und Meinungen ist zweifellos ein großes Hemmnis für die Zusammenfassung aller oppositionellen Kräfte in der Volksfrontbewegung. Die Schaffung einer einmütigen Meinung darüber, was nach Hitler kommen soll, und die Verständigung über ein gemeinsames Programm für das neue Regime ist daher eine dringende Aufgabe aller Hitlergegner. Diese Verständigung ist nicht nur eine Angelegenheit für die Zukunft, sondern würde helfen, die Einigung aller Hitlergegner zum gemeinsamen heutigen Kampf gegen die Nazidiktatur herbeizuführen. Sie würde helfen, breite Schichten, die infolge der Zersplitterung keinen Ausweg sehen, zu ermutigen und der Bewegung der Millionen Hitlergegner Richtung und Ziel zu geben.

Die der Verwirklichung dieser Einheitlichkeit entgegenstehenden Anschauungen und Vorstellungen unter den Hitlergegnern können und müssen geklärt werden:

Die neue, demokratische Republik wird nicht, wie die Nazipropaganda es den Massen immer wieder einzureden versucht, ein "schwaches Deutschland" und ein "Deutschland des Chaos" sein. Das befreite Deutschland, das sich stützt auf die Einigkeit und Freiheit seines Volkes und die Kraft seiner Volksarmee, im Bunde mit der Sowjetunion und mit den Völkern Frankreichs, Englands, Amerikas und mit allen fried- und freiheitliebenden Kräften in der Welt, wird ein starkes und allgemein geachtetes Deutschland sein, das die deutsche Nation wieder zu Ehren in der Welt bringen wird. Ein solches Deutschland allein ist der Ausweg aus dem Chaos, das die Kriegswirtschaft, die Kriegspolitik, die barbarische Diktatur des Hitlerregimes über Deutschland bringen.

Von vielen Arbeitern wird eine neue, demokratische Republik mit der Begründung abgelehnt, daß eine solche die Wiederholung der Weimarer Koalitionspolitik von 1918 bis 1933 wäre, die den großen Trusts, den reaktionären Großkapitalisten und Großgrundbesitzern die Errichtung der faschistischen Herrschaft ermöglichte. Auch sehen noch viele revolutionäre Arbeiter in der Losung der neuen, demokratischen Republik den Verzicht auf den Kampf um den Sozialismus.

Die neue, demokratische Republik wird aber, im Gegensatz zur Weimarer Republik, den Faschismus mit der Wurzel ausrotten, ihm seine materielle Basis durch die Enteignung des faschistischen Trustkapitals entziehen und sich, wieder im Gegensatz zur Weimarer Republik, in der Armee, der Polizei und im Beamtenapparat zuverlässige Verteidiger der demokratischen Freiheiten und der demokratischen Volksrechte schaffen. In der neuen, demokratischen Republik wird, im Gegensatz zu Weimar, nicht die Großbourgeoisie, gedeckt durch eine Koalition mit einer Arbeiterpartei, ihre wirtschaftlichen und politischen Anschläge gegen das Volk richten können, sondern die einige Arbeiterklasse, vereint mit den Bauern, dem Mittelstand und der Intelligenz in der Volksfront, wird das Schicksal des Landes bestimmen.

In einem Volksfrontdeutschland wird die einige Arbeiterklasse im Bündnis mit den übrigen werktätigen Schichten auch leichter solche Anschläge gegen die Volksfront, wie sie in Frankreich geschehen sind, zurückschlagen können, weil die großkapitalistischen, profaschistischen Kräfte, auf deren Druck in Frankreich diese Anschläge durchgeführt wurden, mit der Wurzel beseitigt sein werden.

Die Politik der Volksfront und die Schaffung einer neuen, demokratischen Republik bedeuten nicht den Verzicht der Arbeiterklasse auf den Kampf um den Sozialismus. In einem Volksfrontdeutschland werden die sozialistischen und kommunistischen Arbeiter und ihre Organisationen die volle Freiheit haben, die Mehrheit des Volkes für das sozialistische Ziel zu gewinnen.

Ein weiteres großes Hemmnis in der Einigung der Hitlergegner in der Volksfront ist die Furcht mancher kirchlichen, besonders katholischen Kreise über das Schicksal der Kirche in einem zukünftigen Volksfrontdeutschland. Aber ebenso, wie heute katholische und marxistische Arbeiter gemeinsam gegen denselben Feind kämpfen und einander beistehen, wird der Kirche, die auf seiten des Volkes steht, die nicht, wie in Francospanien, an der Seite der schwärzesten Reaktion einen erbarmungslosen Krieg gegen das eigene Volk führt, die nicht, wie im alten Rußland, auf Gedeih und Verderb mit dem Zarismus verbunden war, von einem Volksfrontdeutschland nicht nur keine Gefahr drohen, sondern sie wird von der Gefahr der Vernichtung durch den Faschismus gerettet sein. Die neue, demokratische Republik wird die Gewissensund Glaubensfreiheit und den Schutz des Eigentums der Kirche garantieren.

Die ablehnende Stellung zur Schaffung der deutschen Volksfront, vor allem von seiten des Parteivorstandes der SPD und einer Reihe ehemaliger bürgerlicher Politiker in der Emigration, ist zum Teil aus der Spekulation auf die Ablösung des Hitlerregimes durch eine Militärdiktatur oder eine Koalition alten Stils zu erklären. Obzwar aber zweifellos die Opposition gegen das Hitlerregime im Lager des Bürgertums und der Armee wächst, so muß doch Klarheit darüber herrschen, daß der Grad der Zersetzung des Hitlerregimes von oben entscheidend von der Stärke der Volksbewegung abhängt. Die deutsche Volksfront ist bereit, ungeachtet aller verschiedenen Auffassungen darüber, was nach Hitler kommen soll, mit allen Kräften zusammenzugehen, die im Hitlerregime ein Unglück für Deutschland sehen und es beseitigen wollen. Aber die deutsche Arbeiterklasse wird, gestützt auf die Erfahrungen der Rolle der "Militärdiktatur" Hindenburg-Noske 1918, Hindenburg-Hitler 1933, Blomberg-Hitler am 30. Juni 1934, sich durch kein anderes Regime irreführen und von der Erkämpfung einer wahren demokratischen Republik abhalten lassen.

Als Argument gegen die deutsche Volksfrontbewegung wird oft darauf hingewiesen, daß es unter der Hitlerdiktatur - im Unterschiede zu Frankreich und Volksfrontspanien - keine legalen Parteien und Organisationen gebe. Aber aus dieser Tatsache kann allein der Schluß gezogen werden, daß die Volksfrontbewegung unter der Hitlerdiktatur andere Formen der Organisation entwickeln muß. Verbindungsstellen und Stützpunkte in den Massenorganisationen, Freundeskreise und Gruppen, die mannigfaltigsten Formen der Zusammenarbeit zwischen Arbeitern, Mittelstand, Intellektuellen, Bauern und allen Hitlergegnern werden sich im Verlaufe des Kampfes zu Organen der deutschen Volksfrontbewegung entwickeln.

Angesichts der Sonderbestrebungen und Hemmungen, die der Einigung der Hitlergegner noch im Wege stehen, stellt die KPD vor allen Hitlergegnern und dem gesamten deutschen Volk ein Programm über den Charakter der neuen, demokratischen Republik zur Diskussion, auf das sich alle Gruppen der Hitlergegner zum gemeinsamen Kampf einigen könnten. Die Grundforderungen dieses Programms sind folgende:

a) Aufhebung aller volksfeindlichen Gesetze. Persönliche und politische Freiheit für alle Bürger, ohne Unterschied der Herkunft, des Standes, der Rasse und der Religion; volle Glaubens- und Gewissensfreiheit; Freiheit der Organisationen, der Presse und Versammlung; Freiheit der Lehrtätigkeit, der wissenschaftlichen Forschung und künstlerischen Gestaltung; Wiederherstellung des freien, gleichen und direkten Wahlrechts; Selbstbestimmungsrecht für das österreichische Volk und für die Bevölkerung in allen von Hitler annektierten Gebieten.

b) Enteignung der faschistischen Trustkapitalisten. Durchführung einer Wirtschaftspolitik, die der Hebung des Volkswohlstandes und dem Frieden dient, an Stelle der heutigen wirtschaftszerstörenden Rüstungs- und Autarkiepolitik der nationalsozialistischen Diktatur. Schutz des bäuerlichen und mittelständischen Eigentums. Demokratische Bodenreform zugunsten der Bauern und Landarbeiter.

c) Sicherung einer Außenpolitik, die die Einheit und Unabhängigkeit Deutschlands und die Lebensrechte des deutschen Volkes in jeder Hinsicht gewährleistet und für die Erhaltung des Friedens im Geiste der Völkerverständigung wirkt.

d) Die neue, demokratische Republik wird die Schwächen der Weimarer Republik gegenüber der Reaktion nicht wiederholen, eine gründliche Demokratisierung des Staatsapparates durchführen und solche Maßnahmen zur Verteidigung der neu errungenen Freiheit treffen, die eine Wiederkehr der faschistischen Tyrannei ein für allemal unmöglich machen.

VI. Die Einheitsfront und die Schaffung der Einheitspartei der deutschen Arbeiterklasse

Die deutsche Arbeiterklasse war noch nicht geeinigt und daher auch nicht vorbereitet, um sich in den Septembertagen an die Spitze der elementaren Massenopposition gegen den Krieg zu stellen. Die Kommunisten und die aktivsten Kader der Sozialdemokraten haben daraus mit Recht die Lehre gezogen, daß die Ursache dafür vor allem an der Schwäche der sozialdemokratisch-kommunistischen Einheitsfront lag.

Im Lichte dieser Erfahrung und angesichts der Entwicklung der neuen Kriegsgefahr erweist sich die volle Richtigkeit der Feststellung des ZK der KPD in der Mairesolution, daß die Arbeiterklasse ihre historische Mission, die führende Kraft gegen das Hitlerregime zu sein, nur dann wird erfüllen können, wenn sie selbst einheitlich und geschlossen auftritt: "Somit ist die Herstellung der Einheit der deutschen Arbeiterklasse zur Lebensnotwendigkeit für das deutsche Volk und für die deutsche Zukunft geworden." (Mairesolution des ZK der KPD[8].)

Der Zusammenhalt der Arbeiter in den Betrieben, besonders zwischen den Kommunisten, Sozialdemokraten und ehemaligen Gewerkschaftern, ist auf Grund der Erfahrungen der letzten Monate gewachsen. Immer mehr wird alles Trennende zwischen den Arbeitern zurückgestellt. In den alltäglichen Diskussionen entwickelt sich ein kameradschaftlicher Geist und eine größere Gemeinsamkeit der Auffassungen.

Zur Abwehr der Rationalisierungsoffensive und der neuen Arbeits[zeit]verordnung, mit der der Versuch gemacht wird, den Zehn- und Zwölfstundentag für die deutschen Arbeiter als normalen Arbeitstag einzuführen, ist es notwendig, daß überall, besonders in den Betrieben der Rüstungsindustrie, das kameradschaftliche Verhältnis zwischen den Kommunisten und Sozialdemokraten verstärkt und ausgebaut wird. Sie müssen eine planmäßige, dauernde Zusammenarbeit herstellen, ihre Meinungen austauschen, um sich über die Einigung der Arbeiter zum Kampf in den Fragen der Löhne, der Arbeitszeit, der Arbeitsbedingungen, der Unfälle, der schlechten Lebensmittelversorgung und gegen das Spitzelwesen zu verständigen. Sie müssen gemeinsam die Naziarbeiter und insbesondere die Jugendlichen für diesen Kampf gewinnen. Es sollte keinen wichtigen Betrieb in Deutschland geben, in dem nicht Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter gemeinsam einen systematischen Widerstand gegen die ungeheuren neuen Anschläge auf die deutsche Arbeiterklasse organisieren und die organisatorischen Formen finden - von regelmäßigen Zusammenkünften bis zu gemeinsamen Einheitsfrontorganen -, um diese Zusammenarbeit zu sichern.

Die Organisierung eines solchen systematischen Widerstandes verlangt noch mehr als bisher die Einbeziehung der Vertrauensmänner und der betrieblichen DAF-Funktionäre in den Kampf gegen die Leistungssteigerungen, Arbeitszeitverlängerungen, Akkordverschlechterungen und für höhere Löhne. Dazu müssen auch alle DAF-Versammlungen und -Veranstaltungen sowie alle DAF-Einrichtungen ausgenutzt werden.

Viele Tausende Sozialdemokraten, Kommunisten, Gewerkschafter, Katholiken, parteilose Arbeiter arbeiten bereits eng in den Betrieben zusammen; aber Hunderttausende noch nicht. Die Kommunisten und auch die aktiven sozialdemokratischen Kämpfer haben noch keine genügenden Anstrengungen gemacht, um das große Heer aller ehemaligen Anhänger, das zum Teil noch Gewehr bei Fuß steht, in den täglichen Kampf einzubeziehen.

Die Entwicklung großer Bewegungen kommt nicht von selbst. Sie muß vor allem vorbereitet werden durch den tagtäglichen Kleinkampf, durch die Versuche, eine Abteilung, immer größere Teile eines Betriebes in die Bewegung einzubeziehen, bis es möglich sein wird, ganze Belegschaften in den Kampf zu führen.

Jeder erkämpfte Pfennig Lohnerhöhung, jede abgelehnte Rationalisierungsmaßnahme, jede Verlangsamung des Arbeitstempos, jede durchgesetzte Forderung auf bessere Lebensmittelversorgung erleichtert nicht nur die Lage der Arbeiter, sondern bedeutet auch gleichzeitig weniger Rohstoffe für die Kriegsrüstung, größere Hemmnisse der Kriegsvorbereitung und wachsende Schwierigkeiten für das Hitlerregime.

Je massenhafter ein solcher Guerillakrieg der Arbeiter geführt wird, je mehr er Hand in Hand geht mit der Bewegung des Mittelstandes, der Bauern, der kleinen Industriellen um weniger Steuern, um mehr Rohstoffe für den Konsum, um Viehfutter, zur Sicherung der Spareinlagen vor der Inflation, desto schneller wachsen die Schwierigkeiten des Regimes, wird die Rüstungsproduktion erschwert, das Regime geschwächt, das Heranreifen solcher Situationen beschleunigt, in denen die Bewegungen und Widerstände gegen die Diktatur breiter und mächtiger entfaltet werden können.

So ungeheuer wichtig aber als Ausgangspunkt die gemeinsame Zusammenarbeit in den materiellen Fragen in den Betrieben ist, so genügt die Verständigung über diese Fragen allein noch nicht, damit die Arbeiterklasse reif wird, das ganze Volk in den Kampf zum Sturz der Hitlerdiktatur zu führen. Daher ist die Verständigung zwischen den Arbeitern und besonders zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten über die Frage des ganzen Weges zum Sturz Hitlers, des Bündnisses der Arbeiter mit den übrigen werktätigen Schichten in der Volksfront, über die Frage, was nach Hitler kommen soll, über die nationale Aufgabe der Arbeiterklasse von entscheidender Bedeutung.

Der Sturz des Hitlerregimes kommt nicht durch einen automatischen Zusammenbruch. Es würde imstande sein, seine Politik weiter durchzusetzen und auch die sich entwickelnden schweren Krisen zu überstehen, wenn die Arbeiterklasse nicht einig und deshalb nicht fähig wäre, durch ihre Klarheit und durch das Beispiel ihres eigenen Kampfes die übrigen werktätigen Schichten zu ermutigen und mitzureißen, um dem Regime jeden Ausweg aus den wachsenden Schwierigkeiten zu versperren. Ein Großbetrieb zum Beispiel, der in den Septembertagen gestreikt hätte, eine Friedensdemonstration in einer großen Stadt wären ein aufrüttelnder Anstoß für die Mobilisierung des ganzen Volkes gewesen.

In solchen gemeinsamen Kämpfen wird sich die immer größere politische Übereinstimmung in den entscheidenden Fragen entwickeln. Es werden die Voraussetzungen wachsen, um endgültig die Spaltung der deutschen Arbeiterklasse zu beseitigen und die Sehnsucht der deutschen Arbeiter nach der Schaffung der einheitlichen Partei der deutschen Arbeiterklasse zu erfüllen.

Die Berner Konferenz weist nachdrücklich auf die Mairesolution des ZK der KPD hin:

"Wir Kommunisten sind überzeugt, daß im Prozeß des Kampfes gegen das Hitlerregime auch die einheitliche revolutionäre Partei der deutschen Arbeiterklasse geschaffen werden wird."[9]

Die Berner Konferenz der KPD ist der Auffassung, daß eine gemeinsame Aktionsplattform zum Sturze Hitlers und zur Schaffung einer neuen, demokratischen Republik die Grundlage dieser Vereinigung sein kann. Das ZK der KPD stellt die Frage der Schaffung der Einheitspartei zur Diskussion vor der gesamten deutschen Arbeiterklasse und fordert insbesondere die Kommunisten und Sozialdemokraten auf, sich dazu zu äußern, sich zu verständigen und, wo die Verständigung zwischen einer sozialdemokratischen Organisation und einer kommunistischen Organisation (Betrieb, Ort usw.) zur einheitlichen Auffassung erfolgt ist, auch einheitliche Organisationen der zukünftigen Einheitspartei der deutschen Arbeiterklasse zu schaffen.

Die Berner Konferenz der KPD wendet sich mit ihren Vorschlägen zur Schaffung der Einheitsfront und Einheitspartei auch an den Partei vorstand und die übrigen Führer der sozialdemokratischen Emigration. Die Lage erlaubt nicht, daß die Führer in der sozialdemokratischen Emigration, im Gegensatz zu dem wachsenden Einheitswillen der Arbeiter im Lande, die wiederholten Einheitsfrontangebote der KPD ablehnen oder weiter mit Schweigen übergehen. Zweifellos tragen die Führer der sozialdemokratischen Emigration mit ihrer Politik des Abwartens und des Kampfes gegen die Einheitsfront eine große Schuld an der Schwäche der Einheits- und Volksfrontbewegung. Es ist die bedauerliche Tatsache zu verzeichnen, daß die Mehrheit der Führer der sozialdemokratischen Emigration selbst in den schicksalsschweren Septembertagen nicht zu bewegen war, zusammen mit den Kommunisten die Arbeiter und Werktätigen Deutschlands aufzufordern, gemeinsam gegen den Krieg zu arbeiten. Die KPD muß leider vor der ganzen deutschen Arbeiterklasse feststellen, daß der Parteivorstand der SPD die wiederholten Angebote der KPD auf die Herstellung der Einheitsfront gegen Hitler ohne jede Begründung abgelehnt hat.

Die fortgeschrittensten Arbeiter im Lande beginnen sich ein klares Bild über den Weg zum Sturz der Hitlerdiktatur zu machen. Sie lehnen die Aufrechterhaltung der Spaltung der Arbeiterklasse im Interesse einer Spekulation auf die Wiederaufnahme einer Koalitionspolitik mit der Großbourgeoisie ab. Die Aktionseinheit der deutschen Arbeiterklasse und die Einheitsfront zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten müssen sich gegen alle Feinde der Einheit durchsetzen.

VII. Die Rolle der KPD

Die wachsende Stimmung gegen den Krieg, wie sie sich in den Septembertagen zeigte, die Fortschritte im Zusammenhalt der Arbeiter in den Betrieben, das Anwachsen der Opposition gegen das Hitlerregime im Volk beweisen, daß die zähe, tapfere Arbeit der kommunistischen Kader im Lande, die Opfer, die sie bei diesem Kampf bringen, Früchte zu tragen beginnen.

Wo der Widerstand und die Einheit wachsen, wo neuer Mut die Menschen erfüllt, wo Klarheit über den Weg zum Sturze Hitlers und das gemeinsame Kampfziel entsteht, wo richtige Losungen als Flüsterzeitung durch die Massen gehen, wo Kreideinschriften, Handzettel und Flugblätter den Weg zeigen, da sagt das Volk mit Respekt: "Das sind die Kommunisten!"

Die Kommunistische Partei, die das Recht hat, stolz ·auf ihre heldenmütigen Kader zu sein, muß aber die Fortschritte in ihrer Arbeit messen an den großen entscheidenden Aufgaben: Verhinderung des Krieges, Sturz des Hitlerregimes, Rettung der deutschen Nation. Es ist offensichtlich, daß eine große Schere besteht zwischen der Zuspitzung der Lage und der Entwicklung der Aktionsfähigkeit der Partei zur Mobilisierung der Massen. Die Berner Konferenz zieht aus den zurückliegenden Erfahrungen die Lehre, daß es gilt, viel kühner die großen Probleme der deutschen Nation in der Partei zu klären und dem Volk zum Bewußtsein zu bringen, daß in entscheidenden Situationen die Partei fähig sein muß, ihre Politik rasch der sich verändernden Lage anzupassen, daß die aufgezeigten Schwächen, die in der Massenarbeit der Partei vorhanden sind, rasch behoben werden müssen.

Jeder Kommunist soll sich ernsthaft die Frage beantworten, warum die Partei zum Beispiel in den Septembertagen nicht fähig war, die günstige Lage auszunutzen und das Volk zum aktiven Massenwiderstand gegen die drohende Kriegsgefahr zu mobilisieren. Angesichts der schnellen Entwicklung der neuen Kriegsgefahr nach München muß die Partei, von oben bis unten, ihre Schwächen schnellstens beseitigen.

Die Hauptschwäche besteht in den langsamen Fortschritten bei der Herstellung der Einheit der Arbeiterklasse und der Einigung der Hitlergegner in der Volksfront. Die gesamte Tätigkeit der Kommunisten auf allen Gebieten muß der Lösung dieser Hauptaufgabe dienen. Jeder Kommunist, jede Parteiorganisation, jede Parteileitung muß die gesamte Tätigkeit unter diesen Hauptgesichtspunkten sorgfältig überprüfen.

Die Berner Konferenz der KPD ist völlig einverstanden mit der Kritik, die die Kader im Lande üben, daß die Kräfte der Partei noch nicht genügend zusammengefaßt, die Parteiorganisationen nicht genügend aufgebaut und nicht genügend in den Betrieben und Massenorganisationen verwurzelt waren, so daß die elementare Massenstimmung gegen den Krieg in nur unzulänglicher Weise zur Organisierung des Massenwiderstandes ausgenutzt werden konnte. Gute Beispiele des Widerstandes beweisen, von welcher Bedeutung die Parteiorganisationen und die Initiative von Parteileitungen zur Durchführung der Politik der Partei sind.

Die Berner Konferenz der KPD appelliert an jeden einzelnen Kommunisten, immer daran zu denken, daß er die Partei repräsentiert, daß es von seinem Verständnis für die Politik· der Partei, von seiner Treue zur Partei, von seiner Zähigkeit und Initiative abhängt, in welchem Maße und Tempo die Politik der Partei zum Gemeingut der Massen wird. Jeder Kommunist muß es als seine Pflicht betrachten, die noch nicht aktiven Genossen in die Arbeit einzureihen, Verbindungen mit anderen Antifaschisten herzustellen und zu helfen, Parteigruppen und Parteileitungen in den Betrieben und Massenorganisationen aufzubauen. Damit die Partei ihre großen Aufgaben erfüllen kann, muß unter strengster Einhaltung der Konspiration ein Netz von Parteiverbindungen, Parteileitungen und Stützpunkten im ganzen Land geschaffen werden. Denn zur Durchführung ihrer Politik braucht die Partei eine starke Organisation.

Jedes Mitglied der Partei muß die größte Wachsamkeit gegen das Eindringen der Gestapo, der Trotzkisten und aller anderen Partei feinde in die Parteiorganisationen entfalten. Die Berner Konferenz ruft die gesamte Partei auf, alles zu tun, um die trotzkistischen Agenten des Faschismus vor dem werktätigen Volk zu entlarven und dort, wo sie sich in die Reihen der Antifaschisten eingeschlichen haben, zu vertreiben und unschädlich zu machen.

Die Verbesserung der Schulungsarbeit im Geiste von Marx-Engels-Lenin, vor allem durch die Entwicklung und Anleitung zum Selbststudium, wird von immer größerer Bedeutung für die Kader und für jeden Kommunisten. Nur mit der Hilfe des Kompasses der ·revolutionären Theorie ist die Partei, jede Parteiorganisation, jeder Kommunist imstande, sich in den komplizierten Situationen zurechtzufinden, die ganze Lage und alle Tendenzen der Entwicklung rechtzeitig zu übersehen, den Ereignissen nicht hilflos gegenüberzustehen, sich durch keine Mißerfolge und Rückschläge kleinkriegen zu lassen und jede Möglichkeit für den Kampf auszunutzen. Ohne revolutionäre Theorie kann es auch keine revolutionäre Bewegung geben.

Stolz auf ihre heldenmütigen Kämpfer, vertrauend auf die Kraft der deutschen Arbeiterklasse und den Freiheitswillen des deutschen Volkes erwartet die Parteikonferenz von allen Kommunisten, daß sie mit Kühnheit, Zähigkeit und unbeirrbarem Siegesbewußtsein alle ihre Kräfte zur Lösung der gestellten Aufgaben einsetzen und im Befreiungskampfe des deutschen Volkes immer in den ersten Reihen kämpfen werden.

Die KPD sieht mit Stolz auf die vergangenen zwanzig Jahre Kampf im Interesse der deutschen Arbeiter und des deutschen Volkes zurück. Sie senkt ihre Fahnen im Gedenken an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, im Gedenken an die zahllosen Kämpfer, die ihr Leben für die große Sache der Befreiung der Menschheit opferten!

Die Berner Konferenz der KPD sendet heiße Grüße dem Führer der Partei, unserem geliebten Genossen Ernst Thälmann, in dessen Geist der Standhaftigkeit, der Treue, der nie versiegenden Zuversicht die Kommunisten ihre Arbeit durchführen.

Heiße Grüße auch den vielen anderen teuren Genossen in den Zuchthäusern und Konzentrationslagern. Wir geloben, daß wir nicht rasten noch ruhen werden, bis wir sie und alle Opfer des Hitlerregimes befreit haben.

Heiße Grüße den deutschen Freiheitskämpfern, die in den Internationalen Brigaden dem spanischen Volke im Kampfe um seine Freiheit zur Seite standen und damit zugleich die Freiheit und die Ehre des deutschen Volkes verteidigten.

Heiße Grüße all den zahllosen heldenmütigen antifaschistischen Kämpfern und Kämpferinnen in den Betrieben und Gruben, unter den Intellektuellen, unter dem Mittelstand und den Bauern, unter der Jugend und in der Armee!

 

 

 

 

 



[1]. Siehe "Resolution des ZK der Kommunistischen Partei Deutschlands zur Lage (Beschlossen am 14. Mai 1938). In: Die Internationale, Prag-Antwerpen, 1938, Nr. 5/6, S. 28‑40. Cf. den Text .

[2]. Am 19. Januar 1939 wurde Hjalmar Schacht von Hitler wegen seiner Kritik an der Rüstungs- und Finanzpolitik aus dem Amt des Reichsbankpräsidenten entlassen.

[3]. Die am 1. Januar 1939 in Kraft getretene Arbeitszeitverordnung gestattete es den Unternehmern, die Arbeitszeit je nach den Bedingungen der verschiedenen Industriezweige auf 10 bis 14 Stunden zu verlängern.

[4]. In Godesberg trafen Hitler und Chamberlain vom 22. bis 24. September 1938 zu Gesprächen zusammen. Hitler erklärte ultimativ, daß die faschistischen Truppen vom 26. bis 28. September in das Sudetengebiet einmarschieren würden. Am Schluß des Treffens nannte er den l. Oktober.

[5]. Am 4. Februar 1938 wurden der Reichskriegsminister Generalfeldmarschall Werner von Blomberg und der Oberbefehlshaber des Heeres Generaloberst Werner von Fritsch entlassen, Hitler ernannte sich selbst zum Obersten Befehlshaber der Wehrmacht und den General von Brauchitsch zum Oberbefehlshaber des Heeres. Das Motiv dieser Maßnahme lag darin, daß Blomberg und Fritsch dem von Hitler zur Zeit des Nürnberger Parteitages von 1936 angenommenen Planes eines baldigen Kriegs skeptisch gegenüberstanden.

[6]. Die Deutsche Arbeitsfront (DAF) wurde am 10. Mai 1933 gegründet. Sie sollte als neue einheitliche Organisation "durch Bildung einer wirklichen Volks- und Leistungsgemeinschaft, die dem Klassenkampfgedanken abgeschworen hat" die Interessen "aller schaffenden Deutschen" wahrnehmen. Die Vertreter der Großindustrie setzten sich gegen die Perspektive ein, daß die DAF sich zu einer Institution der Vertretung der Arbeiterinteressen entwickle. Das am 19. Mai 1933 angenommene Gesetz über Treuhänder der Arbeit schuf dann zur Regelung der Arbeitsverträge und zur "Aufrechterhaltung des Arbeitsfriedens" öffentliche Verwalter, was dem Wunsch der Unternehmer entgegenkam. Letzten Endes wurde der DAF ein Tätigkeitsbereich zugewiesen, der die Betriebe ausschloß. Die DAF zählte zwar 1942 25 Millionen Mitgliedern, aber mit 44 000 hauptamtlichen und 1,3 Millionen ehrenamtlichen Mitarbeitern war sie zu einer rein bürokratisch-zentralisierten Organisation geworden.

[7]Das Oberhaupt der katholischen Geistlichkeit in Osterreich, Kardinal Theodor Innitzer, rief am 12. März 1938, am Tag der Annexion Österreichs durch die Hitlerfaschisten, die Kirchengemeinden auf, einen Dankgottesdienst anläßlich des Einmarsches der faschistischen Wehrmacht in dieses Land abzuhalten. Am 27. März sprach sich Innitzer für eine freundschaftliche Zusammenarbeit der österreichischen Bischöfe mit den faschistischen Eroberern aus, die die "Gefahr des Bolschewismus" beseitigt hätten.

[8]Die Internationale, Prag-Antwerpen, 1938, Nr. 5/6, S. 36. Cf. Fußnote 1.

[9]Ebenda, S. 37.