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Berner Parteikonferenz der Kommunistischen Partei Deutschlands

Wilhelm Pieck

Referat:
Die gegenwärtige Lage und die Aufgaben der Partei

30. Januar 1939

 

 

Quelle:

Wilhelm Pieck: Gesammelte Reden und Schriften - Band 5 - Februar 1933 bis August 1939. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hg.), Berlin, Dietz, 1972. S. 575‑603.

Andere Quelle:

Klaus Mammach (Hg.): Die Berner Konferenz der KPD (30. Januar‑1. Februar 1939). Berlin, Dietz, 1974. S. 61‑91.

 

 

 

 

 

 

Erstellt: Januar 2013

Druckversion
KPD 1918 1945 - Inhalt

 

 

 

 

 

 

Unserer Tagung kommt eine sehr große Bedeutung zu. Es hat den Anschein, als ob wir kurz vor dem allgemeinen Weltkrieg stehen würden, hervorgerufen durch die frechen Provokationen des Hitlerfaschismus gegenüber den anderen Staaten. Es steht also vor uns die Aufgabe, zu beraten und zu beschließen, was die KPD tun muß, um den Krieg zu verhindern, oder, wenn das nicht gelingen sollte, was wir im Kriege zu tun haben, um ihn schnellstens zu beenden und den Frieden wiederherzustellen. Diese Aufgabenstellung zwingt uns, unsere ganze Aufmerksamkeit unserer künftigen Arbeit zuzuwenden und rückschauend die Mängel und Schwächen in unserer vergangenen Arbeit selbstkritisch zu behandeln. Wir werden also auf eine berichtsmäßige Darlegung unserer geleisteten Arbeit verzichten, um die kurze Zeit, die für unsere Tagung zur Verfügung steht, den auf Grund der Analyse der Lage vor uns liegenden Fragen des Kampfes und der kommenden Arbeit zu widmen.

Es sind heute auf den Tag sechs Jahre, daß über das deutsche Volk die Hitlerdiktatur aufgerichtet worden ist. Sechs Jahre eines schweren und opfervollen Kampfes liegen hinter uns. Was ist das Resultat unseres Kampfes? Haben wir die Opfer vergeblich gebracht? Hat sich die Herrschaft des Faschismus gefestigt, oder ist es uns gelungen, diese Herrschaft zu unterhöhlen? Können wir schon Schlußfolgerungen über ihre Lebensdauer ziehen?

Ich denke, daß wir feststellen und nachweisen können, daß sich die Konflikte zwischen den werktätigen Massen und dem Faschismus, deren Austragung den Sturz des Faschismus herbeiführen muß, schnell zuspitzen. Die Analyse der gegenwärtigen Lage in Deutschland zeigt durchaus krisenhafte Erscheinungen für den Faschismus. Es gelingt ihm immer weniger, den wachsenden Schwierigkeiten zu begegnen, und er muß zu Maßnahmen greifen, die das Mißtrauen und den Widerstand der Massen immer stärker hervorrufen. Dabei hängt sehr viel, wenn nicht alles davon ab, den Widerstand der Massen zu organisieren und ihm eine einheitliche Führung und ein einheitliches Ziel zu geben. Stellen wir also die Frage nach der Lebensdauer des Faschismus, so müssen wir sagen, daß die Beantwortung dieser Frage von der Schaffung einer einheitlichen Führung des Widerstandes der Massen abhängt. Das zeigt, auf welche Aufgabe die ganze Aufmerksamkeit der Massen gelenkt werden muß, wenn sie die Kraft; zum Sturz des Faschismus schaffen und diesen Sturz herbeiführen sollen.

Gerade die Vorgänge im September vorigen Jahres haben das ganz deutlich gemacht. Plötzlich trat auf Grund der unmittelbaren Kriegsgefahr der Widerstand der Massen gegen die Kriegspolitik des Hitlerfaschismus so offen hervor, daß nicht nur die Faschisten, sondern auch unsere Genossen im Lande davon überrascht wurden. Welche Möglichkeiten hätten sich aus dieser Situation ergeben können, den Widerstand in aktivere Formen zu lenken und damit das Selbstbewußtsein der Massen zu steigern, wenn schon eine einheitliche Führung des Widerstandes vorhanden gewesen wäre. Es hat sich klar gezeigt, daß es dem Faschismus weder mit seiner gerissenen nationalistischen Agitation gelungen ist, die Massen einzufangen, noch daß es ihm durch den Terror gelang, den Widerstand der Massen zu brechen. Mißtrauen und Widerstand gibt es sogar in Kreisen der Nazis, in Teilen der Bourgeoisie und der Armee. Die Autorität des faschistischen Regimes ist also bereits geschwächt und kann erschüttert werden. Die Entwicklung kann also in eine offene Krise des Faschismus umschlagen. Solche Möglichkeiten bestehen, und wir müssen dafür gerüstet sein. Wir müssen die Lage gut verstehen, um auf jede Veränderung sofort reagieren zu können. Wir müssen die schwachen Punkte des Faschismus erkennen, um die Kräfte der Massen darauf zu konzentrieren, gegen sie den Stoß zu führen. Hätten wir im September die Lage besser verstanden, so hätten wir sie viel besser ausnutzen können, um den Widerstand der Massen gegen die Kriegspolitik des Hitlerfaschismus, gegen seine Kriegswirtschaft und gegen das faschistische Regime aktiver zu gestalten. Wir müssen also sehr ernste Lehren daraus ziehen.

Welches sind die hervorstechenden Merkmale der gegenwärtigen Lage in Deutschland, und welche Entwicklung können wir feststellen? Das sind

1. die akute Kriegsgefahr, die durch die provokatorische Außenpolitik des Hitlerfaschismus hervorgerufen worden ist und die das deutsche Volk über Nacht in den Krieg hineinreißen kann;

2. die zunehmende Deformierung der Wirtschaft und die Zerrüttung der Finanzen des Staates infolge der Kriegswirtschaft;

3. immer größere Teile des Volkes werden sich der sich daraus für die deutsche Nation ergebenden Gefahren bewußt und wenden sich gegen diese Politik und die wirtschaftlichen Maßnahmen des Faschismus. Das sind vor allem die werktätigen Massen, deren Lebensunterhalt und Existenz immer mehr zerrüttet und vernichtet wird, das sind aber auch erhebliche Teile der Bourgeoisie und der Armee. Die Generalsabschiebung am 4. Februar vorigen Jahres[1] und die jetzt erfolgte Ausbootung Schachts[2] sind Zeichen für Differenzen in der Bourgeoisie über die Politik und Wirtschaft des Hitlerfaschismus, vor allem über seine provokatorische Kriegspolitik.

Aus diesen drei Hauptmerkmalen der gegenwärtigen Lage kann sich sehr schnell eine Krise des Faschismus ergeben, wobei natürlich der Widerstand der Massen der entscheidende Faktor ist. Dieser Widerstand wird um so stärker anwachsen, je klarer die Massen die faschistische Politik verstehen, deren Zusammenhänge und Auswirkungen auf ihre Lebenshaltung begreifen. Ein wesentlicher Faktor zur Mobilisierung der Massen ist also unsere Aufklärungsarbeit unter den Massen, wobei wir immer die wichtigsten und die Massen zutiefst berührenden Merkmale in den Vordergrund stellen müssen.

Ich will hier, um die Zeit unserer Tagung nicht zu sehr in Anspruch zu nehmen, nicht wiederholen, was wir in unseren Zeitschriften und Zeitungen über die Kriegspolitik des Hitlerfaschismus geschrieben haben. Ich setze das in diesem Kreise als bekannt voraus. Einiges wird auch noch in den Ergänzungsreferaten dargelegt werden. Wichtig ist vor allem, daß wir in den Massen den Schwindel Hitlers entlarven müssen, daß er den Frieden will. Wir müssen den engen Zusammenhang aufzeigen, der zwischen der Politik des Hitlerfaschismus und den Interessen seiner Auftraggeber, dem Trustkapital, besteht.

Wir müssen viel stärker als bisher in unserer Agitation die Rolle des Trustkapitals und den Kampf gegen diesen Teil der Bourgeoisie in den Vordergrund stellen. Das soll keine Entlastung des Hitlerfaschismus sein, vielmehr müssen wir beide als eine Einheit behandeln. Wir müssen aufzeigen, daß der Hitlerfaschismus nicht eine Politik zugunsten der deutschen Nation, sondern nur zugunsten der relativ kleinen Oberschicht der Bourgeoisie, des Trustkapitals, führt, daß er ein Knecht dieser großkapitalistischen Schicht ist. Wir müssen die antikapitalistischen Stimmungen in den Massen sehr stark fördern, um in ihnen den Willen zum Sozialismus zu wecken und zu entfalten. Die Begünstigung des Trustkapitals durch den Hitlerfaschismus liegt so offen vor den Massen, daß es uns nicht schwerfallen dürfte, den Widerstand dagegen zu entwickeln. Das trifft gerade auf die Kriegspolitik des Hitlerfaschismus zu. Es gibt nur eine kleine Schicht im deutschen Volk, die ein Interesse am Krieg, an der Eroberung und Unterjochung anderer Völker hat, das ist das Trustkapital, der "reaktionärste, am meisten imperialistische und chauvinistische Teil der deutschen Bourgeoisie"[3]. Natürlich ist dieser Drang zu imperialistischen Eroberungen auch in anderen Teilen der deutschen Bourgeoisie vorhanden, aber das Trustkapital als der mächtigste Teil der Bourgeoisie treibt mit aller Macht zum Krieg, weil es von ihm einen Ausweg aus den Schwierigkeiten im Lande, eine Abdrosselung der Widerstandsbewegung und enorme Reichtümer für sich erwartet. Es ist eine wahre Abenteurerpolitik, die das Trustkapital betreibt, und der Hitlerfaschismus ist ihm dafür gerade das geeignete Werkzeug. Das hat also nicht das geringste mit der Wahrung der nationalen Interessen des deutschen Volkes zu tun, sondern steht diesen Interessen kraß entgegen.

Diesen Gegensatz zwischen der Politik des Hitlerfaschismus und den Interessen der deutschen Nation müssen wir in unserer Agitation sehr stark herausarbeiten. Das haben wir bisher wenig oder gar nicht getan und es dadurch Hitler erleichtert, sich als Beschützer der deutschen Nation auszugeben. Wir sollen uns ebensowenig scheuen, das Wort Nation zu verwenden wie das Wort Volk. Wir wollen damit nicht die bestehenden Klassengegensätze innerhalb der Nation vertuschen, sondern zeigen damit gerade den Gegensatz auf, der zwischen den nationalen Interessen des Volkes und den Interessen seiner Beherrscher und Unterdrücker, dem Trustkapital und dem Hitlerfaschismus, besteht. Wir müssen an Hand ihrer Politik nachweisen, wie dadurch die nationalen Interessen des deutschen Volkes geschädigt werden, wie das Ansehen der deutschen Nation herabgewürdigt, wie die Einheit der Nation zerstört werden wird und wie sie mit ihrer Kriegspolitik die Existenz der Nation geradezu aufs Spiel setzen. Diese Hervorkehrung wird es uns erleichtern, den Massen verständlich zu machen, daß das Interesse der Nation gebietet, im Falle eines Krieges für die Niederlage des Faschismus einzutreten und zu kämpfen, daß das deutsche Volk sich seine nationale Freiheit und Unabhängigkeit nur sichern kann, wenn es sich von der Knechtschaft und den Kriegsprovokationen des Hitlerfaschismus befreit hat. Die Niederlage des Hitlerfaschismus und des Trustkapitals in einem von ihnen provozierten Krieg wird also zu keiner Niederlage des deutschen Volkes führen, wenn dieses im Krieg die Kraft findet, sich von ihnen zu befreien, und durch eine Verständigung mit den anderen Völkern den Krieg beendet. Das deutsche Volk wird die friedensgewillten Völker der anderen Länder, vor allem die starke Sowjetunion, an seiner Seite haben.

Wir müssen also zu den Massen sehr klar über die Frage des Krieges sprechen, weil sie durch die Kriegsprovokationen des Hitlerfaschismus immer dringlicher gestellt wird. Die Widerstandsbewegung gegen diese Provokationen wird dadurch gesteigert, und wir werden es dem Hitlerfaschismus erschweren, durch seine nationalistische und chauvinistische Hetze das deutsche Volk zu verwirren und in den Krieg hineinzureißen. Die Nation vor dem Untergang retten heißt also, ihre Verräter und Verderber, den Hitlerfaschismus und das Trustkapital, stürzen. Das ist die höchste nationale Tat in dieser Epoche. Gerade aus den Ereignissen der letzten Zeit und der Entwicklung in Deutschland können wir das den Massen sehr gut verständlich machen.

Nehmen wir nur die Ereignisse und die Entwicklung im letzten Jahr, seit der Annexion Österreichs und der Zerstückelung der Tschechoslowakei. Hitler operierte mit der Behauptung, daß diese Maßnahmen im Interesse der deutschen Nation lägen, daß er das deutsche Volk einigen und ihm das nationale Selbstbestimmungsrecht verschaffen wolle. Das Ergebnis dieses Anschlusses des österreichischen Volkes und der Sudetendeutschen an Hitlerdeutschland, ihre Versklavung durch den Hitlerfaschismus, widerlegt so deutlich die verlogenen Phrasen Hitlers, daß sie weder in diesen Ländern noch in Deutschland bei den Massen ernsten Glauben finden. Die Erdrosselung jeder Freiheit und das wirtschaftliche Ergebnis dieser Maßnahmen stehen dem entgegen. Die im Land weitverbreitete Auffassung, wir sind größer, aber ärmer geworden, zeigt, daß diese Eroberungen für das deutsche Volk keinen Nutzen, sondern nur Schaden gebracht haben. Aber wozu hat dann Hitler diese Eroberungen unternommen, die das deutsche Volk dicht an den Abgrund eines Krieges gebracht haben? Hitler wird darüber in seiner heutigen Rede im sogenannten deutschen Reichstag dem deutschen Volk und der Welt vieles vorgaukeln, um zu verbergen, daß die Kriegsrüstungen, die fortgesetzten Kriegsprovokationen und der Krieg gegen das spanische Volk nur im Auftrag und im Interesse des deutschen Trustkapitals durchgeführt werden, das dabei unerhörte Gewinne macht und seine Herrschaft über andere Völker ausdehnen will, um auch sie auszuplündern und zu unterjochen.

Die Kriegspolitik des Hitlerfaschismus wirkt sich am furchtbarsten in der Deformierung der deutschen Wirtschaft und der Finanzen des Reiches aus. Wenn Hitler, wie er wieder in seiner heutigen Rede besonders hervorheben wird, den Frieden will und nach der Okkupation der Tschechoslowakei keine weiteren territorialen Ansprüche in Europa mehr hat, wozu dann die Fortsetzung der ungeheuren Aufrüstung, die fast alle Mittel des Staates auffrißt und ihn in immer tiefere Schulden stürzt? Keiner von den anderen Staaten will Deutschland angreifen. Im Gegenteil, wir haben gesehen, wie sie ‑ mit Ausnahme der UdSSR ‑ vor dem Hitlerfaschismus kapitulieren. Wozu muß das deutsche Volk den Verbrauch an Butter, Eiern, Fett, Fleisch, Kaffee einschränken, schlechtes Brot verzehren und sich mit Ersatzstoffen bekleiden? Die erforderliche Einfuhr von Lebensmitteln und Baumwolle wird immer mehr eingeschränkt und die dafür erforderlichen Devisen werden zur Einfuhr von Rohstoffen für die Kriegsindustrie verbraucht.

Die Autarkiepolitik des Faschismus wirkt sich sehr nachteilig gerade auf die Lebenshaltung der werktätigen Massen aus, denen eine mangelhafte Ernährung und die schlechteste Versorgung mit Mitteln des täglichen Bedarfs aufgezwungen werden, Aber es ist nicht nur dies. Die frechen Kriegsprovokationen, die Rassen- und Kulturbarbarei des Faschismus schaffen eine immer breitere Kluft zwischen Hitlerdeutschland und den großen bürgerlich-demokratischen Ländern. Die Boykottbewegung gegen die deutschen Waren wächst und engt deren Ausfuhr immer stärker ein, was in dem sinkenden Export und damit in dem wachsenden Mangel an Devisen seinen Ausdruck findet. Tritt nicht schon in dieser Tatsache die Schädigung der deutschen Nation durch den Hitlerfaschismus deutlich hervor? Das alles müssen wir den Massen immer wieder verständlich machen, um ihren Widerstand gegen den Hitlerfaschismus zu steigern und sie gegen seine verlogene nationalistische Agitation immun zu machen.

Die Ausbootung von Schacht hat sehr alarmierend gewirkt. Schacht ist alles andere als ein Gegner des Faschismus ‑ er bleibt auch weiterhin dem faschistischen Regime dienstbar. Seine Hemmungen gegenüber dieser verbrecherischen Wirtschafts- und Finanzpolitik rühren vielmehr von der Angst vor dem unvermeidlichen Zusammenbruch her, der zwar immer wieder etwas hinausgeschoben werden kann, aber schließlich nicht aufzuhalten ist, besonders weil die Massen durch die Auswirkungen dieser Politik immer aufsässiger [werden] und zum offenen Widerstand übergehen werden. Schacht wollte den Faschismus vor dieser Katastrophe retten, aber er übersieht, daß der Faschismus und das Trustkapital keine andere Wirtschafts- und Finanzpolitik treiben können. Obwohl auch sie die Schwierigkeiten und die Folgen dieser Politik sehen, müssen sie diese Wirtschaftspolitik fortsetzen, weil ihnen eine Umstellung schon nicht mehr möglich ist. Sie wird unter diesen Umständen den Zusammenbruch nur noch beschleunigen. Das ist gerade einer der wichtigsten Gründe, warum der Faschismus und das Trustkapital mit solcher Vehemenz zum Kriege treiben, von dem sie eine Rettung vor dem Zusammenbruch erhoffen. Aber gerade der Krieg macht den Zusammenbruch unabwendbar, besonders wenn er längere Zeit dauert, weil dem Trustkapital dafür alle Reserven fehlen.

In der Erkenntnis dieser Tatsache legen das Trustkapital und der Hitlerfaschismus alles auf eine Überrumpelung der anderen Staaten durch den Krieg an. Mit einem ungeheuren Aufwand und Einsatz der Waffen wollen sie durch einen Blitzkrieg den Sieg im ersten Ansturm erreichen. Das ist wieder der Grund für die Steigerung der Rüstungen, die das werktätige Volk so belastet und ihm das Brot wegnimmt. Natürlich wissen das Trustkapital und der Faschismus wie auch der Generalstab, daß mit Waffen, mit Kanonen, Tanks und Bombenflugzeugen allein der Krieg nicht zu gewinnen ist, sondern daß dazu auch die Menschen notwendig sind, die die Waffen führen und das eroberte Land besetzen. Zerstört kann mit diesen Waffen ungeheuer viel werden, das hat uns der Krieg der Faschisten in Spanien und China genügend gezeigt. Aber zerstörte Gebiete zu erobern ist kein Gewinn für den Sieger. Und hier beginnt für den Faschismus und das Trustkapital die größte Schwierigkeit.

Der Faschismus kann unter Anwendung des stärksten Terrors das deutsche Volk in den Krieg hineintreiben, aber er kann ihm nicht die Begeisterung zum Krieg aufzwingen, die die Voraussetzung zum Sieg ist. Auf diesem Gebiet lagen auch die Besorgnisse einiger Militärs des deutschen Generalstabs im Zusammenhang mit der militärischen Besetzung Österreichs und dem Angriff auf die Tschechoslowakei. Natürlich wollen sie auch den Krieg, das ist ja ihr Beruf, aber sie wollen ihn unter Voraussetzungen, die den Sieg verbürgen. Und diese Voraussetzungen, die Bereitschaft der werktätigen Massen, die Opfer des Krieges auf sich zu nehmen und der Durchführung des Krieges keine Schwierigkeiten zu machen, die Sicherstellung der Ernährung der Massen und der Reserven für eine längere Kriegsdauer, sind in Deutschland nicht vorhanden. Auch diese Leute im Generalstab wollen den Blitzkrieg, den massierten überfall auf den Gegner, aber sie rechnen als militärische Fachleute auch mit der Möglichkeit, daß der Gegner dem Überfall standhält und der Krieg längere Zeit dauert.

Der Hitlerfaschismus und das Trustkapital schieben alle solche Bedenken hinweg und setzen alles wie Hasardspieler auf eine Karte, auf die Karte des Erfolges in einem Blitzkrieg. Darin liegen die Differenzen mit den Generälen, die vom Hitlerfaschismus am 4. Februar und im September[4] abgeschoben worden sind. Das waren auch die Gründe, die es dem Hitlerfaschismus im September wahrscheinlich unmöglich gemacht hätten, mit dem Krieg gegen die Tschechoslowakei zu beginnen. Aber bei diesen Hasardeuren mußte auch mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß sie trotz des Widerstandes einiger Generäle den Krieg entfesselten.

Nunmehr ist mit der Verfügung Hitlers vom 19. Januar 1939 eine Maßnahme beschlossen worden, die es dem Hitlerfaschismus ermöglichen soll, die werktätigen Massen Deutschlands zu willenlosen Werkzeugen seiner Kriegstreiberei zu machen. Danach wird der SA die vor- und nachmilitärische Erziehung aller wehrfähigen Männer vom 17. bis zum 45. Lebensjahr übertragen. Alle jungen Deutschen vom 17. Lebensjahr an werden zu Jungwehrmannschaften der SA zusammengefaßt und haben zur Vorbereitung auf den Wehrdienst das SA-Wehrabzeichen zu erwerben. Die aus dem Heeresdienst ausscheidenden Soldaten werden den Wehrmannschaften der SA angegliedert. Die Reichswehr hat· also nur noch die rein militärtechnische Ausbildung während der zweijährigen Dienstpflicht zu besorgen. Da die SA·ein Organ der Hitlerpartei ist und dem Stabschef Lutze untersteht, bedeutet diese Maßnahme, daß alle deutschen Männer der Disziplin und der politischen Beeinflussung der Hitlerpartei unterstellt sind und sich dauernd im halbmobilen Zustand befinden. So ist den Generälen nicht nur die alleinige Leitung der Armee entzogen worden ‑ die Maßnahme richtet sich gegen die Opposition einiger Generäle zur Kriegspolitik des Faschismus ‑, sondern die Offiziere des stehenden Heeres sollen nur noch der SA entnommen werden. Durch diese Maßnahme soll das deutsche Volk für den Krieg “einsatzbereit” gemacht werden. Diese Verfügung Hitlers ist für die werktätigen Massen von schwerwiegender Bedeutung. Sie zeigt ihnen, wie sie in den Krieg hineingezwungen werden, wie jeder Widerstand von vornherein als Meuterei und Staatsfeindschaft verfolgt werden soll und wie drohend vor ihnen der unmittelbare Ausbruch des Krieges steht.

Diese Lage stellt die werktätigen Massen vor große Aufgaben. Über Nacht können sie in den Krieg hineingerissen werden, der ihnen unerhörte Blutopfer auferlegen wird und der die nationale Selbständigkeit Deutschlands vernichten kann. Es steht also in erster Linie die Aufgabe, dieses Verbrechen zu verhindern oder, wenn das nicht gelingen sollte, den Krieg schnellstens durch die Aktion der Massen gegen die faschistischen Kriegsverbrecher zu beenden. Ich glaube, daß wir dieser Aufgabe noch nicht genügend Aufmerksamkeit zugewandt haben, weil wir selbst nicht fest an die Möglichkeit glauben, den Krieg verhindern zu können. Und doch ist diese Möglichkeit durchaus vorhanden. Der Faschismus zeigt uns dafür selbst den Weg. Ist nicht die letzte Verfügung Hitlers über die neue Funktion der SA und die Bedeutung, die er der Beeinflussung der Jugend beimißt, um sie für den Krieg zu erziehen, ein deutlicher Hinweis auf unsere Aufgaben?

Das betrifft unsere Arbeit unter der Jugend. Wenn wir diese Arbeit kritisch prüfen, müssen wir zu dem Resultat kommen, daß wir sie vernachlässigt haben. In den sechs Jahren der Hitlerdiktatur sind sehr viele Verbindungen mit der Jugend im Lande abgerissen. Wo ist eine planmäßige Arbeit in der Hitlerjugend? Trotz unserer Beschlüsse von Brüssel[5] und auf unseren späteren Tagungen, in denen die große Bedeutung unserer Jugendarbeit hervorgehoben worden ist, besonders im Hinblick auf die Kriegsgefahr, haben wir auf diesem Gebiet zu wenig getan. Wir betrachten die Jugendarbeit noch immer als eine Art Ressortarbeit und kümmern uns um sie nur immer nebenbei. Wir haben sogar eine Art Doktor-Eisenbart-Kur angewandt, indem wir den Jugendapparat auflösten, um die Partei zu veranlassen, sich der Jugendarbeit anzunehmen. Aber das ist in Wirklichkeit nicht geschehen, und der Beschluß über die Auflösung des Jugendapparates muß von uns korrigiert werden. Natürlich muß in erster Linie die Jugend zur Jugend sprechen, aber das entbindet die Partei nicht von der Pflicht, sich um diese Arbeit zu kümmern. Die Jugendarbeit muß zu einer ihrer wichtigsten Aufgaben werden. Ohne eine ernste Beeinflussung der Jugend werden wir den Krieg nicht verhindern. Ist es nicht eine ernste Kritik an unserer Arbeit, wenn wir feststellen müssen, daß der Hitlerfaschismus die Jugend sehr stark beeinflußt und große Teile für sich gewonnen hat? Wenn auch in der Hitlerjugend in der letzten Zeit eine sehr starke Opposition gegen den militärischen Drill und die Einschränkung ihrer Freizeit auftritt, so ist das noch keine grundsätzliche Abneigung gegen den Faschismus. Wir haben es noch nicht fertiggebracht, der Jugend den Zusammenhang zu erklären, der zwischen der Politik des Hitlerfaschismus und der Verschlechterung ihrer Lage besteht. Wir haben uns auch nicht sonderlich darum bemüht. Im Mai vorigen Jahres wurden in der Komintern gemeinsam mit den deutschen Genossen Richtlinien für die Jugendarbeit in Deutschland[6] ausgearbeitet. Darin sind die Aufgaben konkret aufgezeigt, ist erläutert, wie die Aufklärungsarbeit unter der Jugend betrieben werden muß, um sie für den Kampf für den Frieden, für Freiheit, Wohlergehen und kulturelle Entwicklung zu gewinnen. Dabei wird besonders die hohe Bedeutung der Arbeit in der Hitlerjugend hervorgehoben. Aber stellen wir die Frage, was von diesen Richtlinien bereits durchgeführt worden ist, so werden wir keine befriedigende Antwort erhalten. Das muß uns veranlassen, diese Aufgabe allen Parteimitgliedern, aber auch allen Sozialdemokraten als einen wichtigen Bestandteil unseres Kampfes gegen den Krieg sehr ernst zu erklären und sie wirklich durchzuführen. Die hier anwesenden Jugendgenossen werden uns darüber noch einiges zu sagen haben.

Jetzt kommt zu dieser wichtigen Arbeit noch eine weitere und ebenso wichtige hinzu, das ist die Arbeit in der SA, von der wir uns bisher fast völlig ferngehalten haben. Aber durch die Verfügung Hitlers wird diese Organisation zu einer der größten Massenorganisationen. Alle Männer von 17 bis 45 Jahren und darüber hinaus sollen zwangsmäßig von ihr erfaßt werden. Hier bietet sich die Möglichkeit, auch an die alten SA-Männer heranzukommen, in deren Reihen viel Unzufriedenheit über die Bonzenwirtschaft in der Hitlerpartei herrscht. Aber viel wichtiger ist, auf die jungen und alten Wehrmänner einzuwirken, um sie der Beeinflussung durch die faschistische Kriegsideologie zu entziehen. Es muß uns gelingen, in diesen Massen den Geist des offenen Widerstandes gegen die faschistische Kriegspolitik auszulösen, damit dem Hitlerfaschismus aus ihren Reihen die offene Rebellion droht. Wir werden uns noch sehr ernst mit den konkreten Aufgaben der Arbeit unter diesen Wehrmannschaften beschäftigen müssen, um auch dadurch zu versuchen, den Krieg zu verhindern oder ihn in eine Niederlage des Faschismus umzuwandeln.

Die gegenwärtige Lage ist sehr bedrohlich. Es besteht eine sehr gefährliche Schere zwischen der schnellen Zuspitzung der Kriegsgefahr und dem sich sehr langsam entwickelnden Widerstand der Massen gegen die faschistische Kriegspolitik sowie der Organisierung des Widerstandes. Die Septembertage haben gezeigt, wie schnell die Opposition in Erscheinung treten kann. Aber es war eben nur Oppositions- und Widerstandsstimmung, die noch keinen Ausdruck in ernsten Demonstrationen fand. Wir hatten zwar Frauendemonstrationen gegen die Verschickung der Männer zu den Befestigungsarbeiten, auch unter den Befestigungsarbeitern gab es sehr viele Widerstände. Aber offene Demonstrationen gegen die faschistische Kriegspolitik gab es noch nicht. Es war gewiß nicht nur Angst vor dem Krieg, sondern sicher auch bewußte Antikriegsstimmung, die in den Septembertagen hervortrat, nur fehlte ihre Überleitung in offene Demonstrationen. Dazu hätten von uns und den Sozialdemokraten die Direktiven ausgegeben werden müssen. Daß das nicht geschehen ist, zeigt den großen Mangel unserer politischen und organisatorischen Arbeit.

Die wichtige taktische und strategische Regel, daß wir den Gegner an seinen schwächsten und verwundbarsten Stellen treffen, die Massen darauf konzentrieren und zum Vorstoß veranlassen müssen, haben wir noch nicht richtig anzuwenden vermocht. Aber auch unsere tägliche Arbeit zur Organisierung des Kleinkampfes in den Betrieben, in der DAF[7] und in den anderen Massenorganisationen hat große Schwächen. Es fehlt bei vielen unserer Genossen noch die Überzeugung, daß diese Arbeit außerordentlich wichtig ist zur Verhinderung des Krieges. Wenn es uns gelingen würde, die Anweisung Hitlers gegen Lohnerhöhungen zu durchbrechen, den Kampf um Lohnerhöhungen und gegen die Arbeitsantreiberei, besonders in der Rüstungsindustrie, zu organisieren, so würde das die Kriegspolitik Hitlers außerordentlich erschweren. Dazu kommt der Kampf gegen die Lebensmittelnot und gegen die Verschlechterung der Ernährung und Bekleidung. Wenn wir verstehen würden, die zweifellos große Unzufriedenheit der Massen, besonders der Frauen, in öffentlichen Demonstrationen zur Geltung zu bringen mit der Forderung "Her mit den Devisen für die Lebensmitteleinfuhr", so würde das die Kriegspolitik Hitlers ebenfalls sehr stark beeinträchtigen.

Selbstverständlich wird sich der Hitlerfaschismus dadurch nicht von seiner verbrecherischen Kriegspolitik abbringen lassen, aber er wäre genötigt, gegen diese Demonstrationen vorzugehen, sogar mit Gewalt, und das würde ihm für den Krieg keine “Einsatzbereitschaft” der Massen, sondern ihren stärksten Widerstand eintragen. Wir müssen in unserer Politik und Arbeit gegen die Kriegsvorbereitungen aktiver werden, das Reden von der Verhinderung des Krieges allein hat keinen Zweck.

Oder nehmen wir die Judenpogrome, die von den Faschisten zur Ablenkung von der Oppositionsstimmung in den Septembertagen und zur Durchführung der längst geplanten Beraubung der Juden organisiert wurden. Wohl gab es Stimmen der Empörung, aber nur vereinzelt. Wo blieben Äußerungen des kollektiven Protestes der Arbeiter in den Betrieben gegen die Bande von Brandstiftern, Mördern und Räubern, die unter dem Schutz der Polizei ihr erbärmliches Handwerk ausübte? Wir hatten nicht solche kollektiven Proteste, gegen die die Gestapo ohnmächtig gewesen wäre, denn sie hätte nicht ganze Betriebsbelegschaften, besonders in der Rüstungsindustrie, verhaften und in die Konzentrationslager sperren können. Ich weiß, daß das alles leichter gesagt als getan, ist, und will auch keine Vorwürfe erheben. Aber wir müssen uns angesichts der Tatsache, daß wir vielleicht dicht vor dem Krieg stehen und bis dahin nicht wieder zusammenkommen werden, auf unserer Beratung sehr eingehend über unsere Politik und über unser taktisches Vorgehen im Lande unterhalten. Die Massen müssen klar erkennen, was wir Kommunisten ihnen vorschlagen, wie sie aktiv den Kampf gegen den Faschismus führen sollen. Wir müssen ihnen die ganze Wahrheit sagen und nicht fürchten, daß wir sie damit von uns abstoßen oder vom Kampf abschrecken. Die Massen werden sehr schnell aus der Entwicklung und ihren Erfahrungen erkennen, daß wir recht haben und daß wir ihnen vorausschauend die richtigen Aufgaben stellen.

Die Voraussetzungen für den aktiven Kampf gegen den Hitlerfaschismus sind günstig. Die inneren Schwierigkeiten des Faschismus wachsen. Die Kampfstellung der Massen im Ausland gegen den Hitlerfaschismus wird aktiver. Die werktätigen Massen Deutschlands sind in ihrem Kampf gegen das faschistische Regime nicht auf sich allein angewiesen, es steht ihnen zur Seite die Solidarität der werktätigen Massen in den anderen Ländern, in Frankreich und England und vor allem in der Sowjetunion. Wenn in den Septembertagen die englische Regierung unter Chamberlain und die französische Regierung unter Daladier-Bonnet dem Hitlerfaschismus zu Hilfe kamen und ihn aus der Sackgasse befreiten, in der er sich mit seiner Kriegsandrohung gegen die Tschechoslowakei verrannt hatte, so darf uns das nicht wundern. Ihnen allen ist doch gemeinsam die Angst vor den Massen in Waffen, die sich leicht gegen die Unterdrücker wenden können. Und in diesem Falle kam noch hinzu die Angst vor der Roten Armee der Sowjetunion, die bereit war, die Tschechoslowakei zu verteidigen. Darauf wollten es die Chamberlain-Daladier nicht ankommen lassen. Sie haben es vorgezogen, die Tschechoslowakei dem Faschismus auszuliefern; sie haben damit aber nicht den Frieden gerettet, sondern die Eroberungslust des Hitlerfaschismus nur noch angestachelt. Es zeigt sich jetzt sehr klar, daß die Daladierregierung die nationalen Interessen Frankreichs verraten hat, als sie dem Hitlerfaschismus zu einem billigen Sieg verhalf.

Der Krieg des Faschismus in Spanien, der mit den Soldaten und den Kriegsmaterialien Italiens und Deutschlands gegen das spanische Volk geführt wird, bedroht bereits die Pyrenäengrenze Frankreichs und die Mittelmeerpositionen Frankreichs und Englands. Die in beiden Ländern nach der Münchner Verschwörung in allen Parteien einsetzende Opposition gegen die beiden Regierungen zeigt, wie sich das englische und das französische Volk von den Provokationen der faschistischen Aggressoren bedroht fühlen. Gerade die sich aus dem Münchner Diktat und den letzten Ereignissen in Spanien ergebenden Lehren sind außerordentlich wichtig für unseren Kampf in Deutschland. Wir haben damit zu rechnen, daß gewisse Depressionsstimmungen auftreten, die von den Faschisten gefördert werden. So verbreiten sie, daß der Vormarsch der faschistischen Interventionsarmeen in Spanien, der Rückzug der republikanischen Armee, der Fall von Barcelona die Überlegenheit des Faschismus beweisen und der Widerstand gegen ihn aussichtslos sei. Wir müssen demgegenüber aufzeigen, daß es sich bei dem Krieg in Spanien nicht nur um einen Bürgerkrieg zwischen zwei Teilen des spanischen Volkes handelt, sondern auch um einen wohlorganisierten Krieg zweier ausländischer Mächte, Italiens und Deutschlands, gegen das spanische Volk. Wie Österreich und die Tschechoslowakei von den bürgerlich-demokratischen Mächten England und Frankreich dem Ansturm des Hitlerfaschismus ausgeliefert wurden, so wurde auch Spanien dem Ansturm der Interventionsarmeen des italienischen Faschismus ausgeliefert. Dem spanischen Volk wurden demgegenüber die Möglichkeiten einer Verteidigung immer mehr eingeengt. Durch die Politik der sogenannten Nichteinmischung wurde ihm jede Hilfe von den bürgerlich-demokratischen Mächten verweigert. Trotz seines heroischen Kampfes und der Unterstützung durch die internationale Solidarität wurde das spanische Volk schließlich durch Mangel an Kriegsmaterial gegenüber einer dreißigfachen Überlegenheit der Gegner, durch Hunger und Mangel an Bekleidung immer mehr geschwächt und zum Rückzug gezwungen. Mit dem Fall von Barcelona ist der Krieg noch nicht zu Ende, aber es ist ein qualvolles Ringen des spanischen Volkes gegen eine ungeheure Übermacht. Gewiß könnte durch eine sofortige Hilfe, durch die Lieferung von bestem Kriegsmaterial und von Lebensmitteln seitens der Regierungen Englands und Frankreichs noch eine Wendung zugunsten des spanischen Volkes geschaffen werden. Aber diese Regierungen lehnen eine solche Hilfe ab. Sie wollen keinen Sieg des spanischen Volkes. Sie begünstigen den Sieg des Faschismus und opfern ihm die nationalen Interessen ihrer Länder. Um so mehr ist es die Pflicht der werktätigen Massen, dem spanischen Volk zu helfen, weil es in Spanien auch um ihre eigenen Lebensinteressen und um ihre Freiheit geht. Der Sieg des Faschismus in Spanien wird seine Kriegsprovokationen noch steigern und den Völkern unerhörte Opfer an Blut und Leben auferlegen.

Die wichtigste Lehre aus diesen für die werktätigen Massen in der ganzen Welt so überaus tragischen Kämpfen ist die schleunigste Herstellung der Aktionseinheit gegen die faschistischen Aggressoren. Genosse Dimitroff hatte durchaus recht, wenn er schrieb, daß die Völker das letzte Wort gegen die faschistischen Aggressoren noch nicht gesprochen haben. Hier ist es vor allem die verhängnisvolle Rolle der II. Internationale, die das Zustandekommen der Aktionseinheit bisher verhinderte und damit den Faschismus begünstigte. Ist es nicht für den in der II. Internationale herrschenden reaktionären Geist kennzeichnend, daß die englische Labour Party den Sozialisten Cripps aus ihren Reihen ausgeschlossen hat, weil er für die Herstellung der Volksfront eintritt? Es wird also notwendig, daß wir viel schärfer gegen diese Saboteure der Aktionseinheit auftreten und besonders die sozialdemokratischen Massen gegen sie mobilisieren. Aber das darf uns nicht dazu verleiten, die Einheitsfrontbewegung zu torpedieren, sie als aussichtslos hinzustellen, sondern wir müssen in den Arbeitermassen selbst die Beispiele für die Einheitsfront, für das Zusammengehen mit den sozialdemokratischen Arbeitern schaffen. Wir müssen durch sehr sachliche und überzeugende Argumente und Beweise die Massen über die reaktionäre Rolle der reformistischen Führer der II. Internationale und ihrer Sektionen aufklären, um sie zu veranlassen, sich von ihnen zu trennen und gegen deren Willen die Einheitsfront herzustellen.

Diese Aufgabe ergibt sich besonders angesichts der Haltung des Parteivorstandes der deutschen Sozialdemokratie, der bisher alle unsere Angebote auch zum bescheidensten gemeinsamen Auftreten abgelehnt hat. Wenn auch von Stampfer im "Neuen Vorwärts" gelegentlich Artikel geschrieben werden, in denen die Hoffnung auf die Einigung der "sozialistisch gesinnten Arbeiter" ausgesprochen wird, so steht doch die ablehnende Haltung des Parteivorstandes dazu im krassen Gegensatz. Wir müssen ihm und auch den sozialdemokratischen Arbeitern ganz offen die Frage stellen, womit der Parteivorstand diese ablehnende Haltung begründen will. Wahrscheinlich ist bei ihm immer noch die Hoffnung und die Spekulation vorhanden, daß es wieder zur Koalition der SPD mit der Bourgeoisie kommen wird, um deren Herrschaft zu retten, wenn die Massen den Faschismus stürzen, daß es also zurück zu Weimar gehen wird. Diese zweideutige Haltung ist aber nicht nur beim Parteivorstand vorhanden, sondern auch bei vielen sozialdemokratischen Funktionären in der Emigration, die scheinbar in Opposition zum Vorstand stehen. Die Konzentrationsbestrebungen unter diesen Leuten laufen auf nichts anderes als auf den Wiederaufbau einer einheitlichen Führung der SPD hinaus, damit sie für die Bourgeoisie wieder ein beachtenswerter Faktor wird, den diese als Bollwerk gegen die revolutionäre sozialistische Bewegung gebrauchen kann. Viele dieser Leute treiben mit ihren Beziehungen zu uns ein absolut unehrliches Spiel, uns und den Massen gegenüber. Sie benutzen jede Gelegenheit, um gegen uns Stellung zu nehmen. Vor einer gemeinsamen politischen Stellungnahme drücken sie sich. Sehr klar wurde das, als sie die durch unsere Initiative zustande gekommene Zusammenarbeit im Pariser Volksfrontausschuß torpedierten und zerschlugen. Sie möchten am liebsten die Kommunisten aus der Volksfront ausschalten, um sich bei der Bourgeoisie in empfehlende Erinnerung zu bringen. Natürlich besteht keine völlige Übereinstimmung bei diesen Leuten, es herrscht ein völliges Durcheinander und Gegeneinander, aber es sind nur sehr wenige, die bis jetzt den Mut gefunden haben, offen für die Einheitsfront mit den Kommunisten aufzutreten. Die meisten von ihnen haben keinen Glauben mehr an die revolutionäre Kraft der Arbeitermassen, deshalb versuchen sie, bei der Bourgeoisie Unterschlupf zu finden. Wir werden die meisten von ihnen später auf der anderen Seite der Barrikade sehen. Aber diese Erkenntnis darf uns nicht davon abhalten, immer wieder an sie heranzutreten und sie vor die Aufgabe des gemeinsamen Kampfes zu stellen. Wir kennen diese Leute sehr genau, aber die Massen haben sie noch nicht erkannt, und viele glauben noch an Teile dieser Gruppen. Nur dadurch, daß wir die Aufgabe des gemeinsamen Kampfes immer wieder stellen, werden sie durch ihr Verhalten die Massen davon überzeugen, ob auf sie Verlaß ist oder nicht, nur dadurch werden wir auch die noch zuverlässigen Kräfte für uns gewinnen. Aber das ist ein sehr langsamer und schwieriger Prozeß.

Für die Schaffung der Aktionseinheit ist von größter Bedeutung die Initiative, die wir bei der Lösung der konkreten Aufgaben für den Kampf gegen den Hitlerfaschismus entfalten. Nur dadurch werden wir die führende Rolle der Partei den Massen zum Bewußtsein bringen und die Einheitsfront- und Volksfrontbewegung entfalten und beschleunigen. Ich glaube, daß wir bei der Durchführung dieser Aufgabe noch sehr viel versäumt haben und viel nachholen müssen, sowohl in der Agitation als auch in der Politik. Wir müssen sehr gut verstehen, daß Agitation und Politik zwei verschiedene Aufgaben sind, die sich ständig ergänzen müssen. Agitation und Aufklärungsarbeit sind dringend nötig. Sie müssen ständig verbessert werden, indem wir unsere Argumente für die Agitation sehr gut überlegen, damit sie von den Massen verstanden werden und die Massen überzeugen. Auch hier hängt sehr viel davon ab, immer zur rechten Zeit die richtigen Argumente zu finden und anzuwenden und mit Beispielen aus den täglichen Erfahrungen der Massen zu begründen. Aber Politik machen, das heißt die Resultate dieser Agitation in die Aktion der Massen umsetzen, den Gegner ins Gedränge bringen, seine Maßnahmen durchkreuzen, jede seiner Schwächen sofort ausnutzen, um gegen ihn vorzustoßen, sich nicht von ihm provozieren lassen, wenn er glaubt, uns einen Schlag versetzen zu können, die Massen für unsere Vorschläge gewinnen, daß sie uns folgen, und schließlich Schritt für Schritt, manchmal auch in Sprüngen, die Aktion der Massen vorantreiben. Lenin hat uns für eine solche revolutionäre Politik die besten Beispiele gegeben. Das alles erfordert, daß wir sehr elastisch in unserer Politik und Agitation sein müssen. Wir können nicht nach Rezepten suchen, die uns für alle Situationen als Wegweiser dienen. Gerade deshalb müssen wir so großes Gewicht darauf legen, daß auch unsere Genossen im Lande die Kunst einer selbständigen Politik erlernen, damit sie besser als bisher auf die Ereignisse im Lande reagieren und diese Ereignisse selbst beeinflussen können. Ich sage das alles im Bewußtsein der Schwächen, die es auch noch in der Arbeit unserer Führung gibt.

Von den Verwirrungsmanövern unserer Gegner, mit denen sie die Massen vom aktiven Kampf gegen den Faschismus zurückhalten wollen, dürfen wir uns nicht in die Defensive drängen lassen. Ich denke dabei an die Hetze gegen den Bolschewismus, gegen die Sowjetunion. Wir treten zwar dieser Hetze entgegen und schreiben sehr viel über die Sowjetunion, über die Fortschritte des Sozialismus und der Demokratie in der Sowjetunion. Aber unserer Agitation fehlt doch das offensive Element, ununterbrochen den Massen aus ihren Erfahrungen heraus den elementaren Unterschied zu beweisen, der zwischen den kapitalistischen Staaten und der sozialistischen Sowjetunion besteht, welche Notwendigkeiten sich für die Sowjetunion aus der kapitalistischen Umkreisung für ihre Verteidigung ergeben und wie gerade sie die stärkste Stütze der Arbeitermassen in den kapitalistischen Ländern ist. Würden wir auf diesem Gebiet wirklich gute Arbeit leisten, so wäre es dem Gegner nicht möglich, die Massen zu verwirren mit der Gleichstellung der faschistischen Diktatur in Deutschland und der proletarischen Diktatur in der Sowjetunion, mit der Gleichstellung der Maßnahmen zur Leistungssteigerung und zur Erhöhung der Arbeitsdisziplin in der Sowjetunion mit den Maßnahmen der faschistischen Diktatur. Wir müssen sehr viel sorgfältiger und offensiver als bisher versuchen, die Massen aufzuklären, was der Bolschewismus ist, wir müssen sie mit dem Sozialismus und seiner Verwirklichung in der Sowjetunion vertraut machen, um sie für den Kampf gegen den Faschismus und für die sozialistische Revolution zu gewinnen. Wir müssen die Massen gegen die Kriegspläne des Hitlerfaschismus mobilisieren, die sich gegen die Sowjetunion richten, damit sie die Verteidigung der Sowjetunion als die Verteidigung ihrer eigenen Lebensinteressen verstehen. Es wird die Zeit kommen, in der die Massen die Rote Armee als die Bundesgenossin zur Befreiung vom Faschismus und als Helfer gegen feindliche Interventionen der kapitalistischen Staaten nicht nur begrüßen, sondern sich mit ihr auf das engste verbrüdern werden. Dafür müssen wir in unserer Agitation die Voraussetzungen schaffen. Wir haben zwar für unseren antifaschistischen Kampf und für die Herstellung der Einheitsfront und der Volksfront als Ziel nicht die sozialistische Revolution, sondern die Schaffung der demokratischen Volksrepublik gestellt. Aber das darf uns nicht verleiten, die Fragen der sozialistischen Revolution und des Sozialismus in der Agitation zu vernachlässigen, weil das nicht nur unsere Propaganda und Agitation gegenüber dem Faschismus, sondern auch die Erziehung der Massen für das Ziel des Sozialismus schwächen würde.

Ernster denn je steht die Frage der Einigung der Kommunisten mit den sozialdemokratischen Arbeitern und die Herstellung der Einheitsfront der Arbeiterklasse. Wir sollten klar sehen, daß wir noch weit von diesem Ziel entfernt sind. Gewiß haben wir im Lande schon Ansätze dazu, aber auch nur in einigen großen Zentren. Und schließlich ist eine Zusammenarbeit auf Grund der gemeinsamen Not und Unterdrückung noch keine Einigung als Ergebnis der Überzeugung von ihrer Notwendigkeit für die Befreiung vom Faschismus. Warum sind wir in den sechs Jahren der faschistischen Diktatur noch nicht weitergekommen? Liegt das nur an den sozialdemokratischen Arbeitern und ihren Führern? Ich glaube nicht. Ich glaube, daß auch etwas Schuld bei uns liegt, daß wir es noch nicht verstanden haben, unseren Genossen im Lande die Notwendigkeit und die Möglichkeit dieser Einigung verständlich zu machen, daß noch sehr viel sektiererischer Geist bei unseren Genossen vorhanden ist, noch zu sehr die Erinnerungen an die Gegensätze in der Vergangenheit die Notwendigkeit der Einigung für die Zukunft überdecken. Fortschritte sind natürlich vorhanden. Es wäre noch schlimmer, wenn nicht einmal das der Fall wäre. Wir haben auf der Brüsseler Konferenz 1935 und seitdem fortgesetzt die Frage der Einigung und der Einheitsfront behandelt und auch unsere in der Vergangenheit gemachten Fehler anerkannt. Aber das blieb Agitation, und es wurde keine politische Aktion für die Einheit daraus. Was müssen wir tun?

In den sozialdemokratischen Massen ist tief die Auffassung vorhanden, daß die Einigung nur durch den Zusammenschluß zu einer einheitlichen Partei geschaffen werden kann, daß ohne sie keine Einigung zustande kommen wird. Wir haben demgegenüber diese Frage mehr als Ergebnis des einheitlichen Kampfes gestellt, also als eine Frage, die noch nicht spruchreif sei und erst in späterer Zeit verwirklicht werden kann. Mir scheint, daß wir auf unserer Beratung überlegen müssen, ob wir uns nicht den Auffassungen der sozialdemokratischen Arbeiter in dieser Frage nähern sollten. Es ist Tatsache, daß verschiedene Leute in der sozialdemokratischen Opposition, die Miles-Leute[8] und andere, die sozialdemokratischen Arbeiter vom Zusammenschluß mit den Kommunisten dadurch abzuhalten versuchen, daß sie die Frage der Schaffung einer neuen Partei stellen. Die Sozialdemokratische Partei habe versagt, aber auch die KPD; deshalb müsse eine neue Partei geschaffen werden. Sollen wir diesen Leuten die Initiative überlassen, mit der sie natürlich ein anderes Ziel verfolgen als wir? Diese Leute finden mit ihrer Argumentation bei sozialdemokratischen Arbeitern ein williges Ohr, weil diese darin eine Entlastung von der Schuld ihrer Partei sehen. Wir müssen natürlich dieser Argumentation entgegentreten. Aber ich denke, wir sollten jetzt von uns aus die Frage der Schaffung einer sozialistischen Einheitspartei stellen, die durch den Zusammenschluß der sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeiter zustande kommt und die alle mit ihnen verbundenen Arbeiter in sich vereinigen soll. Natürlich soll das nicht ein organisatorischer, sondern ein politischer Akt sein, auf der Grundlage des Bekenntnisses für das Programm des Kampfes gegen den Krieg, des Sturzes des Faschismus, der Schaffung einer demokratischen Volksrepublik und des Sozialismus. Wir sollten diese Frage offen vor den sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeitern im Land durch unsere illegale Literatur und durch unsere Rundfunksender stellen, eine regelrechte Kampagne darum beginnen und die Arbeiter auffordern, darüber gemeinsam zu diskutieren und uns ihre Meinung mitzuteilen. Eventuell sollten sie sogar geheime Abstimmungen durchführen und uns das Resultat mitteilen. Natürlich sollten wir diese Frage auch in der Emigration stellen und diskutieren, aber erst, wenn die Kampagne im Land im Gange ist. Das ist ein Vorschlag, zu dem ihr eure Meinung sagen sollt und über den wir auch mit den Genossen der Komintern sprechen müssen. Ich denke, daß wir mit einem solchen Vorgehen die Einheitsbewegung sehr stark voranbringen könnten. Wir brauchen keine Sorge zu haben, daß wir dabei zu einem Anhängsel der SPD werden. Wir werden die politische Initiative und die Führung dieser Bewegung haben, weil wir die einzige einheitlich organisierte Kraft im Land sind und ein einheitliches politisches Programm haben.

Aber über die Einigung der sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeiter hinaus müssen wir die Einheitsfront der Arbeiterklasse durch die Einbeziehung der katholischen und christlichen Arbeitermassen und der politisch nichtorganisierten Arbeitermassen herbeiführen. Das wird um so schneller vor sich gehen, wenn erst die Einigung der sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeiter geschaffen ist, die natürlich auch noch nicht mit der Schaffung einer einheitlichen Partei vollständig sein, sondern sich erst durch den gemeinsamen Kampf verwirklichen wird. Es wird dabei noch mancherlei Schwierigkeiten und Rückfälle in alte Streitigkeiten geben. Die Schaffung der Einheitspartei darf also nicht als ein Allheilmittel, sondern nur als ein sehr wichtiger Schritt zu dieser Einheit betrachtet werden.

Mit der Schaffung der Volksfront steht es gegenwärtig noch schlechter als mit der Schaffung der Einheitsfront. Im Land sind überhaupt noch keine ernsten Ansätze dazu vorhanden. Es gibt wohl Verbindungen zu Handwerkern, Händlern und Intellektuellen, aber von Verbindungen zu den Bauern wissen wir sehr wenig. Auch was in der Emigration von uns versucht wurde, um in der Volksfront einen Anfang zu schaffen, ist wenig befriedigend. Der Pariser Ausschuß zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront ist durch die Machinationen einiger Sozialdemokraten wieder vollständig zerfallen. Dabei wird überall sehr viel von der Notwendigkeit der Volksfront geredet und geschrieben. Es haben sich die verschiedensten Gruppen gebildet, die von sich behaupten, daß sie die Volksfront zum Sturze des Hitlerfaschismus wollen, es herrscht aber überall die größte Verwirrung über das Wesen und die Aufgaben der Volksfront. Einige möchten die Kommunisten davon ausschalten, andere wieder verstehen darunter sogar ein Bündnis der Werktätigen mit Teilen der Bourgeoisie, was im Grunde genommen auf die Fortsetzung der Koalitionspolitik hinausläuft. Wir müssen demgegenüber ganz klar zum Ausdruck bringen, daß die Volksfront das Bündnis der Arbeiterklasse mit den Bauern, dem Mittelstand und den Intellektuellen, also ein Bündnis der Werktätigen gegen den Hitlerfaschismus ist. Selbstverständlich wird im Kampf gegen den Faschismus auch ein vorübergehendes Zusammengehen mit Teilen der Bourgeoisie möglich sein, aber dieses Zusammengehen ist nicht auf eine Stufe zu stellen mit dem Bündnis zwischen der Arbeiterklasse, den Bauern und anderen Werktätigen. Dieses Bündnis richtet sich nicht nur gegen den Hitlerfaschismus, sondern ist auch auf die Aufrichtung und Sicherung einer demokratischen Volksrepublik gerichtet, in der nicht mehr die Bourgeoisie, sondern die Volksfront die Führung haben wird. Schon aus diesem Grunde ist es sicher, daß die Bourgeoisie aus ihrem Klasseninteresse heraus gegen eine solche Republik auftreten wird. Die Volksfront ist also keine Versöhnung des Proletariats mit der Bourgeoisie, auch nicht mit Teilen von ihr, und wir dürfen einer Verwischung oder Ignorierung des Klassenkampfes zwischen Proletariat und Bourgeoisie nicht Vorschub leisten, wie das von denen geschieht, die sogar die Volksfront mit der Bourgeoisie machen wollen.

Die innerhalb der Bourgeoisie bestehenden Differenzen müssen selbstverständlich von uns und der Volksfront ausgenutzt werden. Unser Kampf muß sich gerade auf die schwachen Punkte in der Herrschaft der Bourgeoisie richten, über die diese Differenzen in der Bourgeoisie auftreten. Wir müssen die in Opposition befindlichen Teile der Bourgeoisie in ihrer Opposition unterstützen und sogar, bei einem offenen Kampf gegen die herrschende Oberschicht, mit ihnen zusammengehen, um die Kluft innerhalb der Bourgeoisie zu vertiefen, die Autorität der herrschenden Schicht der Bourgeoisie zu erschüttern und den Sieg der werktätigen Massen vorzubereiten. Aber wir müssen uns klar sein, daß in diesem Kampf der werktätigen Massen um ihren Sieg auch diese Teile der Bourgeoisie keine zuverlässigen Bundesgenossen sein werden. Von der Bourgeoisie werden immer Manöver unternommen werden, um diesen Sieg zu verhindern, die Volksfront zu spalten, indem sie versuchen wird, Pakte mit Teilen der Volksfront gegen sie abzuschließen. Dieses klar hervorzuheben ist wichtig auch gegenüber den falschen Behauptungen der Trotzkisten, daß wir Kommunisten die Arbeiter für ein Bündnis mit der Bourgeoisie zu gewinnen suchen. Es sind gerade die Trotzkisten, die auf solche Pakte mit der Bourgeoisie gegen die revolutionäre Bewegung eingehen.

Über die Aufgaben der Volksfront bestehen ebenfalls große Unklarheiten, wodurch die Volksfrontbewegung in Deutschland nicht viel weitergekommen ist. Zwar wird allgemein von den Befürwortern der Volksfront erklärt, daß es sich um den Kampf gegen den Hitlerfaschismus handelt, um die Herbeiführung seines Sturzes und um die Schaffung einer demokratischen Republik. Aber über das Wie dieses Kampfes, über die anzuwendenden Kampfmittel, über das Wesen der demokratischen Republik bestehen keine oder nur sehr unklare Vorstellungen. Wir hatten im Juni 1936 dem Pariser Ausschuß zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront Richtlinien für eine Plattform der Volksfront[9] überreicht, aber die Diskussion darüber wurde nicht zu Ende geführt, weil sich die sozialdemokratischen Mitglieder dieses Ausschusses mit den SAP-Leuten[10] gegen die Kommunisten zusammenfanden, um die klare Ausarbeitung einer solchen Plattform zu verhindern. Das ganze Verhalten der sozialdemokratischen Führer zur Einheitsfront und Volksfront zeigt, daß sie sich nicht für konkrete Aufgaben verpflichten wollen, weil sie auf andere Kräfte, aus der Bourgeoisie und Armee, mit denen sie gegen die Kommunisten vorgehen oder die sie nicht durch ihr Zusammengehen mit den Kommunisten abstoßen wollen, spekulieren. Wir müssen deshalb diese Führer durch das Stellen konkreter Aufgaben für den Kampf zum Sturz des Hitlerfaschismus und zur Schaffung der demokratischen Republik zwingen, sich zu diesen Aufgaben zu äußern, damit die Massen sehen, woran sie mit diesen Führern sind. Auch die Massen selbst müssen eine klare Vorstellung von diesen Aufgaben haben, damit sie sowohl die Notwendigkeit und das Wesen der Einheitsfront als auch der Volksfront verstehen lernen, vor allem aber auch, damit sie nicht auf halbem Wege von den Freunden der Koalition mit der Bourgeoisie an der Fortsetzung ihres Kampfes gehindert werden, wodurch ihr Sieg in Frage gestellt wird. Diese konkrete Aufgabenstellung in unserem Bemühen um die Herstellung der Einheitsfront und Volksfront wird keineswegs volksfrontbereite Menschen abstoßen. Im Gegenteil, uns wird diese Aufgabenstellung helfen, eine Diskussion über diese Fragen herbeizuführen, Klarheit über die Probleme und über die Stellung verschiedener Leute zu diesen Problemen zu schaffen und damit also die Bewegung zu fördern.

Um welche konkreten Aufgaben handelt es sich? Es sind die Aufgaben zur Verhinderung des Krieges, die Aufgaben im Kriege, die bewaffneten Kämpfe um den Sturz des Faschismus, die Beeinflussung und Gewinnung der Armee und der Polizei für den Kampf der Massen und die Aufgaben der Führung in diesen Kämpfen. Dazu kommt als wichtigste Voraussetzung die Herbeiführung der Aktionseinheit der Arbeiterklasse, die Einigung der sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeiter, die Schaffung der Einheitspartei, die Klarstellung über Wesen und Aufgaben der Volksfront; dann [über] das Wesen der demokratischen Republik, über die Entmachtung des Trustkapitals, die Schaffung einer Volksarmee, den Ausbau der Demokratie, die künftige Regierung und die weitere Entwicklung zum Sozialismus. Ich habe über diese Aufgaben einen für die Veröffentlichung bestimmten Artikel geschrieben[11], der ein Beitrag zur Diskussion und Verständigung über diese Fragen unter den Freunden der Einheitsfront und der Volksfront sein soll. Da euch dieser Artikel schriftlich vorliegt, will ich mir die Erörterung der einzelnen Punkte ersparen. Aber ich bitte euch, daß ihr euch zu diesen Fragestellungen äußert.

Von größter Bedeutung ist es, daß wir Verbindungen mit den Massen im Lande organisieren. Davon hängt sehr stark die Verwirklichung unserer Führerrolle und der Vormarsch der antifaschistischen Bewegung im Lande ab. Wie können wir uns besser als bisher mit den Massen im Land verbinden? Haben wir schon den Weg dazu gefunden? Ich glaube nicht. Hätten wir nicht unsere Rundfunksender, so sähe es mit diesen Verbindungen noch schlechter aus. Diese Sender haben uns außerordentlich viel geholfen. Aber wir sollten uns nicht allein auf sie verlassen. Wir haben gewiß unsere illegalen Verbindungen in das Land hinein, über die wir unsere Direktiven und unsere illegale Literatur an die Massen heranbringen. Aber was wir damit bisher erreicht haben, ist in Anbetracht der vor uns stehenden großen Aufgaben wenig. Diese Verbindungen über die Grenzen werden zudem immer schwieriger und werden im Falle eines Krieges fast ganz aufhören. Was müssen wir zu erreichen versuchen? Erstens: die Verbreiterung unseres Instrukteurstabes durch den Einsatz von Instrukteuren aus dem Lande selbst, die ihre Beziehungen zu allen wichtigen Industriegebieten und -betrieben haben müssen. Zweitens: die Schaffung von illegalen selbständigen Leitungen in den Betrieben, Orten und für größere Gebiete mit allen konspirativen Sicherungen nach unten. Wir haben darin schon einige Erfahrungen gesammelt, was durch das Zurückgehen der Verhaftungen bestätigt wird.

Noch einige Worte über unsere Schulungsarbeit, zu der noch ein Ergänzungsreferat gehalten werden wird. Es ist bei der Isolierung unserer Genossen im Lande ganz naturgemäß, daß das marxistisch-leninistische Niveau unserer Kader sehr gesunken ist. Sie können deshalb vor den Massen nicht gründlich genug den sogenannten ökonomischen Theorien der Faschisten, mit denen der Hitlerfaschismus seine großkapitalistische und imperialistische Politik zu verschleiern sucht, entgegentreten und werden oft sogar selbst von diesen sogenannten Theorien verwirrt. Wir müssen deshalb versuchen, unseren Genossen im Land ein Maximum an marxistisch-leninistischer Schulung zu vermitteln. Das wurde schon durch die Herausgabe von kleinen wissenschaftlichen Broschüren getan, auch wurden in der Emigration Schulungskurse durchgeführt. Aber das ist alles noch sehr wenig. Wir müssen unsere Genossen so schulen, daß sie verstehen, auch zwischen den Zeilen der faschistischen Presse zu lesen, um sich eine klare Vorstellung von der Lage im Lande und von den außenpolitischen Konflikten zu verschaffen. Wir müssen den Genossen im Land helfen, sich im Marxismus-Leninismus zu schulen und ihn in der praktischen Politik der Partei anzuwenden.

Mit diesen Anregungen zur Diskussion möchte ich zunächst meinen Bericht schließen. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß er noch durch Ergänzungsberichte anderer Genossen vervollständigt werden wird. Mir kam es darauf an, die wichtigsten Fragen in den Vordergrund zu stellen. Ihr selbst werdet auf Grund eurer Erfahrungen in der praktischen Arbeit sehr viel Wichtiges zu diesen Fragen zu sagen haben. Haltet mit eurer Kritik an der Arbeit der Führung nicht zurück. Wir wissen, daß sie noch Mängel hat, aber wir wollen von euch auch hören, wie es besser gemacht werden soll.

Wir gehen schweren Kämpfen entgegen, für die wir uns rüsten müssen. Wir werden und müssen die Führung der Arbeiterklasse und der Werktätigen in diesen Kämpfen haben, wenn der Sieg errungen werden soll. Das legt uns eine große Verantwortung auf, für die jeder von uns, jedes Parteimitglied, einzustehen hat. Die Komintern hat uns einige Male kritisiert, aber sie hat uns auch geholfen, unsere Arbeit besser zu machen. Sie wird das auch in Zukunft tun und uns helfen, den Sieg zu erringen. Aber die Entscheidung darüber liegt bei uns, in unserer Arbeit, wie wir es verstehen, unsere revolutionäre Aufgabe zu erfüllen. Wir werden uns dabei immer das große Beispiel vor Augen halten, das uns die KPdSU unter der Führung Lenins und Stalins gegeben hat. Es zeigt uns, wie die Massen für den revolutionären Kampf gewonnen und zum Sieg geführt werden müssen. Wir werden gründlich das marxistisch-leninistische Lehrbuch über die Geschichte der KPdSU, das unter der Leitung des Genossen Stalin zustande gekommen ist, studieren, um daraus die Fähigkeit und Kraft für den Kampf um den Sieg der Arbeiterklasse in Deutschland zu gewinnen.

Es lebe die Kommunistische Partei Deutschlands!

Es lebe der Sieg der deutschen Arbeiterklasse!

 

 

 

 

 



[1]. Am 4. Februar 1938 wurden der Reichskriegsminister Generalfeldmarschall Werner von Blomberg und der Oberbefehlshaber des Heeres Generaloberst Werner von Fritsch entlassen. Durch Erlaß des Führers und Reichskanzlers wurde bestimmt: "Die Befehlsgewalt über die gesamte Wehrmacht übe ich von jetzt an unmittelbar persönlich aus." General von Brauchitsch wurde zum Oberbefehlshaber des Heeres ernannt. Das Motiv dieser Maßnahme lag darin, daß Blomberg und Fritsch dem von Hitler zur Zeit des Nürnberger Parteitages von 1936 angenommenen Plan eines baldigen Kriegs skeptisch gegenüberstanden.

[2]. Am 19. Januar 1939 wurde Hjalmar Schacht von Hitler wegen seiner Kritik an der Rüstungs- und Finanzpolitik aus dem Amt des Reichsbankpräsidenten entlassen.

[3]. Georgi Dimitroff: Ausgewählte Schriften, Band 2. Berlin, Dietz, 1958. S. 525. Diese Charakterisierung des Nationalsozialismus wurde auf dem 13. Plenum des EKKI im Dezember 1933 formuliert. Sie wurde dann von Georgi Dimitrow in seinem Bericht auf dem 7. Kongreß der Kommunistischen Internationale bekräftigt.

[4]. Die Selbsternennung Adolf Hitlers zum Obersten Befehlshaber der Wehrmacht am 4. Februar 1938 verstärkte die kritische Haltung seitens einiger Generäle. Insbesondere trat Ende September der Generalstabschefs des Heers Ludwig Beck zurück. Diese Entscheidung hatte als Hintergrund einen damals vorbereiteten Putschversuch, dessen Aussichten auf äußere Unterstützung schließlich infolge des Münchner Abkommens vom 28. September 1938 (betreffend die Abtretung des Sudetengebiets durch die Tschechoslowakei an das Deutsche Reich) nicht ausreichend erschienen, weshalb der Plan fallen gelassen wurde. Beck, der daran beteiligt war, zog sich von seinem Amt zurück, und wurde kurz darauf aus der Wehrmacht verabschiedet.

[5]. Es handelt sich um die "Brüsseler Konferenz" der KPD vom 3. bis 15. Oktober 1935.

[6]. Siehe "Richtlinien für die Aufklärungsarbeit unter der werktätigen Jugend, insbesondere in den Reihen der “Hitlerjugend”". In: Die Internationale, Paris, 1938, Nr. 7/8, S. 113‑118.

[7]. Die Deutsche Arbeitsfront (DAF) wurde am 10. Mai 1933 gegründet. Sie sollte als neue einheitliche Organisation "durch Bildung einer wirklichen Volks- und Leistungsgemeinschaft, die dem Klassenkampfgedanken abgeschworen hat" die Interessen "aller schaffenden Deutschen" wahrnehmen. Die Vertreter der Großindustrie setzten sich gegen die Perspektive ein, daß die DAF sich zu einer Institution der Vertretung der Arbeiterinteressen entwickle. Das am 19. Mai 1933 angenommene Gesetz über Treuhänder der Arbeit schuf dann zur Regelung der Arbeitsverträge und zur "Aufrechterhaltung des Arbeitsfriedens" öffentliche Verwalter, was dem Wunsch der Unternehmer entgegenkam. Letzten Endes wurde der DAF ein Tätigkeitsbereich zugewiesen, der die Betriebe ausschloß. Die DAF zählte zwar 1942 25 Millionen Mitgliedern, aber mit 44 000 hauptamtlichen und 1,3 Millionen ehrenamtlichen Mitarbeitern war sie zu einer rein bürokratisch-zentralisierten Organisation geworden.

[8]. Es handelt sich um die Gruppe Neu Beginnen.

[9]. Siehe "Richtlinien für die Ausarbeitung einer politischen Plattform der deutschen Volksfront". In Wilhelm Pieck, Gesammelte Reden und Schriften, Band 5, Berlin, Dietz, 1972. S. 356‑373.

[10]. Die Sozialistische Arbeiter-Partei (SAP) entstand 1931 als eine Abspaltung von der SPD. Zu ihren Mitgliedern gehörten Persönlichkeiten des späteren politischen Exils wie Willy Brandt, August und Irmgard Enderle, Stefan Szende sowie die ehemaligen KPO-Mitglieder Paul Frölich und Jacob Walcher. (Die Kommunistische Partei-Opposition war 1929 von oppositionellen KPD-Mitgliedern gebildet worden.) 1939 zerfiel die Partei in mehrere Grüppchen Intellektueller.

[11]. Siehe "Wie kann und muß der Hitlerfaschismus gestürzt und die demokratische Republik verwirklicht werden? Ein Beitrag zur Diskussion und Verständigung". In Wilhelm Pieck, Gesammelte Reden und Schriften, Band 5, Berlin, Dietz, 1972. S. 606‑618.