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Aufruf:
Für Frieden, Freiheit und Brot!

Dezember 1936

 

 

Quelle:

Wilhelm Pieck, Im Kampf um die Arbeitereinheit und die deutsche Volksfront 1936-1938. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hg.), Berlin, Dietz, 1955. S. 83‑90.

 

 

 

 

 

 

Erstellt: Januar 2013

Druckversion
KPD 1918 1945 - Inhalt

 

 

 

 

 

 

In kurzem werden vier Jahre seit Hitlers Machtergreifung vergangen sein. Bei seinem Amtsantritt versprach der "Führer und Reichskanzler" dem Arbeiter, dem Bauer und dem gewerblichen Mittelstand Frieden und Wohlstand.

Hitler hat sein Versprechen nicht gehalten. Die Not der Werktätigen in Stadt und Land, in Fabriken, Schächten und Kontoren, in Handwerk, Handel und auf den Bauernhöfen hat sich ständig verschärft. Die Unterdrückung der Persönlichkeit wird immer brutaler.

Die Volksinteressen werden rücksichtslos der Vorbereitung eines Krieges geopfert, der furchtbarer sein wird als alle bisherigen Kriege. Auf dem letzten Nürnberger Parteitag[1] hat Adolf Hitler die Steigerung dieser Politik angekündigt. Sie droht nicht nur Deutschland, sondern die ganze Welt in eine entsetzliche Katastrophe zu stürzen. Um ihretwillen wird das deutsche Volk gezwungen, dem Rüstungskapital immer größere Opfer zu bringen.

In Nürnberg haben die Führer der Nationalsozialisten den Kreuzzug gegen die Sowjetunion und gleichzeitig gegen die demokratischen Staaten gepredigt. Der Ausrottungskampf gegen alle freiheitlichen Bewegungen in der Welt wurde verkündet. Er hat in Spanien begonnen. Deutsche Bomben legen Madrid und andere spanische Städte in Trümmer, deutsche Divisionen, ausgerüstet mit allen Mitteln der Mordtechnik, stürzen sich auf das heroisch um seine Freiheit kämpfende spanische Volk.

Das deutsche Volk aber will den Frieden. Es will Deutschlands Existenz nicht aufs Spiel setzen, um die oberen Zehntausend in ihrem Besitz und ihren Vorrechten zu schützen. Der Friede der Welt und das Glück unserer Heimat sind nur durch den Sturz des Naziregimes zu sichern.

Erfüllt von der Überzeugung, daß die braune Tyrannei einzig und allein durch den Zusammenschluß aller zum Kampf für Freiheit und Recht bereiten Deutschen gebrochen werden kann, rufen wir unsere Volksgenossen im Reich und im Ausland auf, sich in einer deutschen Volksfront zu vereinigen.

Die Volksfront will keine neue Partei sein. Sie soll ein Bund aller derer werden, die entschlossen sind, ihre Kraft für Freiheit und Wohlstand des deutschen Volkes einzusetzen. Alle in ihr vereinigten Parteien und Gruppen bleiben ihren besonderen weiterreichenden Zielen treu. Alle eint der Wille, die braune Zwangsherrschaft zu vernichten.

Erst der Sturz der nationalsozialistischen Machthaber wird jeder politischen, geistigen und religiösen Strömung die Möglichkeit geben, für ihre Ansichten, Ziele und Ideale in freier Gleichberechtigung einzutreten. Um das zu erreichen, verpflichten sich alle Gegner des heutigen Regimes, geeint zu bleiben und in geschlossener Front zu streiten, bis der Gegner besiegt und ein freies Deutschland geschaffen ist.

Wir fordern:

Freiheit für das Volk!

Freiheit für alle Opfer des Regimes, die in den Zuchthäusern, Gefängnissen und Konzentrationslagern schmachten! Aufhebung aller Terror- und Ausnahmegesetze! Keine Folter, keine Konzentrationslager mehr!

Bestrafung aller, die für die Verbrechen des heutigen Systems verantwortlich sind!

Freiheit der Presse, Versammlungsfreiheit!

Freiheit des Gewissens, des Denkens und der religiösen Übung!

Ein Ende der Rassenhetze, dieser Schmach für die deutsche Kultur!

Ein Ende der kriegshetzerischen Propaganda in jeder Gestalt!

Wahl der Richter durch das Volk! Sicherung des einzelnen gegen Willkür durch eine verbürgte Rechtsordnung!

Koalitionsrecht für alle schaffenden Männer und Frauen!

Befreiung der Wissenschaft von allen Fesseln. Neuaufbau aller Unterrichtsanstalten in freiheitlichem und modernem Geist!

Brot durch Freiheit!

Die Geschichte der Nachkriegszeit hat gezeigt, wie kleine Gruppen Bevorrechteter, die den Großgrundbesitz, die großen Industriekonzerne und die Banken beherrschen, zu Totengräbern der Freiheit wurden. Um die Freiheit zu sichern, wird das neue Deutschland diese Volksfeinde ihrer Macht entkleiden.

Es wird die Rüstungsindustrie und die Großbanken verstaatlichen.

Es wird alle Sabotageversuche des Großkapitals, unter Anwendung der schärfsten Mittel, zu verhindern wissen.

Es wird die junkerlichen Saboteure der Volksernährung und Volksfreiheit enteignen. Es wird Heer und Verwaltung von allen Staatsfeinden säubern und zu verläßlichen Stützen des neuen Deutschland machen.

Dagegen wird im neuen Deutschland der Bauer frei auf seinem Besitz sein. Er wird des Schutzes seines Eigentums gegen die Zwangswirtschaft und gegen jene Zwangsabgaben teilhaftig werden, die ihn heute häufig genug zwingen, sich seines Grund und Bodens zu entäußern. Der deutsche Bauer wird der Bevormundung und der Schikanen der Reichsnährstandbonzen ledig sein. Die Aufhebung der Erbhofgesetzgebung wird die freie Verfügung über sein Eigentum und seine ihm vom “dritten Reich” geraubte Kreditfähigkeit wiederherstellen. Durchgreifende Entschuldungsmaßnahmen sind vorzunehmen.

Die Kriegswirtschaft wird beseitigt und durch eine Wirtschaft für den menschlichen Bedarf ersetzt. Wenn es wieder Butter statt Kanonen gibt, dann wird dem Mittelstand in Handel und Gewerbe eine auskömmliche Existenz gewährleistet sein.

Alle schaffenden Männer, Frauen und Jugendlichen werden zu menschenwürdigen tariflich geregelten Löhnen und Gehältern arbeiten, die Arbeitszeit wird mit dem technischen Fortschritt der Produktion und der Rücksicht auf die Befriedigung des Bedarfs in Einklang stehen. Der Staat wird den Kranken, Invaliden, Arbeitsunfähigen und Arbeitslosen ausreichende Fürsorge gewähren; die heutige empörende Schröpfung der Gewerbetreibenden, Beamten, Angestellten und Arbeiter durch tausenderlei Abgaben und Zwangssammlungen wird beseitigt werden.

Das Volk entscheidet.

 

Nicht Hitlers brutale Macht- und Kriegspolitik, sondern die Politik der deutschen Volksfront wird dem ganzen Volk Freiheit und Brot bringen. Sobald dies· erreicht und die Freiheit gesichert ist, wird das Volk auf Grund seines unverfälschten·demokratischen Wahlrechtes seine Vertreter wählen, die ihm allein verantwortlich sind. In dem freien Deutschland werden die Gemeinden und werden alle Einrichtungen des öffentlichen Lebens wieder auf die Grundlage der Selbstverwaltung gestellt sein.

Gegen Krieg und Autarkie, für Frieden und Zusammenarbeit!

Hitler braucht den Krieg um der Erhaltung seiner Herrschaft und um der Erreichung der imperialistischen Ziele seiner Auftraggeber willen. Das neue Deutschland braucht den Frieden zur Befestigung seiner jungen Freiheit und für seinen sozialen und wirtschaftlichen Aufbau. Es wird eine große starke Macht des Friedens·sein, die die Politik der friedenstörenden Einmischung in die Angelegenheiten anderer Länder verlassen wird. Sie wird der gewissenlosen Hetze gegen die Sowjetunion ein Ende bereiten. Das Recht, das an Stelle der Gewalt das staatliche und private Leben Deutschlands beherrschen soll, wird auch maßgebend für die Gestaltung der Beziehungen unter den Völkern sein. Internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit tritt an die Stelle der das gesamte Wirtschaftsleben zerstörenden Autarkie.

Zur Erreichung dieser Ziele haben wir uns zusammengefunden, sicher der Zustimmung unserer Gesinnungsgenossen in der Heimat. Allen Gegnern des blutigen Schandregimes rufen wir zu: Sucht Verbindung untereinander und mit uns!

Vereinigt eure Kräfte mit den unseren zu gemeinsamem Kampf! Schlagen wir in einer Front den, der unser aller Feind ist.

Unser nächstes Ziel ist der Sturz Hitlers und aller Peiniger des deutschen Volkes!

Für Freiheit, Frieden und Brot!

 

Der Aufruf trägt folgende Unterschriften:

[Sozialdemokraten:]

Rudolf Breitscheid Max Braun Professor Denicke Toni Sender Professor Siegfried Marck Dr. E. Drucker Professor Alfred Meusel Alfred Braunthal Professor Julius Lips Emil Kirschmann Dr. Hans Hirschfeld Max Hoffmann Bruno Süß Siegfried Aufhäuser Karl Böckel Alexander Schifrin Richard Kirn Bernhard Menne Dr. Otto Friedländer

[Kommunisten:]

Wilhelm Pieck Walter Ulbricht Wilhelm Florin Philipp Dengel Wilhelm Koenen Franz Dahlem Anton Ackermann Philipp Daub Hugo Gräf und andere

[Sonstige:]

Lion Feuchtwanger Arnold Zweig Heinrich Mann Professor Georg Bernhard Ernst Toller Professor E. J. Gumbel Professor Anna Siemsen Otto Lehmann-Rußbüldt Dr. Wolfgang Hallgarten Bodo Uhse Theodor Fanta Wolf Frank Dr. Felix Boenheim Johannes R. Becher Walter Schönstedt

Rudolf Olden Balder Olden Egon Erwin Kisch Rudolf Leonhard Prof. Alfons Goldschmidt Kurt Rosenfeld Professor Dr. J. Schaxel Professor Fritz Lieb Klaus Mann Dr. Budzislawski Kurt Kersten Ernst Bloch Wieland Herzfelde Max Seydewitz

 

 

 

 

 



[1]. Vom 8. bis 14. September 1936 fand in Nürnberg der Parteitag der NSDAP statt (genannt "Parteitag der Ehre"), auf dem insbesondere ein Vierjahresplan angekündigt wurde. Am 26. August 1936 hatte Adolf Hitler eine von ihm verfaßte geheime Denkschrift im engsten Kreise vorgestellt, die dann am 4. September der Regierung unterbreitet wurde. Darin heißt es: "Ich stelle damit folgende Aufgaben: 1. Die deutsche Armee muß in vier Jahren einsatzfähig sein, 2. Die deutsche Wirtschaft muß in vier Jahren kriegsfähig sein."