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Ernst Thälmann Zentralkomitee der KPD: 20. März 1930 (Auszüge) |
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Quelle: Ernst Thälmann: Die Eroberung der Mehrheit der Arbeiterklasse, Berlin 1930. Andere Quelle: Ernst Thälmann: Reden und Aufsätze zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung - Band 2 - November 1928‑September 1930. Berlin, Dietz, 1956[1]. |
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Erstellt: Januar 2013 |
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Ich möchte bei dem Bericht über das erweiterte Präsidium des EKKI vorausschicken, daß es undenkbar ist, alle Fragen zu behandeln, die dort zur Beratung und zur Entscheidung gestellt wurden. Das Heranwachsen des revolutionären AufschwungsDas Wichtigste ist, daß nach den fünf bis sechs Monaten, die seit dem X. Plenum des EKKI vergangen sind, die Komintern verpflichtet war, in der allgemeinen Analyse der Lage und der Aufgaben zu einer konkreteren Formulierung überzugehen. Wir sehen, daß sich das Tempo des revolutionären Aufschwungs in den verschiedenen Ländern der Welt beschleunigt hat. Aber die Ungleichmäßigkeit der Krisenentwicklung kommt in der Verschiedenartigkeit der Formen des Klassenkampfes und des Grades seiner Verschärfung zum Ausdruck. Deswegen wurde in der allgemeinen Analyse vorsichtig formuliert: einerseits das Heranreifen der Weltwirtschaftskrise, andererseits das Heranwachsen des revolutionären Aufschwungs mit der Möglichkeit des Hinüberwachsens in die revolutionäre Situation in einigen kapitalistischen Ländern. Vor kurzem beantwortete Stalin in der "Internationalen Presse-Korrespondenz" Nr. 17 einige Fragen von Swerdlow-Studenten, unter anderem auch die Frage nach der Möglichkeit des Überganges des revolutionären Aufschwungs in eine revolutionäre Situation. Natürlich ist das kein einfacher Prozeß, sondern hängt von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere von der Kommunistischen Partei, die die objektive Situation ungeheuer beeinflußt und wesentlich dazu beiträgt, in welcher Form und in welchem Tempo der revolutionäre Aufschwung in die revolutionäre Situation hinüberwächst. Es besteht keine starre Grenze zwischen dem "revolutionären Aufschwung" und der "revolutionären Situation". Im Prozeß der Entwicklung des erhöhten Massenkampfes geht das eine in das andere über. Unsere wichtigste Aufgabe ist es, das Proletariat schon jetzt auf entscheidende revolutionäre Kämpfe vorzubereiten, ohne den Eintritt in die revolutionäre Situation abzuwarten. Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Weltwirtschaftskrise ist ferner mit Recht darauf hingewiesen worden, daß dem Beginn der Wirtschaftskrise in Amerika selbst in unseren Reihen bisher noch nicht die Bedeutung beigemessen wird, die ihr zukommt. Die amerikanische KriseIch will an Hand einzelner Beispiele und Tatsachen die große internationale Bedeutung der Auswirkung einer Wirtschaftskrise in Amerika auf die Weltmächte zeigen. Am 26. Februar 1930 hat der Unterstaatssekretär im Schatzamt der USA, Ogden L. Mills, unter anderem über die Bevölkerung der USA und ihren Verbrauch im Vergleich zur Weltproduktion folgendes ausgeführt: Die Bevölkerung der Vereinigten Staaten beträgt nur 7 Prozent der Menschheit, aber diese 7 Prozent verbrauchen von Kaffee 48 Prozent, Zinn 53 Prozent, Gummi 56 Prozent, Zucker 21 Prozent, Rohseife 72 Prozent, Kohle 36 Prozent, Roheisen 42 Prozent, Kupfer 47 Prozent, Petroleum 69 Prozent, Autos 75 Prozent und Seide 52 Prozent. Diese Tatsachen müssen wir mit dem jetzigen gewaltigen Produktionsrückgang in Amerika vergleichen. Zum Beispiel: Der Absatz der General Motors ist von rund 128 000 Wagen im Januar 1929 auf 107 000 im Januar 1930 gefallen. In der Stahlindustrie ist Anfang März erneut ein Rückgang in der Ausnutzung der Kapazität von 85 auf 83 Prozent eingetreten, die Autoproduktion sank auf 53 Prozent der Produktion vom März 1929, die Kupferproduktion um 37 Prozent. Es ist die Tatsache zu verzeichnen, daß die Baugesuche um 21 Prozent niedriger sind als im Vorjahr, daß infolgedessen der Bedarf an Holz, Ziegeln und Installation dauernd sinkt. Der Rückgang der Bahnfrachten betrug im Januar 6,2 Prozent. Am schlimmsten ist die Lage bei Baumwolle und Weizen. Die Regierung hat über 2 Milliarden Mark ‑ 500 Millionen Dollar ‑ zur Verfügung gestellt, um das Halten der Baumwollpreise und des Weizenpreises zu ermöglichen. Trotzdem konnte der gewaltige Preissturz nicht verhindert werden. Der sichtbare Bestand an Weizen beträgt 169 Millionen Bushel[2] ‑ 39 Millionen Bushel mehr als im vorigen Jahre. Und die "Kölnische Zeitung" vom 14. März 1930 stellt fest, daß im Kanadischen Weizenpool 100 Millionen Bushel unverkauft sind, die man entweder verbrennen oder zu Schleuderpreisen loswerden muß. Wir werden im Zusammenhang mit dieser Tatsache in den nächsten Monaten in der ganzen Welt eine derartige Agrarkrise zu verzeichnen haben, wie wir sie seit Jahrzehnten noch nicht gesehen haben. Zu der Tatsache des gewaltigen Produktionsrückganges in Amerika kommt, wie uns der 6. März[3] gezeigt hat, die Zuspitzung der Situation in diesem verhältnismäßig am meisten konsolidierten kapitalistischen Lande. Dort nimmt die Erwerbslosenbewegung, die die Zahl von 6,6 Millionen erreicht hat, einen revolutionären Charakter an, der manchmal nicht zu vergleichen ist mit der Aktivität der Erwerbslosen in Deutschland. Ich führe das deswegen an, weil in unseren eigenen Reihen dieses Heranwachsen der Weltwirtschaftskrise zuwenig berücksichtigt wird. Natürlich kann die amerikanische Bourgeoisie bestimmte Manöver machen, natürlich hat sie ungeheure finanzielle, ökonomische und politische Machtmittel in der Hand, wie kein anderes Land der Welt. Aber die Frage der Absatzmöglichkeiten, die Exportoffensive, die von Amerika ausgehen wird, hat für die Krise des kapitalistischen Weltsystems ungeheure Bedeutung. Die AgrarkriseGleichzeitig mit dieser Produktionskrise in der Industrie sehen wir eine Verschärfung der Agrarkrise in der ganzen Welt. Nehmen wir eine Tatsache heraus: die Vernichtung der schwachen Bauernwirtschaften, die die Agrarkrise mit sich bringen muß. Bei dem ungeheuren Preissturz der Agrarprodukte - selbst wenn verschiedene kapitalistische Länder und Regierungen dazu übergehen, durch Zollerhöhungen vorübergehend die Landwirtschaft zu retten - werden aber die schwachen Bauernwirtschaften durch die Agrarkrise mehr und mehr ins Elend hineingestoßen. Auf der anderen Seite sehen wir die Entwicklung in der Sowjetunion, wo die Durchführung der Kollektivierung der Landwirtschaft eine eiserne Front der Bauern und der Arbeiter schafft. Beim Charakter dieser Krise ihren Ausgang nur in Nordamerika zu sehen, wäre unrichtig. Wir müssen in dieser historischen Phase die Verschiebung und Veränderung der Klassenkräfte an allen Fronten in der ganzen Welt kennzeichnen. Abkürzungen der Industriezyklen, die die Rechten außerhalb der Partei mit den Sozialdemokraten als eine Stärke des Kapitalismus bezeichneten, zeigen die ungeheure Schwäche des internationalen Kapitalismus. Die Theorie vom “organisierten” Kapitalismus, von der auch Genosse Bucharin schrieb, ist durch diese Entwicklung als prinzipiell falsch widerlegt. Marx hat schon in seinem Buch "Das Elend der Philosophie" von chronischen Depressionen gesprochen. Schon zu damaliger Zeit gab es chronische Depressionen, aber sie hatten einen anderen Charakter als heute, wo sie zu einer allgemeinen, tief einschneidenden Erschütterung des kapitalistischen Weltsystems geworden sind. Wir müssen bei der Behandlung der Weltanalyse nicht von einem allgemeinen Schema ausgehen, sondern müssen versuchen, die Ungleichmäßigkeit der Krisenentwicklung zu zeigen. Nehmen wir die Beschlüsse des III. Weltkongresses, womit Brandler und seine Freunde und auch die Versöhnler zum Teil noch bis heute hausieren gehen und deren Anwendung sie für die Taktik der Partei in der gegenwärtigen Situation fordern. Lenin sprach schon damals mit vollem Recht von einer allgemeinen Krise. Aber diese Krise nimmt in den Zeitabschnitten der allgemeinen Entwicklung verschiedene Formen an, wie es die Berichte des VI. Weltkongresses und des X. Plenums des EKKI gezeigt und festgestellt haben. Die Geographie der WirtschafskriseGenosse Manuilski hat in seinem Referat von der Geographie der Krise gesprochen. Die Krise entwickelt sich in verschiedenen Ländern verschiedenartig, wobei nicht nur die objektive Situation eine Rolle spielt, sondern auch der Einfluß und die Aktivität der Kommunistischen Partei in der proletarischen Klassenbewegung. Man kann heute von vier verschiedenen Ländertypen sprechen. Zum ersten Typ gehören die Vereinigten Staaten von Amerika. Hier zeigt die Krise eine besondere Form, weil das Land nach dem Kriege finanzpolitisch, militärpolitisch und ökonomisch ungeheuer viel profitiert hat. Es kann viel leichter eine Krise überstehen als zum Beispiel Deutschland, Polen oder ein anderes kapitalistisches Land. Der zweite Typ der Länder, wie Frankreich, England und einige skandinavische Länder, stehen erst am Vorabend des Beginns einer Wirtschaftskrise. In Ländern Ost- und Zentraleuropas - zu denen auch Deutschland und Polen gehören - ist wie in Polen eine schwere allgemeine Wirtschaftskrise vorhanden. Viertens gibt es die kolonialen und halbkolonialen Länder, wie Indien, China und die Halbkolonien Südamerikas, wo die Krise infolge des Preissturzes wichtiger Rohstoffe und Agrarprodukte schon einen sehr scharfen Charakter annimmt. In Osteuropa herrscht in fast allen Ländern eine Krise. Eine besonders tiefgehende, nationale und allgemeine Krise sehen wir in Polen. Dort besteht nicht nur eine ernsthafte Wirtschaftskrise, sondern bereits eine politische Krise, die ungeheure Formen annimmt, nicht nur eine große Produktionskrise in der Industrie, sondern auch auf dem Lande, wo die Kleinbauern und die Landarbeiter gemeinsam die größten revolutionären Demonstrationen durchführten. Ungefähr seit dem Jahre 1926 war ein solcher Charakter der Zuspitzung noch nicht zu verzeichnen. Am Beispiel Deutschlands können wir die Ungleichmäßigkeit dieser Krisenentwicklung am besten zeigen. Das erste Stadium der revolutionären Zuspitzung und der revolutionären Situation nach dem Kriege dauerte von 1918 bis 1921. Es folgte eine langsame Erholung der Bourgeoisie, danach entwickelte sich wiederum eine starke Krise in der Inflationszeit. Nach dieser Zeit erfolgte langsam wieder eine Stabilisierung, in der sich die Bourgeoisie und die Wirtschaft etwas erholen konnten, 1925/1926 aber eine Depression, dann erneuter Aufschwung 1926/1927 und Depression seit 1928. Heute sehen wir bereits wieder erneute Anzeichen des Beginns der Krise. Nehmen wir die Kolonien. Auch dort sehen wir den Zustand der ökonomischen Depression. In Indien zum Beispiel besteht seit dem Jahre 1925 bis heute eine chronische Krise in der Industrie, daneben eine bedeutende Agrarkrise, die in den letzten Jahren einen tiefgehenden revolutionären Charakter annahm. In China sehen wir eine ungeheure Zuspitzung in den letzten Monaten. Ursachen der allgemeinen Zuspitzung in Südamerika sind die dauernden Regierungskrisen und der Preissturz innerhalb des letzten dreiviertel Jahres. Gegenüber diesem Gang der Weltwirtschaftskrise müssen wir die Entwicklung der Sowjetunion ebenfalls ernsthaft beobachten: nicht nur die riesige wirtschaftliche Entwicklung, den ungeheuren Aufschwung, der sich in der sozialistischen Industrie in der Sowjetunion zeigt, sondern auch die Tatsache der Kollektivierung der Landwirtschaft. Sie stellt die Aufgabe der Liquidierung des Kulakentums in ganz kurzer Zeit, das heißt die Liquidierung der Konterrevolution im Lande des Sozialismus, eine der größten und wichtigsten Aufgaben, die für den Fall des Kriegsausbruchs von größter Bedeutung ist. Dann müssen wir die Rolle der KPdSU(B) sehen - welche Initiative sie in den Massen entwickelte und welche gewaltige Autorität sie sich in der gesamten Bevölkerung, nicht nur im Industrieproletariat, eroberte. Der Bereich der Autorität und des Vertrauens zur Führung der Partei wird mehr und mehr auf die gesamte Bevölkerung ausgedehnt. Die letzte Tatsache im Zusammenhang mit dieser grandiosen Entwicklung: Bei diesem Aufstieg des Sozialismus konnten sowohl die rechten wie auch die sektiererischen “linken” Abweichungen von der KPdSU(B) vernichtet werden. Vom Präsidium wurde beschlossen, das Referat des Genossen Molotow über die Lage in der Sowjetunion zu veröffentlichen. Es war für alle Genossen auf dem Plenum eine große politische Überraschung. Ich will nur einige Tatsachen herausgreifen: Erstens die ökonomische Entwicklung, die in der Sowjetunion durch das Tempo des Fünfjahrplans das Tempo der Entwicklung aller kapitalistischen Länder, mit Ausnahme Amerikas, überholt hat. Man glaubt, daß in der Sowjetunion nach der Durchführung des Fünfjahrplans auch das höchste Tempo Amerikas überholt sein wird. Der Fünfjahrplan wird voraussichtlich schon in vier Jahren durchgeführt werden. Die zweite wichtige Tatsache: Nur noch sieben Prozent des gesamten Warenhandels in der Sowjetunion befinden sich heute in privaten Händen. Die dritte Tatsache, die die ungeheure Entwicklung kennzeichnet, sind die neuen Methoden, mit denen die KPdSU(B) den Aufbau des Sozialismus im Lande an allen Fronten durchführt. Man müßte, wenn man das ganze Leben und Treiben in der Sowjetunion beobachtet und die Arbeit der KPdSU(B) verfolgt, überlegen, ob man nicht verschiedene Kampfformen zur Mobilisierung der Massen ‑ nicht mechanisch, aber in ihren Methoden ‑ ebenfalls bei uns zur Anwendung bringt. Zum Beispiel die neue Methode, die von unserem Jugendverband bereits übernommen wurde, die Methode der Stoßbrigaden. In der Sowjetunion werden die Stoßbrigaden in die Industrie hineingeschickt, um die sozialistische Entwicklung der Industrie auf ein Höchstmaß zu steigern. Die Tatsache, daß sich an einem Sonntag allein 70 000 Arbeiter und Arbeiterinnen für diese Stoßbrigaden zur Verfügung stellten und daß die KPdSU(B) in der Lage war, 25 000 von ihnen als Stoßbrigaden in die Dörfer zu schicken, ist ein Beweis für die ungeheure Begeisterung der Massen, mit der sie den Fünfjahrplan durchführen. Neben der ökonomischen Entwicklung in der Industrie vollzieht sich auch eine neue politische Entwicklung, die von der größten Bedeutung ist. Durch die ökonomische Entwicklung wird das ganze politische Leben der Arbeiterklasse, der Dorfarmut und der Mittelbauern außerordentlich beeinflußt. Bei dieser politischen Beeinflussung des ganzen Lebens der gesamten Bevölkerung ist die Reinigung des Staatsapparates vorn Bürokratismus eher möglich, weil gerade die Partei auf diesem Gebiet Möglichkeiten hat, Tausende verschiedener, im Staatsapparat zurückgebliebener und bürokratischer Elemente - auch wenn es Mitglieder der Partei sind - durch neue Kader aus den proletarischen Massen zu ersetzen. Dabei will ich einen Einzelfall erwähnen. In Astrachan befinden sich große Betriebe der Fischerei, wo es Agenten des Privatkapitals vorübergehend möglich war, in Staatsfunktionen einzudringen. Dort mußte die Partei dazu übergehen, eine gründliche Reinigung durchzuführen. Diese wurde mit Unterstützung von Zehntausenden Arbeitern des gesamten Gebiets vollzogen. Es wurden hierbei 14 Saboteure erschossen, 71 Prozent des Bestandes der Leitung abgesetzt und ergänzt. Jetzt, nach dieser Reinigung, ist festzustellen, daß die Aufgaben, die der Fünfjahrplan für dieses Gebiet festsetzte, bereits um 40 Prozent übererfüllt worden sind. Die neue politische Entwicklung zeigt sich auch im steigenden Umsatz der Literatur, in einem solchen Aufschwung, daß die Sowjetunion vorübergehend nicht in der Lage war, so viel Papier zu beschaffen, wie gebraucht wird, um Literatur für die Massen herzustellen. In letzter Zeit ist festgestellt worden, daß zum Beispiel eine Broschüre zur Saatkampagne, die sonst durchschnittlich eine Auflage von zwei Millionen hatte, jetzt in einer Auflage von 25 Millionen herausgegeben werden mußte, weil von den Massen an die Partei solche Anforderungen gestellt wurden. Auf dem Gebiet der Buchproduktion hat sich der Umsatz gerade in der letzten Zeit um das Zehnfache bis Zwanzigfache erhöht. Wir sehen ferner folgende Massenentwicklung: Bis zu 55 Prozent der Landwirtschaft, besser gesagt der Einzelbauernwirtschaften, sind kollektiviert. Es entwickelt sich ein gewaltiger Prozeß: der Prozeß der Auflösung der individuellen Bauernwirtschaften und des Überganges zum Aufbau der großen kollektiven Wirtschaftseinheiten, zur großen sozialistischen Produktion. Bei der schwierigen und mit Mängeln behafteten Arbeit ist bei dieser Entwicklung nicht nur der Kampf gegen den rechten Opportunismus notwendig, sondern auch der Kampf gegen die linke Phrase, die Isolierung der Partei von den Massen und die überhitzte Durchführung der Kollektivierung der Landwirtschaft. Wir sehen in dem jetzigen leninistischen Zweifrontenkrieg gegen alle diese Abweichungen, daß die KPdSU(B) auch für uns in Deutschland ein Musterbeispiel für den Kampf ist. Wir sind verpflichtet, ebenfalls in unseren Reihen nicht nur die Frage des Kampfes gegen den rechten Opportunismus als der Hauptgefahr in der Partei zu stellen, sondern müssen auch sehen, daß der Opportunismus in verkleideter Form, in sektiererischer Form, stärker in Erscheinung tritt. Die Vernichtung des KulakentumsDie Tatsache der Vernichtung des Kulakentums als Klasse ‑ vielleicht eines der weltbedeutendsten Ereignisse ‑, die den Klassenfeind an verschiedenen Fronten zu der größten Rührigkeit und zu den schärfsten Maßnahmen gegen den Kommunismus in den verschiedenen Ländern und gegen die Sowjetunion bringen wird, diese Tatsache müssen wir im einzelnen etwas näher beleuchten. Dieser Prozeß der Vernichtung des Kulakentums nimmt verschiedene Formen an. Auch die allgemeine Lage und die verschiedenen Gebiete erfordern verschiedene Methoden des Kampfes in der Frage der Vernichtung des Kulakentums. In den Gebieten zum Beispiel, wo die Kollektivierung der Landwirtschaft unter ausdrücklicher Zustimmung der Bauern, besonders der Dorfarmut und der Mittelbauern, geschieht, wo dieser Prozeß ein schnellerer Prozeß ist, wird die Liquidierung des Kulakentums ein schnelleres Tempo haben als dort, wo die Kollektivierung der Landwirtschaft erst in Angriff genommen ist. In solchen Gebieten zum Beispiel wie Nordwolga, Nordkaukasus oder Ukraine, wo also die wichtigsten Knotenpunkte sind, ist die Frage der Vernichtung des Kulakentums viel leichter, weil dort mit völliger Zustimmung und auf die Forderung der Bevölkerung hin ‑ auch der Mittelbauern ‑ die Kulaken von ihren Gütern davongejagt werden. Anders vollzieht sich dieser Prozeß in Gebieten, wo unsere Positionen nicht so stark sind, wo die Kulaken in größerem Maße aktiven oder passiven Widerstand leisten, wodurch entsprechende schärfere Gegenmaßnahmen erzwungen werden. Aber für die proletarische Diktatur gibt es nicht die Frage der Sentimentalität, sondern nur die Frage der Liquidierung des Kulakentums als Klasse. Angenommen, die Weltbourgeoisie würde jetzt zum Kriege übergehen. Das Kulakentum, das bis in die letzte Zeit hinein auf kapitalistischer Produktionsbasis gestanden hat, würde beim Ausbruch des Krieges eine der wichtigsten Positionen für die Weltbourgeoisie, würde als Stützpunkt der Konterrevolution gegen die proletarische Diktatur in Erscheinung treten. Die Durchführung der Politik der Liquidierung dieser Klasse bedeutet die Wendung der armen und mittleren Bauernmassen zum Sozialismus hin, stellt das Bündnis zwischen Proletariat und Bauernschaft auf eine feste Produktionsbasis. Diese Umwälzung in der Landwirtschaft hat eine besondere Bedeutung für das allgemeine Leben im Kommunismus, weil sie in der jetzigen Etappe der proletarischen Diktatur eine höhere Stufe der Entwicklung zum Kommunismus ist. Das, was früher die Feinde der Sowjetunion und besonders die Sozialdemokraten und die Bourgeoisie nicht geglaubt haben, daß es der KPdSU(B) gelingen würde, im Strom der Entwicklung auch die individuellen Bauernwirtschaften durch die Mitbestimmung, durch die Wahrung des Prinzips der Freiwilligkeit der Bevölkerung selbst in Kollektiven oder in Form von Sowjetgütern zu vereinen, zeigt, in welchem Maße der Kommunismus unter der proletarischen Diktatur verwirklicht wird. Dadurch wird auch die ganze Agrarphilosophie und reformistische Theorie der Sozialdemokratie völlig vernichtet. Natürlich werden wir in der nächsten Zeit in Deutschland und in der ganzen Welt eine ungeheure Hetze erleben. Solche Maßnahmen gegen die konterrevolutionären Kulaken werden das größte Wutgeheul und die tiefste Empörung der Kriegshetzer, der Weltbourgeoisie und der Sozialdemokratie gegen die Sowjetunion hervorrufen. Wir haben das schon bei der Auswanderung der Kulaken nach Deutschland erlebt. In der Abwehr und im Kampf gegen diese Hetze nehmen wir eine verhältnismäßig günstige Position ein. Bei der Lösung der Aufgaben, die sich die KPdSU(B) gestellt hat, müssen Überspitzungen vermieden werden. Zum Beispiel die Kollektivierung der Landwirtschaft ohne ausreichendes Mitbestimmungsrecht der Bevölkerung durchzuführen, ist völlig unzulässig, weil das Widerstände in der Bevölkerung, weil das Mißstimmung, steigendes Mißtrauen und nicht Vertrauen erzeugt. Nicht bürokratisch von oben, nicht mit dem Revolver in der Hand, sondern durch die tägliche Praxi des Mitbestimmungsrechts der gesamten Bevölkerung soll die Vernichtung des Kulakentums vor sich gehen, was natürlich nicht ausschließt, daß bestimmte Zwangsmaßnahmen gegen die Kulaken ergriffen werden. Verschärfte KriegsgefahrIch habe bis jetzt die Fragen nur vom Standpunkt der inneren Entwicklung der Sowjetunion aus gestellt. Aber dieses Tempo in der inneren Entwicklung der Sowjetunion, sowohl ökonomisch wie politisch gesehen ‑ wobei wir die Frage der Verbesserung der Verteidigungsmittel durch den neuen Aufbau der Rüstungsindustrie, durch Verbesserung der ganzen Waffentechnik und der Rüstung an den verschiedenen Knotenpunkten nur erwähnen wollen ‑, bringt eine Verschärfung des Gegensatzes zwischen dem System des Sozialismus und dem System des Kapitalismus in der ganzen Welt mit sich. Von diesem Standpunkt aus müssen wir auch die Frage der Verschärfung der Kriegsgefahr stellen. Wenn die Weltbourgeoisie jetzt gegen die Sowjetunion losschlüge - könnte es zur Störung des sozialistischen Aufbaus einen günstigeren Moment geben? Warum schlägt sie jetzt nicht los? Weil sie erstens im Lande den revolutionären Klassenfeind fürchtet, die Kommunistische Partei und das Proletariat, und zweitens, weil die Krise so scharf an das Leben und an die Fundamente des Kapitalismus greift, daß er im Moment diese große Schlacht noch nicht wagen will. Warum hat zum Beispiel der Weltimperialismus beim Ostchinakonflikt die Gelegenheit, endgültig gegen die Sowjetunion loszuschlagen, nicht ausgenützt? Weil es zwischen Japan und Amerika Differenzen gab ‑ die im Weltmaßstab existierten ‑ sowohl in der Frage der Beherrschung des Stillen Ozeans wie verschiedener Knotenpunkte in China. Eine andere Tatsache: Als zwei sowjetische Kreuzer durch die Dardanellen fuhren und die Türken Salut schossen, wagten die anderen Mächte nicht zu protestieren. Durch diese Fragestellung darf aber nicht der Gedanke auftauchen, daß die Kriegsgefahr abgeschwächt ist. Natürlich ist die revolutionäre Krise in der ganzen Welt für die Entwicklung der Sowjetunion von größter Bedeutung. je stärker die Krise des Kapitalismus, um so besser ist es für die Sowjetunion, weil sie dadurch neue Möglichkeiten hat, ihren Aufbau zu beschleunigen und ihre Aufgaben zu verstärken. Andererseits kann die Krise auch die Weltbourgeoisie - zu verzweifelten Kriegsabenteuern gegen die Sowjetunion treiben. Bei dieser Fragestellung spielen im Rahmen der allgemeinen internationalen Politik die sozialdemokratischen Regierungen eine außerordentlich große Rolle. Warum wurde zum Beispiel als besonderer Punkt in den Thesen die Tatsache des Bestehens der MacDonald-Regierung und der Hermann-Müller-Regierung behandelt? Weil sie in den Kriegsvorbereitungen gegen die Sowjetunion die aktivsten sind. Selbst wenn Amerika die Hegemonie im Weltmaßstab übernommen hat, sind sie die aktivsten, die die Kriegsvorbereitungen gegen die Sowjetunion beschleunigen wollen. Die Kriegsrolle der deutschen Sozialdemokratie hat sich selbstverständlich auch nach dem Sturz der Müller-Regierung nicht geändert. Sie müssen diese Haltung einnehmen, wenn ihre reformistische Theorie durch die revolutionäre Praxis, durch den Aufbau des Sozialismus in der Sowjetunion und durch die Verwirklichung des Fünfjahrplans, nicht geschwächt und letzten Endes im revolutionären Endkampf gegen den Kapitalismus aufgehoben werden soll. Durch die Verwirklichung des Fünfjahrplans werden wir so starke Argumente des Aufstiegs des Sozialismus bekommen, werden unsere ideologischen Mittel so stark werden, daß der Reformismus schwerer in der Lage sein wird, seine Politik vor den Massen zu verteidigen. Der YoungplanIm Rahmen dieser ganzen internationalen Erörterungen spielt natürlich die Annahme des Youngplans, der jetzt zum Abschluß gekommen ist und von einigen anderen Parlamenten, in England und Frankreich, ratifiziert wird, spielt die Abmachung der Weltbourgeoisie mit Deutschland und die Vereinbarung Polens mit Deutschland in der Frage des polnisch-deutschen Abkommens eine ungeheure Rolle. Was sagen die Thesen über den Youngplan? Es heißt dort folgendermaßen[4]: Unter diesen Verhältnissen hat der Youngplan, als das unter der Hegemonie des amerikanischen Finanzkapitals von der Bourgeoisie der Siegerländer laut Übereinkommen mit der Finanzoligarchie Deutschlands zur Durchführung gelangende Kampfprogramm, die Bedeutung: a) eines Planes zur Unterjochung und Versklavung des deutschen Proletariats, zur Senkung seiner Lebenshaltung und zur Steigerung seiner Ausbeutung; b) eines Planes zur Steigerung der Macht des Finanzkapitals der Siegerländer (die aus Deutschland herauszupressenden Milliarden) - infolgedessen eines Planes neuer Offensiven der Kapitalisten gegen die Arbeiterklasse dieser Länder zur Senkung ihres Lebenshaltungsniveaus; c) eines Planes der Finanzblockade (Bank der internationalen Zahlungen) und zur Vorbereitung des militärischen Vorstoßes gegen die Sowjetunion, und schließlich d) bedeutet der Youngplan die Verschärfung des Kampfes im imperialistischen Lager selbst auf Grund der mit der Aufteilung der imperialistischen Beute zusammenhängenden Fragen. Hier sehen wir ein neues Kettenglied der internationalen Konzentration gegen die Sowjetunion auf einem Gebiet, wo zehn Jahre lang Differenzen innerhalb der Weltbourgeoisie bestanden. Ich denke daran, daß mit Abschluß des Youngplans das deutsch-polnische, das deutsch-belgische und noch verschiedene andere Abkommen als Younggesetze mit zur Entscheidung gestellt wurden. Alles das gehört zur Verschärfung der Kriegsvorbereitungen, die von Amerika ausgehen und von der MacDonald- und der Müller-Regierung unterstützt werden. Die Sowjetunion hat große Möglichkeiten, besonders nach dem Osten und in die baltischen Länder, Waren zu exportieren. Eine Tatsache, der man jetzt schon durch neue Maßnahmen entgegenzuwirken versucht, zum Beispiel durch das Zündholzmonopol in Deutschland. Ich will die weitere Tatsache nur andeuten: Hier spielt nicht nur der politische Gegensatz eine große Rolle, sondern die ganzen Veränderungen in der Produktionsbasis der Sowjetunion reißen neue Gegensätze zwischen dem System des Kapitalismus und dem System des Sozialismus auf. Und diese neuen internationalen Gegensätze, die durch die Produktionsbasis des Sozialismus ‑ unter Einbeziehung der ganzen Landwirtschaft ‑ aufgerissen werden, werden die Feindschaft auf internationalem Gebiet noch verschärfen. Aufgaben der kommunistischen ParteienDeshalb wurde auf dem X. Plenum und auf diesem erweiterten Präsidium für die wichtigsten kapitalistischen Länder die Aufgabe gestellt: die Eroberung der Mehrheit des Proletariats. Das ist eine sehr ernste Aufgabe, die nicht nur aus der Perspektive der Kriegsgefahr, sondern aus der allgemeinen Perspektive der großen revolutionären Aufgaben, die wir zu lösen haben, gestellt wurde. Für Deutschland, für Polen, für Frankreich und für die Tschechoslowakei ist dies die wichtigste aktuelle Aufgabe. Können wir eine solche Aufgabe in der nächsten Zeit schon für England und Amerika stellen? Keineswegs, denn dort sind nur kleine Parteien. Wenn wir diesen Parteien jetzt eine solche Aufgabe stellen würden, wäre das ein Maßstab, an dem gemessen unsere Partei im Moment nicht in der Lage wäre, ihre große historische Aufgabe erfüllen zu können. Das Wichtigste, was auf diesem Präsidium noch behandelt wurde, ist, daß die Aufgaben für die einzelnen Parteien im internationalen Maßstabe näher konkretisiert wurden. Bolschewistische KommunalpolitikIm Zusammenhang mit der Frage der Eroberung der Mehrheit des Proletariats wurde auch die Kommunalpolitik behandelt, um sie als einen Hebel zur Mobilisierung der Massen gegen den Sozial- und Nationalfaschismus auszunützen. In dieser neuen Etappe der Taktik des Klassenkampfes mußte auf dem Präsidium die Frage anders gestellt werden als früher. Allerdings in der Grundlinie wurde schon auf dem II. Weltkongreß die Frage absolut richtig formuliert[5]: Falls die Kommunisten die Mehrheit in Kommunaleinrichtungen haben, so sollen sie a) revolutionäre Opposition gegen die bürgerliche Zentralgewalt treiben; b) alles tun, um der ärmeren Bevölkerung Dienste zu leisten (wirtschaftliche Maßnahmen, Durchführung oder Versuche zur Durchführung der bewaffneten Arbeitermiliz etc.); c) bei jeder Gelegenheit die Schranken zeigen, die die bürgerliche Staatsgewalt wirklich großen Veränderungen entgegensetzt; d) auf dieser Grundlage schärfste revolutionäre Propaganda entwickeln, ohne den Konflikt mit der Staatsgewalt zu fürchten; e) unter gewissen Bedingungen die Gemeindeverwaltungen etc. durch lokale Arbeiterräte ersetzen. Die ganze Tätigkeit der Kommunisten in der Kommunalverwaltung muß also ein Bestandteil der allgemeinen Zersetzungsarbeit des kapitalistischen. Systems sein. Auf dem erweiterten Präsidium wurde erklärt, daß es notwendig ist, erstens die Kommunalpolitik aus dem Rahmen des jetzigen Legalismus herauszureißen und zweitens sie nicht nur vom Standpunkt der Propaganda und Agitation, sondern im wesentlichen vom Standpunkt der revolutionären Politik und Massenmobilisierung zu betrachten. Warum haben wir zum Beispiel vor und nach dem 17. November die Frage erweiterter kommunalpolitischer Beiräte gestellt? Dies wurde nicht nur als eine Verbindung der Massen mit der Partei betrachtet, sondern als eine höhere Aufgabe, weil jede Zuspitzung in der allgemeinen Lage und im Klassenkampf auch im Parlament - wo unsere Fraktionen Zusammenstöße mit den bürgerlichen Gesetzen und sogar mit der bürgerlichen Staatsgewalt bekommen werden - bestimmte Konsequenzen in sich birgt. Wenn wir diese ohne die proletarischen Massen, nur durch Fraktionen herbeiführen, dann ist der Widerhall nicht vorhanden, und die Aufgabe der Massenorientierung und Massenmobilisierung wird nicht gelöst. Ich glaube, man kann sagen, daß der Stempel des Opportunismus in der Praxis der Kommunalpolitik am stärksten aufgedrückt ist. Stellen wir die Frage international. Wir in Deutschland sind noch in einer günstigen Lage, weil wir bereits zu den Wahlen am 17. November versucht haben, eine Wendung durchzuführen. Wenn wir etwa hundert Bürgermeister in Frankreich haben und darunter viele, die den Polizeietat glatt bewilligen und bei der Bewilligung des gesamten Etats nicht vom revolutionären Klassenkampf gegen die bürgerliche Staatsgewalt ausgehen, so zeigt das den tiefen Opportunismus auf diesem Gebiet. Auch prinzipienlose Blocks, nicht nur mit den Sozialdemokraten, sondern mit den bürgerlichen Parteien in den verschiedenen Gemeinden, stehen dort auf der Tagesordnung. Die Tatsache, daß sich unsere Gemeindepolitik vielfach im Rahmen des bürgerlichen Staates vollzieht, besonders in Frankreich und in der Tschechoslowakei, sich den bürgerlichen Gesetzen und Verwaltungsbestimmungen unterordnet ‑ auch in Deutschland stellen wir manchmal bei Forderungen und Anträgen viel zuviel die Frage der Regelung im Rahmen des Finanzausgleichs ‑, kennzeichnet den Opportunismus in der Praxis. Bei der heutigen Entwicklung in Deutschland ‑ wo sich der Abbau der sozialen Aufwendungen vollzieht, wo wir bei der Durchführung des Youngplans mit größeren Repressalien gegen die Gemeinden und Länder, mit noch größerer Unterordnung der Gemeinden unter die Reichsautorität und Reichsgewalt rechnen müssen ‑ ist die Frage der Durchsetzung unserer Forderungen durch den revolutionären Kampf, nicht im Rahmen der “finanziellen Möglichkeiten”, um so schärfer zu stellen. Auch das Steuerproblem muß neu erörtert werden, wobei sehr wichtig ist, daß wir bestimmte Besitzsteuern fordern können. Es ist von größter Bedeutung ‑ worüber auch in unseren eigenen Reihen Unklarheiten herrschen ‑, daß zwischen privaten und kommunalen Betrieben sehr oft Grenzen gezogen werden. Ich will nur erwähnen, daß noch in einem Aufruf der Bezirksleitung Berlin-Brandenburg vom November eine Forderung nach Kommunalisierung enthalten war. Diese Losung ist heute unzulässig und falsch. Die Politik in den Kommunen ist vom System des ganzen kapitalistischen Staates aus zu sehen. Sie ist kaum zu trennen von der Politik der Länder. Die Losung der Kommunalisierung steht fast im selben Verhältnis wie die Frage der Verstaatlichung, über die wir längst im klaren waren. Wenn wir eine Forderung auf Kommunalisierung nicht mehr stellen dürfen, weil sie politisch falsch ist, schließt das nicht aus ‑ wenn zum Beispiel die Bourgeoisie versucht, kommunalisierte oder öffentliche Betriebe in private Betriebe umzuwandeln ‑, daß wir die Entkommunalisierung ablehnen. Wir müssen natürlich die Übergabe der Kommunalbetriebe an das Privatkapital verhindern. Wir müssen darauf verweisen, daß ein wirklicher Kampf gegen die Monopolbestrebungen der Bourgeoisie nur als ein revolutionärer Klassenkampf geführt werden kann. Nicht eine bedingungslose Kapitulation vor den Forderungen der Bourgeoisie, die die gemeinnützigen Betriebe an das Privatkapital ausliefern will, sondern revolutionären Kampf im Zusammenhang mit der Propaganda und Agitation für die Sowjets. Natürlich schließt das alles nicht aus, daß wir Teilforderungen stellen müssen. Aber diese Teilforderungen müssen einen solchen Charakter tragen, daß sie nicht den demokratischen Illusionen der Massen entgegenkommen, die sich noch im Lager der Sozialdemokratie, der Nationalsozialisten und anderer bürgerlicher Parteien befinden, sondern wir müssen Propaganda machen für die Sowjets als die wirklichen Vertreter des Proletariats und der Werktätigen auf dem Lande. Wenn wir bei diesen Teilforderungen verschiedene Aufgaben zur Unterstützung von Streiks, der Erwerbslosen, des Kampfes gegen den Faschismus stellen, so ist es ganz klar, daß diese Teilforderungen einen revolutionären Charakter tragen müssen. Wir müssen die Frage erwägen, ob wir nicht eine brüderliche Solidarität und Verbindung zwischen den Sowjets in der Sowjetunion und den Gemeindevertretungen durch Entsendung von Delegationen aus einigen Gemeindeparlamenten zu den Sowjets ermöglichen können, zum Beispiel aus Gemeindeparlamenten, wo wir in der Mehrheit sind oder wo eine wirkliche Arbeitermehrheit besteht. Von Arbeitermehrheit kann nur dann die Rede sein, wenn neben der kommunistischen Fraktion eine solche Bauerngruppe besteht, die bereit ist, mit den Kommunisten zusammenzugehen. Eine Arbeitermehrheit mit der Sozialdemokratie oder Vertretern der Massenorganisationen, wenn sie nicht unter revolutionärem Einfluß, zum Beispiel der Gewerkschaftsopposition, stehen, ist für uns keine Arbeitermehrheit und kommt nicht in Frage. Wir haben in Deutschland zwar nur ganz kleine Gemeinden mit einer kommunistischen Mehrheit, aber dort müssen wir von Fall zu Fall unsere Politik schärfer als in der Vergangenheit durchführen und nicht nur im Rahmen der bürgerlichen Gesetzlichkeit vorgehen. Unsere kommunistischen Bürgermeister müssen eine revolutionäre Politik mit der Einwohnerschaft gegen die Reichsgewalt durchführen. Wir müssen von Fall zu Fall, wo Erwerbslosigkeit besteht, wo große Wohnungsnot herrscht und Villenbesitzer viele Zimmer haben, verschiedene Maßnahmen vorn revolutionären Standpunkt aus einleiten. Selbstverständlich wird es dabei zu Konflikten in den Gemeinden, in den Parlamenten dieser Gemeinden und somit mit der bürgerlichen Staatsgewalt in Preußen und im Reiche kommen. Natürlich muß man dabei die Zustimmung der Massen und die dauernde Verbindung mit den Massen haben. Genossen! Wir müssen den Massen klarmachen: 1. Unser Kommunalprogramm, seine Realisierung, kann ohne Durchbrechung der bürgerlichen Legalität nicht erreicht werden; 2. unsere Teilforderungen müssen mit der Spitze unbedingt gegen den Rahmen der bürgerlichen Gesetzlichkeit gerichtet sein; 3. mit den Teilforderungen müssen wir auch die maximalen Forderungen verbinden, die das Proletariat erst nach der Machtergreifung verwirklichen kann. Das große Problem ist, unsere Kommunalpolitik mit den revolutionären Aufgaben zu verbinden, die nur durch die Eroberung der politischen Macht erfüllt werden können. Natürlich können wir solche Forderungen, wie Entziehung des Rechtes der Beteiligung der besitzenden Klasse an der Macht, der Enteignung der Großgrundbesitzer stellen ‑ vorläufig aber nur propagandistisch. Wir können die Anwendung des Klassenprinzips in der Steuerpolitik fordern, wir sind in der Lage, bei der großen Wohnungsnot die Übereignung bestimmter Wohnungen zu fordern ‑ trotzdem das bürgerliche Gesetz es nicht zuläßt ‑, wir können Beseitigung der Privilegien der Bourgeoisie fordern usw. Es ist außerdem notwendig ‑ gerade in dieser Situation der Massenverelendung ‑, auf dem Gebiet der gutbezahlten Positionen, die besonders die sozialfaschistischen Staatsfunktionäre und die Staatsfunktionäre der Bourgeoisie innehaben, eine radikale Durchführung des Gehaltsabbaus zu fordern und unsere prinzipiellen Forderungen schärfer zu stellen. Ich möchte die Frage mit der Bemerkung abschließen: Wenn wir schon bei der Wendung in der Gewerkschaftsarbeit und bei den Betriebsrätewahlen durch die Beschlüsse des IV. RGI-Kongresses einen großen Widerstand hatten, dann wird der Widerstand bei der Wendung in der Kommunalpolitik noch zehn- bis zwanzigmal stärker sein, weil das der wundeste Punkt unserer revolutionären Praxis ist. Dabei darf man nicht vergessen, ebenfalls gegen die “linken” Strömungen, besonders gegen die, die einen antiparlamentarischen Charakter tragen, aufzutreten ‑ obwohl diese Auffassungen nicht so stark aufgetreten sind. Die Lage in DeutschlandJetzt zu dem wichtigsten Punkt, zu dem Bericht des ZK der deutschen Partei. Folgende Hauptpunkte standen dabei zur Behandlung: 1. Die Bilanz der Hermann-Müller-Regierung. 2. Die Rolle des Sozialfaschismus in der jetzigen Periode. 3. Taktische Fragen und Probleme. Das X. Plenum stellte bereits auf Grund der ersten Pariser Konferenz fest, daß die Reparationsfrage in Deutschland das entscheidende Problem ist, das die ganze politische Entwicklung bestimmt und beherrscht. Es wurde damals bereits gesagt, daß Deutschland eines jener Länder ist, die zu den schwächsten Gliedern in der Kette des imperialistischen Systems gehören. Diese Tatsache ist durch die Entwicklung in den letzten Monaten bestätigt worden. Die Annahme des Youngplans wird eine Verschärfung der beginnenden Krise in Deutschland bedeuten. Diese Krise wird in Deutschland eine weitaus größere Zuspitzung zeigen als in England und in Frankreich. In Deutschland sprechen wir mit Recht vom Beginn einer Wirtschaftskrise, deren erste Anzeichen bereits vorhanden sind. Ich will das durch einige Zahlen der letzten Entwicklung dem ZK zu beweisen versuchen. Die Monatsproduktion in der Roheisenindustrie betrug (in 1000 Tonnen):
Die Zahl der Hochöfen, die in Betrieb waren:
Dann einige Zahlen über den Rückgang im Bergbau. Die Kohlenproduktion im Ruhrgebiet betrug arbeitstäglich (in 1000 Tonnen):
Dabei müssen wir berücksichtigen, daß die Haldenbestände dauernd zugenommen haben. Man schätzt sie für die erste Märzwoche auf 4,5 Millionen Tonnen gegenüber 3,5 Millionen Tonnen in der ersten Februarwoche. Der Zementversand (in 1000 Tonnen) zeigt folgende Entwicklung (Vergleich mit dem Jahre 1929 ist nicht möglich, da die Baukonjunktur wegen des starken Frostes stockte). Er betrug:
In der Maschinenindustrie zeigen die Auftragseingangsberichte folgendes Bild: Im Februar waren Inlandsaufträge weiter rückgängig, außerdem ließen Auslandsaufträge gegenüber Januar ebenfalls nach. Der Beschäftigungsgrad sinkt. Bei den Werkzeugmaschinen: starker Rückgang, es drohen Betriebseinschränkungen. Holzbearbeitungsmaschinen: anhaltende Geschäftsstockung. Bei Textilmaschinen: Inlands- und Auslandsgeschäft sehr stark rück-gängig. Bei Kraftmaschinen desgleichen. Eine Besserung zeigt sich nur bei Lokomobilen durch Auslandsaufträge. In der Bauindustrie ist der Baumarkt sehr rückgängig. Der Saisoneinsatz hat begonnen, ist unter normal. In der Textilindustrie sinkt die Beschäftigung weiter. Arbeitslos sind 12,7 Prozent, die Kurzarbeit beläuft sich auf 29,4 Prozent der Beschäftigten. Stärkere Verschlechterungen zeigen Jutebranche, Strumpfwirkerei und Stickerei. Auch in den übrigen Branchen sind keine Verbesserungen zu sehen. Wir sehen an diesen wenigen Zahlen, daß in diesen zwei Monaten ein ziemlich ernster Rückgang zu verzeichnen ist. Dazu kommen andere Tatsachen, die die Krise signalisieren, zum Beispiel die ungeheuren Zahlen an Erwerbslosen. Ich will nur folgende Zahlen anführen: Die bei den Arbeitsnachweisen registrierten Arbeitsuchenden betrugen
Das sind amtliche Zahlen, die wir an und für sich schon skeptisch beurteilen müssen. Ein Vergleich der Arbeitsuchenden vom Januar 1930 mit Januar 1928 zeigt, daß die Zahl der Erwerbslosen in den sogenannten Saisongruppen in dieser Zeit um 550 000 zugenommen hat, während in den sogenannten Konjunkturgruppen eine Zunahme von 850 000 zu verzeichnen ist. In der Gruppe Landwirtschaft hat sich gegenüber Januar 1928 die Zahl der Erwerbslosen um 91 000 erhöht. Das ist ein Zeichen der beginnenden Agrarkrise in Deutschland. Es wird in den Thesen mit Recht darauf hingewiesen, daß das wichtigste Problem im internationalen Maßstabe ‑ wie auch für Deutschland ‑ die Frage des Absatzes auf dem Weltmarkt, die Exportfrage, ist. Diese Frage ist für Deutschland eine noch viel brennendere und wichtigere als vielleicht für irgendein anderes kapitalistisches Land. Die herannahende Weltwirtschaftskrise stellt einer Ausdehnung des deutschen Warenexports unüberwindliche Hindernisse entgegen. Wenn wir diese Hindernisse auf dem Exportgebiet im Weltmaßstabe sehen ‑ wo durch die neue Exportoffensive des amerikanischen Kapitals die Konkurrenz verschiedener europäischer Kontrahenten sich verschärfen wird ‑, so werden diese Hindernisse in Deutschland noch vergrößert und vermehrt durch die Krise auf dem Innenmarkt. Der deutsche Absatz im letzten Quartal 1929 ist gegenüber dem III. Quartal zu-rückgegangen. Aus dem jetzigen Quartal können wir keine Bilanz ziehen, weil die Resultate noch nicht vorliegen. Wenn wir die 3,5 bis 4 Millionen Erwerbslosen nehmen, wenn wir mit der ungeheuren Zahl von annähernd 1,5 bis 2 Millionen Kurzarbeitern rechnen müssen, wenn im Ruhrgebiet angekündigt wird, daß man in der nächsten Zeit 60 000 Bergarbeiter entlassen will, wenn wir die drohenden Zusammenbrüche und Bankrotte bedenken, die in der letzten Zeit in erhöhtem Maße vor sich gehen, wenn die Agrarkrise im Weltmaßstabe auch Deutschland nicht verschont läßt, wenn der Kapitalmangel hinzukommt, der einer der wichtigsten Krisenfaktoren in Deutschland ist - wird das Bild vervollständigt, welche Bedeutung der Beginn der Krise in Amerika für die deutsche Entwicklung haben wird. Der Preissturz und die Frage der MärkteDiese heranreifende Weltwirtschaftskrise äußert sich bereits in dem Preissturz auf den internationalen Märkten, und sie wird für die deutsche Bourgeoisie eine gewaltige Erschwerung für die Reparationszahlungen bringen und sie abermals zur äußersten Steigerung des Exports und zur Verbilligung der Herstellung zwingen. Ich möchte dem Zentralkomitee einige Zahlen unter-breiten, um die Tatsache des Preissturzes zu illustrieren: Amerikanische Baumwolle (frei Bremen)
Gegenüber dem Vorjahr fielen die Baumwollpreise um etwa 15 bis 20 Prozent. Die Flachspreise sind in der gleichen Zeit um etwa 40 Prozent gefallen, so daß das Flachsmonopol zusammengebrochen ist. Die Preise für Wolle sind nach dem Bradforder Wollindex gegenüber Februar 1929 um 43 Prozent gefallen. Der Weizen, berechnet nach dem Kurs an der Chikagoer Börse, fiel in den letzten Monaten von 132 auf 100. Die Weizenvorräte in der Welt betragen 15 Millionen Tonnen. Noch nie waren solche Vorräte vorhanden. Zink ist nach der Berechnung in London je Tonne von 26,20 im Januar 1929 auf 17,7 im Januar 1930 gefallen. Der Durchschnittspreis war 1913 22,71. Kautschuk fiel von 12,01 im März 1929 auf 7 3/8 Pence im März 1930. 1913 war der Preis 36¼ Pence. Die Kautschukvorräte haben heute einen solchen Umfang, daß sie auch durch die größte Ausdehnung der Automobilproduktion nicht aufgebraucht werden können. Elektrolytkupfer fiel von 200,78 Mark im März 1929 auf 170,52 Mark im März 1930. Kaffee, notiert in Hamburg, fiel von 110,32 Mark im März 1929 auf 66,39 Mark im März 1930. Die Beschleunigung des Preissturzes hat eine ungeheure Bedeutung auch für Deutschland, weil sie bei den nicht genügenden Möglichkeiten des Exports und bei Einengung des Innenmarktes im Lande die Unternehmeroffensive gegen das Proletariat wesentlich verstärken muß. Die Unternehmeroffensive wird andere, noch nicht dagewesene Formen mit sich bringen. Jetzt zeigt sich die Unternehmeroffensive bereits in den bekannten Formen: Zollerhöhungen, Tariferhöhungen, Steuererhöhungen ‑ bei gleichzeitigem Steuererlaß für die Besitzenden ‑, Lohnabbau, verschärfte Rationalisierung ‑ eine Offensive, die in verschiedenen wichtigen Industriezweigen aktuell auf die Tagesordnung gestellt ist. Und weil die Anzeichen der Krise den Wettkampf um neue Märkte auf internationalem Gebiete, und damit auch die Gegensätze der Imperialisten untereinander, verschärfen, wird die Gefahr eines Krieges der imperialistischen Mächte untereinander, und besonders die Kriegsgefahr gegen die Sowjetunion, erhöht. Die Rolle der Sozialdemokratie in der RegierungDeshalb hat die sozialdemokratische Koalitionsregierung in Deutschland und hat die MacDonald-Regierung in England eine so wesentliche Bedeutung. Es ist gar nicht unwahrscheinlich, daß im Rahmen dieser ganzen Entwicklung auch in anderen Ländern neue sozialdemokratische Regierungen gebildet werden. Das trifft sehr wahrscheinlich für Frankreich zu, obwohl sich dort die Mehrheit der Sozialdemokratie vorerst dagegen stemmt. Aber durch neue Entwicklungsstufen, durch Krisenerscheinungen, Erhöhung der Erwerbslosigkeit usw. steht auch dort diese Frage auf der Tagesordnung. Erinnern wir uns nur an die Auseinandersetzungen auf dem Vl. Weltkongreß in der Frage der Einschätzung der Sozialdemokratie durch Ewert und seine Freunde und an die Einschätzung des Maiwahlergebnisses 1928. Sie sahen nicht, daß in dem Stadium des Eintritts der Sozialdemokratie in die Regierung sich auch die soziale Basis der SPD nach der kleinbürgerlichen Seite hin verschiebt. Die Entwicklung hat einen Teil dieser Genossen überzeugt, einen Teil vielleicht auch heute noch nicht. Das zeigt aber, wenn die deutsche Partei eine gute und richtige revolutionär-bewegliche Massenpolitik durchführt, daß wir in Zukunft noch viel größere Erfolge haben werden. Ich möchte sagen, daß die sozialdemokratische Koalitionsregierung und jede neu sich konstituierende Regierung ‑ auch ohne Sozialdemokratie ‑ heute im wesentlichen folgende drei strategischen Hauptaufgaben für die deutsche Bourgeoisie erfüllt: 1. Die Durchführung der Unternehmeroffensive - besonders heute bei der Durchführung des Youngplans und des Finanzprogramms der Bourgeoisie; 2. aktivste Förderung und Unterstützung der Kriegsvorbereitungen gegen die Sowjetunion mit allen Mitteln, und 3. die gewaltsame Unterdrückung der revolutionären Arbeiterschaft und der Revolution in Deutschland überhaupt. Hieran sehen wir, wie weit die sozialfaschistische Entwicklung in der Sozialdemokratie fortgeschritten ist. Die Entwicklung in der Sozialdemokratie zum Sozialfaschismus‑ eine Frage, die wir theoretisch stellen und mit den revolutionären praktischen Erfahrungen verbinden ‑ ist noch nicht in genügendem Maße bekannt, um schon ein vollständiges Bild von dieser Entwicklung zu haben. Auf dem X. Plenum des EKKI wurde zum Beispiel von der deutschen Delegation mit Recht die Frage aufgeworfen, ob es nicht mehrere Entwicklungsstufen der faschistischen Diktatur in den einzelnen Ländern geben könne. Ich wiederhole diese Bemerkung, weil sie für Deutschland und auch für die anderen Länder eine ungeheure Bedeutung hat. Die Bourgeoisie bedient sich zweier Methoden zur Verteidigung ihrer Diktatur gegen die revolutionäre Bewegung und gegen die proletarische Revolution überhaupt: der Methode des Sozialfaschismus und des Faschismus. Wir sehen in Deutschland ein doppeltes Verwachsen des Nationalfaschismus und des Sozialfaschismus mit dem Staatsapparat. Natürlich nimmt das verschiedene Formen an. Es gestattet der Bourgeoisie, verschiedene Manöver und Schachzüge zu inszenieren und in ihrem Interesse durchzusetzen. Die Tatsache zum Beispiel, daß Frick Innenminister in Thüringen ist, daß in der nationalsozialistischen Führung ‑ besonders durch Hitler in seinen letzten Ausführungen ‑ eine völlige Wendung in der Unterstützung und Anerkennung der republikanischen Staatsform mehrfach zum Ausdruck gekommen ist und andere Erscheinungen in der Entwicklung der Nationalsozialistischen Partei zeigen eine fortschreitende Verschmelzung des Nationalfaschismus mit dem bürgerlichen Staat. Ich stelle diese Frage der Verschmelzung des Sozialfaschismus und des Nationalfaschismus mit dem republikanischen Staatsapparat deshalb, weil die Konzentration der Reaktion die größte Gefahr ist. Wenn sich die Konzentration auf diesem Gebiet in beschleunigtem Tempo schärfer durchsetzen wird, so ist das eine ernste Entwicklung, der wir die größte Aufmerksamkeit widmen müssen. Wir haben die Frage gestellt: Rechtsentwicklung der Bourgeoisie und Linksentwicklung des Proletariats; aber die Formen tragen einen verschiedenen Charakter infolge der Gegensätzlichkeit der Klassenfronten, haben verschiedene Entwicklungsstufen im System des Kapitalismus und in seinem Niedergang. Warum kann der Nationalfaschismus in Deutschland vordringen? Weil der Sozialfaschismus ihm die Wege ebnet, weil in Deutschland ‑ in Preußen und im Reiche ‑ verschiedene Repressalien von seiten der sozialdemokratischen Regierung gegen die revolutionäre Bewegung so stark waren, daß sie von den Nationalfaschisten im Moment nicht überboten werden können. Natürlich müssen wir sehen, daß der Sozialfaschismus auch Möglichkeiten hat, zu manövrieren. Ich habe bereits angedeutet, warum es möglich war, daß Severing jetzt zwei nationalsozialistische Offiziere der Reichswehr einsperren ließ, daß er zweitens einen Vorstoß gegen Frick unternahm und drittens in Preußen das Demonstrationsverbot aufheben läßt. Ich möchte mir erlauben, zwei Hauptursachen dafür anzuführen. Die erste Ursache ist die, daß wir in unseren eigenen Reihen die Rebellion in der Sozialdemokratischen Partei unterschätzen. Die sozialdemokratische Regierung war gezwungen, Manöver durchzuführen, bestimmte Ventile zu öffnen, um die Rebellion in den sozialdemokratischen Kreisen vorübergehend zu bekämpfen ‑ ich sage nicht, zu ersticken. Die zweite Ursache ist, daß im Zusammenhang mit der allgemeinen Zuspitzung und dem Heranreifen der Weltwirtschaftskrise auf der einen Seite und dem Aufbau des Sozialismus unter der proletarischen Diktatur auf der anderen Seite von der Partei des Sozialfaschismus und der Regierung solche Ventile geöffnet werden, um die Massen noch stärker in die konterrevolutionäre Front des Krieges gegen die Sowjetunion hineinzudrängen. Das sind die zwei Hauptursachen. Es kann noch eine dritte Ursache hinzukommen, nämlich daß die Krise größer sein wird, als wir selbst annehmen ‑ was wahrscheinlich ist ‑, und daß wir durch unsere revolutionäre Aktivität mit dazu beitragen, solche Manöver zu inszenieren. Sahen wir nicht, daß bei jeder revolutionären Zuspitzung die Sozialdemokratie in die Regierung eintrat, wie 1919 und 1923? Und hat sie nicht immer ihre konterrevolutionären Taten durch Scheinmanöver gegen die Reaktion verschleiert? Natürlich ist es auch notwendig, bei dieser Politik des Sozialfaschismus die Differenzen im Lager der Bourgeoisie. zu berücksichtigen. Sie bestehen nicht in der Frage der Unterdrückung des Proletariats, aber sie bestehen schon in der Frage der Kriegsvorbereitungen gegen die Sowjetunion. In den Kreisen der Reichswehr, sogar in faschistischen Kreisen eines Teiles der Bevölkerung in Ostpreußen, gibt es polenfeindliche Tendenzen- die in letzter Zeit mit der Annahme des Youngplans an einigen Stellen bereits eine Verschärfung erfahren haben ‑ so daß sie der Verständigung Deutschlands mit Polen gegen die Sowjetunion ablehnend gegenüberstehen. Durch die Entwicklung der Gegensätze im Lager der Bourgeoisie ist auch eine zeitweilige Ausschaltung der SPD aus der Regierung nicht unmöglich. Aber die Politik der Sozialdemokratie wird auch außerhalb der Regierungskoalition keine prinzipielle Änderung erfahren, sie wird mit denselben Methoden und mit derselben Gewalttaktik gegen den Kommunismus, gegen die revolutionäre Bewegung und gegen die Arbeiterklasse vorstoßen. Wir müssen aber auf der anderen Seite sehen, daß eine solche Entwicklung des Sozialfaschismus von Stufe zu Stufe in wachsenden Gegensatz zu den sozialdemokratischen Arbeitern, und, was viel wichtiger ist, zu den Millionenmassen kommen muß, die zum Beispiel am 20. Mai 1928 der Sozialdemokratie die Stimme gegeben haben. Ich glaube natürlich, daß die sozialdemokratischen Staatsfunktionäre fest an diese Politik gebunden sind, daß auch Teile der Betriebsräte und Funktionäre in den Betrieben mit dieser Politik des Sozialfaschismus eine ganze Zeit lang mitmarschieren werden. Wir müssen diese Bewegung aber nicht nur vom Standpunkt des Verhaltens der sozialfaschistischen Führer aus sehen. Man kann Beispiele anführen: In einem Betrieb sind 200 Sozialdemokraten und drei oder vier sozialdemokratische Betriebsräte. Wenn 150 Sozialdemokraten durch irgendwelche Ereignisse, durch aggressives Auftreten des Unternehmers außerhalb oder innerhalb des Betriebes Konflikte mit der Staatsgewalt bekommen, explosive Dinge passieren, die die Massen aufrühren, dann ist es möglich, daß von diesen 200 Sozialdemokraten ‑ um nur ein Beispiel anzuführen ‑ 120 Sozialdemokraten gegen die Politik ihrer Führer auftreten und einer von den von uns so bezeichneten sozialfaschistischen Betriebsräten sich dem Druck dieser sozialdemokratischen Arbeiter unterwirft. Ich sage, daß solche Tatsachen von verschiedenen Faktoren abhängen. Sie hängen ab von der Zuspitzung der revolutionären Situation, von der Kraft der Partei, davon, wie sich unsere Genossen Autorität und Vertrauen erworben haben und die Arbeitermassen für unsere Ideen zu gewinnen und zu mobilisieren versuchen. Sie hängen ab von dem Verhalten des Sozialfaschismus im Regierungssystem, von der Unternehmeroffensive usw. Das “Hineinwachsen” der Nazis in den StaatWir sehen eine ähnliche Entwicklung in der Nationalsozialistischen Partei. Die Zeit reicht heute nicht aus, um zum Beispiel zu zeigen, mit welcher wilden Agitation sie große Kreise der Mittelschichten und der Arbeiter zum Kampf gegen den Youngplan gewonnen hat, wobei sie durch die Aufpeitschung der nationalen Instinkte Hoffnungen geweckt hat, die sie heute nicht in der Lage ist, zur Befriedigung der Massen zu erfüllen. So zeigt sich zum Beispiel jetzt eine neue Orientierung im "Völkischen Beobachter", wo es heißt, man hielte es bei solchen Erfahrungen für absolut richtig, dann auch von uns die Republik als Staatsform eindeutig anzuerkennen und nur ihren heutigen inneren Feinden den rücksichtslosesten Kampf anzusagen. Ein weiteres Zitat aus dem "Völkischen Beobachter" vom 21. Januar, wo die Frage des Verwachsens der Nazis mit dem Staatsapparat behandelt wird und wo man in der Überschrift von der sozialdemokratischen Pfründenjagd, den 300 000 sozialdemokratischen Funktionären an der Futterkrippe, spricht. Hier heißt es: Auch der Nationalsozialismus hat einen dämonischen Willen zur Alleinmacht, wir betonen es, und selbstverständlich wird auch er sich die Durchsetzung des Staatsapparates mit Nationalsozialisten angelegen sein lassen, wo immer er das nur kann. Wir wünschen, daß darüber schon heute nirgends Zweifel bestehen. Und auch das sei rund heraus gesagt, wir werden nicht an alten Formulierungen kleben, wenn für des Staates Macht und Größe neue nötig sind. In dem letzten Zitat zeigt sich ganz klar die wirkliche Entwicklung der Führung der Nationalsozialistischen Partei, wobei noch in dieser Partei unten die größten Widerstände gegen diesen Kurs “Heran-an-den-Staat” vorhanden sind. Die demagogischen Mittel, die Frick anwendet ‑ die Arbeiter und die kleinbürgerlichen Schichten innerhalb seiner Partei zwingen ihn dazu ‑, dienen dem reaktionären Ziel der Faschisten. Die “linke” SPDWenn wir die Entwicklung der Sozialdemokratie betrachten, so ist es auch notwendig, die Rolle zu zeigen, die die “linken” Sozialdemokraten und der “linke” Sozialfaschismus in dieser Entwicklung spielen. In verschiedenen Bezirken haben die Sozialdemokraten an Stelle der früher exponierten Leute die sogenannten linken Sozialfaschisten treten lassen. Genossen! Dies ist keine Sachsenangelegenheit mehr, sondern eine Angelegenheit, die jetzt überall, zum Beispiel im Ruhrgebiet und am Niederrhein, stark in Erscheinung getreten ist. Wenn die “linken” Sozialfaschisten in Sachsen sich jetzt bereit erklärt haben, die Große Koalition mit der Deutschen Volkspartei einzugehen, so war die Rolle der “Linken” ‑ obwohl wir das immer in unseren Formulierungen richtig dargestellt hatten ‑ in der Praxis den Massen noch nie so verständlich wie gerade jetzt, da sie gezwungen sind, sich offen zu entlarven. Dabei sehen wir ein weiteres demagogisches Manöver der “linken” Sozialdemokratie. Sie begründet das Zusammengehen mit der Deutschen Volkspartei damit, daß diese Regierung etwas anderes darstellen würde als der faschistische Bürgerblock. Diese Frick-Geschichte weckte natürlich ungeheure Illusionen bei den sozialdemokratischen Arbeitern. Solche “Kleinigkeiten” negieren zu wollen, bedeutet, das Arbeiterleben in der Sozialdemokratie nicht richtig aufzufassen. Es ist klar, daß sich durch das Manöver Severings gegen Frick sozialdemokratische Arbeiter vorübergehend einfangen lassen werden. Neue taktische AufgabenWir müssen die Frage der Absplitterung von Gruppen sozialdemokratischer Arbeiter zur Kommunistischen Partei heute schärfer stellen, als das in letzter Zeit in der praktischen Arbeit durchgeführt wurde. Die neuen Merkmale der allgemeinen Entwicklung in Deutschland zwingen uns, auch unsere taktischen Aufgaben etwas anders zu stellen. Wenn wir nicht manövrierfähig sind, wenn wir nicht bei Manövern der Bourgeoisie, des Faschismus und des Sozialfaschismus in der Lage sind, in unseren eigenen Reihen neue Manöver und Kampfformen auszudenken und zu erforschen, wenn wir die Aktionsfähigkeit in den Massen nicht zu verbreitern verstehen, werden wir durch die aggressiven neuen Maßnahmen geschlagen. Im Präsidium wurde von der deutschen Delegation die große Bedeutung der ungeheuren Fortschritte fest-gestellt, die wir seit dem Weddinger Parteitag und dem X. EKKI-Plenum bis heute zu verzeichnen hatten. Das hebt aber keineswegs die Tatsache auf, daß Widerstände, Mängel, Lücken, Fehler bei der Durchführung der Politik in unserer Partei zu verzeichnen sind. Fragen wir, ob innerparteilich die Partei genügend reif ist ‑ obwohl die Partei gewaltig reifer und stärker geworden ist ‑, so müssen wir zuerst feststellen, daß sich Widerstände im allgemeinen auf dem Gebiet der opportunistischen Abweichungen, des Opportunismus in den eigenen Reihen gezeigt haben. Widerstände zeigen sich ebenfalls auf dem Gebiete der linken Phrasen, der sektiererischen Abweichungen, des Zurückbleibens in der revolutionären Massenarbeit, der Negierung der Gewerkschaftsarbeit usw. Die uns gestellten Aufgaben erfordern die höchste Intensität und Konzentration bei der Durchführung unserer Taktik auf dem Gebiete der revolutionären Massenmobilisierung. Für Deutschland wurde die Hauptaufgabe gestellt, die Mehrheit des Proletariats zu erobern. Wir suchen nach neuen Transmissionen zu den Massen, um dadurch die erreichten Fortschritte zu er-weitern. Ich will hier diese Kampfmethoden und Kampfformen im einzelnen nicht aufzählen. Es ist notwendig, auf einigen Gebieten unserer revolutionären Massenarbeit einige Fragen und dabei verschiedene Probleme zu behandeln, die nur in der Perspektive angedeutet werden können und deren Lösungen im höheren Kampfstadium vor uns stehen. So nimmt zum Beispiel die Entwicklung des Kampfes gegen den Youngplan heute andere Formen an als vor der Annahme des Youngplans. Vor der Ratifizierung des Youngplans war es leichter, die proletarischen Massen für unsere Generallinie zu gewinnen. Jetzt, wo der Youngplan ratifiziert ist und wo die mörderischen Auswirkungen des Youngplans spürbar werden, ist bei der nicht genügenden Beweglichkeit der Partei das Problem dieses Hauptkampfes schon schwieriger. Ich will nicht über die Frage sprechen, ob es nicht ‑ zwar nicht in dem Maße wie zur Daweszeit ‑ in der Bevölkerung starke Youngillusionen gibt. Es gibt Youngillusionen in der Bevölkerung, noch dazu, da Hindenburg nicht umsonst zwei Appelle an die Volksmassen gerichtet hat. Genossen! In der gegenwärtigen Kampfsituation ist es notwendig, zwei Aufgaben zu stellen: Die erste Aufgabe ist die Beseitigung der schwachen Stellen in der Parteiarbeit, damit die revolutionäre Massenarbeit nicht nur den Charakter einer Organisationsstrategie hat, sondern daß die Massen zu revolutionären Aktionen mobilisiert und aktiviert werden. Die zweite Aufgabe ist, zu überprüfen, ob unsere Methode in der revolutionären Massenarbeit ausreicht, ob sie richtig war, um diese große Aufgabe ‑ die ich im ersten Punkt gestellt habe ‑ in der Praxis wirklich durchzuführen. Wir müssen erkennen, daß im Jahr 1930 ‑ in der Perspektive unserer politischen Arbeit ‑ andere Kampfformen und Methoden angewandt werden müssen als in der Vergangenheit. Ich will nur eine Frage andeuten: Bei einem Preissturz ‑ selbst wenn als Gegenmaßnahmen die Zollerhöhungen durchgeführt werden ‑ wird es ganz unmöglich sein, für bestimmte Massenartikel die Preissenkung aufzuhalten. Inwieweit dadurch die Taktik der sozial-faschistischen Gewerkschaftsbürokratie mit den Unternehmern gemeinsam verändert werden wird, wieweit die Bourgeoisie bei Beginn der Wirtschaftskrise gezwungen sein wird, mit der sozial-faschistischen Gewerkschaftsbürokratie neue Unterdrückungs- und Ausbeutungsmaßnahmen einzuleiten, das hängt vom steigenden Widerstand und vom Kampf der Arbeiterklasse gegen die Ausbeutung und damit sehr viel von uns ab. Die Aufgaben der revolutionären GewerkschaftsoppositionEs ist notwendig, bei der Erörterung der Tätigkeit der revolutionären Gewerkschaftsopposition die Frage zu stellen, wie wir über den Rahmen der Partei hinaus zur umfassenden revolutionären Massenarbeit kommen und wie wir dem sozialfaschistischen Kampfapparat oder besser Streikbrecherapparat einen eigenen Kampfapparat entgegenstellen, um die Massen unter der selbständigen Führung der Gewerkschaftsopposition wirklich zum Kampfe zu bringen. Wir haben gewaltige Fundamente, neue Kader, neue Organisationsformen bei der Ausbreitung der revolutionären Gewerkschaftsopposition gewonnen. Das genügt aber keineswegs. Wir müssen ernsthaft prüfen und untersuchen, ob wir auf dieser organisatorischen Massenbasis in der Lage sind und wie wir in der Lage sind, die politische Aktionsfähigkeit der Massen zu höherer Entwicklung zu bringen. Auf dem Gebiete der Organisationsstrategie haben der Reichskongreß der Gewerkschaftsopposition, die Bezirkskongresse und die verschiedenen Beratungen in den Industriegruppensitzungen unsere Massenbasis ungeheuer ausgedehnt. Wir waren deshalb gezwungen, auch in der gegenwärtigen Periode die Frage der Kampfaktionen der Belegschaften für ihre Forderungen und die Frage der Erfahrungen auf der Linie des politischen Massenstreiks zu erwägen, um festzustellen, wie wir in der Praxis in der Lage sein werden, die Schwierigkeiten, die sich im Jahre 1929 und auch schon im Jahre 1928 gezeigt haben, im Jahre 1930 bei stärkeren Widerständen zu überwinden und zu beseitigen. Ich glaube, daß wir mit der Verschärfung des Kampfes gegen die sozialfaschistische Gewerkschaftsbürokratie und gegen die Sozialdemokratie, in der Generallinie, prinzipiell vollkommen richtig gehandelt haben. Kein Genosse ist in der Lage, selbst in den wichtigsten Formulierungen über den prinzipiellen Kampf gegen die Sozialdemokratie, eine Stelle, die man gegen uns falsch auslegen könnte, anzugeben. Aber das genügt nicht. Wir müssen die Frage stellen, ob in unserer eigenen Partei die Widerstände auf dem Gebiete der opportunistischen Abweichungen, auch in den Reihen der revolutionären Gewerkschaftsopposition, der allein ausschlaggebende Faktor sind, der uns in der Durchführung einer revolutionären Massenpolitik gehemmt hat. Die Frage nur so zu stellen, würde bedeuten, daß wir nicht das ganze System unserer eigenen Tätigkeit und unserer Entwicklung und besonders der Methoden, die hier eine Rolle spielen, ernsthaft analysieren. Wir mußten zum Beispiel Mängel und Lücken in der revolutionären Arbeit in den Gewerkschaften sowie Stimmungen für den Austritt aus den Gewerkschaften feststellen. Warum drängen zum Beispiel einzelne Genossen zur Beschleunigung des Termins des Reichskongresses der Gewerkschaftsopposition? ‑ Ich spreche hier nicht nur von den führenden Genossen. ‑ Das teilweise Drängen auf einen früheren Termin fußt auf einer anderen Basis als auf der, morgen oder übermorgen unter allen Umständen Aktionen einzuleiten, sondern es fußt auf der Basis antigewerkschaftlicher Stimmungen. Diese Tatsache zu leugnen, sie nicht zu erwähnen wäre ein Fehler. Wer das Arbeiterleben nicht analysiert und überprüft, diese Stimmungen nicht auch psychologisch erfaßt, begeht einen schweren Fehler. Das war die Stärke bei Lenin, daß er die Frage der Psychologie der Arbeitermassen stets im Zusammenhang mit wichtigen Aufgaben und revolutionären Aktionen stellte. Ich glaube, wir können aus diesen vergangenen drei Monaten Arbeit der revolutionären Gewerkschaftsopposition eine sowohl positive als auch negative Bilanz ziehen. Ich will ausdrücklich bemerken, daß die positive Seite bei weitem die negative übertrifft. Ich sage sogar, wir sind einen gewaltigen Schritt vorwärts gekommen. Nur einige Zahlen, die den Genossen noch nicht bekannt sind: Wenn es uns gelang, auf den Bezirkskongressen ‑ von zwei Kongressen fehlen die Angaben noch ‑ 6200 Delegierte zu erfassen, so ist das sicher ein erfreulicher Fortschritt. Unter ihnen waren 25 Prozent Erwerbslose, 10 Prozent Frauen und 12 Prozent Jugendliche. 3½ Millionen Arbeiter gehören zu den Betrieben und Arbeitsnachweisen, die wir erfaßt haben ‑ wobei wir natürlich nicht wissen, welcher Teil der Belegschaft wirklich hinter den Delegierten steht. Wenn wir auf dem Präsidium zur allseitigen Stärkung und Vertiefung der revolutionären Gewerkschaftsopposition innerhalb und außerhalb der Gewerkschaften in den proletarischen Massen Stellung genommen haben, so deshalb, weil uns erstens dieser neue Fortschritt bekannt ist, weil zweitens die Gründung des organisierten Zentrums der Gewerkschaftsopposition nicht nur bedeutet, daß das Zentrum da ist, sondern daß es unter ständiger Kontrolle der Partei der Kopf der Bewegung, der selbständigen Führung der Wirtschaftskämpfe und anderer Massenkämpfe der Zukunft werden muß. Es sind dies keine kleinen, keine leichten Aufgaben, sondern große historische Aufgaben, die auch für die Beschleunigung des revolutionären Aufschwungs von der größten Bedeutung sind. Die dritte Tatsache ist, daß wir stärker in die Erwerbslosenreihen eingedrungen sind, daß sich in kurzer Zeit die Auflage der Erwerbslosenzeitungen von 66 000 auf über 140 000 erhöht hat, daß viele neue revolutionäre Gewerkschaftszeitungen geschaffen wurden. Wir sind der Meinung, daß bis zum V. RGI-Kongreß die Auflage aller dieser Zeitungen auf über 400 000 gesteigert werden muß. Von dieser Stärkung unserer Massenbasis ausgehend, war es nicht unberechtigt, wenn die deutsche Delegation sich die Frage vorgelegt hat: Was soll geschehen, wenn der Spaltungskurs und die Ausschlußmethoden seitens der sozialfaschistischen Gewerkschaftsbürokratie weiter fortgesetzt werden? Am Beispiel der Durchführung der Betriebsrätewahlen und der Erfolge, die wir bei diesen Wahlen in verschiedenen Bezirken und Großbetrieben hatten ‑ abgesehen von einigen Mißerfolgen ‑, müssen wir uns auch die Frage vorlegen: Was soll mit den aus den Gewerkschaften ausgeschlossenen roten Betriebsräten geschehen? Der schärfste Massenkampf aller Belegschaften muß dagegen einsetzen, um die Fortsetzung der Ausschlüsse zu verhindern. Notwendig sind: festeste Zusammenfassung und Organisierung der revolutionären Gewerkschaftsopposition, sofortige Angliederung aller Ausgeschlossenen und ausgeschlossenen Zahlstellen, Vertiefung und vielfache Verstärkung der Fraktionsarbeit in den Gewerkschaften bei gleichzeitiger prinzipieller Verschärfung des politischen Kampfes gegen die sozialfaschistische Gewerkschaftsbürokratie. Neue Manöver des SozialfaschismusZu gleicher Zeit ist von allergrößter Bedeutung, daß wir in letzter Zeit ganz neue Methoden der sozialfaschistischen Gewerkschaftsbürokratie beobachten. Uns ist bekannt, daß an einzelnen Stellen die Sozialdemokratie in dem Moment, wo sie sieht, daß sie mit ihren Ausschluß- und Spaltungsmethoden in den Massen Schiffbruch erleidet, vorübergehend Manöver durchführt, indem sie die Frage der Einheit stellt. Natürlich müssen wir in solchen Fällen sofort die Wiederaufnahme aller Ausgeschlossenen fordern und damit in der Arbeiterklasse die Frage der revolutionären Einheit unter Führung der revolutionären Gewerkschaftsopposition stellen. Dann würde die sozialfaschistische Gewerkschaftsbürokratie ihre demagogischen Manöver einstellen. Wir können noch verschiedene andere Formen sehen, mit denen der Sozialfaschismus zu manövrieren versucht. Wenn das nicht wäre, wenn die Entwicklung der Sozialdemokratie eine starre wäre, dann würden die sozialdemokratischen Arbeiter zu Hunderttausenden zu uns kommen. Natürlich verursachen solche Manöver für die Bourgeoisie und die Sozialdemokratie gewisse Unkosten. Oder ist die Aufhebung des Demonstrationsverbotes nicht vorübergehend ein politischer Sieg für die Kommunistische Partei? Natürlich ist es auch ein Manöver von Severing und Waentig. Sie wollen uns provozieren, sie wollen Freiheit der Straße für Stahlhelm, Nazis und Reichsbanner und Verbot der Demonstrationen für die revolutionären Organisationen des Proletariats. Ob sie für einen solchen Schlag schon den 1. Mai wählen werden, ist zweifelhaft, weil der 1. Mai 1929 auch in den Kreisen der Sozialdemokratie so viel Staub aufgewirbelt hat, daß sie sich vor einem neuen Blutmai fürchten. Aber man soll nicht nur die Manöver sehen. Hier ist auch ein Massendruck da, der durch uns erzeugt wurde, durch unsere Politik, indem wir die Fesseln und Schranken der bürgerlichen Staatsgewalt und ihre Verbote durchbrachen. Auch die Betriebsrätewahlen mußten mit der Fragestellung der Eroberung der Mehrheit des Proletariats verbunden werden. Die Betriebsrätewahlen als eine politische Kampagne zur konsequentesten Vertretung der Interessen der Belegschaft auf Grund konkreter Kampfforderungen und auf der prinzipiellen Linie des Kampfes zwischen Kommunismus und Sozialfaschismus, mußten eine andere Form annehmen als 1929. Betrachtet man die allgemeine Politik der Sozialdemokratie, so muß man sagen: Wer für den Youngplan eintritt, muß den Raubzug der Unternehmer gegen die im Betrieb Befindlichen und gegen die Werktätigen überhaupt unterstützen und umgekehrt; wer prinzipiell gegen den Youngplan ist, muß daraus die Konsequenzen ziehen und den Kampf führen gegen die mörderische Ausbeutung und die Abwälzung der Lasten auf das Proletariat. In diesem Sinne war, rein politisch gesehen, unsere allgemeine Generallinie absolut richtig. Uns fehlt bei der richtigen Politik der Aufstellung der selbständigen Listen gegen Sozialfaschismus und Faschismus die notwendige Elastizität und Beweglichkeit. Man kann heute mit Recht sagen, der prinzipielle Kampf gegen Sozialfaschismus und sozialfaschistische Gewerkschaftsbürokratie wurde auf einem weit höheren Niveau durchgeführt als im vorigen Jahr. Aber unsere neuen Kampfformen und Methoden ‑ die wir in einem zu starren System bei der Durchführung der Betriebsrätekampagne durchgesetzt haben - müssen überprüft werden. Die erste Aufgabe war es, in den Versammlungen bestimmte Kampfforderungen mit Zustimmung der gesamten Belegschaft aufzustellen. Dann stellten wir die Aufgabe, nicht im Rahmen der Gewerkschaftsdisziplin und des Gewerkschaftslegalismus, sondern auf der Linie der revolutionären Politik unter Führung der revolutionären Gewerkschaftsopposition unsere Listen aufzustellen. Drittens forderten wir zur Verteidigung der aufgestellten Kandidaten und der besonderen Vorbereitung der Wahlen die Bildung von Wahlausschüssen, wenn möglich aus allen politischen Schichten der Belegschaft. Die vierte Aufgabe in der Kampagne war die Bildung und der Ausbau des Vertrauensmännerkörpers. Nehmen wir zu diesen vier Aufgaben Stellung. Hat die Partei ihre Aufgaben erfüllt oder nicht? Wir müssen bei allen vier Aufgaben schärfste Selbstkritik üben. Wurden die konkreten Kampfforderungen für das Papier gestellt? Nein! Sie wurden gestellt, damit die Belegschaft zum Kampf rüstet und sich mit allen Mitteln auf Grund der Kampfforderungen vorbereitet. Ist das durchgeführt worden? Nein! Das ist fast überall nicht durchgeführt worden. Wir wollen auf die Hindernisse nicht eingehen, sondern lediglich die Tatsachen feststellen. Die zweite Aufgabe: Wenn wir aufs schärfste ablehnen, im Rahmen der Gewerkschaftsdisziplin und des Gewerkschaftslegalismus eine Betriebsräteliste aufzustellen, so haben wir niemals die Aufgabe so gestellt, daß in die Liste ausschließlich Parteigenossen und Parteilose aufgenommen werden müssen. Wir haben gefordert, daß auch sozialdemokratische und christliche Arbeiter für unsere Liste gewonnen werden, weil das den aufgestellten Kampfforderungen und den Interessen der Belegschaft entspricht. Hier ist wieder ein Versagen zu verzeichnen. Das ist eine ernste Frage, über die wir uns Rechenschaft abzulegen haben. Die dritte Aufgabe: Obwohl im vorigen Jahre die Exekutive daran Kritik geübt hat, daß zur Vorbereitung der Betriebsrätewahlen keine Wahlausschüsse gewählt wurden, und forderte, daß solche Wahlausschüsse aus allen im Betriebe vertretenen Arbeiterschichten gewählt werden sollen, haben wir das nicht überall durchgeführt ‑ und wo solche gewählt wurden, es auch sehr schlecht durchgeführt. In den meisten Fällen war die Zahl der Arbeiter in den Wahlausschüssen so gering, daß es keine Verteidigung der Betriebsrätekandidaten gab, sondern daß es die Bourgeoisie und die SPD stellenweise leicht hatten, die Kandidaten schon vorher aus dem Betrieb hinauszuwimmeln. Und die vierte Aufgabe: Warum haben wir auf dem Weddinger Parteitag das Problem zum ersten Male so scharf gestellt, daß es nicht möglich ist, eine politische Massenarbeit und Aktionen in den Betrieben gegen Unternehmeroffensive, Staatsgewalt und Sozialfaschismus durchzuführen, wenn wir nicht in allen Abteilungen des Betriebes durch das politische Vertrauensmännersystem mit der Belegschaft verbunden sind? Die Bildung und der Ausbau des Vertrauensmännerkörpers ist nur an einigen Stellen durchgeführt worden und lange nicht befriedigend. Es ist notwendig, die Ursachen dafür zu prüfen und zu ergründen und diese Frage zu beantworten. Zwei innerparteiliche HemmnisseDiesen ganzen Fragenkomplex der Betriebsrätewahlen müssen wir mit der Frage der opportunistischen Abweichungen in Verbindung bringen, die sich in den Betriebsräten und Betriebszellen in unseren eigenen Reihen zeigten. Ist etwa mit der Liquidierung des Brandlerismus und mit dem Ausschluß der Brandlerianer aus unseren Reihen und der Kapitulation eines Teils der Versöhnler ‑ wenn deren Erklärungen ehrlich gemeint sind ‑ die Frage des Opportunismus in unseren eigenen Reihen beseitigt? Keineswegs! Damit ist die Frage des Opportunismus nicht erledigt. Ich stelle zum Beispiel die Frage: Wie ist es möglich, daß sich gerade im jetzigen Stadium, im jetzigen Moment der Entwicklung, in der Straßenzelle Bahnhof, einer der größten Zellen in Frankfurt, wo wir zwei Genossen, die offenen Widerstand gegen die Linie der Partei leisteten, ausschließen mußten, die ganze Zelle bald völlig mit diesen Ausgeschlossenen solidarisierte und in einem offenen Briefe gegen die Parteiführung und gegen die Partei auftrat? Ich stelle die zweite Frage: Wie war es möglich, daß in Berlin einige Betriebsfunktionäre und ebenfalls einzelne Parlamentarier aus der Partei austraten und mit einer Erklärung in der Öffentlichkeit die Partei beschmutzten? Die Tatsachen von Ullstein und Löwe sind ja allen bekannt; der Ausschluß von König aus der AEG Turbine wurde gestern in der "Roten Fahne" gemeldet. Ich erwähne weiter Schlesien, wo die Parteileitungen in Landeshut, Görlitz und Langenbielau gezwungen sind, verschiedene Ausschlüsse von Funktionären in den Betrieben vorzunehmen, die sich beharrlich weigern, unsere richtige Linie durchzuführen. Ich weise auf Hamburg hin, wo der Vorsitzende der kommunistischen Bürgerschaftsfraktion, der frühere Genosse Stahmer, aus der Partei ausgeschlossen wurde, weil er kein politisches Verständnis für unsere konsequente Linie hatte und sich weigerte, sie in der Praxis durchzuführen. Und zuletzt die Fälle in Nürnberg, wo ganze Betriebsräte in den Großbetrieben, vorn Brandlerismus durchtränkt, offenen Widerstand gegen die Parteilinie ausübten. Es gibt noch andere ähnliche Beispiele, die ich jetzt wegen Zeitmangels nicht anführen will. Diese deutlichen und fast überall in den Bezirken auftretenden Merkmale und andere Beispiele lassen erkennen, daß bestimmte Ursachen für Abweichungen von der politischen Linie der Partei konstatiert werden müssen. Zwei Hauptursachen innerparteilicher Schwierigkeiten sind vorhanden: Erstens, daß wir die Wendung des Weddinger Parteitages und des X. Plenums in der Partei noch nicht richtig und scharf genug politisch durchgeführt haben ‑ vor allem auf ideologischem Gebiet. Zweitens, daß bei der Durchführung unserer Massenarbeit‑ bei der die Frage der Methode der Gewinnung der Massen für die revolutionäre Politik eine Rolle spielt‑ Fehler und große Schwächen vorhanden sind. Wir werden nach wie vor bei der allgemeinen Beurteilung der Abweichungen auch in Deutschland die rechte opportunistische Gefahr als die Hauptgefahr ansehen. Aber wenn wir die “linken“ sektiererischen Abweichungen in unseren eigenen Reihen nicht ebenfalls mit bolschewistischer Rücksichtslosigkeit bekämpfen, dann werden wir vorübergehend an einigen Stellen nicht nur Tempoverlust erleben, werden nicht nur dem Gegner Material liefern und ihm Positionen schaffen, sondern wir würden ‑ wenn die Führung der Partei nicht eingreift oder zu spät eingreift ‑ eine Krise bekommen. Ich sage das nicht für heute, sondern in der Perspektive einer längeren Entwicklung. Bei großen Erfolgen einige MißerfolgeGenossen! In unseren Reihen muß die Frage gestellt werden, wieso trotz richtiger Generallinie des Kampfes gegen den Sozialfaschismus in prinzipieller Hinsicht unsere Taktik große Fehler aufweist. Ich versuche das an Hand bekannter Tatsachen zu beweisen. Ist der Mißerfolg bei den Betriebsrätewahlen in den Berliner Verkehrsbetrieben, ist der Mißerfolg in den Leuna-Werken ‑ obwohl er nicht so stark ist, wie ich nachher beweisen werde ‑, ist der Mißerfolg der Wahlen bei den Freidenkern in Berlin, die Niederlage bei den Betriebsrätewahlen der Straßenbahner in Hamburg ‑ selbst wenn dort Schiebungen vorgekommen sind ‑ nicht eine Mahnung an die Parteiführung, die Ursachen zu prüfen? In der Berliner Verkehrsgesellschaft wurden seit den vorigen Wahlen tausend Mann entlassen. Die Brolat-Direktion hat für die tausend Entlassenen tausend andere hineingebracht, wodurch eine Verschiebung eingetreten ist. Man muß aber auch sehen, daß die Stimmenzahl der Deutschnationalen um 169 zurückging, daß die Christen etwa 300 Stimmen gewannen, daß die Sozialdemokraten eine Zunahme von 4212 Stimmen hatten und die revolutionäre Gewerkschaftsopposition 4430 Stimmen verlor. Das ist die entscheidende Tatsache, die man nicht ausschließlich auf die Massenentlassungen zurückführen kann. Hier sind andere, politische Ursachen vorhanden, die wir ergründen müssen. Im Leuna-Werk, wo 5000 entlassen wurden und wo die Sozialdemokratie einen Verlust von 821 Stimmen und wir einen Verlust von 4493 Stimmen haben, ist zwar das Verhältnis nicht so kraß wie in der Verkehrsgesellschaft, aber auch dort ist das Verhältnis schon schlecht. Wenn die Zellenversammlung am Tage nach der Wahl nur den Besuch von 22 Genossen aufwies, so ist das ein Symptom dafür, wie wenig politische Kraft unsere Genossen besitzen, sich nach dem Ergebnis dieser Wahl nicht zusammenzusetzen. Die Kritik an einem solchen Ergebnis in einem Großbetrieb kann man nicht phlegmatisch und mit lächelnder Miene übergehen. Das würde für die Führung der Partei und die Gesamtpartei große Unkosten bedeuten. Nehmen wir die Tatsache, die sich in dem nicht genügenden Erfolg bei der Freidenkeropposition zeigte. Wir müssen bei der Annahme des Konkordats und bei der Tätigkeit von Preußenregierung und Reichsregierung für die Kirche offen von einem Mißerfolg sprechen. Wir müssen politische Gründe für diese Mißerfolge suchen und sie überprüfen. In der letzten Zeit waren gewisse Fehler für diese Mißerfolge maßgebend. Bei den Beratungen in der Sowjetunion wurden wir von führenden Genossen der KPdSU(B) auf folgende Tatsachen aufmerksam gemacht: Erstens, daß wir zuviel “Teutonen” sind und uns nackt ausziehen, alles das sagen, was wir wollen. Damit deuteten sie auf die Frage der Legalität und Illegalität hin. Ein Beispiel dafür ist, daß in der Kerenski-Periode Lenins Artikel fast niemals von der Polizei beanstandet wurden und Anlaß zum Verbot der Zeitung gaben, weil er die "Prawda" als ein Streitorgan betrachtete und sich jeden Satz überlegte. Wenn die "Prawda" verboten wurde, so geschah das ausnahmslos auf Grund von Artikeln anderer führender Genossen. Die Genossen stellten uns die Frage, ob wir nicht in derselben Weise das sagen können, was wir wollen, um unsere revolutionären Aufgaben durchzuführen. Zweitens: Die Frage der Verteidigung der Sowjetunion und wie wir die Frage mit der deutschen Politik verbinden, ohne dem Gegner leichte Angriffsmöglichkeiten zu geben. Wir schämen uns nicht, sondern sind stolz darauf, daß wir ein Glied der Kommunistischen Internationale sind, aber in Deutschland heißt es die Frage vom Standpunkt der Arbeiterinteressen stellen, vom Standpunkt der Verbesserung der Lebenslage der deutschen Arbeiter. Gewöhnlich machen wir das aber nicht oder viel zuwenig. Drittens: Die Frage des Sozialfaschismus. In dieser Frage, die uns heute am meisten beschäftigen muß und wird, gibt es in letzter Zeit ernste Fehler, die, wenn man nur einige Zitate wiedergibt, erschreckend wirken müssen. Bolschewistische SelbstkritikWir dürfen uns in diesem Stadium ‑ bei einer verhältnismäßig günstigen objektiven Situation ‑ nicht von der Mehrheit des Proletariats in den Betrieben, in den Gewerkschaften und auf der Straße isolieren, sondern müssen die Mehrheit des Proletariats gewinnen und für unsere Politik erobern. Unsere revolutionäre Massenbasis hat sich im allgemeinen erweitert und verstärkt, wobei wir gleichzeitig feststellen müssen, daß in unseren Reihen eine Bolschewisierung eingetreten ist. Bedeutet das, daß wir in der Lage waren, nach allen Seiten hin eine einwandfreie und bolschewistische Politik und Strategie anzuwenden? Diese Fragen nicht zu beantworten, wäre ein Fehler. Kleine Fehler vergrößern sich und werden zu großen Fehlern. Die Partei hat viel gelernt und hat noch viel zu lernen. Sie ist viel reifer geworden. Es ist wichtig, die Frage der revolutionären Theorie zu stellen, zu der wir besonders in unseren letzten wichtigen Dokumenten Stellung genommen haben. Wir müssen aber auch die Frage, wie wir die revolutionäre Theorie mit der bolschewistischen Praxis verbinden, überprüfen und an unseren Mißerfolgen in erster Linie unsere Fehler feststellen. Wir dürfen uns in unseren eigenen Reihen nicht täuschen lassen, wenn wir auch wirklich ernste Erfolge haben. Die proletarischen Massen sind äußerst feinfühlig, und sie haben für jede kleine fehlerhafte Formulierung unsererseits ein weit besseres Gefühl als unsere Gegenparteien. Wenn wir aus wirklichen Mißerfolgen die entscheidenden Lehren ziehen, dann ist das wirklich bolschewistisch. Diese entscheidenden Lehren sind, daß wir bei einer unbeständigen und ungleichmäßigen allgemeinen Entwicklung in unserem Vormarsch einige solche Tatsachen sehen wie das Ergebnis bei den Betriebsrätewahlen im Leuna-Werk, bei der Verkehrsgesellschaft, bei den Hamburger Straßenbahnern, das Ergebnis der Freidenkerwahlen und zuvor schon die teilweisen Mißerfolge bei den Kommunalwahlen, besonders in Sachsen. Sie legen ebenfalls Zeugnis ab von der außerordentlichen Manövrierfähigkeit unseres Gegners, der Sozialdemokratie. Das ist die Kernfrage, die auch vor uns steht. Wir müssen nicht nur die Frage unserer eigenen, nicht genügenden politischen Maßnahmen und der nicht genügend leninistischen Problemstellung in diesen Betrieben und Bezirken stellen, sondern auch die Frage der Manövrierfähigkeit unserer Gegner. Diese haben ganz andere Mittel zur Verfügung ‑ staatliche und andere Mittel, Mittel durch die Unterstützung der Unternehmer ‑, sie sind in viel bequemerer Lage als wir, die wir jeden kleinen Mißerfolg zur Überprüfung durch die helfende Selbstkritik zur Diskussion stellen müssen. “Linke” Fehler und Übertreibungen in der Frage des SozialfaschismusBei dieser Fragestellung ist es notwendig, jene Übertreibungen oder ‑ ich gehe einen Schritt weiter ‑ die neuesten “Theorien” über den Sozialfaschismus, wie sie in der Partei zum Ausdruck gekommen sind, festzustellen. Hat nicht der Weddinger Parteitag der Partei in dieser Frage eine klare und deutliche Formulierung durch seine Beschlüsse gegeben? Besonders gegenüber denjenigen, die ‑ wie die Versöhnler ‑ damals noch die faschistischen Tendenzen innerhalb der Sozialdemokratie leugneten und die sogar die Entwicklung der Sozialdemokratie zum Sozialfaschismus bestritten. Wir haben gegen diese falsche Theorie auf das schärfste prinzipiell gekämpft. Diese rechte opportunistische Einstellung hat leider in der letzten Zeit in unseren eigenen Reihen ein Gegenstück gefunden mit der Tendenz, alle Erscheinungen im politischen Leben als “Sozialfaschismus” bezeichnen zu wollen. Zwar ist der Sozialfaschismus der Waffenträger der faschistischen Diktatur. Der Sozialfaschismus ist aber nicht nur eine Theorie, sondern praktisches politisches Leben, wo neben einer konterrevolutionären Führerschaft, Betriebsfunktionäre und sozialdemokratische Arbeiter nach verschiedenartigen Eigentümlichkeiten der Verhältnisse im Betrieb, bei den Erwerbslosen usw. zu beobachten sind. Eine Partei, die diese Tatsachen negiert und eine besondere Theorie an die Stelle der Beschlüsse des Parteitages stellen würde, wird ihre geschichtliche Mission des Kampfes um die Mehrheit des Proletariats nicht erfüllen können. Auch eine solche Führung wird von der Mitgliedschaft und von der historischen Situation später zur Rechenschaft gezogen werden. Wir sind gezwungen, dem Zentralkomitee einige Tatsachen zu unterbreiten, um zu zeigen, wieweit diese Abweichungen bereits in unsere eigenen Reihen eingedrungen sind. In letzter Zeit sind eine ganze Reihe von Artikeln in der gesamten Presse der Partei, Aufrufe und Informationen der Partei, Notizen usw. erschienen, die absolut unhaltbar sind. Zum Beispiel heißt es in einem Artikel "Wir und die sozialdemokratischen Arbeiter", der in den letzten Tagen durch die Parteipresse ging, unter anderem folgendermaßen: Es ist klar, daß unsere Auseinandersetzung mit dem Sozialfaschismus sowie die mit der Bourgeoisie, deren treuester Knecht er ist, nicht an irgendeinem Verhandlungstische, sondern nur auf den Schlachtfeldern der Entscheidungskämpfe und vor den Revolutionstribunalen der deutschen Republik enden kann. Und das gilt natürlich vom kleinen sozialfaschistischen Betriebsrat, der in seinem Betrieb dem Unternehmer kommunistische Arbeiter denunziert, um zur Belohnung Meister zu werden, ganz genauso wie für seine großen Brüder Severing, Zörgiebel usw. Genossen! So einfach ist die Frage für uns doch nicht, wie sich das mancher Genosse in seinem Hirn ausmalt. In diesem Artikel sind die sozialdemokratischen Minister, Polizeipräsidenten, Bankdirektoren, Kommunalbeamten, Gewerkschaftsbonzen, Vorarbeiter, Meister und freigewerkschaftlichen Betriebsräte in der Industrie usw. eine einheitliche, homogene soziale Schicht. Die Veränderungen der gesellschaftlichen, klassenmäßigen Zustände in der gegenwärtigen Situation bleiben unberührt; deswegen ist auch kein Verständnis für die Verschiebungen in der sozialen Struktur vorhanden, von der auch die Sozialdemokratie nicht unberührt bleibt. Darum auch die große Hilflosigkeit, die "Auseinandersetzung mit dem Sozialfaschismus sowie die mit der Bourgeoisie" zu späteren Entscheidungskämpfen bis zum Revolutionstribunal zu vertagen. Ein Negieren unserer Massenarbeit bei einem Teil des Proletariats müßte auch für unsere revolutionäre Politik schlimme Folgen haben. Und weiter heißt es in einem anderen Artikel "Klare Fronten unten wie oben": Der kleine Funktionär ist ein wichtiger, ja, der wichtigste Teil des sozialdemokratischen Apparats, der zu einem wesentlichen Bestandteil des sozialfaschistischen Staatsapparats geworden ist. Er schimpft, er hält aber gerade mit diesem Geschimpfe den ganzen Laden zusammen [...] Unser Trommelfeuer auf die großen Zörgiebels hat darum nur dann Erfolg, wenn es gleichzeitig mit einem Sturmangriff auf die verbürgerlichten unteren Funktionäre verbunden wird. Wir müssen die proletarischen Reihen in Betrieb und Gewerkschaft und in den übrigen Massenorganisationen mit aller Rücksichtslosigkeit von allen verfaulten Elementen säubern. Wer noch zur SPD gehört, ist verfault und muß fliegen ‑ und wenn er noch so radikal tut. Unsere ganze Anwendung der Einheitsfronttaktik von unten, unsere Beschlüsse des Weddinger Parteitages werden dadurch glatt über Bord geworfen. In einem Artikel "Erobert die Festungen des Kapitalismus" wird gesagt: Betriebsrätewahlen sind für die Arbeiterschaft wichtiger als Reichstagswahlen. Der Reichstag dient für uns, für die klassenbewußte Arbeiterschaft als Tribüne, von der wir unsere Auffassungen propagieren. Die Betriebsräte aber sind Organe, die die Aktionen der Arbeiterschaft zu organisieren berufen sind. Ich will nicht auf die Frage des Vergleichs der Reichstagswahlen mit den Betriebsrätewahlen eingehen. Wir müssen die Frage vom Standpunkt der Gewinnung und Aktivierung der Millionenmassen stellen. Die Betriebsrätewahlen sind mindestens so wichtig wie die Reichstagswahlen. Aber ein allgemeines Schema gibt es auch dafür nicht. Der Artikelschreiber wählte diese Formulierung, um für eine spätere nicht ganz klare und einwandfreie Formulierung eine bessere Voraussetzung zu haben. Diese Stelle heißt folgendermaßen: Gemeinsame Listen mit den Sozialdemokraten bei den Betriebsrätewahlen sind deshalb genauso unmöglich, wie gemeinsame Listen von Sozialdemokraten und Kommunisten zum Reichstag. Diese Formulierung ist insofern richtig, als sie jede Aufstellung von Kommunisten auf sozialfaschistischen Listen verbietet. Das ist richtig. Aber falsch und schädlich ist an dieser Formulierung, daß sie vollkommen die Notwendigkeit der Aufstellung sozialdemokratischer Arbeiter, die rebellieren, auf unsere roten Listen außer acht läßt. Dann gab es verschiedene andere Artikel, in denen die Parole aufgestellt wird: "Verjagt die Sozialfaschisten aus den Funktionen in den Betrieben und Gewerkschaften!." In dem nächsten Artikel wurde die Sache schon gesteigert und gesagt: "Verjagt die Sozialfaschisten aus den Betrieben und Gewerkschaften!" Vorher: "Verjagt sie aus den Funktionen", und jetzt: "Verjagt sie aus den Betrieben und Gewerkschaften", und zuletzt findet die "Junge Garde" die Losung "Vertreibt die Sozialfaschisten aus den Betrieben, aus den Arbeitsnachweisen und aus den Berufsschulen!" Wie wollt ihr sie aus den Betrieben und Arbeitsnachweisen vertreiben? Die Bourgeoisie und sehr oft mit ihr die sozialfaschistischen Betriebsräte vertreiben leider die Kommunisten aus den Betrieben, wenn diese keine Massenbasis und nicht genügend Autorität in den Massen, in der Belegschaft haben. In einem anderen Artikel über die Betriebsrätewahlen, der durch die gesamte Parteipresse gegangen ist, werden die sozialdemokratischen Betriebsräte mit Noske, Severing und Zörgiebel gleichgesetzt. Eine solche Sprache ist wirklich unsinnig. Das heißt den Zörgiebel, Severing, Noske durch uns Entlastung zuteil weiden lassen für ihre blutrünstigen und konterrevolutionären Taten und Handlungen, das heißt also in den Fragen des praktischen Lebens, der allgemein-politischen Entwicklung. Das heißt die Verschiedenartigkeit der Verhältnisse in den verschiedenen Funktionen, die die Sozialdemokraten innerhalb des Staates, in den Betrieben und Massenorganisationen haben, einfach ignorieren. Heute, wo fünf Millionen in den Gewerkschaften, Millionen in den Sportorganisationen und Millionen Menschen in anderen Organisationen sind, müssen wir die Methoden der Ausnutzung der Legalität, der Beweglichkeit, der Gewinnung von Fall zu Fall, von Stufe zu Stufe, von Hirn zu Hirn anwenden, um die Arbeiter für uns zu gewinnen. Der Teil in der Sozialdemokratie, den wir als Arbeiteraristokratie bezeichnen, wird für die Revolution zum größten Teil verloren sein. Die Formulierungen in einem anderen Artikel schlagen dem Faß den Boden aus. Dort wird die “Linksschwenkung”, die “radikale Phrase” so überheblich angewandt, daß sie zur unmarxistischen Logik und zur offenen “ultralinken” Dummheit ausartet. Hier zeigt sich die “linke” Sektiererei der Isolierung von allen uns noch fernstehenden Massen in der gröbsten und unleninistischen Art. Die grundsätzlich falschen Auffassungen, die außerdem noch über die ökonomischen Grundlagen des Sozialfaschismus vorhanden sind, bedeuten den Bruch mit dem Kommunismus in der wichtigsten Frage: der Eroberung der Mehrheit des Proletariats. Mit den SPD-Arbeitern gegen den SozialfaschismusMan muß die Frage stellen: Wie kommt es ‑ wenn wir solche Beschlüsse haben, wie sie auf dem Weddinger Parteitag gefaßt wurden ‑, daß man es wagt, eine solche Linie zu verteidigen und zu vertreten? Hat das nicht gewisse Ursachen in den Stimmungen innerhalb der Partei, die etwas ausdrücken? Seit wann ist die Differenzierung und Zersetzung innerhalb der Sozialdemokratie von der Bildfläche unserer revolutionären Arbeit verschwunden? In der politischen Resolution des Weddinger Parteitages heißt es zum Beispiel in dem Punkt "Die taktische Wendung der KPD" unter anderem folgendermaßen[6]: Die taktische Wendung der KPD bedeutet die Anwendung neuer Formen der revolutionären Massenmobilisierung, neuer Formen der proletarischen Einheitsfront von unten, neuer Kampfformen gegen die Bourgeoisie und den Reformismus. In den Wirtschaftskämpfen, den Betriebsrätewahlen, in der Erwerbslosenbewegung, in den Maikämpfen, im Kampf gegen die Kriegsgefahr, gegen den Faschismus, gegen die polizeilichen Verbots- und Unterdrückungsmaßnahmen wurden und werden diese neuen Kampfformen zum ersten Male in der Praxis verwirklicht, erprobt und durch die Schöpferkraft der Massen aufgegriffen und fortgebildet. [...] Weit entfernt, die Partei von den Massen zu isolieren (wie die liquidatorisch-versöhnlerischen Opportunisten verleumderisch behaupten), erfüllt diese Taktik vielmehr die Leninsche Voraussetzung des Kampfes um die Macht: die Eroberung der Mehrheit des Proletariats in den entscheidenden Zentren, ohne die ein Sieg der Revolution unmöglich ist. [...] Diese Politik bedeutet nicht eine Einschränkung der bolschewistischen Einheitsfronttaktik, sondern die Verlegung ihres Schwergewichts nach unten, in die Betriebe, die Ausdehnung der proletarischen Einheitsfront bis weit über den Rahmen der freigewerkschaftlich und sozial-demokratisch organisierten Arbeiter hinaus auf die Mehrheit des gesamten Proletariats. Kann man es deutlicher formulieren - auch zum Verständnis für unsere Partei? Im Punkt 35 der Weddinger Resolution heißt es in bezug auf die Mitgliedschaft der SPD[7]: Die Partei muß den Prozeß der Radikalisierung der Arbeiterschaft tatkräftig fördern und alle proletarisch-revolutionären Tendenzen in der Mitgliedschaft der SPD und des Reichsbanners unterstützen, um den Bruch der Arbeiter mit den reformistischen Führern, ihren Austritt aus den feindlichen Organisationen und ihren Eintritt in die Kommunistische Partei zu beschleunigen. Diese beiden Zitate aus der Resolution des Weddinger Parteitages sind von großer Wichtigkeit, aber wichtig sind auch unsere Richtlinien zu den Betriebsrätewahlen. Warum haben wir die Richtlinien, die auf dem Reichskongreß der Gewerkschaftsopposition ausgegeben wurden, die falsche Instruktionen waren, auf den späteren Bezirkskongressen nicht mehr vorgelegt und akzeptiert, oder wo sie ausgegeben waren, wieder eingezogen? Sie entsprechen nicht mehr der heutigen Situation, weil es die Richtlinien des Jahres 1929 waren, die damals ‑ im ersten Stadium der Durchführung der Wendung - vorübergehende Kompromisse gegenüber den Stimmungen in der Partei und unter den Massen darstellten. Was steht in unseren Richtlinien zu den Betriebsrätewahlen, die im Januar 1930 von uns herausgegeben wurden[8]: Die Aufstellung der Kandidatenlisten durch die Arbeitermassen muß ein gewaltiger Schritt sein in der Errichtung der revolutionären Kampfesfront der organisierten und unorganisierten Arbeiter, der Proletarier und Proletarierinnen aller Schichten der klassenbewußten Arbeiterschaft. Eine erfolgreiche Durchführung der Wahl ist nur möglich bei weitgehendster Heranziehung neuer Arbeiterschichten zu den Funktionen der revolutionären Gewerkschaftsbewegung und bei einer umfassenden Mobilisierung der Betriebsbelegschaften zum Schutze der revolutionären Betriebsrätekandidaten vor den Unterdrückungsmaßnahmen der Unternehmer und der sozialfaschistischen Bürokratie. Entschlossenste Kampfessolidarität mit den Funktionären der revolutionären Gewerkschaftsbewegung. Zur Vorbereitung der Betriebsrätewahlen müssen in allen Betrieben Wahlausschüsse unter Hinzuziehung derjenigen Parteilosen, sozialdemokratischen und christlichen Betriebsarbeiter gewählt werden, die bereit sind, auf dem Boden der revolutionären Gewerkschaftsopposition zu kämpfen. Genossen! Wenn wir in unserer Resolution, die wir vorlegen werden, entsprechend den Beschlüssen des erweiterten Präsidiums des EKKI formulieren, so deswegen, weil in unseren eigenen Reihen Differenzen und Meinungsverschiedenheiten bestanden und weil wir verpflichtet sind, die Ursachen geschehener Fehler zu behandeln. Die vielleicht wichtigste Formulierung ‑ nicht um eine neue Wendung in unserer Taktik zu vollziehen, sondern um die Garantie zu schaffen, daß die Wendung des Weddinger Parteitages in der Praxis mit neuen Methoden und neuer Energie durchgeführt wird ‑ will ich verlesen[9]: Das Plenum des ZK konstatiert die Notwendigkeit, viel stärker als bisher für die Herstellung der revolutionären Einheitsfront von unten, für die Isolierung der sozialfaschistischen Führerschaft und die weitgehende Einbeziehung der sozialdemokratischen Arbeiter in die revolutionäre Kampffront zu wirken. Zur Erfüllung dieser Aufgabe ist es erforderlich, zwischen der konterrevolutionären Führerschafs der SPD, den unteren Betriebsfunktionären und den einfachen sozialdemokratischen Betriebsarbeitern und Erwerbs-losen zu unterscheiden. Wenn wir von der konterrevolutionären Führerschaft der SPD sprechen, von den unteren Betriebsfunktionären und den einfachen sozialdemokratischen Betriebsarbeitern und Erwerbslosen, so machen wir absichtlich diese Differenzierung. Die Genossen sollen nicht glauben, daß nicht in manchen Fällen Schwierigkeiten bei der Auslegung dieser Definition auftreten können. Es gibt zum Beispiel Betriebsfunktionäre der Sozialdemokratie, Betriebsräte, die durch dick und dünn mit der Sozialdemokratie gegen den Kommunismus und gegen die revolutionäre Bewegung gehen. Es gibt aber auch untere Betriebsfunktionäre, Vertrauensleute der Gewerkschaften und Belegschaften, die man unmöglich mit Zörgiebel und Severing in eine Linie stellen kann. Es ist doch ein gewaltiger Unterschied zwischen den Zörgiebels, Severings, Noskes, Hörsings, dem sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsapparat und den unteren Betriebsfunktionären und sozialdemokratischen Arbeitern und Erwerbslosen. Die Gefahr sektiererischer AbweichungenWir haben diese Formulierungen deswegen gewählt, um der Partei bei der Durchführung ihrer großen Aufgaben wirklich ernsthaft zu helfen. Was würden sich zum Beispiel für Konsequenzen ergeben, wenn wir diesen falschen Kurs, wie er in den von mir vorgelesenen Formulierungen enthalten ist, in der Praxis fortgesetzt hätten ‑ zum Beispiel auf dem Gebiet der Betriebsarbeit, wo eine schwere ernste politische Frage gegenwärtig vor uns steht. Angenommen, die Krise in Deutschland verschärft sich und in der nächsten Zeit tritt eine Verstärkung der Weltwirtschaftskrise ein, ist dann nicht für die Unternehmer und für die sozialfaschistischen Betriebsräte - wenn auch nicht für alle, einzelne, wenige Ausnahmen will ich machen ‑ das Gebot der Stunde, die Betriebe von Kommunisten und revolutionären Arbeitern zu bereinigen? In einer solchen Situation dürfen wir nicht eine Partei der Erwerbslosen sein, wir müssen in der Werbeaktion das Schwergewicht in die Betriebe verlegen, damit wir von dort neue Arbeiter gewinnen, frische, lebendige, klassenbewußte Arbeiter, aber auch sozialdemokratische und sogar christliche Arbeiter. Es gibt auch im Millionenanhang der Sozialdemokratie Arbeiter und Funktionäre, die Genossen werden können, wenn wir ihnen ideologisch helfen, wirkliche Leninisten zu werden, und wenn man mit Liebe versucht, sie als Klassenkämpfer in unsere eigenen Reihen hineinzuziehen. So wird es uns viel leichter gelingen, das Schwergewicht auf die Betriebe zu verlegen, um so eine Partei der Betriebsarbeiter und Erwerbslosen zu sein. Die Politisierung und Auffrischung unserer Betriebszellen wird dabei eine große Rolle spielen. Genossen! Die zweite Gefahr ist die Negierung der Gewerkschaftsarbeit. Ist dies vielleicht nur auf die Lust und Liebe zurückzuführen, die zur Bildung von revolutionären Gewerkschaften vorhanden ist ‑ obwohl wir in der Perspektive die Bildung neuer Gewerkschaften sehen müssen? Nein, Genossen! Das ist bequemer, als eine systematische Fraktionsarbeit durchzuführen und überhaupt in den Gewerkschaften zu arbeiten. Es sind ernste, bittere Kämpfe, sich mit solchen sozialfaschistischen Führern herumzuschlagen und dort die Fragen des Kampfes, die Frage der Erwerbslosen usw. zu stellen und auch an der konterrevolutionären Front als ein Leninist, als ein Führer der Massen, aufzutreten und seinen Mann zu stehen. Die dritte Frage, die ich mit einer wichtigen Frage verbinden will, ist die der allgemeinen revolutionären Massenarbeit für die Zukunft. Wir müssen unsere Kampfstrategie ausdehnen, wir müssen den Radius der revolutionären Gewerkschaftsopposition, ihre politische Tätigkeit, ihre Aktionsfähigkeit, die Selbständigkeit in der Führung der Wirtschaftskämpfe auf die Millionen der Arbeitermassen ausdehnen. Man kann heute sagen, daß in so kurzer Zeit von der sozialdemokratischen Koalitionsregierung eine solche Menge von Niederträchtigkeiten und Verrätereien begangen wurden, wie es noch nie der Fall war - Woche für Woche, Tag für Tag: Youngplan, Republikschutzgesetz, Finanzprogramm, Zollpolitik, Abbau der Sozialleistungen, Konkordat usw., alles in einem kurzen Zeitraum. Was sind die Resultate? Die Reichstagsabgeordnete Reese, der Menschewik Schwalbe, ein paar Ortsgruppen bei Danzig, einige SPD-Arbeiter ‑ das ist alles! Warum? Ist die Frage der Zersetzung der Sozialdemokratie von der Tagesordnung abgesetzt? Keineswegs! Steht die Frage der Zersetzung nur in der Sozialdemokratie? Nein! Auch die Arbeiter, die noch in den Reihen der offenen Konterrevolution stehen ‑ Millionen Arbeiter sind in den bürgerlichen Parteien ‑, müssen wir herausreißen. Wenn wir vor den Arbeitern in der Sozialdemokratie Furcht haben, wie soll das erst werden, wenn wir gezwungen sind, in das Zentrum, die Deutschnationale Volkspartei und in die anderen bürgerlichen Parteien einzudringen? Diese Frage steht auch für die Zukunft, steht immer, wenn der Kampf um die Mehrheit des Proletariats gestellt wird. Das Wichtigste ist, daß trotz der tiefsten Zerrüttung und Rebellion in der Sozialdemokratischen Partei so wenig Leute zu uns kamen. Ich will nur einige Tatsachen andeuten: In Breslau ist zum Beispiel wirklich eine Arbeiteropposition in der Sozialdemokratie vorhanden. Die Brandleristen versuchen, die Rebellion in der SPD aufzusaugen. Unsere Genossen haben die Frage ganz richtig gestellt: Als die oppositionellen SPD-Arbeiter an unsere Genossen herantraten, um ein Einheitskomitee aus Kommunisten, oppositionellen Sozialdemokraten und Brandleristen zu bilden, haben unsere Genossen das abgelehnt und mit Recht. Sie sollen von sich aus ‑ von der Arbeiteropposition in der Sozialdemokratie ‑ eine Versammlung einberufen, dort die Probleme stellen, und wir werden dort auftreten und unsere Meinung dazu äußern. Unsere Aufgabe ist es, die Gruppe der sozialdemokratischen Arbeiter von der Sozialdemokratie abzusplittern und sie, wenn möglich, in die Kommunistische Partei zu überführen. Genosse Schulte aus Düsseldorf teilte uns mit, daß auch dort in der SPD tiefgehende Auseinandersetzungen über die Politik der Sozialdemokratischen Partei stattfinden, Kämpfe, die in Tumultszenen ausarten. Verschiedene Funktionäre haben sich mit Schmutz und Kot beworfen. In einigen Fällen wurden aber auch die Fragen politisch gestellt, und eine vorübergehende Lösung war nur dadurch möglich, daß man an die Stelle der alten Funktionäre neue, in ihren Phrasen links erscheinende Funktionäre, gesetzt hat. Im Ruhrgebiet ähnliche Tatsachen. Ich will die Berichte aus anderen Gebieten nicht behandeln, aus Solingen, Remscheid ‑ aus Berlin haben wir ebenfalls Meldungen ‑, Frankfurt am Main und Köln. Ich stelle die Frage: Was würde die Fortsetzung des Kurses der letzten Wochen bei einer höheren Aufgabenstellung bedeuten? Gewiß, wir hatten trotz dieser Fehler Erfolge. Aber die Tatsache, daß wir bei diesem Kurs Erfolge hatten, muß uns um so mehr anspornen, denn wir hätten weit größere Erfolge möglich machen können. Die Korrektur der Methoden unserer Parteiarbeit zur Gewinnung neuer Arbeitermassen für die revolutionären Aufgaben bedeutet keineswegs eine Änderung des Kurses unserer gesamten Massenpolitik. Die Partei will damit die Beseitigung der Schwächen und Fehler herbeiführen, die sich in dem absolut richtigen Kurs auf die stärkste Heranziehung der Unorganisierten an die revolutionäre Klassenfront in den letzten Monaten gezeigt haben. Man mußte viele von uns auch überzeugen, bevor wir Kommunisten wurden. Nicht nur die Geschichte hat uns überzeugt, auch Menschen mit ihrer Politik haben uns überzeugt. Wer diese, seine eigene Vergangenheit übersieht und nicht daran denkt, sondern glaubt, wir haben schon die Macht, der stellt die Frage falsch. Wir sollen erst der entscheidende revolutionäre Machtfaktor werden und müssen die Massen dafür gewinnen. Das Problem der Zukunft ist es, neue Reserven zu mobilisieren. Wenn wir heute die Losung des politischen Massenstreiks stellen, so sage ich: Wir können rasch vor unerwartete Ereignisse gestellt werden, manchmal durch die Entwicklung, manchmal auch durch die subjektive Beeinflussung der objektiven Situation, die die Frage des Kampfes um die revolutionäre Staatsmacht stärker und schneller auf die Tagesordnung stellen, als wir erwartet haben. Diese Polemik und Selbstkritik muß deshalb so scharf sein, weil wir verpflichtet sind, unsere Methode zu ändern. Prinzipiell ist unsere Linie unanfechtbar, unsere Taktik ist richtig, aber unsere Methode zur Durchführung der Taktik muß geändert werden. Deshalb betone ich besonders scharf, daß diese Problemstellung eine um so größere Bedeutung hat, weil wir nicht von einer falschen Seite aus kritisieren, sondern von der leninistischen Seite der Verstärkung der Massenarbeit aus. Würden wir den alten Kurs durchführen und fortsetzen, so würde es bedeuten, daß wir eine erhebliche Verschärfung der Schwierigkeiten bekommen müssen. Der neue Kurs bedeutet eine erhebliche Verschärfung des prinzipiellen und allgemeinen Kampfes gegen den Sozialfaschismus an allen Fronten unseres politischen Kampfes. Ich stelle die Frage noch weiter: Je größer die Aktion ist, um so mehr müssen wir in der Lage sein, die Massen zum Kampf zu führen. Wenn wir bei den Methoden der Vergangenheit stehen bleiben, dann sind uns gewisse Grenzen gesetzt, dann sind bei der Aktionsentfaltung gewisse Barrieren vorhanden. Genossen! Gerade in diesem Zusammenhang erkläre ich: Je größer die Aktionen sind, um so elastischer muß unsere aktive Massenarbeit sein. Deswegen haben wir während der Präsidiumssitzung festgestellt: Wir sind verpflichtet, bei der Zusammenfassung und Vertiefung der politischen Arbeit der Gewerkschaftsopposition einen Schritt weiter zu gehen. Ausbau der revolutionären GewerkschaftsoppositionWir haben Richtlinien ausgearbeitet, um die Vernachlässigung der Arbeit in den Gewerkschaften, die nicht genügende Ausdehnung und Vertiefung der politischen Arbeit der revolutionären Gewerkschaftsopposition von beiden Seiten aus zu überprüfen, um die mit uns sympathisierenden Massen fester mit der revolutionären Opposition zu verbinden und die durch die Spaltungspolitik der Sozialfaschisten entstandenen Organisationen mehr als bisher zu Mustergewerkschaften auszubauen. Die wichtigste Aufgabe, die hier gestellt wird, ist die Verstärkung der Arbeit der revolutionären Gewerkschaftsopposition auf allen Gebieten der gesamten Front. Wenn wir in den Vordergrund nur die Perspektive der revolutionären Gewerkschaften stellen und nicht die Verstärkung der allseitigen Tätigkeit der revolutionären Gewerkschaftsopposition auf allen Gebieten ‑ innerhalb und außerhalb der Gewerkschaften unter den proletarischen Massen, einschließlich der Fraktionsarbeit in den reformistischen Gewerkschaften ‑, dann wird es uns nicht gelingen, auf dieser Basis, auf der wir uns heute noch befinden, und mit dem jetzt bestehenden Zentrum der revolutionären Gewerkschaftsopposition den politischen Machtkampf gegen die Bourgeoisie und den Sozialfaschismus durchzuführen. Deshalb stellen wir in erster Linie die Frage des Ausbaus des revolutionären Vertrauensmännersystems durch die roten Betriebsräte, des kollektiven Beitritts der Belegschaften zur Gewerkschaftsopposition, der Angliederung der roten Betriebsräte, der ausgeschlossenen Zahlstellen und der Erwerbslosenausschüsse usw. an die Gewerkschaftsopposition. Wenn aber dabei nicht die ganze politische Arbeit unter den Millionen von Arbeitern vertieft wird, wenn die Arbeit der revolutionären Gewerkschaftsopposition in den Gewerkschaften nicht fortgesetzt und auf das Hundertfache erhöht wird, dann werden wir keinen ausschlaggebenden Erfolg haben. Die revolutionäre Gewerkschaftsopposition kann nicht nur dann Vertrauen und Autorität bekommen, wenn sie in der Praxis bewiesen hat, daß unsere Arbeit nur den Interessen des Proletariats dient, sondern indem wir auch bestimmte praktische Aufgaben lösen. Die Anknüpfung an die Tagesforderungen und Interessen der Arbeiter und Arbeiterinnen, besonders der Jungarbeiter in jedem Betrieb, die Mobilisierung der Arbeiter für diese Forderungen und die Verbindung dieses Kampfes mit dem Kampf um die revolutionären Endziele des Proletariats drücken die Fähigkeit zur bolschewistischen Massenpolitik aus. Diese müssen wir erlernen durch genaues Studium der sozialen Lage, Ideologie, Interessen und besonderen Wünsche jedes einzelnen Betriebes, jeder einzelnen Kategorie, besonders auch der Erwerbslosen. Damit steht die Aufgabe des Ausbaus der bestehenden revolutionären Gewerkschaftsorganisationen zu Mustergewerkschaften mit niedrigeren Beiträgen als in den reformistischen Gewerkschaften, einer Verbilligung der Verwaltungskosten, mit geringerer Angestelltenzahl als in den reformistischen Gewerkschaften, mit Verwendung der Gelder zu Kampfzwecken. Es steht die Frage der proletarischen Demokratie und der Mitgliederrechte anders als in den reformistischen Gewerkschaften. Ich glaube, daß diese Frage zum V. RGI-Kongreß noch näher konkretisiert werden muß. Wir sind heute bereits einen Schritt weiter gegangen als auf dem X. Plenum. Aber einen Schritt weiter gehen heißt, auf dem gewonnenen Terrain unsere Massenarbeit erweitern und vertiefen und Millionen Arbeiter gewinnen, die heute noch gegen den Kommunismus und die revolutionäre Bewegung eingestellt sind. Nehmen wir ein Beispiel: In der Sportorganisation in Berlin gelang es durch rechtzeitiges Eingreifen der Parteiführung ‑ als die Spaltung durch die Sozialfaschisten unvermeidlich war ‑, daß wir in den Augen der Mitglieder der Sportverbände als diejenigen dastanden, die tatsächlich die Einheit wollten, und die Reformisten als Spalter erkannt wurden. Heute sehen wir, daß die Entwicklung uns recht gegeben hat. Wir konnten in kurzer Zeit ‑ in sechs Monaten ‑ die Zahl der Mitglieder von 35 000 auf 50 000 erhöhen und sind im weiteren Vormarsch begriffen. Höhere Kampfformen und neue AufgabenDie Kampfformen des Proletariats nehmen einen anderen Charakter an. Wir sehen bereits in letzter Zeit, daß die Demonstrationen und Streiks nicht immer den früher üblichen Charakter von friedlichen Wirtschaftskämpfen tragen, sondern einen revolutionären Charakter von Massenaktionen zur Durchbrechung der Unternehmeroffensive, der bürgerlichen Staatsgewalt und der Politik des Sozialfaschismus. Sie nehmen Formen an, die für den Einfluß der Kommunistischen Partei von ungeheurem Vorteil sind. Deswegen ist es notwendig, unsere Methoden besonders zu überprüfen, wie wir die neue Taktik, die Manöver der sozialfaschistischen Gewerkschaftsbürokratie durchbrechen können. Eine Preissenkung ‑ würde sie durchgeführt ‑ würde von der Gewerkschaftsbürokratie ausgenutzt, um jede Kampfmöglichkeit der Arbeiter beim Ablaufen der Tarifverträge zu verhindern und zu ersticken. Die Unternehmer fordern Lohnabbau. Wo eine Lohnsenkung gefordert wird, zum Beispiel im Baugewerbe, tritt die Gewerkschaftsbürokratie für die Verlängerung der Tarife ein. Wir müssen diese Methoden der sozialfaschistischen Gewerkschaftsbürokratie durchkreuzen, weil die sozialfaschistische Bürokratie auf Forderungen, die von den Bauarbeitern aufgestellt werden, ausdrücklich verzichten will. Hier ist die Massenbasis, auf der wir versuchen müssen, den Kordon zu durchbrechen, die Form und Möglichkeit, wo wir konkret unsere Methode der Einheitsfronttaktik von unten anwenden können, um das, was in den letzten Wochen versäumt worden ist, nachzuholen und wesentlich zu verbessern. Ebenso bieten sich in der Kampagne zum 1. Mai besonders günstige Anknüpfungspunkte für die Einheit von unten. Wird nun durch die Richtigstellung begangener Fehler in der Frage des Sozialfaschismus unser prinzipieller Kampf gegen die Sozialdemokratie abgeschwächt? Im Gegenteil. Unser Kurs bedeutet die Anwendung und Verschärfung der leninistischen Politik auch im prinzipiellen Kampf gegen den Sozialfaschismus in allen Formaten. Wir haben die Frage gestellt: Zweifrontenkampf sowohl gegen die Hauptgefahr, den Hauptfeind, die rechten opportunistischen Abweichungen, als auch gegen das mit revolutionären Phrasen geschmückte “linke” Sektierertum. Das ist der Zweifrontenkampf, den Lenin stets in jeder Situation geführt hat. Eine Notwendigkeit zur Verbesserung unserer politischen Massenarbeit ist die Erhöhung unserer Kampffähigkeit auf verschiedenen Gebieten. Die 1. Mai-Kampagne muß nicht nur von unseren revolutionären Losungen getragen sein, sondern wir müssen in diesem Jahre die Frage der wirklichen Durchführung des politischen Massenstreiks stellen, entgegen der sozialdemokratischen Tradition, wo nur die Frage der Arbeitsruhe gestellt wurde. Weil der 1. Mai ein internationaler Kampftag für die Gesamtarbeiterschaft der Welt ist, ist die Organisierung von Maikomitees unter Einbeziehung weiter Schichten der Arbeiterklasse, sozialdemokratischer, christlicher und parteiloser Arbeiter eine Notwendigkeit. Das bedeutet keineswegs eine Wendung unserer Politik, sondern eine Korrektur, eine Durchsetzung der Methoden und Beschlüsse, die wir gefaßt, aber in vergangener Zeit manchmal unterlassen haben, mit der nötigen bolschewistischen Energie durchzusetzen. Ich will die Broschüre erwähnen, die eben unter dem Titel "Was ist Sozialfaschismus?" erschienen ist. Hier ist die Frage richtig formuliert. Es heißt unter anderem in der Broschüre[10]: Um diese Bestrebungen zur Spaltung der Arbeiterschaft zu durchkreuzen, müssen die klassenbewußten Arbeiter ihre Aufgabe als Führer der Masse der Ausgebeuteten und Unterdrückten verstehen. Sie dürfen sich weder durch die reaktionären Gewerkschaftsstatuten knebeln lassen, noch dem Kampf gegen den Sozialfaschismus innerhalb der Gewerkschaften ausweichen. Sie müssen alle Anstrengungen machen, um gerade die am meisten ausgebeuteten Schichten in die Front des proletarischen Klassenkampfes einzubeziehen. Gegen die korrupte Arbeiteraristokratie und Bürokratie appellieren wir gerade an die untersten Schichten des Proletariats, die am meisten unter der kapitalistischen Ausbeutung leiden, an die Arbeiterinnen, Jungarbeiter, an die Erwerbslosen usw. Die Kommunisten führen einen zähen Kampf um jede Position in den Gewerkschaften, um sie im Interesse der arbeitenden Massen gegen die sozialfaschistische Bürokratie auszunutzen. Diese Broschüre zeigt das Wesen des Sozialfaschismus, die Entwicklung der Sozialdemokratie zum Sozialfaschismus kurz und richtig. Ich fasse noch einmal die wichtigsten Aufgaben für die Zukunft zusammen: Die erste ist die politische Vorbereitung des 1. Mai unter ausdrücklicher verstärkter Bildung der Maikomitees ‑ möglichst in allen Großbetrieben und Industriezweigen. Größte Intensität und Aufmerksamkeit auf die Tarifkämpfe und Durchführung von größeren Streiks. Vorbereitung und selbständige Führung von Lohn- und Arbeitszeitkämpfen. Die Zusammenfassung und Politisierung der neugewählten Betriebsräte durch besondere Betriebsräteausschüsse. Die weitere Aufgabe ist, daß wir alle neugewählten Betriebsräte sowohl allgemein-politisch als auch in den schwierigen Bestimmungen ihres Arbeitsgebietes schulen. Die roten Betriebsräte müssen alle Tarifkämpfe und Streiks energisch vorbereiten und unterstützen. Die vierte Aufgabe ist die, daß die roten Betriebsräte mit dem sofortigen Ausbau des revolutionären Vertrauensmännerkörpers beginnen müssen, um die Garantie der Verteidigung und Erweiterung der revolutionären Gewerkschaftsopposition auf allen Gebieten zu geben ‑ natürlich unter Kontrolle und Leitung der Kommunistischen Partei. Nicht nur von oben, sondern wir müssen einen Schritt weiter gehen, denn wir haben eine Situation, in der jeder Kommunist Führer der Massen sein muß im Betrieb, in der Gewerkschaft, unter den Erwerbslosen, unter den neuen Schichten der Arbeiterschaft. Wenn wir nicht die Schaffung der neuen Kader in Angriff nehmen, in unseren Betriebszellen neues politisches Leben erwecken, sie mit neuen tatkräftigen Arbeitern auffrischen, wenn die Partei nicht aufgerüttelt wird, dann wird es uns noch große Schwierigkeiten bereiten, in die Reihen des Sozialfaschismus und in die inneren Fronten der Bourgeoisie einzudringen. Es muß noch erwähnt werden, daß die Fluktuation der Mitglieder in unserer Partei noch nicht beseitigt, sondern noch zu stark ist. Die Fluktuation wird in erster Linie vermindert durchbessere Heranziehung der neueingetretenen Mitglieder zur politischen Arbeit und durch Hebung des politischen Niveaus der gesamten Partei in der praktischen Arbeit. Dabei spielt auch die Kassierung eine Rolle. Der Kassierer ist derjenige, der täglich mit den Mitgliedern zusammenkommt, und wir müssen überprüfen, ob der Funktionärstab der Kassierer qualifiziert genug und befähigt ist, unsere neueingetretenen Mitglieder zu halten und ihre Wünsche weiterzugeben. Vorwärts zur Eroberung der Mehrheit der Arbeiterklasse!Zum Schluß: Alle diese Fragen muß man im Zusammenhang mit dem Kampf um die Eroberung der Mehrheit des Proletariats stellen. Ich möchte in diesem Zusammenhang andeuten, daß die politische Diskussion in der Partei in letzter Zeit vernachlässigt worden ist. Wir hatten so viel praktische Aufgaben in der gesamten Partei, daß die politische Diskussion bei allen diesen Fragen zu kurz gekommen ist. Zur Vorbereitung der Bezirksparteitage müssen wir das politische Leben und die Tätigkeit der Partei überall, in allen Betriebs- und Straßenzellen, durch marxistisch-leninistische Problemstellung bei unseren Aufgaben theoretisch und praktisch erweitern. Die Beschlüsse des Polbüros gegen das “linke“ Sektierertum bedeuten nicht eine Abschwächung des Kampfes gegen den rechten Opportunismus, sondern eine Erweiterung und Vertiefung des leninistischen Kampfes gegen den Opportunismus überhaupt. Wir mußten feststellen, daß zwischen den revolutionären und reformistischen Teilen der Arbeiterschaft vorübergehend eine gewisse Mauer aufgerichtet wurde ‑ hier lockerer, dort fester ‑, die durch eine schnelle ideologische Hilfe in der Parteimitgliedschaft und unter den proletarischen Massen leicht zu beseitigen ist. Wenn wir die Frage unserer revolutionären Zusammenarbeit leninistisch stellen, wenn wir durch neue eingreifende Maßnahmen unsere Kräfte ausbalancieren, dann bin ich überzeugt, daß wir einen Schritt weiter marschieren werden und vielleicht in naher Zukunft sagen können, daß unsere Beschlüsse ein neuer Auftakt, ein weiterer Schritt vorwärts in der Entwicklung des Sieges der deutschen proletarischen Revolution sind. |
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[1]. Cf. http://www.deutsche-kommunisten.de/Ernst_Thaelmann/Band2/thaelmann-band2-021.shtml.
[2]. Getreidemaß, besonders in Großbritannien (= 36,35 Liter), den USA und in Kanada (= 35,24 Liter).
[3]. Am 6. März 1930, dem Kampftag gegen Erwerbslosigkeit, demonstrierte das Proletariat in aller Welt gegen die kapitalistische Rationalisierung und die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise. Die Protestbewegung, die in den USA den größten Umfang erreichte, stand völlig unter der Führung der kommunistischen Parteien und der Kommunistischen Internationale.
[4]. "Erweitertes Präsidium des EKKI (Februar 1930), Thesen und Resolutionen". S. 9.
[5]. "Der zweite Kongreß der Kommunist. Internationale, Protokoll der Verhandlungen vom 19. Juli in Petrograd und vom 23. Juli bis 7. August 1920 in Moskau", S. 420.
[6]. "Waffen für den Klassenkampf, Beschlüsse des XII. Parteitages der KPD". S. 27.
[7]. Ebenda, S. 32.
[8]. "Richtlinien zur Betriebsrätewahl", herausgegeben vom Zentralkomitee der KPD. Unveröffentlicht.
[9]. "Die Rote Fahne" vom 25. März 1930.
[10]. "Was ist Sozialfaschismus?", Berlin o. J. S. 31.