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Ernst Thälmann

Erweitertes Präsidium des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale:
Rede in der deutschen Kommission

Februar 1930

(Auszüge)

 

 

Quelle:

Erweitertes Präsidium des EKKI, Moskau, 18. bis 28. Februar 1930. In: Die Kommunistische Internationale vom 12. März 1930. S. 551‑554.

Andere Quelle:

Ernst Thälmann: Reden und Aufsätze zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung - Band 2 - November 1928‑September 1930. Berlin, Dietz, 1956[1].

 

 

 

 

 

 

Erstellt: Januar 2013

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KPD 1918-1945 - Inhalt

 

 

 

 

 

 

Der Weltimperialismus zeigt vom Dawesplan zum Youngplan verschiedene Formen der Entwicklung. Zur Zeit des Dawesplans hat er besonders unter der Führung des amerikanischen Imperialismus versucht, in Form von Krediten Einfluß auf die deutsche Politik zu gewinnen. In der jetzigen Entwicklung, auf der Vorstufe der Ratifizierung des Youngplans, versucht die internationale Bourgeoisie, mit neuen Methoden in die deutsche Wirtschaft einzudringen. Die Frage der Überfremdung steht im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten der Kreditfrage im allgemeinen. Wenn sich das für die Zukunft in der Entwicklung des Youngplans fortsetzen würde ‑ langfristige und kurzfristige Kredite ‑, so würde das für ein Land wie Deutschland, wo die Beeinflussung durch die Wirtschaftskrise sichtbar in Erscheinung tritt, eine unmögliche Situation ergeben. Deswegen sehen wir jetzt eine ganz andere Form. Der amerikanische Kapitalismus dringt in die Betriebe ein, um seine Exportmöglichkeiten zu erweitern. Diese Maßnahmen des amerikanischen Kapitalismus kamen schon auf der Haager Konferenz zum Ausdruck. Sie lagen schon in der allgemeinen ökonomischen Orientierung auf die Exportoffensive, die besonders von Amerika ausgeht. Der Opel-Streik zum Beispiel, der sich jetzt abgespielt hat, richtete sich zum ersten Male nicht nur gegen die Front der deutschen Bourgeoisie, sondern gegen die gemeinsame Front des deutschen und amerikanischen Kapitals, das mit 120 Millionen Mark am Opel-Werk beteiligt ist. Gerade diese bedeutende Tatsache, daß auch das ausländische Kapital mit neuen Unterdrückungsmaßnahmen in Deutschland vorstößt, wird für die anderen Betriebe von größter Bedeutung sein. Die Annäherung zwischen Frankreich und Deutschland geht viel schneller vorwärts, als wir selbst je geahnt haben. Die französische Industrie und die französische Bourgeoisie gehen dazu über, in der nächsten Zeit neues Kapital nach Deutschland zu exportieren, wodurch eine neue Wendung eintritt.

Nun zur Frage des 17. November und zur Frage der Sozialdemokratie. Das Plenum des ZK der KPD, welches Ende November tagte, hat diese Frage treffend beurteilt. Es ist kein Zufall, daß wir in ganz Sachsen, in Leipzig, Dresden, Chemnitz, Niederlagen hatten. Hier war eine fehlerhafte Politik gegenüber der “linken” Sozialdemokratie vorhanden. Vor den Wahlen standen vor der Arbeiterschaft zwei Kampffragen:

Erstens das Arbeitsbeschaffungsprogramm. Obwohl unsere Partei schon im Landtag, schon monatelang vorher bestimmte Kampfforderungen zur Beschaffung von Arbeit für die Erwerbslosen gestellt hatte, wurden im Wahlkampf von unserer Partei diese Forderungen doch nicht erhoben. Die “linke” Sozialdemokratie aber stellte ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für die Arbeitslosen auf.

Die zweite Frage ist die Aufhebung des Feiertags am 9. November in Sachsen und Thüringen. Dort unternahm die Bourgeoisie einen ganz energischen Vorstoß, und wir haben die Frage nicht aufgerollt, am 9. November die Arbeit in den Betrieben ruhen zu lassen, was die SPD natürlich abgelehnt hätte. Selbst wenn man diesen Tag nicht als Feiertag forderte, mußten wir demgegenüber unsere revolutionären Losungen des 1. Mai und des 7. November, des Tages der russischen Revolution, stellen. Wir waren in dieser Frage im Schlepptau der “linken” Sozialdemokratie. Bei den Massen war der Gedanke vorhanden, daß die “linke” Sozialdemokratie den 9. November verteidigt. Selbst wenn wir in dieser Frage nicht mit der Sozialdemokratie konform gehen, mußten wir doch in der Frage der Taktik eine gewisse Elastizität entwickeln.

Außerdem hatte Brandler in Sachsen verhältnismäßig starke Wurzeln gefaßt. Auch die Nationalfaschisten bekamen durch die Rationalisierung bei den Bürgerlichen und sogar in den Arbeiterkreisen vorübergehend einen gewissen Einfluß. Und in diesem Kreuzfeuer der Faschisten, der “linken” Sozialdemokratie und der Brandlerianer - wobei einige Schwankungen in unseren Reihen vorhanden waren - sind die Hauptursachen der Niederlage zu suchen. Sie führten zur Reorganisation der Partei in Sachsen, um Sachsen eine einheitliche Leitung zu geben.

Nun zur Frage der Sozialdemokratie. Ich habe schon im Plenum gesagt, daß wir in der Frage der Förderung der Zersetzung in der Sozialdemokratie große ideologische Schwächen haben. Ich glaube, in dieser etwas zu abstrakten Form, wie Genosse Gussew[2] die Frage gestellt hat, kann man einen Einbruch in die Sozialdemokratie nicht durchführen. Wenn man sagt, daß zum Beispiel die qualifizierten Arbeiter in der russischen Revolution der ausschlaggebende Faktor waren, der zum Siege der proletarischen Revolution führte, so stimmt das absolut. [Ernst Thälmann setzt sich im folgenden mit der Behauptung Gussews auseinander, die qualifizierten Arbeiter in Deutschland wären ungenügend revolutionäre, passive Elemente. Die Red.] Aber es gibt auch in Deutschland qualifizierte Arbeiter, zum Beispiel die Bauarbeiter, die jetzt ein revolutionärer Vortrupp sind und in der Arbeitslosenarmee einer der wichtigsten Posten sind. Wir hatten die Tatsache zu verzeichnen, daß beim Hungermarsch am 1. Februar 80 Prozent aller Baustellen in Hamburg einen Tag streikten. Eine Verallgemeinerung für alle qualifizierten Arbeiter ist also unmöglich. Auf solche Schichten wie die Buchdrucker und Lithographen trifft das glatt zu. Aber es gibt noch andere Schichten der qualifizierten Arbeiter, zum Beispiel die Rohrleger, die heldenmütig gekämpft haben. Auch diese wurden zur revolutionären Front getrieben und haben gemeinsam mit den Unorganisierten eine große Rolle gespielt.

Natürlich ist die wichtigste Frage die, ob die Partei schon den Kurs auf die neuen Schichten der Arbeiterinnen, Jungarbeiter, angelernten und unqualifizierten Arbeiter genommen hat, die sich in den letzten Jahren um Millionen vermehrt haben. Man verwässert nichts, wenn man sagt, daß ein Teil der sozialdemokratischen Arbeiterschaft zur revolutionären Klassenfront stoßen wird. Die Frage der Zersetzung der Sozialdemokratie hängt mit der revolutionären Gewerkschaftsarbeit zusammen; es ist die Frage, wie wir im ADGB, wo zirka fünf Millionen Mitglieder organisiert sind, unsere Arbeit fortsetzen sollen.

Wir haben in Deutschland mit der Reichskonferenz der revolutionären Gewerkschaftsopposition begonnen, organisierten dann Bezirkskonferenzen und leiten jetzt in allen Unterbezirken Unterbezirkskonferenzen ein. Die Delegierten waren von unten gewählt worden. Desgleichen sind die Delegierten zu den Bezirkskonferenzen und Unterbezirkskonferenzen, die jetzt eingeleitet werden ‑ Berlin, Sachsen, Niederrhein, Ruhr und Pommern ‑, von unten gewählt worden. Das Reichskomitee ist jetzt dazu übergegangen, nicht nur Bezirkskomitees, sondern auch lokale Komitees zu bilden, die wiederum von den Arbeitern der wichtigsten Industriezweige gewählt werden.

Nun die Frage der Gewerkschaften. Wir schlagen vor, daß die roten Betriebsräte der revolutionären Gewerkschaftsopposition korporativ angeschlossen werden sollen. Wir schlagen weiter vor, daß auch die Belegschaften, die rote Betriebsratslisten wählen, korporativ an die revolutionäre Gewerkschaftsopposition angeschlossen werden sollen. Es ist Zeit, diese Frage der neuen Methoden in der revolutionären Gewerkschaftsopposition zu stellen und zu lösen.

Wichtig ist die Frage, ob wir die Unorganisierten in die revolutionäre Gewerkschaftsopposition aufnehmen sollen, natürlich mit Mitgliedsbüchern oder Mitgliedskarten und Beiträgen. Wenn wir die Frage so stellen, dann bedeutet das, den komplizierten Prozeß der Verstärkung unserer revolutionären Massenarbeit und der Loslösung der Massen, die hinter dem ADGB und den Sozialfaschisten stehen, ungeheuer erschweren. Es gibt da sehr komplizierte Fragen, die man von Fall zu Fall entscheiden muß. Würden wir ein absolutes Schema aufstellen, wie das Genosse Losowski hier getan hat, so würde das bedeuten, unsere Elastizität einzuengen und den Sozialfaschisten in die Hände zu laufen, nicht aber einen Weg einzuschlagen, auf dem die revolutionäre Gewerkschaftsopposition wachsen wird. Die revolutionäre Gewerkschaftsopposition würde dann in ihrem Wachsen gehemmt. Sie wächst natürlich mehr von den Unorganisierten und Parteilosen; aus der Reserve, die diese Millionen darstellen, werden wir größere Massen zur Organisierung der politischen Arbeit heranziehen. Aber die fünf Millionen im ADGB und die ungefähr eineinhalb Millionen in den christlichen und den Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften ‑ bei denen ebenfalls die Frage der systematischen Losreißung der Arbeitermassen von den verräterischen sozialfaschistischen und christlichen Führern steht ‑ einfach fahren zu lassen würde Verrat an der proletarischen Revolution bedeuten. Deswegen ist es unsere Perspektive, nicht zurückzuschrecken vor der wahrscheinlichen Entstehung neuer roter Gewerkschaften auf revolutionärer Klassenbasis ‑ je nach der Situation, nach den Ereignissen und je nachdem wir in der Lage sind, die Massen mitzureißen. Wir lassen aber andererseits keineswegs die Fraktionsarbeit der revolutionären Gewerkschaftsopposition stillstehen, sondern stoßen weiter vor, da es Millionen Organisierte sind.

Eine der wichtigsten Fragen für die Zukunft ist die wirkliche Fraktionsarbeit in den Gewerkschaften. Kann man ohne diese Fraktionsarbeit die revolutionäre Opposition stärken? Die Zelle in den Betrieben ist das Zentrum der politischen Arbeit, von dem aus alle anderen verschiedenen Kanäle und Netze der Organisationen, Vertrauensmännerkörper, Kampfleitungen, Wahlausschüsse zu Betriebsratswahlen usw. geführt werden. Genauso ist die Fraktion dasjenige Organ, das von sich aus die revolutionäre Opposition in den Gewerkschaften vertieft, erweitert und ihr höhere Aufgaben stellt. Ich glaube, daß besonders im Zusammenhang mit den roten Betriebsrätewahlen die Frage von der größten Bedeutung ist, wie wir diese Betriebsrätewahlkampagne mit anderen organisatorischen Aufgaben verbinden können, zum Beispiel mit der schnellen Entwicklung des wirklichen Aufbaus und Ausbaus des revolutionären Vertrauensmännerkörpers. Dieser soll die ganze Belegschaft zur direkten Offensive und Gegenoffensive gegen die bürgerliche Staatsgewalt, das Unternehmertum und den Sozialfaschismus mobilisieren.

Ich will nicht verhehlen, daß die Kritik des Genossen Gussew in bezug auf die Vernachlässigung des ideologischen Kampfes gegen die Rechten vollauf berechtigt ist. Die Brandlerianer sind eine Sekte, und wenn wir keine untaktischen Manöver und Maßnahmen in der innerparteilichen Arbeit einleiten, dann können sie keine Arbeiter bekommen, weil sie ein reaktionär-opportunistisches Programm haben und den Blick für die politische Situation in Deutschland verloren haben. Anders ist es mit dem Kampf gegen das Versöhnlertum, weil das Versöhnlertum in den eigenen Reihen noch nicht ausgerottet ist. Aber durch unsere Maßnahmen ‑ was ich noch behandeln werde ‑ zwingen wir sie, unter dem Druck der gesamten Partei nachzugeben, denn in den wenigen Monaten seit dem Weddinger Parteitag ist die Autorität der Führung der Partei nicht nur in der Partei, sondern auch in den Massen gewachsen. Gibt es außer der Führung der Kommunistischen Partei, die vollständig kollektive Formen hat, noch eine Führung, die in diesem Stadium der Entwicklung solche Autorität in den Massen hat? Nein! Stellen wir eine Gegenfrage: Gibt es in der Sozialdemokratie noch führende Leute, die wirklich autoritative Personen sind? Bei der jetzigen Tätigkeit des Sozialfaschismus ist unter den vielen Millionen ihrer Anhänger ‑ selbst bei ihren eigenen Mitgliedern und den Millionen, die für sie gestimmt haben ‑ das Mißtrauen schon stärker als das Vertrauen zu ihnen. Und mit der verschärften Tätigkeit der Regierung sowie der Sozialfaschisten in der Regierung diskreditieren sich auch die Sozialdemokraten in der Führung immer mehr, und ihre gerissensten führenden Leute, die noch autoritativ waren, wie zum Beispiel Severing, werden zu Personen, die von den Massen als Verräter am Proletariat betrachtet werden.

Angesichts unserer unbestreitbaren Erfolge, unter dem Druck der gesamten Partei sind die Versöhnler, beziehungsweise ihre Führung, zu Kreuze gekrochen. Ich werde die Frage nicht so stellen wie Genosse Pollitt. Er sagte unter anderem, daß Ewert für England sozusagen eine wichtige Figur sei. Die Frage, was er für England ist, gilt nicht für Deutschland. Und wenn er in England großen politischen Einfluß besitzt, ist das ein Zeichen der ideologischen Schwäche der englischen Partei. Wir hatten bereits auf dem VI. Weltkongreß Gegensätze, bekämpften bereits dort die falsche Theorie und die fälschen Auffassungen von Ewert. Wenn in England bei Verschärfung der Lage Ewert noch ein wichtiger politischer Faktor ist, so ist das ein Beweis dafür, daß in der englischen Partei diese wichtige politische Frage nicht aufgerollt worden ist. Für uns ist die Erklärung Ewerts noch kein Beweis dafür, daß er mit uns einverstanden ist, selbst wenn in seinen Formulierungen gesagt wird, daß er im Kampf gegen den Brandlerismus und die Liquidatoren mit uns zusammengehe. Ewert muß erst in der aktiven disziplinierten Arbeit beweisen, ob er an der Seite der Partei ‑ ich sage nicht an der Seite der Führung ‑ gewillt ist, die Aufgaben der Partei durchzuführen und so durchzuführen, daß seine bisherige versöhnlerische Auffassung nicht irgendwie zum Ausdruck kommt.

 

 

 

 

 



[1]. Cf. http://www.deutsche-kommunisten.de/Ernst_Thaelmann/Band2/thaelmann-band2-020.shtml.

[2]. Iwanowitsch Gussew (Jakow D. Drabkin).