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Ernst Thälmann

Plenum des Zentralkomitees der KPD:
Rede

24.‑25. Oktober 1929

(Auszüge)

 

 

Quelle:

Die Rote Fahne vom 27. Oktober 1929.

Andere Quelle:

Ernst Thälmann: Reden und Aufsätze zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung - Band 2 - November 1928‑September 1930. Berlin, Dietz, 1956[1].

 

 

 

 

 

 

Erstellt: Januar 2013

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KPD 1918-1945 - Inhalt

 

 

 

 

 

 

Die Generallinie unserer Politik hat sich als absolut richtig erwiesen. Objektiv haben wir eine sehr günstige Situation. Trotzdem sind bei der Durchführung unserer praktischen Aufgaben große Unterlassungssünden zu verzeichnen. Die Lage in Deutschland verschärft sich durch die Auswirkungen des Youngplans außerordentlich. Wir müssen klar und scharf fragen, ob wir in dieser Situation einen Tempogewinn oder einen gewissen Tempoverlust in unserer Arbeit zu verzeichnen haben. Wir müssen unumwunden sagen, daß wir in den letzten Monaten etwas an Tempo verloren hatten. Das, was sich auf dem Weddinger Parteitag vollzogen hat, die gewaltige Begeisterung in unseren Reihen, das innere Wachstum der Partei, verpflichtet uns zur radikalen Umstellung unserer Arbeitsmethoden. Wir gehen vorwärts, aber wir müssen viel schneller vorwärtsgehen als bisher. Wir kämpfen im Proletariat um die Führung. Die Gewinnung der Mehrheit der Arbeiterklasse ist unsere unmittelbare Aufgabe. Die Kommunistische Partei zeigt die einzige revolutionäre Lösung, den einzigen proletarischen Ausweg aus den Zuständen, wie sie der Youngplan geschaffen hat.

Die Annahme des Youngplans signalisiert die Verschiebung der Klassenkräfte in der ganzen Welt. Immer klarer zeigt sich die Bedeutung der Sowjetunion, des wichtigsten revolutionären Weltfaktors mit ihrem Fünfjahrplan und dem gewaltigen Tempo der sozialistischen Entwicklung, des Aufbaus des Sozialismus. Im Zusammenhang damit gewinnt der Kampf gegen den Youngplan in Deutschland für die revolutionäre Bewegung der ganzen Welt größte Bedeutung. In keinem Land der Welt muß das Proletariat eine solche Doppelbelastung tragen wie das deutsche in den kommenden Jahren. Der Youngplan ist ein festes internationales Programm der Weltbourgeoisie. Er bringt die objektive Abhängigkeit des deutschen Kapitalismus vom Weltkapitalismus, besonders vom amerikanischen Kapitalismus, mit sich. Die riesenhaften Beteiligungen des amerikanischen Kapitals an deutschen Industriekonzernen, die Monopolbildungen, wie im Zündholzverkauf, sind Symptome der Überfremdung.

Wir müssen die Klassenfrage stellen: Wer muß die Summen, die der Youngplan von Deutschland fordert, zahlen? Wir antworten: das Proletariat und alle andern werktätigen Volksschichten. Das ist der unumgängliche Klassensinn des Youngplans.

Die deutsche Bourgeoisie kann nicht billige Waren ausführen und den Kapitalexport steigern, sie kann nicht die Kapitalakkumulation fördern, ohne die restlose Ausbeutung des Proletariats durchzuführen. Darum sehen wir eine unerhörte Verschärfung des sozialen Kampfes, eine neue Generaloffensive des Unternehmertums, eine neue Phase der kapitalistischen Rationalisierung, die mit der beispiellosen Auspressung der menschlichen Arbeitskraft gleichbedeutend ist. Auf dem Kongreß der werktätigen Frauen hörten wir erschütternde Tatsachen über diese barbarischen Ausbeutungsmethoden. So entsteht ein weiterer Ausgangspunkt für Streiks und Wirtschaftskämpfe. Die Erwerbslosigkeit, die bereits im August ihren Tiefstand überschritten hat, wird in diesem Winter katastrophale Ausmaße annehmen. Das neue Steuerprogramm der Koalition bringt eine furchtbare Verschlechterung der Lage der Arbeiterschaft mit sich.

Gleichzeitig mit der ökonomischen erleben wir eine politische Konzentration aller reaktionären Kräfte, aller bürgerlichen Parteien einschließlich der Sozialfaschisten, auf dem Boden des Youngplans. Wir sind die einzige Partei in Deutschland, die in der Lage ist, dem deutschen Proletariat einen Ausweg aus den Fesseln des Youngplans zu zeigen.

Die frechen Vorstöße des Faschismus, die Schwächen und der Tempoverlust, die unsere Organisation teilweise im Kampfe gegen die Nationalsozialisten und andere Terrororganisationen zeigten, verpflichten uns, den revolutionären Kampf gegen den Faschismus weit mehr in den Vordergrund zu stellen. Es ist unfruchtbar, künstlich nach einer „zentralen”, allumfassenden Losung zu suchen. Unsere Aufgaben sind klar. Die Linie des Weddinger Parteitages und des X. EKKI-Plenums muß viel entschlossener als bisher durchgeführt werden.

Es beginnt ein erbitterter Konkurrenzkampf zwischen Sozialfaschismus und Faschismus um die Gunst des Großkapitals bei der Niederknüppelung des Proletariats. Der Nationalsozialismus liefert die bewaffneten Stoßtrupps, der Sozialfaschismus setzt den bürgerlichen Staatsapparat ein. Wir müssen die demagogischen Manöver der Faschisten, ihre nationale Demagogie vom “Kampf gegen den Youngplan und gegen die ausländische Knechtschaft” entlarven. Es gilt, ihnen unsere Argumente entgegenzuhalten, sie mit unserer offensiven Klassenpolitik zu schlagen. Wir müssen sie erbarmungslos diskreditieren, angreifen, bis zur Zerschmetterung bekämpfen. Dann werden wir ihnen jene Arbeiterelemente entreißen, die heute durch ihre Phrasen verwirrt, noch mit ihnen gehen.

Der Kampf gegen den Faschismus ist ein Massenproblem, und den Terror der Nationalsozialisten müssen wir durch die revolutionäre Gewaltanwendung der Massen niederschlagen. Wir stehen im Angriff, in der Offensive gegen den Faschismus. Wir müssen ihn unter Anwendung aller, auch der äußersten Kampfmethoden niederwerfen und ausrotten.

Die Gärung in den Massen ist heute viel stärker, als große Teile der Partei es spüren. Wenn wir die Mängel, den Tempoverlust nicht ausmerzen, werden wir nicht die Vorhut, sondern die Nachhut des revolutionären Massenkampfes und der Linksbewegung sein.

Wir müssen unbedingt die Tätigkeit unter den Millionenmassen in den Gewerkschaften verstärken und gleichzeitig die Unorganisierten überall aufrütteln und durch revolutionäre Kampforgane erfassen. Der bevorstehende Reichskongreß der revolutionären Gewerkschaftsopposition wird zeigen, daß wir imstande sind, der wachsenden Linksbewegung eine organisatorische Basis zu geben. Wer in begreiflicher Entrüstung über den sozialfaschistischen Kurs der Gewerkschaftsbürokratie die Gewerkschaften verläßt, schwächt unsere revolutionäre Front. Neue Gewerkschaften können nur entstehen, wenn wirklich große, riesenhafte Massenkämpfe stattfinden. Wir halten fest am Worte des Genossen Stalin, daß in Deutschland eine Entwicklung wie in Amerika, die Bildung neuer Gewerkschaften, kommen kann. Nicht einen Moment lassen wir diese Perspektive aus den Augen. Und gerade deshalb gilt es, die Weiterarbeit in den Gewerkschaften, in den reformistischen Massenorganisationen auf das Höchstmaß zu steigern und die revolutionäre Front gegen die sozialfaschistischen Spalter zu verbreitern. Wer das nicht begreift, kann keine Massenarbeit durchführen.

Wir müssen eine schroffe Wendung in unserer Massenarbeit durchführen. Wir müssen die Gewerkschaftswahlen im Januar mit äußerster Schärfe beeinflussen. Unsere neue revolutionäre Taktik bleibt richtunggebend bei den bevorstehenden Betriebsrätewahlen. Die sorgfältige Auslese aller Kandidaten zu den Wahlen unter dem Gesichtspunkt ihrer revolutionären Zuverlässigkeit ist notwendig.

Wir führen unsere richtige bolschewistische Politik nicht populär genug, nicht praktisch genug, nicht schnell genug durch. Sonst hätten wir in dieser günstigen Situation noch viel größere Erfolge. Zehntausende parteiloser Kommunisten stehen vor den Toren der Partei. Das zeigt der heroische Kampf der Rohrleger. Das zeigen die glänzenden Demonstrationen in der letzten Zeit in Berlin und im Reich. Wir müssen diese Tausende und Zehntausende Parteiloser, die zu uns wollen, in der allernächsten Zeit in der Partei organisieren. Ohne Tempoverlust heran an die Arbeit! Kühnere und schnellere Auffrischung unserer Parteikader! Diese Frage können wir nicht drastisch genug stellen. Wer kein Vertrauen zum Sieg der eigenen Partei hat, wer nicht mit innerer Überzeugung der Parteiführung folgt, wer nicht mit wahrhafter Leidenschaft die schmutzigen Verleumdungen der Feinde bekämpft, der ist außerstande, die Ideen des Kommunismus in die parteilosen Massen zu tragen. Der Feind wird in Zeiten des imperialistischen Krieges, des Bürgerkrieges noch viel schlimmere Gerüchte ausstreuen. Die kommunistischen Arbeiter antworten darauf mit Hohnlachen und verzehnfachter Offensivkraft.

Wir haben neue Möglichkeiten, die Partei aufzufrischen, neue revolutionäre Elemente, besonders die Arbeiterinnen und die Jugend, mitzureißen. Von denen, die in der revolutionären Gewerkschaftsbewegung erfaßt sind, sind über 80 Prozent Parteilose. Wir müssen ein neues Arbeitssystem herausbilden. Wir haben nur die ersten Schritte getan. Wir reinigen unsere Kader von den angekränkelten und verkalkten Elementen, die mit der Bewegung nicht mehr mitkönnen. Große Aufgaben stehen vor uns. Wir kämpfen unter der Fahne der proletarischen Diktatur. Der sozialistische Aufbau in der Sowjetunion, die grandiose Durchführung des Fünfjahrplans sind machtvolle Waffen des proletarischen Klassenkampfes in Deutschland, wenn wir verstehen, die Begeisterung der Massen dafür zu wecken.

Es ist höchste Zeit, der Partei einen starken Ruck vorwärts zu geben. Der Sozialfaschismus und die faschistische Reaktion drohen unserer Partei mit der Illegalität. Die Illegalität steht auf der Tagesordnung. Wir müssen uns darauf vorbereiten und gleichzeitig alle legalen Möglichkeiten bis zur letzten Grenze ausnutzen. Unsere ganze Strategie, alle unsere Aufgaben sind eingestellt auf den Sieg der proletarischen Revolution.

 

 

 

 

 



[1]. Cf. http://www.deutsche-kommunisten.de/Ernst_Thaelmann/Band2/thaelmann-band2-013.shtml.