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Ernst Thälmann

Zum 12. Parteitag

8. Juni 1929

 

 

Quelle:

Neue Zeitung vom 8. Juni 1929.

Andere Quelle:

Ernst Thälmann: Reden und Aufsätze zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung - Band 2 - November 1928‑September 1930. Berlin, Dietz, 1956[1].

 

 

 

 

 

 

Erstellt: Januar 2013

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KPD 1918-1945 - Inhalt

 

 

 

 

 

 

Die rasch einander jagenden politischen Ereignisse haben uns gehindert, den Parteitag, wie es ursprünglich geplant war, vom 5. bis 11. Mai in Dresden abzuhalten. Die Berliner Kampftage machten das unmöglich. Nun tagt die höchste Parteiinstanz der KPD vom 9. bis 15. Juni im roten Wedding, einige hundert Meter vom Platz der Barrikadenkämpfe der ersten Maitage entfernt.

Die blutigen Maitage in Berlin, das Verbot des RFB, das siebenwöchige Verbot der "Roten Fahne", die zahlreichen Verbote der kommunistischen Provinzpresse, die wiederholten Androhungen des Verbots der KPD, die alles übertreffende Lügen- und Verleumdungskampagne gegen die UdSSR, dieser ganze konterrevolutionäre, faschistische Kurs der Staats- und Parteipolitik der gesamten Bourgeoisie und des Sozialfaschismus, wie er seit den Maiereignissen eingeschlagen wird, offenbaren mit zwingender Beweisführung, in welchem Stadium sich die krisenhafte Entwicklung der Politik des deutschen Trustkapitals befindet. Der Sozialfaschist Zörgiebel hat mit Maschinengewehren die theoretischen Streitfragen, die die Rechten und Versöhnler gegen die Parteimehrheit bei Ausführung der Beschlüsse des VI. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale aufgeworfen haben, auf die einfachste Art gelöst und gegenstandslos gemacht. Die 33 Toten und Dutzende von Krüppeln, der Belagerungszustand und die dreitägigen Barrikadenkämpfe im Wedding und in Neukölln sind beweiskräftigere Kronzeugen der geschichtlichen Entwicklung als die oppositionellen Papierchen der Liquidatoren und Versöhnler.

Der XII. Parteitag wird unter dem Eindruck des verschärften Klassenkampfes stehen, wie er sich in den letzten Wochen und Monaten in Deutschland entwickelt hat. Während noch der XI. Parteitag in Essen vor reichlich zwei Jahren die zunehmende Verschärfung der Klassengegensätze signalisieren konnte, während noch der VI. Weltkongreß der Komintern vor nahezu Jahresfrist eine neue Periode der Nachkriegsentwicklung analysierte, steht der XII. Parteitag unserer Partei schon inmitten dieses verschärften Klassenkampfes auf einer höheren Stufe seiner Entwicklung, in der die Bourgeoisie zu offenen Formen des Bürgerkrieges übergeht und das Proletariat auf die Schläge des Gegners mit verschärften Kampfmitteln antwortet.

In dieser Situation hat der deutsche Parteitag große internationale Bedeutung. Unter allen großen kapitalistischen Ländern ist Deutschland das Land, in dem die Klassenverhältnisse und Klassengegensätze am schärfsten zugespitzt sind. Hier nimmt der Klassenkampf die höchsten Formen seit 1923 an. Gleichzeitig verfügt das deutsche Proletariat und sein revolutionärer Vortrupp, die KPD, unter den kommunistischen Parteien der kapitalistischen Länder über die reichsten Kampferfahrungen. Aus diesem Grunde werden nicht nur der Klassenfeind, sondern auch das internationale Proletariat und unsere Bruderparteien ein ganz besonderes Augenmerk auf unseren Parteitag richten, da hier für die kommenden großen Auseinandersetzungen der Klassen bedeutsame Entscheidungen fallen werden.

Die Beschlüsse des Parteitages und die politische Linie, durch die die Verhandlungen des Parteitages bestimmt werden, haben ihren Ausgangspunkt in der praktischen Politik der Partei, wie sie seit dem IV. RGI-Kongreß und dem VI. Weltkongreß der Komintern in unserer Partei zur Anwendung gelangte, und die der Partei geholfen haben, die neuen Waffen unserer Taktik zu erproben. Die vom VI. Weltkongreß beschlossene parteipolitische Linie und Strategie im Kampf gegen die Trustherrschaft und gegen den Sozialfaschismus haben in Deutschland den Klassenkampf zu einem neuen Wendepunkt geführt.

Der Klassenkampf in Deutschland ist seit dem 4. August 1914 nicht nur der offene und klare Kampf zwischen zwei Klassen, der Kapitalisten- und der Arbeiterklasse, sondern er wird gleichzeitig geführt als ein Kampf auf Leben und Tod um die Hegemonie im Proletariat zwischen Kommunismus und Reformismus. Heute nähert sich dieser Kampf, der nach den Gesetzen der revolutionären Entwicklung unter Anwendung der revolutionären Einheitsfronttaktik von unten, mit dem Übergang der Führung des Proletariats an die Kommunisten, an die KPD, enden muß, immer mehr seiner endgültigen Entscheidung. Die Schärfe des Klassenkampfes, die Erbitterung, mit der auf beiden Seiten heute auch der einfachste Lohnkampf und noch stärker jeder politische Kampf durchgefochten werden, hat gegenwärtig nicht allein in den unüberbrückbaren Gegensätzen zwischen Kapital und Arbeit und der besonders zugespitzten objektiven Situation seine Ursache. Diese besondere Schärfe entspringt dem Kampf um die Führung der Arbeiterklasse zwischen dem Reformismus, der heute zum Sozialfaschismus geworden ist und alle Machtmittel des Staates gegen das Proletariat einsetzt, und dem Kommunismus, dem Träger des proletarischen Klassenkampfes, der an die Aufgabe der Eroberung der Mehrheit des Proletariats mit offensiver Kampfstrategie herangeht.

Diese Frage der Eroberung der Mehrheit, der Hauptschichten des Proletariats, die letzten Endes die Entscheidung über die großen revolutionären Aufgaben fällt, die das Proletariat zur Eroberung der politischen Macht lösen muß, bildet die zentrale Achse der Verhandlungen und Entscheidungen des XII. Parteitages.

Die vorn VI. Weltkongreß beschlossene und von der Partei durchgeführte Kampfstrategie, die uns in einem viel stärkeren Maße als früher an die vorbezeichnete Hauptaufgabe und die konkreten Methoden ihrer Lösung heranführt, wird auf dem Parteitag die gründlichste Erörterung finden. Alle Erfahrungen, die auf diesem Gebiet in allen Bezirken und Industriezentren Deutschlands gemacht wurden, müssen zur Weiterführung dieser Politik und zur Korrektur aller Fehler und Mängel verarbeitet werden. Von der grundsätzlichen Einstellung zu den Beschlüssen des VI. Weltkongresses ausgehend und gestützt auf diese Beschlüsse, wird die offensive Kampfstrategie auf dem Parteitag sich weitere Ziele und Aufgaben stellen, die den ganzen Fragenkomplex des revolutionären Klassenkampfes auf allen Gebieten erweitern und vervollkommnen werden. Von dieser prinzipiellen taktischen Einstellung aus werden auch die großen Probleme der Partei ‑ die Organisierung und Führung des revolutionären Klassenkampfes, der Kampf gegen die drohenden Kriegsvorbereitungen der imperialistischen Mächte gegen die UdSSR, die Gewerkschaftsfrage und die Taktik der Wirtschaftskämpfe, die als weitere Punkte der Tagesordnung des Parteitages vorgesehen sind - analysiert und gelöst werden. Die sozialfaschistische Entwicklung der deutschen Gewerkschaftsbürokratie, ihr vollständiges Verwachsen mit dem Wirtschaftsapparat des Finanzkapitals und dem kapitalistischen Staatsapparat stellen die Partei in ihrer Gewerkschaftsarbeit und ihrer Taktik in den Wirtschaftskämpfen vor immer höhere und kompliziertere Kampfaufgaben. Auf diesem Gebiet die richtigen Wege zu finden, ist eine der wichtigsten Fragen des Parteitages.

Aber alle diese Fragen müssen gestellt werden unter dem zentralen Gesichtspunkt des schärfsten, des zähesten ‑ nicht nur in den großen Aktionen, sondern auch in der Kleinarbeit der Partei ‑ unversöhnlich durchgeführten Kampfes gegen die Sozialdemokratie, die sich in Magdeburg offen zur sozialfaschistischen Diktatur bekannt hat. Nur so können die großen Massen des Proletariats für den Kommunismus, für den Kampf gegen den Sozialfaschismus gewonnen werden. Nur so werden sie durch die aufopfernde und hingebungsvolle Arbeit der KPD überzeugt werden, daß allein die revolutionäre Politik des Bolschewismus ihnen den Ausweg aus dem sozialen Elend, aus der wirtschaftlichen Not und der politischen Entrechtung und Unterdrückung zeigen kann. Der Parteitag wird vor der proletarischen Öffentlichkeit klar und offen sagen, daß die entscheidenden Kämpfe der Gegenwart von der gesamten Arbeiterklasse eine eiserne Entschlossenheit und Organisiertheit fordern und daß entscheidende Erfolge und Siege ohne Opfer unmöglich sind. Die Kommunistische Partei ist bereit, alle Opfer auf sich zu nehmen, allen Verboten zu trotzen, um den revolutionären Befreiungskampf des Proletariats ohne Rücksicht auf die Unterdrückungsmaßnahmen der Bourgeoisie und des Sozialfaschismus fortzusetzen und siegreich zu Ende zu führen.

Zum zweiten Punkt der Tagesordnung: Über die drohende Kriegsgefahr. Heute zeigen sich die Umrisse der unmittelbaren Kriegsvorbereitungen der imperialistischen Mächte gegen die UdSSR, der Übergang der führenden Rolle in den Reihen der imperialistischen Gruppen bei der Organisierung und Vorbereitung des Krieges auf den Sozialfaschismus und besonders die Einreihung des deutschen Trustkapitals in die Antisowjetfront viel deutlicher als zur Zeit des VI. Weltkongresses, auf dem dieses Problem gleichfalls einen breiten Raum bei den Verhandlungen einnahm. Alle Verhandlungen der imperialistischen Welträuber, wie zum Beispiel jetzt die Pariser Konferenz "zur Regelung der Reparationslasten", zeichnen sich heute stärker als je zuvor als geheime Abmachungen zu den genannten Kriegsvorbereitungen aus. Dieser Frage wird der Parteitag die größte Aufmerksamkeit widmen. Er wird aber auch zugleich auf das konkreteste die Abwehrmaßnahmen des deutschen Proletariats gegen die Kriegsgefahr und, wenn dennoch der Krieg kommt, den Kampf des deutschen Proletariats zur Oberleitung des imperialistischen Krieges in den proletarischen Befreiungskampf beraten und entsprechende Maßnahmen beschließen.

Die Entwicklung seit dem Essener Parteitag hat nicht nur eine Stärkung des Einflusses der Partei in den breiten Massen des Proletariats gebracht, sondern gleichzeitig unter dem durch die Komintern unterstützten bolschewistischen innerparteilichen Kurs die Partei von den verräterischen liquidatorischen Elementen, den Agenten des Reformismus in den Reihen der Kommunisten, gründlich gereinigt und unter Zurückdrängung des Versöhnlertums die Partei zu einem festen revolutionären bolschewistischen Block geschweißt. Selten zuvor mußte die Partei einer so ungeheuren Schlammflut von Verleumdungen und Lügen seitens der Bourgeoisie unter Führung des Sozialfaschismus Widerstand leisten. Noch bis zur letzten Minute vor der Eröffnung des Parteitages versuchte der trotzkistische Renegat Urbahns durch dreiste, freche Lügen über Zerwürfnisse in der Leitung der Partei dem "Vorwärts" und seiner Verleumdungskampagne gegen den Kommunismus Material zu liefern, um sich bei der Partei der Herren Reichsminister, Polizeipräsidenten usw. in “gute Erinnerung” zu bringen. Um diese ungeheuerliche Verleumdungskampagne wirksamer zu machen, hat der Sozialfaschismus "Die Rote Fahne" und andere Parteizeitungen verboten, um der Partei die Gegenwehr gegen diese erbärmlichen Verleumdungen unmöglich zu machen. Der Parteitag wird Zeugnis davon ablegen, wie jämmerlich dieses Lügengewebe an der Einheit und Geschlossenheit der Partei zerschellt.

Große entscheidende Aufgaben stehen vor dem XII. Parteitag, wie sie für die Partei selten so schwerwiegend und verantwortungsvoll, aber auch gleichzeitig so erfolgversprechend zu lösen waren.

Das rasche Anwachsen der revolutionären Bewegung, das ständig steigende Vertrauen, das die deutsche Arbeiterklasse der KPD entgegenbringt, die Erfolge der Partei in den verschiedensten Etappen des Klassenkampfes in den letzten Monaten und Jahren und die steigende Aktivität und Geschlossenheit unserer Partei sind Garantien, daß der XII. Parteitag alle diese Aufgaben im Interesse des revolutionären Klassenkampfes des deutschen Proletariats, zur Verteidigung der Sowjetunion, zur Errichtung der proletarischen Diktatur in Deutschland lösen wird.

 

 

 

 

 



[1]. Cf. http://www.deutsche-kommunisten.de/Ernst_Thaelmann/Band2/thaelmann-band2-007.shtml.