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Ernst Thälmann

11. Parteitag der Kommunistischen Partei Deutschlands:
Rede zur Jugendarbeit der Partei

5. März 1927

 

 

Quelle:

Bericht über die Verhandlungen des XI. Parteitages der Kommunistischen Partei Deutschlands (Sektion der Kommunistischen Internationale), Essen, 2. bis 7. März 1927. S. 332‑336.

Andere Quelle:

Ernst Thälmann: Reden und Aufsätze zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung - Band 1 - Juni 1919‑November 1928. Berlin, Dietz, 1956[1].

 

 

 

 

 

 

Erstellt: Januar 2013

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KPD 1918-1945 - Inhalt

 

 

 

 

 

 

Genossen! Die Partei kann ihre Aufgaben nur erfüllen, wenn sie stets daran denkt, daß die Mehrheit der Bevölkerung aus den Frauen und der Jugend, männlichen und weiblichen Geschlechts, besteht. Die Frage der Jugend- und der Frauenbewegung hat ja schon auf diesem Parteitag mehrfach Beachtung gefunden. Wir müssen diese beiden Faktoren besonders dort beachten, wo die Partei ihre Arbeit am schwächsten durchführt. Auf der einen Seite ist es die Frauenbewegung, auf der anderen Seite die Jugendbewegung. Deshalb ist es notwendig, das Verhältnis der Partei zur Jugendorganisation und umgekehrt das des KJVD zur Partei richtigzustellen, um die Bedeutung der Aufgaben der Jugend für das gesamte Proletariat in den Vordergrund zu rücken. Es ist unsere Pflicht diese Aufgaben nicht nur im nationalen, sondern auch im internationalen Maßstabe zu stellen. Diese sind: Erstens die Bedeutung der Jugend in der Gesamtarbeiterschaft, zweitens ihre Rolle im proletarischen Klassenkampf, drittens die Bedeutung der Jugend in der Epoche des Imperialismus in Verbindung mit der imperialistischen Kriegsgefahr, viertens die Aufgaben der Jugend vor der Aufrichtung und in den Etappen der Diktatur des Proletariats.

In Deutschland sind die Verhältnisse viel schwieriger als in anderen wichtigen kapitalistischen Ländern, zum Beispiel in England, wo, wie schon durch den englischen kommunistischen Vertreter zum Ausdruck kam, in den letzten Jahren die Zahl der jugendlichen Mitglieder auf 2000 gestiegen ist. Die Jugend hat dort schon eine besondere Bedeutung. Sie hat bei der Expedition der englischen Truppen[2] Flugblätter verteilt und beachtenswerte Erfolge erzielt. Die sozialdemokratische Jugend ist dort noch nicht so stark, weil die Labour Party erst vor zwei Jahren dazu überging, eine Jugendorganisation zu gründen. In Frankreich ist die Kommunistische Jugend die einzige bedeutende Organisation unter der Jungarbeiterschaft, die ernsthafte Arbeit leistet. Ich erinnere nur an die Tatsache, daß bei der Besetzung des Ruhrgebiets die französischen Jugendgenossen mit der deutschen Jugend zusammenarbeiteten, um Zersetzungsarbeit unter den französischen Truppen zu leisten. Der Erfolg war, daß sogar an verschiedenen Stellen des besetzten Gebiets Soldaten bei Demonstrationen in den Gesang der "Internationale" mit einstimmten. Diese Beispiele zeigen schon die Bedeutung der Jugend auch im internationalen Maßstabe, besonders unter Berücksichtigung der Kriegsgefahr, wie sie hier schon genügend gezeigt worden ist. Als drittes Beispiel haben wir die Entwicklung der Jugend während der proletarischen Diktatur in der Sowjetunion. Die Jugendorganisation in der Sowjetunion hat über zwei Millionen Jungarbeiter in ihren Reihen. Diese Jugend hat deswegen eine so große Bedeutung, weil sie insbesondere die bäuerliche Jugend in den verschiedenen Klubs und bei den Zusammenkünften beeinflußt, wo ihnen die Zusammenhänge des sozialistischen Aufbaus klar gezeigt werden und wo die Jugend als kommende Generation im Sinne der Revolution und nicht im Sinne einer bürgerlichen Ideologie aufgezogen wird, wie das in Deutschland und in den übrigen kapitalistischen Ländern der Fall ist.

Genossen! Welche Aufgaben sehen wir in Deutschland bei schwierigeren Verhältnissen? Wir haben in Deutschland die Sozialistische Arbeiterjugend, wir haben die Jugendsektionen in den Gewerkschaften, wir haben die religiöse Jugend, die bürgerliche Jugend, und schließlich haben wir die im militaristischen Sinne in den "Wehrorganisationen" erzogene Jugend. Die katholischen Jugendorganisationen haben schätzungsweise eine Mitgliederzahl von 700 000 bis 900 000. Welch eine Vergiftung der Jungarbeiter, die als Lehrlinge in den Großbetrieben arbeiten, noch dazu, da der Kapitalismus jetzt in verschärftem Maße dazu übergeht, die jugendlichen Lehrlinge als Lohndrücker gegen die erwachsene Arbeiterschaft zu benutzen. Deshalb ist es wichtig, diese gewaltigen gegnerischen Organisationen zu sehen, die neben dem kleinen Kommunistischen Jugendverband existieren und in der Jugend ihren verderblichen Einfluß ausüben. Wir sind doch eine kleine Organisation im Verhältnis zu der großen Anzahl der deutschen Jungarbeiter. Die Verhältnisse im Stahlhelm und allen nationalsozialistischen und bürgerlich-militärischen Organisationen haben besonderen Einfluß auf die Jungarbeiterschaft in den ländlichen Gebieten. Haben wir auf dem Lande eine Position unter der Jungarbeiterschaft? Wir haben nicht nur keinen Einfluß auf die ländlichen Proletarier, sondern wir vergessen ganz einfach die Arbeit auf dem Lande. Wieviel Jungarbeiter sind auf dem Lande, die in der Ideologie des Faschismus erzogen werden? Die Kriegsbestrebungen des deutschen Imperialismus, die von der Sozialdemokratie und den Faschisten unterstützt werden, sollten uns alle veranlassen, die Jungarbeiterschaft im revolutionären Sinne zu erziehen.

Es ist weiter eine Tatsache von großer Bedeutung, daß sich die Sozialdemokratie und die Gewerkschaftsbürokratie in keinem wirtschaftlichen Kampfe mit den Forderungen der Jugendlichen beschäftigt. Es wird meistens nur um die Forderungen der älteren Kollegen gekämpft. Man bringt niemals den Kampf der erwachsenen Arbeiterschaft mit der Jugend in Verbindung. Man scheidet die Jugend aus, und das Schlimmste ist, daß unsere eigenen Genossen in der Partei vergessen, selbst Forderungen für die Jugend in den Betrieben zu stellen. So haben zum Beispiel am 1. März 150 jugendliche Arbeiter der Werft-AG Weser die Arbeit niedergelegt. Sie forderten 10 Pfennig Lohnerhöhung je Stunde. Nun stellt euch vor, wie es auf die jugendlichen Arbeiter wirken muß, wenn die älteren Arbeiter arbeiten, während die Jugend in den Streik geht. Welch ein Verhältnis ist das? Das ist die Aufgabe der Partei, die Jugend zu unterstützen, und zwar so, daß man sie mit in die wirtschaftlichen Kämpfe hineinzieht.

Eine andere Angelegenheit, die wichtig ist. Die Jugend kann, da sie zum Teil in einem Lehrverhältnis steht, sehr leicht zu Streikbrecherarbeit veranlaßt werden. Gesetzlich ist das nicht einmal zulässig. Aber wenn die Arbeiter im Betrieb nicht stark genug sind, wird sehr oft die Jugend dazu angehalten, Notstandsarbeit zu leisten, die von uns als Streikbrecherarbeit bezeichnet werden muß. Die Jugend hat die großen Wirtschaftskämpfe der letzten Jahre nicht mitgemacht. Deswegen müssen wir der Jugend auf diesem Gebiete die größte Aufmerksamkeit schenken und sie unterstützen, weil ihr die Erfahrung aus diesen Kämpften fehlt. Zu einer zweiten Frage: Wie hat die Partei sich einzustellen, um die Jugend gegen die Offensive des Bürgerblocks zu unterstützen, die ja gegen die Gesamtarbeiterschaft gerichtet ist? Das Schund- und Schmutzgesetz, die Gesetze, die in Vorbereitung sind, zum Beispiel über das Vereins- und Versammlungsrecht, das Konkordat, das Reichsschulgesetz, alle diese Gesetze bedeuten einen Angriff auf die grundlegenden Rechte der Jugend. In der Verteidigung dieser Rechte müssen wir die Jugend tatkräftig unterstützen, nicht nur durch Anträge in den Parlamenten, sondern indem wir auch außerparlamentarisch, in den Betrieben und Gewerkschaften, einen ernsthaften Kampf gegen die Rechtlosmachung der Jugend führen.

Die Partei steht im Verhältnis 8:1 zum Kommunistischen Jugendverband. Das ist ein unmögliches Verhältnis. Die wenigen Genossen in der Jugend können die großen Aufgaben keineswegs erfüllen. Die Partei ist nicht nur verpflichtet, die Jugend zu unterstützen und immer neue Streiter in die Kommunistische Jugend hineinzubringen, sondern wir müssen unsere eigenen Kinder in den Jungspartakusbund bringen, um eine neue Generation für den Kommunistischen Jugendverband zu erziehen. Die Beschlüsse der erweiterten Exekutive legen uns allen diese Verpflichtung auf. Das Plenum der erweiterten Exekutive hat in den Thesen über die Bolschewisierung folgendes erklärt[3]:

Eine der Aufgaben der Bolschewisierung besteht darin, restlos die Arbeiterjugend der ganzen Welt zu erobern, jene Generation von Arbeitern, die unter den Verhältnissen des imperialistischen Weltkriegs und des Beginns der Weltrevolution herangewachsen ist. Wenn die Sozialdemokratie sich vorwiegend auf die am meisten verbürgerlichte Spitze der in der Friedensperiode entstandenen Arbeiteraristokratie stützt, so haben die kommunistische Parteien der ganzen Welt unter anderem die Aufgabe, die restlose Organisierung der gesamten proletarischen Jugend der neuen Epoche unter unserem Banner anzustreben.

Ich glaube, das ist klar und eindeutig.

Genossen! Jetzt einiges zu den Fragen der kommunistischen Arbeit in der Sozialistischen Arbeiterjugend, in den Jugendsektionen der Gewerkschaften und in anderen Jugendorganisationen. Wenn die SAJ nach den Zahlen, die uns bekannt sind, im letzten Jahre von 90 000 auf 56 000 zurückgegangen ist, so stelle ich die Frage, wo die 34 000 Mitglieder geblieben sind. Eine Zwischenorganisation hat sich nicht entwickelt. Also, die 34 000 laufen als Parteilose herum. Der Kommunistische Jugendverband und die Partei haben nicht verstanden, die 34 000 aufzufangen, obwohl sie in bestimmten Fragen mit uns einig waren.

Wir können feststellen, daß dieselben Verhältnisse sich in der katholischen Jugend gezeigt haben. Anfang 1926 war eine Konferenz in Essen, auf der sich ernste Radikalisierungserscheinungen zeigten. Ich erinnere an die Kampagne gegen die Fürstenabfindung. Die katholischen Führer kamen in ernste Differenzen mit der Zentrumsführung. Die Front der Opposition stand gegen die Führung des Zentrums, und dies ist von der Partei und der Jugend keineswegs ausgenutzt worden.

Die Opposition in der SAJ zeigt aber bereits einen ganz anderen Charakter. Weil die Opposition einen Brief herausgegeben hatte, traten verschiedene Abteilungen in Berlin als Gesamtopposition auf.

Wir sehen die Auswirkungen dieser Rebellion innerhalb der SAJ zum Beispiel im Bezirk Brandenburg in Werder, ferner in Leipzig, wo die Opposition die Mehrheit hat. Daher ist es notwendig, daß die Partei auf diesem Gebiete alles versuchen muß, um diese Opposition auch organisatorisch zu festigen, wie das zum Beispiel schon durch die Delegationen, die auf dem Parteitag erschienen, in die Wege geleitet wurde.

Die Opposition der SAJ vor dem Krieg hatte deshalb Bedeutung, weil sie einen kämpferischen Charakter hatte, der während des Krieges einen revolutionären Charakter annahm. Keiner kann leugnen, daß die Jugend während des Krieges, als Liebknecht sie führte, einer der revolutionärsten Faktoren war, daß die Jugend in den verschiedenen Gebieten Deutschlands gegen die Kriegskreditbewilligung und die allgemeine Linie der SPD auftrat. Es ist kein Zufall, daß die Jugend jetzt wieder kämpferisch auftritt, denn die kapitalistische Rationalisierung wirkt sich besonders auf die Jugend aus. Wir müssen die Jugend als kämpferisches Element betrachten, das wir brauchen, und sind verpflichtet, ihr die größte Aufmerksamkeit zu schenken. Ich will dabei nur darauf hinweisen, daß neben der Partei noch die Rote Jungfront besteht, die neben der Partei eine Klassenorganisation der Jungarbeiter ist und die geeignet ist, die Jungarbeiter für die Partei zu gewinnen. Die Partei muß also nicht nur mit der Kommunistischen Jugend zusammenarbeiten, sondern auch von sich aus im Kommunistischen Jugendverband die Voraussetzungen zur Heranbildung der Avantgarde des Proletariats schaffen. Die Jugend hat eine andere Mentalität als die erwachsene Arbeiterschaft. Man muß verstehen die Jugend zu behandeln, um sie zu gewinnen und für die revolutionären Aufgaben zu erziehen. Die Linken in der SPD waren diejenigen, die der Jugend die größte Aufmerksamkeit schenkten. Karl Liebknecht kam dauernd mit der Jugend zusammen und stritt gemeinsam mit ihr.

Besonders auf dem Gebiete der antimilitaristischen Propaganda hat die Jugend Vorzügliches geleistet. Heute arbeitet die Jugend nicht nur auf diesem Gebiete, sondern stellt auch in den Wirtschaftskämpfen einen bedeutenden Faktor dar. Daher muß der XI. Parteitag die Partei verpflichten, die Reihen des Kommunistischen Jugendverbandes zu stärken. Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir den Kampf um die politische Macht ohne die Frauen und die Jugend siegreich durchführen können. Auf diese Frage muß der XI. Parteitag mit einem Nein antworten. Wir können dessen Kampf nur im gemeinsamen revolutionären, unermüdlichen Ringen zusammen mit der Jugend und den Frauen bis zur siegreichen Befreiung der Arbeiterklasse durchführen.

 

 

 

 

 



[1]. Cf. http://www.deutsche-kommunisten.de/Ernst_Thaelmann/Band1/thaelmann-band1-056.shtml.

[2]. Es handelt sich um die Truppen, die zur Unterstützung der englischen Intervention im März 1927 nach China geschickt wurden.

[3]. "Erweiterte Exekutive März/April 1925, Thesen und Resolutionen”. S. 27.