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Ernst Thälmann

11. Parteitag der Kommunistischen Partei Deutschlands:
Für eine einheitliche revolutionäre Klassenfront in Deutschland

4. März 1927

 

 

Quelle:

Bericht über die Verhandlungen des XI. Parteitages der Kommunistischen Partei Deutschlands (Sektion der Kommunistischen Internationale), Essen, 2. bis 7. März 1927., S. 216‑219.

Andere Quelle:

Ernst Thälmann: Reden und Aufsätze zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung - Band 1 - Juni 1919‑November 1928. Berlin, Dietz, 1956[1].

 

 

 

 

 

 

Erstellt: Januar 2013

Druckversion
KPD 1918-1945 - Inhalt

 

 

 

 

 

 

Genossen und Genossinnen! Mit großem Ernst und doch mit innerer Freude kann es der XI. Parteitag begrüßen, daß sozialdemokratische und parteilose Arbeiter sich zusammengetan haben, um ein solches Dokument an unseren Parteitag, an die Sozialdemokratie und an den ADGB zu richten. In ihm kommt zum Ausdruck, was die Arbeiterschaft Deutschlands bewegt und was sie daher von den großen Organisationen erwartet. Der Appell ist ein Aufruf an die gesamte Arbeiterschaft Deutschlands. Wir wissen im voraus, daß SPD und ADGB diesen Ruf zur Sammlung mit Hohnlächeln beantworten und mit Schweigen über ihn hinweggehen werden, denn sie sind Feinde der proletarischen Einheit und des Klassenkampfes.

Wir aber wollen von dieser Stelle aus nicht nur den Unterzeichnern des Briefes, sondern den sozialdemokratischen, christlichen und parteilosen Arbeitern eine ehrliche Antwort geben, weil wir die Einheit im Kampf gegen den gemeinsamen Feind, die Bourgeoisie, herstellen wollen und herstellen werden.

Bevor ich auf die einzelnen Punkte des Briefes antworte, laßt mich noch einmal zum Ausdruck bringen, was unser tiefstes Erlebnis auf diesem Essener Parteitag wurde. Wir haben gesehen, daß aus allen Teilen Deutschlands große Belegschaften an unseren Parteitag Telegramme sandten, um ihre innere Verbundenheit und Solidarität mit der Kommunistischen Partei auszudrücken. Wir haben gestern erlebt, daß verschiedene Delegationen, an denen sozialdemokratische Arbeiter teilnahmen, aus dem Ruhrgebiet, aus dieser Zwingburg des Trustkapitals, dieser Hochburg der kapitalistischen Rationalisierung, unseren Parteitag besuchten. Sie bekundeten ihre Erkenntnis, daß nur die Kommunistische Partei das Vertrauen der breiten Masse besitzt. Hier sprach ein sozialdemokratischer Betriebsrat, der über 30 Jahre im alten Bergarbeiterverband organisiert war, der als einer der Mitunterzeichner eines Aufrufs zugunsten der Solidaritätsaktion für die englischen Bergarbeiter von Husemann aus dem Verband ausgeschlossen wurde wie seine kommunistischen und seine parteilosen Kameraden im Betriebsrat. Auf der Zeche Diergardt ist die Einheitsfront des Proletariats bereits Wirklichkeit und Vorbild für alle Belegschaften und Betriebsräte geworden.

Und nun die Tatsache, daß sozialdemokratische Arbeiter aus den verschiedenen Betrieben, Gewerkschaften und Stempelstellen des Ruhrgebiets ein Dokument an uns unterschreiben! Sie ist von außerordentlicher Bedeutung und zeigt den ernsten Charakter dieses Arbeiteropposition die mit der Politik des Hauptvorstandes der Sozialdemokratie und der reformistischen Gewerkschaftspolitik unzufrieden ist und gleichzeitig die richtigen Schlüsse zieht, indem sie sich an die Kommunistische Partei wendet und zum Ausdruck bringt, daß sie sich mit den kommunistischen Genossen verbunden fühlt. Ich glaube im Namen des XI. Parteitags sagen zu können, daß wir eine solche klassenbewußte Rebellion sozialdemokratischer und anderer Arbeiter begrüßen.

Es ist außerordentlich bedeutsam, daß in diesem politischen Dokument all die wichtigen Tagesfragen aufgerollt worden sind, die bereits im ersten Tagesordnungspunkt im Mittelpunkt, der Debatte standen. Das zeigt, daß die Kommunistische Partei dem Fühlen und Denken der breiten Masse Ausdruck gibt und in ihren Beschlüssen gleichzeitig die Kampfeslosung der deutschen Arbeiterklasse formuliert hat. Im Dokument selbst wird Stellung genommen zur augenblicklichen ernsten Situation, zu der Bürgerblockregierung, zu den Methoden des Kampfes des Proletariats gegen die kapitalistische Rationalisierung, zu den verschiedenen Gesetzen, mit denen die Arbeiterklasse gefesselt werden soll.

Laßt mich auf die einzelnen im Dokument aufgeworfenen Fragen eine ehrliche Antwort geben.

Wir müssen den sozialdemokratischen Arbeitern zuerst mit aller brüderlichen Offenheit sagen, daß wir sie vor der Illusion warnen, durch gesetzliche Maßnahmen der Regierung könne für die Arbeiterschaft etwas erreicht werden. Wir antworten klar und eindeutig:

1. Das Arbeitszeitnotgesetz ist ein Trugmanöver der ADGB-Führer, mit dem diese eine Zwischenlösung herbeiführen wollen, die dem Plan der Bourgeoisie nicht entgegensteht und die praktisch den Zehn- und Zwölfstundentag in den verschiedenen Industriegruppen beibehält. Der Achtstundentag kann nur im revolutionären Klassenkampf bei Entfaltung aller Energien des Proletariats erkämpft werden.

2. Wir sind der Arbeiterklasse gegenüber verpflichtet, diesen Kampf mit aller Kraft zu führen, weil in Deutschland 2½ Millionen Erwerbslose auf der Straße liegen, deren Vertreter aus dem Ruhrgebiet ebenfalls das hier verlesene Dokument unterschrieben haben. Die Bourgeoisie will die Spaltung der Arbeiter in zwei große Gruppen beibehalten, will gemeinsame Kämpfe dieser beiden verhindern, weil dies das Ende ihrer Macht bedeuten würde. Deshalb legt sie gerade jetzt in Gemeinschaft mit den sozialdemokratischen Führern verschiedene Gesetze vor, mit denen praktisch die Arbeiterklasse noch mehr als bisher gefesselt werden soll. Der arbeiterfeindliche Charakter des "Arbeitslosenversicherungsgesetzes"" und des "Arbeitsschutzgesetzes” unter der Maske der "Regelung des Arbeitsrechtes" ist in dem Dokument bereits klar gekennzeichnet. Es ist ein Fortschritt, daß sozialdemokratische Arbeiter mit ihrer Kritik an die Öffentlichkeit treten und daß sie in einem Brief von der KPD, vom ADGB und von der SPD eine klare Stellungnahme verlangen. Unsere Antwort ist: Kampf dieser gesetzlichen Fesselung der Arbeiterklasse auf der ganzen Linie. Hinweg mit diesen Gesetzen. Die sozialdemokratischen Arbeiter müssen gegen die Koalitions- und Arbeitsgemeinschaftspolitik ihrer Führung kämpfen.

3. In Verbindung hiermit steht der Kampf gegen die Überstundenwirtschaft und den Schlichtungszwang. Dieser Kampf muß in gemeinsamer Front der im Betriebe stehenden Arbeiter mit den Erwerbslosen geführt werden. Die Herstellung dieser Einheit muß erfolgen, und wir rufen von dieser Stelle aus die Arbeiterklasse auf, überall Einheitskomitees zu bilden, um unter Führung der Partei die Erwerbslosen mit den im Betriebe stehenden Arbeitern in eine ernste Kampfgemeinschaft zu bringen.

4. Das Hauptproblem aber ist, daß wir in Gemeinschaft mit den breiten Massen dazu kommen müssen, die Arbeiter in den Betrieben zu befähigen, erfolgreiche Lohn- und Arbeitskämpfe zu führen, diese Kämpfe zentral zusammenzufassen und dem bereits begonnenen Kampf gegen die kapitalistische Rationalisierung und den Imperialismus die Kraft zu geben, die notwendig ist, um das Proletariat vor weiterer Verelendung zu schützen und seine politische Macht zu stärken.

Im Kampf gegen die Herrschaft der Truste und Monopole müssen wir die freien Gewerkschaften in revolutionäre Industrieorganisationen umgestalten und gemeinsame Kampfallianzen der einzelnen Industriegruppen herbeiführen.

Das ist der erste Teil der Fragen, auf den wir eine klare Antwort geben. Es erübrigt sich, nach alledem zu sagen, daß wir die Gedanken der Wirtschaftsdemokratie und Arbeitsgemeinschaft grundsätzlich verneinen. In der Frage der Mietwucherpläne des Bürgerblocks und der preußischen Regierung haben wir bereits durch unsere Politik bewiesen, daß wir die einzigen sind, die ehrlich die Interessen der proletarischen Mietermassen vertreten, ‑ während die Sozialdemokratie mit den Ministern der Hausbesitzer paktiert.

Was die Ausführungen in dem Brief über die sozialdemokratischen und die parteilosen Arbeiter bezüglich der verbrecherischen Politik der Gewerkschaftsführer innerhalb der Verbände betrifft, unterschreiben wir vollkommen. Wir begrüßen es, daß in allen Teilen Deutschlands die kommunistische Gewerkschaftsopposition neuen Zuzug aus den Kreisen klassenbewußter sozialdemokratischer und parteiloser Arbeiter erhält. Nur mutig vorwärts in dieser Richtung, dann werden wir auch in den Massenorganisationen des Proletariats den Einfluß des Kapitals brechen. Wir wollen gemeinsam gegen die Ausschlüsse oppositioneller Arbeiter aus den Gewerkschaften kämpfen. Wir haben im Interesse unserer Klasse die Pflicht, gemeinsam die freien Gewerkschaften gegen die reformistischen Zerstörer zu verteidigen.

Genossen und Genossinnen! Unser Parteitag tagt in ernster Situation, und er wird von größter historischer Bedeutung für die Kommunistische Partei sein. Der neue deutsche Imperialismus beteiligt sich an den Kriegsvorbereitungen Englands gegen die Sowjetunion, die in dem Brief der sozialdemokratischen Arbeiter sehr richtig als "der einzige Staat" bezeichnet wurde, "der es bisher verstanden hat, den Rechten der Arbeiterklasse die volle Anerkennung zu sichern".

Wir freuen uns, daß die sozialdemokratischen Arbeiter auch in dieser Frage wie in dem Freiheitskampf des chinesischen Volkes zu der Erkenntnis gekommen sind, daß die deutsche Arbeiterklasse gegen die imperialistischen Kriegsgefahren geschlossen und einheitlich kämpfen muß, daß die internationale Gewerkschaftseinheit dringende Notwendigkeit ist.

Wir haben uns in unseren Beratungen auf dem Essener Parteitag erneut von dem Gedanken leiten lassen, daß nur dann die Arbeiterklasse in Deutschland ernste Kämpfe zum Sturze der Bourgeoisie durchführen kann, wenn ein Motor, eine treibende Kraft vorhanden ist, das heißt eine Partei, die sich ihrer Pflicht gegenüber der Arbeiterschaft bewußt ist. Diese Partei ist nur die Kommunistische Partei. Wir sind fest überzeugt, daß die sozialdemokratischen und die christlichen Arbeiter, die wir in dieser Verbindung auch nicht vergessen wollen, dieses immer mehr erkennen werden. Daß breite Massen dies bereits erkannt haben, beweist nicht nur dieses Dokument, sondern auch der zahlreiche Besuch sozialdemokratischer, christlicher und parteiloser Funktionäre auf der Tribüne unseres Parteitags. Sie wollen sich ein wirkliches Bild von unserer Partei machen, sie wollen selbst die Wahrheit feststellen und in die Betriebe und Verbände hinaustragen. Sie werden sich überzeugt haben, mit welch großem Ernst die kommunistischen Delegierten an der Schaffung einer Massenkampffront gegen die Bourgeoisie und gegen deren Lakaien gearbeitet haben.

Schon sind große Massen sozialdemokratischer Arbeiter mit der Kommunistischen Partei verbunden. Eine solche Entwicklung konnte und kann in Zukunft nicht aufgehalten werden, trotz der schamlosen Hetze der sozialdemokratischen Führer. Viele wagen es nur noch nicht, so offen aufzutreten wie der sozialdemokratische Arbeiter, der soeben zu uns gesprochen hat. Sie scheuen sich noch davor, aber wir glauben, daß die gemeinsame Not auch diese Scheu überwinden wird, daß die herrschende Klasse bald vor der Tatsache einer noch breiteren Einheitsfront des Proletariats stehen wird.

Der sozialdemokratische Redner war der Wortführer einer Oppositionsbewegung innerhalb der SPD im ganzen Ruhrgebiet, die wir als eine proletarische Opposition bezeichnen und begrüßen. Wir machen einen großen Unterschied zwischen den rechten, den sogenannten linken sozialdemokratischen Führern, den reformistischen Gewerkschaftsführern und den sozialdemokratischen Arbeitern, die so offen mit uns sprechen wie die Unterzeichner des Briefes, mit denen wir uns verbunden fühlen, selbst wenn sie noch nicht den politischen und grundsätzlichen Unterschied zwischen den beiden Parteien verstehen. Aber man sieht doch an ihrem Auftreten das gemeinsame Fühlen mit uns, das Vertrauen zu uns als der einzigen Partei Deutschlands, die niemals die Arbeiterklasse verraten hat und niemals verraten wird. Das ist eine wachsende Erkenntnis. Hier werden wir auch bald zu einer zweiten Etappe kommen, in der die Arbeiter sich mit in die revolutionäre Front einreihen, in die Kommunistische Partei. Die Voraussetzungen dazu gilt es zu schaffen: Eine wirklich ernste und revolutionäre Einheitsfront, Bündnis der Werktätigen in Stadt und Land und revolutionäre Massenaktionen unter Führung der Kommunistischen Partei.

Wir müssen von diesem Parteitag aus den sozialdemokratischen und noch nicht kommunistischen Arbeitern sagen, daß die deutsche Arbeiterklasse genauso wie die Arbeiter und Bauern der Sowjetunion ihre Freiheit nur durch den schärfsten Klassenkampf erringen kann. Gewiß wird nicht von heute auf morgen die Entwicklung und Organisierung der Kämpfe zum Sturz der Bourgeoisie möglich sein. Gewiß sind Teilkämpfe möglich, aber in ihnen wird die Kraft des Proletariats wachsen und zu einem solchen Machtfaktor werden, daß die Frage der Machteroberung gestellt werden kann. Aber nur dann wird die deutsche Arbeiterkasse dort hinkommen, wenn sie die Losungen, die die Kommunistische Partei und die Kommunistische Internationale auf ihre Fahne geschrieben haben, zu ihren eigenen macht, wenn sie den Weg des revolutionären Klassenkampfes unter Führung der Kommunistischen Partei in der Richtung des Kampfes um die Arbeiter- und Bauernregierung beschreitet.

In diesem Sinne möchte ich abschließend sagen: Wenn der SPD-Genosse uns fragt, wie die Zerrissenheit des Proletariats beseitigt werden kann, dann sagen wir ihm ‑ so und nicht anders, so wie ich es in der Antwort auf den Brief gezeigt habe. Unseren Klassenbrüdern, die anwesend sind und die das Dokument unterschrieben haben, die sich als die Vertreter für ihre Belegschaften und Organisationen an uns wandten, die in der großen Masse der Erwerbslosen ihre Klassenpflicht erfüllen, und allen Proletariern Deutschlands bekundet der XI. Parteitag der KPD, daß die KPD ihre Pflicht erfüllen wird, nachdem wir uns in unseren Beratungen die Aufgaben gestellt haben, die dem großen Ziele dienen, die revolutionäre und einheitliche Klassenfront in Deutschland zu schaffen.

 

 

 

 

 



[1]. Cf. http://www.deutsche-kommunisten.de/Ernst_Thaelmann/Band1/thaelmann-band1-055.shtml.