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Ernst Thälmann

Die erweiterte Exekutive und die Lage in unserer Partei

16.‑17. April 1926

 

 

Quelle:

Referat auf der Konferenz der politischen Sekretäre und Redakteure am 16. und 17. April 1926. In Die Rote Fahne vom 23. April 1926.

Andere Quelle:

Ernst Thälmann: Reden und Aufsätze zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung - Band 1 - Juni 1919‑November 1928. Berlin, Dietz, 1956[1].

 

 

 

 

 

 

Erstellt: Januar 2013

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KPD 1918-1945 - Inhalt

 

 

 

 

 

 

Die Bedeutung der deutschen Frage für die Kommunistische Internationale

Genossen! Genosse Dengel hat in seinem Referat die Analyse der wirtschaftlichen und politischen Lage im Weltmaßstabe gegeben und die Lage in den einzelnen Sektionen der Kommunistischen Internationale charakterisiert. Meine Aufgabe ist es, die deutsche Frage aus dem Gesamtkomplex der Fragen der erweiterten Exekutive herauszuheben, ihre Bedeutung für die gesamte politische Linie der Komintern zu zeigen und auf die Auswirkungen der Beschlüsse der erweiterten Exekutive auf unsere Partei einzugehen.

Der charakteristische Zug der Behandlung aller innerparteilichen Fragen auf der VI. erweiterten Exekutive war, alle innerparteilichen Fragen im engen Zusammenhang mit der ganzen politischen Lage und den durch sie geschaffenen Aufgaben der kommunistischen Parteien zu behandeln. Dies galt besonders für die deutsche Frage, die nebst der französischen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Tagung stand. Die besondere Wichtigkeit der Beschlüsse für unsere Partei besteht darin, daß alle Fragen der Taktik, die Behandlung der “ultralinken” und rechten Abweichungen als grundsätzliche Fragen, als Fragen der Prinzipien der Revolution, gestellt wurden.

Es ist absolut notwendig zu betonen, daß die “ultralinken” Abweichungen, gegen die auf der erweiterten Exekutive ein harter Kampf geführt wurde, in ihren ideologischen Wurzeln bereits viel früher vorhanden waren. Als Genosse Lenin im Jahre 1921 die Perspektive der relativen Stabilisierung aufstellte, erweckte er heftigen Widerspruch bei Genossen, die aus dem unmittelbaren Feuer des revolutionären Kampfes kamen und die Elemente der weiteren Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft nicht klar erkannten. Gerade gegenüber der jetzigen “ultralinken” Opposition müssen wir feststellen, daß die Stimmungen der deutschen Genossen, die aus der Märzaktion kamen, der italienischen, die gerade die großen Kämpfe und die Besetzung der Betriebe hinter sich hatten, objektiv eine revolutionäre Erklärung finden konnten. Gerade um diese Jahre herum begann der Übergangsprozeß der Stabilisierung. Der Kapitalismus zeigte starke akute Krisenerscheinungen, die Perspektive der relativen Stabilisierung war noch nicht so klar gestellt wie jetzt. Aber Genossen! Gerade wir, die damals in Opposition standen, müssen heute feststellen, wenn Lenin das Steuer nicht herumgerissen hätte, wenn die Kommunistische Internationale nicht nach einer wirklich revolutionären marxistischen Analyse der Lage gehandelt hätte, wäre die Kommunistische Internationale von den Massen im weitesten Maße getrennt worden. Die Losung "Heran an die Massen!", die Einheitsfronttaktik, war der konkrete Ausdruck der veränderten Lage, der Tatsache, daß die Kommunistische Internationale zwischen zwei Wellen der Revolution ihre Aufgabe der Organisierung der Revolution zu erfüllen hat. Ich unterstreiche dies deshalb, um zu zeigen, daß die jetzige “ultralinke” Opposition in der Kommunistischen Internationale absolut nichts gemein hat mit jener revolutionären Opposition, die aus unmittelbaren revolutionären Massenkämpfen und einer komplizierten Übergangsperiode entstand. Die gegenwärtige “ultralinke” Opposition kann man charakterisieren als eine Rebellion kleinbürgerlicher Elemente gegen die revolutionäre Politik der Kommunistischen Internationale, die alle Faktoren des Klassenkampfes für ihre revolutionäre Taktik in Rechnung stellt. Aber wir müssen uns mit den “ultralinken” Abweichungen trotzdem auseinandersetzen, sie der Partei klar zeigen und gemeinsam mit der ganzen Mitgliedschaft liquidieren. Denn die gegenwärtige Periode der relativen Stabilisierung hat breite Schichten der Arbeiterschaft aus dem Produktionsprozeß hinausgestoßen, hat breite Massen in Verzweiflungsstimmung gejagt, hat in Deutschland eine ständige Erwerbslosenarmee geschaffen, und es besteht die Gefahr, daß gerade diese Schichten sich von dem “ultralinken” Scheinradikalismus beeinflussen lassen.

Die erweiterte Exekutive hat festgestellt, daß in der Kommunistischen Internationale gegenwärtig nicht nur “ultralinke” Gefahren, sondern auch rechte Gefahren vorhanden sind. Dies gilt auch für Deutschland. Aber wir müssen entscheiden, und die erweiterte Exekutive hat diese Frage klar beantwortet, welche Gefahren in Deutschland gegenwärtig größer sind, die “ultralinken” oder die rechten. Ich glaube, daß jeder, der die Lage in der deutschen Partei klar beurteilt, den Beschlüssen der erweiterten Exekutive recht geben muß, deren Sinn ist, in Deutschland gegenwärtig das Feuer des innerparteilichen Kampfes gegen “ultralinks” zu richten. Dies nicht klar aussprechen bedeutet in der gegenwärtigen Situation, jeden Boden für eine reale Arbeiterpolitik zu verlieren.

In der richtigen Einschätzung der allgemeinen Lage des betreffenden Landes und des daraus resultierenden innerparteilichen Kurses liegt der Kernpunkt der bolschewistischen Taktik. Deshalb haben wir auf der erweiterten Exekutive im Kampfe gegen die “ultralinken” Abweichungen unserer Partei klar aufgezeigt, daß von Ruth Fischer bis Urbahns über Scholem-Rosenberg, Weber-Korsch-Schwarz bis zu Katz eine ideologische Linie führt. Ich glaube, wir können heute feststellen, daß diese Analyse richtig gewesen ist. Wenn auch diese Gruppen in einzelnen Fragen sich differenzieren, in den Grundfragen sind sie sich absolut einig.

Die Wurzeln der “ultralinken” Fehler

Wir müssen feststellen, daß die Entstehung der “ultralinken” Abweichungen nicht nur auf objektive Gründe, wie die Tatsache der relativen Stabilisierung, der großen Erwerbslosigkeit, des täglichen reformistischen Verrats und der Schwäche der Kommunisten in den Gewerkschaften, zurückzuführen ist. Es ist notwendig zu sagen, daß die Wurzeln der “ultralinken” Abweichungen auch in dem gesamten politischen System der Ruth Fischer-Maslow-Zentrale zu suchen sind. Diese Wurzeln müssen gezeigt werden, denn die Partei leidet noch heute darunter. Die Zerstörung jeder Parteidemokratie und die Ersetzung der Parteidisziplin durch ein Cliquenwesen hat die Herausbildung revolutionärer Parteikader verhindert und unmöglich gemacht. Die bewußte Sabotage der Parteiarbeit hat das ideologische Niveau der Partei immer tiefer gedrückt. Die Partei wurde dadurch unfähig, die ihr gestellten Aufgaben wirklich zu begreifen und die Losungen in der Massenarbeit durchzusetzen. Jeder weiß, woran ich denke und wohin dieses System der Parteiführung führte. Das waren wesentliche Ursachen der „ultralinken” Abweichungen vor Erscheinen des "Offenen Briefes"[2], die sich noch heute auswirken.

Die große Bedeutung des "Offenen Briefes" besteht darin, daß er gegenüber diesen Erscheinungen einen Damm gebaut hat.

Die Resolution zur deutschen Frage

Die Resolution zur deutschen Frage, die auf der erweiterten Exekutive angenommen wurde, betrachten wir vor allem als eine Fortsetzung der Politik des "Offenen Briefes". Die Resolution konkretisiert diese politische Linie auf einer höheren Stufe der Parteientwicklung. Sie legt die Perspektive der nächsten Entwicklung in Deutschland gegenüber allen “ultralinken” Abweichungen fest und charakterisiert die “Ultralinke” als das störende Element auf dem Wege zur Gewinnung der Massen. Die Resolution zeigt die einheitliche politische Linie von Ruth Fischer bis Korsch und gibt der Partei eine feste ideologische Handhabe zur Führung der innerparteilichen Auseinandersetzungen. Besonders unterstrichen müssen die Teile werden, die jene Methoden der innerparteilichen Arbeit charakterisieren, die den Kurs auf die Gewinnung der Massen feststellen.

Die Parteientwicklung seit der erweiterten Exekutive

Die Perspektive der erweiterten Exekutive für die Entwicklung unserer innerparteilichen Lage hat sich bereits heute als richtig erwiesen. Wir müssen feststellen, daß erstens die “ultralinken” Abweichungen verstärkt aufgetreten sind, daß aber ein weiterer Zerfall der “ultralinken” Führergruppen eingetreten ist. Zweitens sehen wir die Herausbildung einer klaren antibolschewistischen Gruppe Korsch-Schwarz, die faktisch bereits außerhalb der Partei steht, und drittens einen langsam beginnenden Aufklärungsprozeß unter den “ultralinken” Arbeitern.

Dies sind die wesentlichsten Erscheinungen unserer Parteientwicklung.

Wie wollen wir die “ultralinken” Abweichungen liquidieren?

Bei der Bekämpfung der “ultralinken” Abweichungen müssen wir vor allem beachten, daß die Partei sich unter keinen Umständen von ihren Aufgaben in der Arbeiterklasse abbringen lassen darf. Wir müssen die “ultralinken” Abweichungen an Hand unserer praktischen Erfolge bei der Arbeit unter den breiten Massen liquidieren. Wir dürfen dabei die opportunistischen Gefahren, die uns gerade bei einer breiten Anwendung der Einheitsfronttaktik sowohl in der Fürstenenteignungskampagne wie auch in der Sachsenfrage drohen, nicht aus dem Auge verlieren. Wir dürfen die Lehren von 1923 nicht vergessen. Ich glaube, man kann feststellen, daß wir solche Fehler bisher nicht gemacht haben. Man möge uns das Gegenteil beweisen.

Bei der Behandlung der “ultralinken” Gruppierungen müssen wir einen Unterschied machen zwischen ihren Führern und jenen Arbeitern, die aus verzweifelter Stimmung oder revolutionärer Ungeduld hinter ihnen herlaufen. Wir stehen vor einem ernsten und zähen ideologischen Kampf um diese Arbeiter. Nichts kann uns abhalten, diese Arbeiter-Genossen ideologisch zu gewinnen.

Aber wenn Genossen in der Partei sind, die glauben, die Partei zersetzen zu können, ihren Kampf in den Massen ständig zu verhindern, so erklären wir laut und deutlich, daß wir dies nicht dulden werden, daß wir die ideologische und organisatorische Einheit der Partei um jeden Preis wahren werden.

Wir lehnen es ab, in das Krisengeschrei der “ultralinken” Fraktionsmacher einzustimmen. Dieses Geschrei nützt nur dem sozialdemokratischen Parteivorstand, der versucht, mit den Argumenten von Urbahns, Korsch und Schwarz die schwere Krise zuzudecken, die infolge der sächsischen Ereignisse in der SPD begonnen hat.

Es steht unbestreitbar fest: Erstens, der "Offene Brief" hat die Partei trotz großer innerer Schwierigkeiten vorwärtsgebracht; zweitens, die Partei hat an Autorität und Vertrauen in der Mitgliedschaft gewonnen trotz der Maulwurfsarbeit der “ultralinken” Fraktionen; drittens, der ideologische und organisatorische Umstellungsprozeß in der Partei macht große Fortschritte; viertens, neue Parteikader, die die Politik der Partei unter den Massen wirklich geeignet zu vertreten wissen, sind im Entstehen begriffen. Das ist die wirkliche Lage. Wir werden unbeirrbar vorwärtsmarschieren. Niemand kann uns in Gegensatz bringen zur Kommunistischen Internationale und zu unserer russischen Bruderpartei. Auf dieser politischen Linie, mit diesem Glauben erfüllt, werden wir unsere revolutionäre Arbeit fortführen und die deutsche Arbeiterklasse für den Sieg der deutschen Revolution vorbereiten und organisieren.

 

 

 

 

 



[1]. Cf. http://www.deutsche-kommunisten.de/Ernst_Thaelmann/Band1/thaelmann-band1-043.shtml.

[2]. Gemeint ist der "Offene Brief" des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale an alle Organisationen und die Mitglieder der KPD, der in der "Roten Fahne" vom 1. September 1925 veröffentlicht wurde.