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Präsidium des Exekutivkomitees
der Kommunistischen Internationale

Resolution:
Lehren der deutschen Ereignisse

19. Januar 1924

 

 

Quelle:

Die Lehren der deutschen Ereignisse: das Präsidium des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale zur deutschen Frage, Januar 1924. Verlag der Kommunistischen Internationale, 1924. S. 94‑109[1].

 

 

 

 

 

 

Erstellt: Januar 2013

Druckversion
KPD 1918 1945 - Inhalt

 

 

 

 

 

 

Die Ereignisse in Deutschland[2], Polen, Bulgarien, die sich vom Mai bis November 1923 abgespielt haben, bilden den Anfang eines neuen Kapitels in der Geschichte der internationalen Bewegung.

In Deutschland trat der proletarische Klassenkampf im Zusammenhang mit der Entwicklung der Ruhrkrise aus der Phase der allmählichen Sammlung der revolutionären Kräfte in eine neue Phase, in der es sich um den Kampf um die Macht handelt.

Die geschichtliche Wendung, welche sich im August/September vollzog, und die im Laufe des Herbstes eingetretenen Ereignisse sind angesichts der weittragenden Bedeutung der deutschen revolutionären Bewegung von höchster Wichtigkeit für die Kommunistische Internationale. Die Lehren und Folgerungen, aus den dabei gemachten Erfahrungen müssen deshalb von der gesamten Kommunistischen Internationale aufs gründlichste ausgewertet werden.

Da die taktische Bewertung dieser Ereignisse sich fest auf dem grundsätzlichen Boden der Kl halten soll, will die Exekutive hier wieder einmal die in der gegenwärtigen Epoche sowohl grundsätzlich wie praktisch wichtigste taktische Methode der KI, die Taktik der Einheitsfront, ganz konkret charakterisieren.

I. Taktik der Einheitsfront.

Auf dem III. Weltkongreß der KI wurden die Aufgaben der KPD im Zusammenhange mit der Niederlage im März 1921 besonders eingehend diskutiert und die Losung zusammengefaßt: "Heran an die Massen!" Im Dezember desselben Jahres wurde die Methode der Eroberung der Massen konkretisiert durch die Beschlüsse der Exekutive über die Einheitsfronttaktik.

In Deutschland ging die KPD sofort an eine ernsthafte Durchführung der Einheitsfronttaktik. Die ganze objektive Lage in Deutschland begünstigte diese Taktik. Durch ihre Arbeit hat die Partei große Erfolge davongetragen, immer mehr Sympathien bei den Massen erworben und in die Reihen der Sozialdemokratie Zersetzung hineingebracht.

Eine Reihe unserer Sektionen hat nur langsam unter Überwindung vieler Widerstände und unter großen Fehlern die Einheitsfronttaktik anzuwenden begonnen. In Frankreich verstand im Jahre 1922 ein erheblicher Teil der Partei nicht den Sinn der Taktik der Einheitsfront und befürchtete aufrichtig, diese Taktik könne ein ideologisches Zugeständnis an die Sozialdemokratie bedeuten. In England verstand ein Teil der Genossen die Taktik der Einheitsfront so, daß er den falschen Schluß zog, als dürften die Kommunisten die opportunistische Arbeiterpartei im Parlament nicht kritisieren. In Finnland zog man Fehlschlüsse von ähnlichem Charakter. In Rumänien glaubte ein Teil der Genossen aufrichtig, die Taktik der Einheitsfront laufe auf die parlamentarische Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten hinaus. Die Kommunistische Partei Italiens beging lange Zeit einen Fehler entgegengesetzter Art und hielt sich von einer breiten Anwendung der Einheitsfronttaktik ab, aus Furcht, daß die programmatische und theoretische Einheit der kommunistischen Bewegung dadurch kompromittiert werden könnte.

Eine Reihe anderer Parteien faßten gleichzeitig diese Taktik zu mechanisch auf und dachten, es genüge, einmal im Monat den Sozialdemokraten einen schablonenhaften offenen Brief zu schreiben und ihn dann zu vergessen. Sie verstanden nicht, einen aktuellen politischen Kampf im Zusammenhang mit der Auswirkung der Taktik der Einheitsfront zu führen.

Die fehlerhafte Durchführung der Taktik der Einheitsfront, insbesondere im Anfang, in einer Reihe von Ländern, bedeutet aber nicht, daß die Taktik selbst falsch ist. Dieser Schluß wäre ebenso verkehrt wie die Ablehnung der revolutionären Ausnützung des Parlamentarismus, deshalb, weil einzelne Parlamentsfraktionen sie nur unter großen Fehlern zu lernen vermögen. Die Taktik der Einheitsfront an sich war und bleibt richtig, ungeachtet der gelegentlichen Fehler.

Die Taktik der Einheitsfront hat ihre starken Seiten und ihre Gefahren. Mögen wir auch im Oktober 1923 noch keine sichere Mehrheit im deutschen Proletariat gehabt haben, allein die Tatsache, daß die junge Kommunistische Partei sich im Herbst 1923 ernstlich die Frage stellen konnte, ob sie nicht schon eine sichere Mehrheit zur Machtergreifung hatte, beweist, daß die Taktik der Einheitsfront imstande ist, die wichtigste Voraussetzung der Machteroberung, die Gewinnung der Mehrheit des Proletariats für die proletarische Revolution zu schaffen. Wenn dabei auch die kommunistischen Parteien auch die Psychologie und die Stimmungen zurückgebliebener unter dem Einfluß der Sozialdemokratie stehender Massen zu berücksichtigen haben, so ist das nicht ein Beweis für die Unrichtigkeit der Taktik selbst, sondern lediglich eine Gefahrenquelle bei ihrer Anwendung.

Schon in den ersten Leitsätzen der Exekutive vom Dezember 1921[3] wurde nachdrücklichst auf die Gefahren hingewiesen, mit denen die Taktik der Einheitsfront verbunden ist:

Nicht alle kommunistischen Parteien sind genügend gefestigt und gekräftigt, nicht alle haben endgültig mit der zentristischen und halbzentristischen Ideologie gebrochen. Fälle von Überspannung nach der anderen Seite sind möglich, Tendenzen, die in Wirklichkeit die Auflösung der kommunistischen Parteien und Gruppen in einem formlosen Einheitsblock bedeuten würden. Soll die geplante Taktik mit Erfolg für die Sache des Kommunismus durchgeführt werden, so müssen die kommunistischen Parteien selbst, die diese Taktik anwenden, stark und gut zusammengefaßt sein, und ihre Führung muß sich durch Klarheit des Denkens auszeichnen.

Der IV. Weltkongreß wies gleichfalls auf die Gefahren hin, die sowohl die ganze Taktik der Einheitsfront, wie die besondere Losung der Arbeiterregierung in sich birgt. Der Kongreß erklärte[4]: "Um diese Gefahren zu vermeiden und jetzt schon den Kampf aufnehmen zu können mit den Illusionen von einer angeblich unvermeidlichen Etappe der “demokratischen Koalition”, dürfen die kommunistischen Parteien folgendes nicht vergessen: Jede bürgerliche Regierung ist zugleich auch eine kapitalistische Regierung, aber nicht jede Arbeiterregierung ist wirklich eine proletarisch-sozialistische Regierung!"

Diese Warnungen der Komintern müssen gerade jetzt nach den deutschen Ereignissen in Erinnerung gebracht werden, da sogar die KPD, die nach der russischen Sektion reifste Partei der Internationale, große Fehler bei der Durchführung der Einheitsfronttaktik zugelassen hat.

Es ist notwendig, daß sich die Kommunisten in allen Ländern jetzt klar darüber Rechenschaft ablegen, was die Taktik der Einheitsfront ist, und was sie nicht ist. Sie ist eine Taktik der Revolution, nicht der Evolution. Wie die Arbeiter(- und Bauern)-Regierung für uns kein festes, demokratisches Übergangsstadium sein kann, so ist auch die Taktik der Einheitsfront keine demokratische Koalition, kein Bündnis mit der Sozialdemokratie. Sie ist nur eine Methode der revolutionären Agitation und Mobilisierung. Alle anderen Auslegungen lehnen wir als opportunistisch ab.

Dies müssen wir klar im Auge behalten, nur dann hat für die KI die Taktik der Einheitsfront einen Sinn und kann dem Ziele dienen, das Gros des Proletariats für den revolutionären Machtkampf zu gewinnen.

Die Einheitsfronttaktik als Agitationsmethode unter breiten Arbeiterschichten paßt sich selbstverständlich einer bestimmten Epoche an, eben der Epoche, in der die Kommunisten fast aller für die Arbeiterbewegung entscheidenden Länder sich noch in der Minderheit befinden. Nach Maßgabe der Veränderung des konkreten Milieus wird man auch die Anwendung der Einheitsfronttaktik modifizieren müssen. Auch jetzt muß die Durchführung dieser Taktik in den verschiedenen Ländern verschieden sein. In dem Maße, in dem der Kampf stürmischer wird und mehr und mehr den Charakter des Entscheidungskampfes annimmt, werden wir noch mehr als einmal die Art der Anwendung der Einheitsfronttaktik in den einzelnen Ländern ändern, müssen. Es wird die Zeit kommen, wo ganze, jetzt noch stark sozialdemokratische Parteien zusammenbrechen, oder, beim Beharren auf ihrem Verrat, wie Seifenblasen zerplatzen werden; wo ganze Schichten der sozialdemokratischen Arbeiter den Frontwechsel zu uns vollziehen. Die Taktik der Einheitsfront fördert und beschleunigt diesen Prozeß.

II. Die revolutionäre Krise in -Deutschland.

Bald nach der Besetzung des Ruhrgebietes durch die französischen Heere hat die Exekutive der KI die Aufmerksamkeit aller Sektionen auf die kommende revolutionäre Krise gelenkt. Die internationalen Konferenzen in Essen und Frankfurt[5] waren auch diesen Fragen gewidmet.

Daß in Deutschland eine neue revolutionäre Welle anzusteigen begann, signalisierten die großen Ruhrstreiks und Kämpfe im Mai/Juni, der oberschlesische Streik, der Metallarbeiterstreik in Berlin, die Kämpfe im Erzgebirge, im Vogtland und der politische Massenstreik im August 1923, der den Sturz der Cuno-Regierung brachte.

Die rapide Zuspitzung der Lage äußerte sich in Teuerung, Geldentwertung, Inflation, unmäßigem Steuerdruck, Abbau des Parlamentarismus, verstärkter Offensive des Kapitals nach einer noch schwachen Offensive des Proletariats, in Lebensmittelknappheit, Lohnabbau, Abbau sozialer Errungenschaften der Arbeiterklasse, ferner im Wachsen der separatistischen und partikularistischen Bewegungen, im Wachsen der Verelendung des alten und des neuen Mittelstandes, im Schwinden des Einflusses der demokratischen Mittelparteien. Alle Lasten des Ruhrkrieges wurden auf das Proletariat und die immer mehr proletarisierten Mittelschichten abgewälzt. Die Zuspitzung der Klassengegensätze schritt mit dem Zerfall der von ihren Kraftzentren abgetrennten deutschen kapitalistischen Wirtschaft schnell vorwärts.

In vielen Provinzen zogen hungernde Massen bewaffnet aufs Land, um sich die notwendigen Lebensmittel zu holen. Breite Mittelschichten gerieten in Verzweiflungsstimmung und schwankten zwischen den beiden Polen, die einen Ausweg zeigten, den Kommunisten und den faschistischen Gruppen. In den Großstädten kam es immer wieder zu Plünderungen, zu Hungerdemonstrationen, zu Krawallen.

Die Klassenkräfte haben sich in Deutschland in den Monaten bis zum Winter 1923 fortwährend zugunsten der proletarischen Revolution verschoben. Die 18 bis 20 Millionen Proletarier standen vom Beginn der Ruhrbewegung an jeglicher nationalistischen Stimmung fern. Unter den 6 bis 7 Millionen städtischen Kleinbürgern und 4 bis 5 Millionen Kleinbauern, Siedlern und Pächtern ging eine tiefe Gärung vor sich.

Die demokratische Koalitionspolitik war offensichtlich bankrott. Die Sozialdemokratie, welche mit den demokratischen bürgerlichen Parteien die Regierungsgewalt geteilt hatte, mußte sich entscheiden, ob sie in einen festen Block mit den Vertretern der Schwerindustrie und des reaktionären Militärs gehen werde, was sie auch dann tatsächlich durchführte.

Die KPD hatte und hat noch die Aufgabe, die Zeit der internationalen Verwicklung, die durch die Ruhrkrise entstanden ist, der inneren unerhört schweren Krise des deutschen Kapitalismus und der sich vollziehenden Liquidation der Ruhrkrise auszunützen zum Sturze der Bourgeoisie und zur Errichtung der proletarischen Diktatur.

Zu diesem Zweck sollte die Partei das Industrieproletariat zum Kampf gegen die deutsche Schwerindustrie und gegen den französischen Imperialismus mobilisieren, gleichzeitig aber die städtischen und ländlichen Mittelschichten mindestens neutralisieren, nach Möglichkeit aber unter ihre Führung ziehen.

Die erste Aufgabe konnte nur gelöst werden, wenn es gelang, die Massen des Proletariats in ihrer Mehrheit aus der Einflußsphäre der Sozialdemokratie jeglicher Schattierung zu befreien und so zu organisieren, daß sie zum Kampf auf die Stellungen des Kapitalismus bereit waren.

Diese Aufgabe wurde nur ungenügend gelöst. Die Ursachen werden unten besonders erörtert.

Die zweite Aufgabe bedeutete im wesentlichen die Zerstörung des faschistischen Einflusses, Umbiegung der nationalistischen Stimmungen in den Willen, den Kampf gegen die deutschen Großkapitalisten und gegen den französischen Imperialismus im Bunde mit dem Proletariat zu führen. Diese Aufgabe wurde von der KPD mit Erfolg in Angriff genommen, wie am besten der Antifaschistentag am 29. Juli 1923 zeigte. Breite Schichten der kleinbürgerlichen Bevölkerung sympathisierten damals bereits mit der KPD, der es gelungen war, die Heuchelei der “sozialen” Propaganda der Faschisten, ihre objektive Rolle als Helfer der die Nation verratenden Großbourgeoisie und die Gemeinsamkeit der Interessen von Proletariat und Kleinbürgertum in ziemlich hohem Grade diesen Schichten klarzumachen.

Die Zersetzung im Lager der Bourgeoisie wuchs während jeder Woche. Das Vertrauen zur KPD wuchs ebenfalls. Es galt, dieses Vertrauen zu organisieren und alle Kräfte zum entscheidenden Schlag vorzubereiten.

Die KPD wie die Exekutive der Komintern kamen in Beratungen mit den Vertretern der fünf größten Parteien im September zu dem Ergebnis, daß die revolutionäre Situation in Deutschland derart herangereift sei, daß der Entscheidungskampf nur eine Frage von wenigen Wochen sei.

Von diesem Zeitpunkte ab mobilisierte die Partei alle ihr zu Gebote stehenden Kräfte und rüstete mit allen Mitteln zum Entscheidungskampf. Die Partei hat fieberhaft gearbeitet, um ihr letztes Mitglied zu aktivisieren und für die Anforderungen des Kampfes zu wappnen. Um das gesamte Proletariat in die revolutionäre Kampffront einzureihen, hat die Partei überall die Bildung lokaler Aktionsausschüsse angeregt und unterstützt. Eine intensive Arbeit wurde unter den Eisenbahnern, Elektrizitäts-, Staats- und Gemeindearbeitern geleistet.

Die Exekutive der KI hat die gesamte Internationale, besonders aber die Sektionen der deutschen Nachbarländer und Sowjetrußland. auf die nahende deutsche Revolution eingestellt und mit den ein« meinen Sektionen ihre Aufgaben festgelegt.

III. Der Oktoberrückzug und seine Ursachen.

Die KPD war im Oktober trotz aller Schwächen bewußt auf den revolutionären Machtkampf eingestellt. Wenn es trotz der revolutionären Situation und trotz der Anstrengungen der KI und der KPD weder zum revolutionären Entscheidungskampfe, noch zu politischen Massenkämpfen kam, so infolge einer Summe von Fehlern und Mängeln, die teilweise opportunistische Abweichungen enthielten.

Mängel in der Einschätzung der revolutionären Entwicklung.

Die Reife der revolutionären Situation in Deutschland wurde von der Partei zu spät erkannt. Auch die Exekutive der- KI hat nicht energisch genug auf die herannahende Entscheidung aufmerksam gemacht, so daß die wichtigsten Kampfmaßnahmen verspätet in Angriff genommen wurden. Schon mit Ablauf der vorigen Periode (Cuno-Regierung, Ruhreinmarsch) hätte die Machtfrage aufgerollt und die technische Vorbereitungsarbeit begonnen werden müssen. Die Partei hat nicht rechtzeitig die Bedeutung der Massenkämpfe im Ruhrgebiet und in Oberschlesien als Zeichen des gestärkten Kraftbewußtseins und der wachsenden politischen Aktivität der Arbeitermassen erkannt und erst nach dem Cuno-Streik die notwendige Umstellung begonnen.

Taktische Fehler.

Die Aufgabe, die zahlreichen Einzelaktionen von Juni bis September zu steigern, zu verbreitern und auf politische Losungen zuzuspitzen, wurde nicht erfüllt.

Nach dem Cuno-Streik wurde der Fehler gemacht, elementare Bewegungen bis zum Entscheidungskampfe verschieben zu wollen.

Einer der schwersten Fehler war es, daß die instinktive Rebellion der Massen nicht durch Einstellung auf politische Ziele systematisch in bewußt revolutionären Kampfeswillen verwandelt wurde.

Die Partei versäumte es, energische, lebendige Agitation für die Aufgaben der politischen Arbeiterräte durchzuführen, Übergangsforderungen und Teilkämpfe aufs engste mit dem Endziel, der Diktatur des Proletariats, zu verbinden. Die Vernachlässigung der Betriebsrätebewegung machte es auch unmöglich, die Betriebsräte zeitweilig die Rolle der Arbeiterräte übernehmen zu lassen, so daß es in den entscheidenden Tagen an einem autoritativen Zentrum fehlte, um das sich die schwankenden Arbeitermassen hätten sam« mein können, die dem Einfluß der SPD entzogen worden waren.

Da auch andere Einheitsfrontorgane (Aktionsausschüsse, Kontrollausschüsse, Kampfkomitees) nicht planmäßig ausgenutzt wurden, um den Kampf politisch vorzubereiten, so wurde der Kampf fast nur als Parteisache und nicht als einheitlicher Kampf des Proletariats aufgefaßt.

Politisch-organisatorische Schwächen und Mängel.

Die Partei hat nur sehr wenig die Fähigkeit entwickelt, ihren wachsenden Einfluß in den Massenorganisationen des Proletariats organisatorisch zu festigen. Sie verstand es noch weniger, ihre Kräfte konzentriert für eine längere Periode auf eine Kampfaufgabe zu richten. Die technischen Vorbereitungen, die Einstellung des Organisationsapparates auf den Machtkampf, die Bewaffnung und die innere Festigkeit der Hundertschaften waren minimal. Die viel zu kurzfristige und überhitzte technische Vorbereitung brachte praktisch fast nichts, sie stellte zwar in technischem Sinne die Parteimitgliedschaft auf die Aktion ein, erfaßte aber die großen proletarischen Massen noch nicht.

Fehler in der Einschätzung der Kräfteverhältnisse.

Die Überhitzung in den technischen Vorbereitungen während der entscheidenden Wochen, die Einstellung auf die Aktion als Parteikampf und nur auf den “entscheidenden” Schlag ohne vorherige anwachsende Teilkämpfe und Massenbewegungen verhinderten die Prüfung des wirklichen Kräfteverhältnisses und machten eine zweckmäßige Terminsetzung unmöglich. Damit wurde auch die Feststellung, ob die Mehrheit der Arbeiterklasse an den entscheidenden Punkten der Führung der KPD folgte, zu einer ganz unrealen und unsicheren Berechnung. Tatsächlich ließ sich nur feststellen, daß die Partei auf dem Wege war, die Mehrheit für sich zu erobern, ohne schon die Führung über sie zu besitzen.

Die Unterschätzung der Kräfte der Konterrevolution bestand besonders darin, daß die Partei die Stärke der Sozialdemokratie als hemmende Kraft im Proletariat unterschätzte.

Die Partei hat auch den Charakter und die Rolle der linken SPD-Führer verkannt und selbst in ihren Reihen die Illusionen aufkommen lassen, als ob wir durch entsprechenden Massendruck diese Führer zwingen könnten, gemeinsam mit uns zum Kampfe aufzurufen.

Die falsche politisch-strategische Orientierung auf Sachsen.

Die starre Einstellung: Nur aus der Verteidigung der mitteldeutschen Positionen zum entscheidenden Kampfe überzugehen, war falsch. Sie führte zur Vernachlässigung anderer wichtiger Industrie- und Kampfgebiete und brachte nach dem kampflosen Aufgeben der sächsischen Position eine starke Desorientierung. Es war ein verhängnisvoller Fehler, daß die Partei alles so restlos auf die sächsische Karte setzte, daß sie für den Fall des Mißlingens weder eine Rückzugslinie vorgesehen und sich zu sichern versucht hätte, noch über irgendeinen anderen Aufmarschplan verfügte.

Infolge all dieser Fehler und Mängel der Partei und der Schwäche der Arbeiterklasse ergab sich im letzten Augenblick das Ausweichen vor dem entscheidenden Machtkampf. Während in Bulgarien, wo die Partei noch keine bewaffneten Kämpfe durchgemacht hatte, die Niederlage noch zur Grundlage künftiger Siege werden kann, befinden wir uns in Deutschland nach den Niederlagen 1919 und der Märzniederlage 1921 bereits in der Situation, wo. die Kommunisten es im Kampfe verstehen müssen, die Masse zum Siege zu führen.

Ein großer Fehler war es auf jeden Fall, daß die Partei es nicht verstand, sich sofort auf Teilkämpfe umzustellen, daß sie trotz teilweiser Vorbereitungen völlig kampflos vor dem Einmarsch der Reichswehr, der Verhängung des Reichsbelagerungszustandes und der Unterdrückung der Partei zurückgewichen ist.

IV. Das sächsische Experiment und die Hamburger Kämpfe.

Die Zuspitzung der Klassengegensätze in Deutschland, die Verschärfung der Wirtschaftskrise, die Einstellung der Partei auf entscheidende Kämpfe veranlaßten im Oktober die Exekutive der KI und die KPD, das Experiment des Eintritts von Kommunisten in die sächsische Regierung zu unternehmen.

Der Sinn des Regierungseintritts in Sachsen war nach der Auffassung der Exekutive eine spezielle militärische und politische Aufgabe, welche in einer Instruktion wie folgt präzisiert wurde:

Da wir die Lage so einschätzen, daß der entscheidende Moment nicht später als in vier, fünf, sechs Wochen kommt, so halten wir es für notwendig, jede Position, die unmittelbar nützen kann, sofort zu besetzen. Auf Grund der Lage glauben wir, bei gegebener Lage muß man die Frage unseres Eintretens in die sächsische Regierung praktisch stellen. Unter der Bedingung, daß die Zeigner-Leute bereit sind, Sachsen wirklich gegen Bayern und die Faschisten zu verteidigen, müssen wir eintreten. Sofort Bewaffnung von 50 000 bis 60 000 wirklich durchführen, den General Müller ignorieren. Dasselbe in Thüringen.

Unter den ursprünglich angenommenen Voraussetzungen hätte dieser Regierungseintritt den Beschlüssen des IV. Kongresses entsprochen. Die Entfesselung revolutionärer Kämpfe, das Zusammenschweißen der Arbeitermassen, hätte die Voraussetzung des Eintritts in die sächsische Regierung sein müssen: Der Regierungseintritt hätte sich auf Massenbewegungen stützen müssen. Wenn auch die direkte militärische Aufgabe verschoben werden mußte, weil das Tempo des revolutionären Prozesses sich verlangsamte, so konnten und mußten auch in diesem Falle die Kommunisten eine wirkliche revolutionäre Aktivität entfalten, wobei sich jedoch ein bedenkliches Versagen zeigte.

Sie waren vor allem verpflichtet, die Frage der Bewaffnung der Arbeiter brutal zu stellen; schon in den ersten Stunden- ihrer Beteiligung an der Arbeiterregierung .durften die Kommunisten kein anderes Grundthema kennen, als die Frage der Bewaffnung des Proletariats.

Sie waren außerdem verpflichtet, ihr proletarisches Rettungsprogramm vor den Massen, wie auch die Propaganda für die politischen Arbeiterräte mit aller Kraft zu entwickeln, um dieses Mittel der Sabotage der linkssozialistischen Minister entgegenzustellen. Sie waren auch verpflichtet, im Parlament und vor den Betriebsräten auf die sofortige Maßnahmen hinzuwirken, wie auf die Konfiskation der Betriebe von Fabrikanten, welche zur Sabotage der Produktion griffen, auf die Requisition der Wohnungen reicher Familien für wohnungslose Arbeiter und ihre Kinder.

Gleichfalls waren die Kommunisten verpflichtet, schon von der ersten Stunde ihrer Regierungsbeteiligung an das doppelzüngige Verhalten Zeigners[6], seine hinterhältigen Verhandlungen mit den Militärdiktatoren, wie die ganze konterrevolutionäre Rolle der linken SPD-Führer vor den breitesten Massen zu brandmarken.

Infolge dieser Unterlassungen, und da die Partei es nicht verstand, die Massen zu mobilisieren, wurde das sächsische Experiment zu keiner Kampfetappe: anstelle revolutionärer Strategie ergab sich eine unrevolutionäre, parlamentarische Kooperation mit den “linken” Sozialdemokraten. Die besondere Berufung der kommunistischen Minister auf ihre Verantwortlichkeit nur dem Landtag und der Verfassung gegenüber konnte nicht geeignet sein, demokratische Illusionen zu zerstören.

Nur durch angespannte revolutionäre Arbeit der gesamten Parteiorgane hätte die Chemnitzer Konferenz zu einem Erfolg für die Partei -werden können. Die Partei ließ sich durch den Stoß des Gegners, die vorausgesehene Reichsexekutive, faktisch überraschen. Ein umso größerer Fehler war es, daß, obgleich der Generalstreik vorgeschlagen werden sollte, gar nicht versucht wurde, die Konferenz von ihrer Eröffnung an ausschließlich auf die Abwehr gegen die Reichsexekutive umzustellen. Das waren Fehler, die das verräterische Spiel der linken SPD-Führer zweifellos erleichtert haben.

Einen Gegenpol zu Sachsen bildet der Hamburger Aufstand. Hier zeigte es sich, daß bei überraschendem, kühnem Einsetzen entschlossener Kampfgruppen der Gegner militärisch im Angriff überrumpelt wurde. Aber es zeigte sich gleichzeitig, daß ein solcher bewaffneter Kampf, selbst wenn er, wie in Hamburg von der Bevölkerung nicht ohne Sympathie aufgenommen wird und von einer Massenbewegung gestützt wird, zum Scheitern verurteilt ist, wenn er isoliert bleibt und am Orte selbst nicht von einer Rätebewegung, deren Fehlen in Hamburg -besonders empfunden wurde, getragen ist.

Der Kampf selbst wurde durch einander widersprechende Befehle aus dem Zentrum im Reich gestört, und selbst die vorhandenen Streikbewegungen erlitten unter dem Ausbleiben von Kampfnachrichten aus dem Reich und durch das Eintreffen der Nachrichten vom Ausgang der Chemnitzer Konferenz Abbruch.

Trotzdem konnte der Hamburger Kampf mit musterhafter Disziplin abgebrochen werden. Seine Lehren sind wertvoll für Partei und Komintern. Besonders anzumerken ist das schuftige Verhalten der Hamburger SPD-Führer, die die Militäraktion gegen die Aufständischen unterstützten. Ihr Verhalten ist die Kehrseite der Medaille, deren Vorderseite das Verhalten Zeigners und seiner “Linken” in Sachsen ziert.

Das sächsische Experiment hat erheblich die “linken” Sozialdemokraten diskreditiert; es hat gezeigt, daß sie in Wirklichkeit Knechte der Konterrevolution sind. Der Hamburger Aufstand hat das Kraftbewußtsein des deutschen Proletariats sehr gestärkt und der Sozialdemokratie selbst einen schweren Schlag versetzt.

Die KPD muß diejenigen Fehler, welche während des sächsischen Experiments und in Verbindung mit dem Hamburger Kampf gemacht wurden, klar erkennen. Ohne das ist eine richtige Taktik der Partei in Zukunft unmöglich.

Die Rolle der Sozialdemokratie und die Wendung der Taktik der Einheitsfront in Deutschland.

Die leitenden Schichten der deutschen Sozialdemokratie sind im gegenwärtigen Moment nichts anderes als eine Fraktion des deutschen Faschismus unter sozialistischer Maske. Sie haben die Staatsgewalt an die Vertreter der kapitalistischen Diktatur übergeben, um den Kapitalismus vor der proletarischen Revolution zu retten. Der Innenminister Sollmann führte den Belagerungszustand ein, der Justizminister Radbruch stellte die “demokratische” Justiz auf Sonderjustiz gegen das revolutionäre Proletariat um. Der Reichspräsident Ebert übergab auch formell die Regierungsgewalt an Seeckt, die sozialdemokratische Reichstagsfraktion deckte all diese Handlungen, sie stimmte den Ermächtigungsgesetzen zu, welche die Verfassung aufhoben und die Gewalt den weißen Generälen übergaben.

Die ganze internationale Sozialdemokratie wächst sich allmählich zu einem offiziellen Waffengange der kapitalistischen Diktatur aus. Die Turati und Modigliani in Italien, die Sakusow in Bulgarien, die Pilsudski in Polen und die SPD-Führer vom Schlage Severings in Deutschland sind direkte Teilnehmer an der Regierungsgewalt der kapitalistischen Diktatur.

Fünf Jahre lang haben die deutschen Sozialdemokraten aller Schattierungen den allmählichen Abstieg ins Lager der Konterrevolution betrieben. Jetzt ist dieser Prozeß seiner Vollendung nahe. Der gesetzmäßige Nachfolger der “revolutionären” Regierung Scheidemann-Haase ist der Faschistengeneral Seeckt.

Es gibt zwar auch Unterschiede im Lager der kapitalistischen Diktatur, es können sogar Differenzen von solcher Bedeutung vor« kommen, daß wir sie in unserem Klassenkampf ausnützen können. Zwischen Ebert, Seeckt und Ludendorff gibt es Schattierungen. Aber über den Schattierungen im Lager der Feinde dürfen die deutschen Kommunisten nie vergessen, daß die Hauptsache ist, der Arbeiterklasse zum klaren Bewußtsein zu bringen, was das Wesen der Sache ist: daß im Kampf zwischen Kapital und Arbeit die Führer der SPD mit dem weißen General auf Leben und Tod vereinigt sind.

Diese Führer der deutschen Sozialdemokratie sind nicht erst heute auf die Seite des Kapitals übergegangen. Im Grunde genommen standen sie immer bei den Klassenfeinden des Proletariats, Erst jetzt ist das vor den Massen kraß zutage getreten, nachdem sie den Übergang von der kapitalistischen Demokratie zur kapitalistischen Diktatur vollzogen haben.

Dieser Umstand veranlaßt uns jetzt, die Taktik der Einheitsfront in Deutschland einer Modifikation zu unterziehen.

Mit den Soldknechten der weißen Diktatur gibt es kein Verhandeln! Das ist es, was jetzt alle Kommunisten in Deutschland klar erkennen und mit wuchtiger Sprache laut vor dem gesamten deute sehen Proletariat verkünden müssen.

Aber noch gefährlicher als die rechten sind die linken SPD-Führer, diese letzte Illusion der betrogenen Arbeiter, diese letzten Feigenblätter für die schmutzige konterrevolutionäre Politik der Severing, Noske und Ebert.

Die KPD lehnt nicht nur jede Verhandlung mit der Zentrale der SPD ab, sondern auch mit den “linken” Führern, bis diese Helden nicht wenigstens so viel Mannhaftigkeit finden werden, um offen mit der konterrevolutionären Bande, welche in dem Parteivorstand der SPD sitzt, zu brechen.

Die Wendung in der Einheitsfronttaktik in. Deutschland heißt jetzt:

Einheit von unten! Schon in den ersten Thesen der Exekutive der KI vom Dezember 1921[7] hieß es:

Als Gegengewicht zum diplomatischen Spiel der menschewistischen Führer stellten die russischen Bolschewisten die Losung der Einheit von unten in den Vordergrund, d. h. der Einheit der Arbeitermassen selbst im praktischen Kampf für die revolutionären Forderungen der Arbeiter gegen die Kapitalisten. Die Praxis hat gezeigt, daß das die einzig richtige Antwort war, und als Ergebnis dieser Taktik, welche von den Umständen abhängigen, von Ort und Zeit abhängigen Änderungen unterworfen war, wurde auch ein ungeheurer Teil der besten menschewistischen Arbeiter allmählich für die Kommunisten erobert.

Die KPD muß es verstehen, die Losung der Einheitsfront von unten durchzusetzen. Unter den Arbeitern, die noch der SPD angehören, gärt es wie noch. nie. Sie sehen den Bankrott ihrer Führer und suchen neue Wege. Wir haben deshalb keinen Anlaß, lokale Unterhandlungen. und Vereinbarungen mit den SPD-Arbeitern abzulehnen, wo vor uns ehrliche Proletarier stehen, welche bereit sind, ihre Hingebung an die Revolution zu beweisen.

Die Einheitsfrontorgane, die Betriebsräte, Kontroll- und Aktions- Ausschüsse müssen so ineinander greifen und zu einem dichten Netze verwoben werden, daß sie schließlich zum zentral geleiteten Träger des Apparates des Machtkampfes des Proletariats werden.

VI. Unmittelbare Aufgaben der Partei.

Die Grundeinschätzung der Lage in Deutschland, welche im September von der Exekutive der Komintern gegeben ist, bleibt im wesentlichen bestehen. Der Charakter der eingeleiteten Kampfphase, sowie die Hauptaufgabe der Partei bleiben dieselben. Die KPD darf die Frage des Aufstandes und der Machteroberung nicht von der Tagesordnung streichen. Diese Frage muß vor uns in ihrer ganzen Leibhaftigkeit und Dringlichkeit stehen. Wie groß auch die Teilsiege der deutschen Gegenrevolution sein mögen, sie lösen keines der Krisenprobleme des kapitalistischen Deutschlands.

Darum ergibt sich in Verbindung mit den in den, letzten Monaten gesammelten Erfahrungen für die KPD, eine Anzahl unmittelbarer Aufgaben.

Die Partei muß die Kämpfe des Proletariats gegen den Abbau des Achtstundentags und der Arbeiterrechte organisieren. Die Partei muß die Erwerbslosenbewegung organisatorisch und politisch mit der Bewegung .der Arbeitenden verbinden und die große Gefahr abwenden, daß die Arbeiterklasse gespalten wird in hungernde Erwerbslose und Arbeitende, die noch ein Stückchen Brot haben. Die Partei wird diese Arbeit am besten leisten können, wenn sie die kommenden Wirtschaftskämpfe von vornherein so vorbereitet, daß sie nicht nur gegen den Lohnabbau geführt werden, sondern politische Ziele erhalten. Unter der Losung: "Arbeit für die Arbeitslosen!"

Die Agitation der Partei muß den breitesten Massen zum Bewußtsein bringen, daß nur die Diktatur des Proletariats den breiten Massen Rettung schaffen kann. Diese Aufgabe muß verbunden werden mit dem Ziel der politischen Vernichtung der Sozialdemokratischen Partei, und das erfordert die Organisation der Einheitsfrontorgane und eine klare. Zielsetzung in allen Teilkämpfen.

Die Partei muß über das Industrieproletariat hinaus das Landproletariat, die Angestellten und Beamten, die Kleinbauern, den proletarischen städtischen Mittelstand zu erfassen und zu Verbündeten der Arbeiterklasse unter der Hegemonie der revolutionären Arbeiter zu machen suchen. Das wird geschehen durch klare eindeutige Agitation, durch die Propagierung .des wirtschaftlichen Programms der KPD, durch die Bekämpfung etwa noch vorhandener Reste einer pazifistischen westlichen Orientierung, durch Hinweis auf die nationale Rolle der deutschen Revolution und die Bedeutung eines Bündnisses der deutschen Räterepublik mit Sowjetrußland, sowie durch zähe Organisationsarbeit und Kontrollausschüsse und ähnliche Organe der revolutionären Bewegung.

Mit der Agitation und Propaganda muß die innerparteiliche, wie die nach außen greifende Organisationsarbeit Hand in Hand gehen. Die KPD muß nicht nur eine gute Agitationspartei, sondern auch eine ebensolche Kampfpartei sein. Mit aller Hartnäckigkeit muß die Bewaffnung der Arbeiter und die technische Vorbereitung der entscheidenden Kämpfe vor sich gehen. Die proletarischen Hundertschaften müssen in der Wirklichkeit, nicht bloß auf dem Papier, geschaffen und von den Sympathien breiter Arbeitermassen getragen werden, die wiederum nur erworben werden durch die aktive Führung der KPD in allen Tageskämpfen und Aktionen des Proletariats. Nur dann, wenn die Arbeitermassen in den Hundertschaften ihren Schutz bei den Demonstrationen und Streiks, bei allen Zusammenstößen finden, werden die Hundertschaften von den Massen bei der Bewaffnung, Ausbildung und bei der Erkundung des Gegners mit vollem Herzen unterstützt werden.

Voraussetzung für alle diese Aufgaben ist eine gründliche Verwertung aller bisherigen Erfahrungen durch die Partei. Hierher gehört das Ausrotten jeglicher Reste der demokratischen Illusionen in der Partei, wie auch der Vorstellung, als ob die SPD oder ideologisch und organisatorisch festumrissene Gruppen dieser Partei als solche revolutionäre Kämpfe führen könnten. Es muß in die Köpfe der Mitglieder gehämmert werden, daß die KPD vor dem Sieg der proletarischen Revolution die Partei des Aufstandes, die Partei der Zerstörung des kapitalistischen Systems ist, und daß in allen Teilkämpfen ihre Arbeit nur dann revolutionär ist, wenn sie sich auf die Zerschlagung des Staatsapparates der Bourgeoisie richtet und das Ziel der Errichtung der proletarischen Diktatur jederzeit im Auge hat.

Die Kommunistische Partei ist die einzige revolutionäre Partei; sie ist stark genug, den Sieg der Massen des Proletariats gegen alle übrigen Parteien vorzubereiten und zu erringen, das muß die feste Überzeugung jedes Parteigenossen werden.

Um diese Einstellung der Partei zu erreichen, muß die KPD die gemachten Erfahrungen in der ganzen Mitgliedschaft offen diskutieren. Die Partei muß es lernen, Diskussionen zu führen, ohne ihre Aktionskraft zu schwächen. Um ihre volle Aktionskraft zusammenzuschließen, soll sie es nicht versäumen, trotz aller Schwierigkeiten, trotz der Illegalität alle Differenzfragen zu klären und die Diskussion auf einem Parteitag abzuschließen.

Die Aufrechterhaltung der Parteieinheit ist eine absolute Forderung der Kommunistischen Internationale. Die Exekutive der KI fordert auch die gesamte Mitgliedschaft der KPD auf, alles aufzubieten, damit auf dem Parteitag die ganze Partei einheitlich und geschlossen die Fraktionskämpfe liquidiert und volle Aktionsfähigkeit erlangt.

Die Exekutive der KI fordert auch die gesamte Mitgliedschaft der KPD auf, alles aufzubieten, damit auf dem Parteitag die ganze Partei einheitlich und geschlossen die Fraktionskämpfe liquidiert und volle Aktionsfähigkeit erlangt. Die Exekutive der Komintern macht alle Mitglieder der KPD und aller übrigen Sektionen der Komintern auf die Riesenaufgaben der jetzigen revolutionären Krise aufmerksam. Die Exekutive ist der festen Überzeugung, daß die Erfahrungen der letzten Monate nicht vergeblich sind, und wenn sie ernsthaft beachtet und verwertet werden, den Sieg des Proletariats näherrücken.

 

 

 

 

 



[1]. Cf. http://ia600707.us.archive.org/30/items/DieLehrenDerDeutschenEreignisse.DasPrsidiumDesExekutivkomitteesDer/die_lehren_der_deutschen_ereignisse.pdf.

[2]. Unter Berufung auf Rückstande in der Bezahlung der Reparationen seitens Deutschlands, rückten am 11. Januar 1923 französische und belgische Truppen im Ruhrgebiet ein.

Im März wurden zunächst in Thüringen, wo eine SPD-Regierung amtete, sogenannte proletarische Hundertschaften gebildet. In der Folge entwickelten sich diese Selbstverteidigungsorgane der Arbeiterbewegung auch in Sachsen, in Berlin, im Ruhrgebiet. Ab Mai breiten sich vielfältige Streikbewegungen aus. Sie führen zum Rücktritt der von Wilhelm Cuno geleiteten Regierung. Im Oktober traten Vertreter der KPD in den Landtag von Thüringen ein, desgleichen in Sachsen, wo ebenfalls eine SPD-Regierung amtete.

Im Rahmen dieser allgemeinen Lage bereitete die KPD einen Aufstand auf nationaler Ebene vor. Mit Ausnahme von Hamburg kamen diese Pläne aber nicht zur Ausführung, und so wurde das Unternehmen abgebrochen.

[3]. Leitsätze über die Einheitsfront (einstimmig angenommen von der Exekutive der Kommunistischen Internationale am 28. Dezember 1921).

[4]. Es handelt sich hier nicht um ein wörtliches Zitat. Cf.: Kommunistischen Internationale - Vierter Weltkongreß (5. November‑5. Dezember 1922) - Protokoll, Hamburg, C. Hoym Nachf., 1923.

Die Resolution "Über die Taktik der Komintern" enthält folgenden Passus: "Um diesen Gefahren vorzubeugen, müssen die kommunistischen Parteien folgendes ins Auge fassen: Jede bürgerliche Regierung ist zugleich eine kapitalistische Regierung. Aber nicht -jede Arbeiterregierung ist eine wirklich proletarische, d. h. ein revolutionäres Machtinstrument des Proletariats." (Protokoll, S. 1017).

Sinowjew, im Schlußwort zur Diskussion über den von ihm vorgetragenen Bericht der Exekutive, sagt: "Jede bürgerliche Regierung ist zugleich eine Bourgeoisregierung, eine kapitalistische Regierung. Man kann sich schwerlich eine bürgerliche Regierung vorstellen, eine Regierung der bürgerlichen Klasse, die nicht zugleich eine kapitalistische Regierung wäre. Aber leider kann man nicht das Umgekehrte sagen. Nicht jede Arbeiterregierung ist eine sozialistische Regierung." (Protokoll, S. 190).

[5]. Am 6. und 7. Januar 1923 fand in Essen eine Konferenz von Vertretern europäischer kommunistischer Parteien statt. Es nahmen delegierte aus Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Belgien, Holland, Tschechoslowakei, Italien, sowie Vertreter der roten Gewerkschaften aus Deutschland und Frankreich. Der französischen Delegation gehörten Cachin, Monmousseau, Semard, Ker, Marrane, Hueber und Treint an. Die KPD wurde u. a. durch Zetkin, Stoecker, Heckert und Dahlem vertreten. Die Konferenz nimmt einen Aufruf an, der so beginnt: "Verhindert die imperialistischen Pläne! An das arbeitende Volk der Ententestaaten und der besiegten Länder!".

Vom 17. bis 21. März 1923 fand in Frankfurt am Main eine internationale Konferenz statt. An ihr nahmen 243 Delegierte teil, davon 50 ausländische. 10 Delegierte vertraten Frankreich, außerdem waren anwesend: 9 Holländer, 6 Vertreter der Sowjetunion, 3 Italiener, 3 Tschechen, 2 Engländer, 2 Polen, 1 Schweizer. Zu den deutschen Delegierten zählten 17 Mitglieder der USPD und 9 der SPD. In das Präsidium wurden u. a. Kolarow (KI), Losowski (Generalsekretär der RGI), Zetkin (KPD) und je ein Repräsentant der KPF und CGTU gewählt. Brandler gab einen Bericht über die Lage in Deutschland. Die Konferenz nahm eine Aufruf "Arbeiter alle Länder!" an, in dem es u. a. heißt:

"Arbeiter, Arbeiterinnen! Unter Leitung des [von der Konferenz eingesetzten] internationalen Aktionsausschusses schließt euch über alle Länder- und Parteigrenzen hinweg zusammen: um die drohende Kriegsgefahr niederzuschlagen; um die Räumung des Ruhrgebiets wie aller besetzten deutschen Gebiete durch die imperialistischen Räuber zu erzwingen; um den Versailler Raubvertrag zu liquidieren; um den verschärften Angriff des Kapitals auf eure Existenz siegreich abzuschlagen."

(Cf. Heinz Köller: Kampfbündnis an der Seine, Ruhr und Spree; Rütten & Loening, 1963;. S. 56 ff und S. 170 ff. Die beiden Aufrufe sind abgedruckt in: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hg.): Zur Geschichte der Kommunistischen Partei Deutschlands; Berlin, Dietz, 1955.)

[6]. In Sachsen wurde am 21. März 1923 eine nur aus SPD‑Vertretern bestehende Landesregierung mit Erich Zeigner (SPD) als Ministerpräsident gebildet. Die SPD war im Landtag in Minderheit, die Regierung wurde aber von der KPD unterstützt. Am 10 Oktober 1923 traten zwei Vertreter der KPD (Fritz Heckert und Paul Böttcher) in die Regierung ein.

[7]. Cf. Fußnote 3.