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Ernst Thälmann

Rede auf dem außerordentlichen Parteitag der USPD in Halle

12. Oktober 1920

 

 

 

Quelle:

USPD, Protokoll über die Verhandlungen des außerordentlichen Parteitages in Halle vom 12. bis 17. Oktober 1920. S. 50‑52.

Andere Quelle:

Ernst Thälmann: Reden und Aufsätze zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung - Band 1 - Juni 1919‑November 1928. Berlin, Dietz, 1956[1].

 

 

 

 

 

 

Erstellt: Januar 2013

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KPD 1918-1945 - Inhalt

 

 

 

 

 

 

Genossen und Genossinnen! Bevor ich auf den Geschäftsbericht eingehe, will ich dem Parteitag folgenden Antrag der Hamburger Kollegen unterbreiten:

Der Parteitag der USPD fordert die Zentralleitung und die Reichstagsfraktion auf, sofort Schritte einzuleiten, die notwendig sind, um die brutale Ausweisung der russischen Gewerkschaftsdelegierten rückgängig zu machen. Der Parteitag der USPD sieht in dem Verhalten der Regierung eine freche Provokation gegenüber dem deutschen Proletariat.

Es erübrigt sich wohl, des längeren darüber zu diskutieren. Ich halte es für selbstverständlich, daß die Reichstagsfraktion und die Zentralleitung, wenn es noch nicht geschehen ist, sofort Schritte einleitet, damit die Regierung unter allen Umständen von der Forderung Abstand nimmt, daß die russischen Gewerkschafter am 14. Oktober den deutschen Boden verlassen.

Wenn Genossin Zietz in ihrem Geschäftsbericht von den gewaltigen Aufgaben spricht, die die USPD dem Proletariat gegenüber zu erfüllen hat, so wird es zweckmäßig sein, vollständige Klarheit darüber zu schaffen, wo in politischen und wirtschaftlichen Kämpfen die USPD und einzelne ihrer führenden Persönlichkeiten ihre Pflicht und Schuldigkeit nicht getan haben. In den Kapp-Tagen haben die rechtsstehenden führenden Persönlichkeiten die Massen und die Genossen der USPD in dem Kampf der von der Hamburger Arbeiterschaft geführt wurde, gehemmt. Ich stelle ausdrücklich fest, daß die Genossen Bergmann und Kaiweit gemeinsam mit Vertretern der Deutschen Demokratischen Partei und der rechtssozialistischen Partei in einen Vollzugsausschuß eintraten; anstatt entsprechend dem Willen der Massen die Bewaffnung des Proletariats vorzunehmen, unternahmen sie den Versuch, das Proletariat an seiner Bewaffnung zu hindern. Wir haben Maßnahmen ergriffen, damit gleich nach den Kapp-Tagen innerhalb der Partei vollständige Klarheit und Reinheit geschaffen wird. Und wenn wir heute das Resultat zu verzeichnen haben, daß bei der Urwahl im Bezirk Wasserkante 14 573 Stimmen für die Bedingungen[2] abgegeben wurden und nur 478 Stimmen dagegen, so ist das selbstverständlich der Mitgliedschaft und denjenigen Genossen der USPD zu verdanken, die bereits damals Maßnahmen gegen solche Genossen in der Partei ergriffen, die heute auf das allerschärfste gegen die Befürworter der Bedingungen vorgehen. Ich stelle ausdrücklich fest, daß wir im Laufe der Zeit, nach dem Kapp-Putsch, in allen Instanzen vollständige Klarheit und Reinheit geschaffen haben. Wir sind dazu übergegangen, die Instanzen in der Genossenschaft der "Volkszeitung", die Pressekommission, den Parteivorstand so zusammenzusetzen, wie es hier von seiten der Linken sowohl wie der Rechten zum Ausdruck kam und als Notwendigkeit erkannt würde. In dem Aufruf, der in der Zeit des Reichstagswahlkampfes von der Zentrale herausgegeben wurde und auf den bereits Genosse Koenen hingewiesen und erklärt hat, daß wir damit nicht einverstanden waren ‑, heißt es, die USPD stelle sich auf den Standpunkt, daß wir die Versailler Friedensbedingungen anerkennen und uns dafür einsetzen sollen, sie einzuhalten. Wir haben uns bereits damals dagegen gewandt und auch im Wahlkampf in jeder Beziehung eine Politik verfolgt, die uns, wie Crispien zum Ausdruck brachte, nicht mit den KPD-Leuten in irgendwelchen Beziehungen in Konflikt bringen konnte. Wenn sich in den meisten Teilen Deutschlands der Kampf zwischen der KPD und der USPD in schärfster Weise abgespielt hat, so beweisen gerade die Zusammensetzung des heutigen Parteitages und auch die Streitigkeiten in der letzten Zeit in der Parteipresse der USPD, daß die KPD eine Berechtigung dazu hat. Als die Zentrale kurz vor Eröffnung des Reichstags ein Schreiben an die Bezirksleitungen richtete, um Auskunft zu erhalten, wie sich die einzelnen Bezirksleitungen zu der Frage des Eintritts in eine sozialistische Regierung stellen, sandten wir bereits am 5. Juli folgendes Antwortschreiben an die Zentrale:

Der Satz: "In eine sozialdemokratische Regierung werden die Unabhängigen Sozialdemokraten nur dann eintreten, wenn sie in ihr die Mehrheit haben und ihr Programm die Grundlage der Regierungspolitik bildet", gibt Anlaß zu Mißverständnissen. Der Begriff sozialdemokratische Regierung erscheint uns unklar. Wir nehmen an, daß es sich nach den bisherigen Veröffentlichungen über die Frage der Regierungsbildung um einen Druckfehler für sozialistische Regierung handelt. Selbst dieses als richtig unterstellt, bleibt immer noch die Frage, ob wir uns an einer solchen Regierung auf parlamentarischer Grundlage beteiligen könnten. Das ist in dem Schreiben vom 10. Juni unklar geblieben. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß es auf Grund unseres Aktionsprogramms in der gegenwärtigen Situation keine Möglichkeit geben kann, in eine parlamentarische sozialistische Koalitionsregierung einzutreten. Eine sozialistische Regierung kann für uns erst das Resultat erfolgreicher revolutionärer Aktionen sein. Eine parlamentarische sozialistische Regierung in der gegenwärtigen Situation wäre entweder verdammt, bürgerliche Politik zu machen oder den Entscheidungskampf um die Macht zu entfesseln. Dieser Kampf kommt auch, ohne daß wir uns an einer solchen Regierung beteiligen. Eine Regierung auf parlamentarischem und Koalitionsgrunde wäre sofort kompromittiert und dadurch auch unsere etwa daran beteiligte Partei. Das würde die eigentlichen Ziele des Kampfes verwischen, die nicht sein könnten, diese Regierung als solche zu stützen, sondern nur die proletarische Diktatur zu errichten. Es steht fest, daß durch diese Formulierung des Standpunktes des Zentralkomitees in die Reihen unserer Mitglieder schon jetzt Verwirrung und Unklarheit hineingetragen worden ist.

Wir haben also zum Ausdruck gebracht, daß bereits damals über die Frage der sozialistischen Regierung bei uns eine andere Auffassung herrschte als im Zentralkomitee.

Über das Referentenmaterial möchte ich auch kurz meinen Standpunkt präzisieren. Ich habe aus dem Referentenmaterial entnommen, daß es sehr unzuverlässig und auch etwas mager ist. ‑ Der "Sozialist" gefällt uns ganz und gar nicht, und in seiner heutigen Aufmachung müssen wir ihn aufs äußerste bekämpfen. Und wenn zum Beispiel Genosse Breitscheid in einem Artikel Simons, den Minister des Äußeren, als einen weißen Raben bezeichnete, so glaube ich, wird der ganze Parteitag den Standpunkt des Genossen Breitscheid in keiner Beziehung unterstützen. Aus dem Kampf der Hamburger Organisation mit der Zentrale ist Ihnen ja bereits bekannt, daß unser Standpunkt in Hamburg nicht mit dem Standpunkt der Zentrale konform ging. Wir haben uns aber durchgefochten bei allen Fragen. Selbst als die Zentrale dazu überging, uns Schwierigkeiten zu machen, haben wir den Kampf durchgesetzt, und wir haben heute zu verzeichnen, daß bei einer eventuellen Spaltung der Partei sich bei uns die Sache schmerzlos vollziehen wird.

Die wankelmütige Politik, die in der letzten Zeit innerhalb der USPD eingeschlagen wurde und in geradezu demagogischer Weise von einzelnen Führern in der Presse und bei den sonstigen Auseinandersetzungen ausgetragen wurde, mußte dazu führen, daß das Proletariat Deutschlands mit einem gewissen Mißtrauen auf eine solche Partei sehen mußte. Wenn in einer revolutionären Partei, die die Revolution will und die die Aktion der Massen vorzubereiten hat, in den einzelnen Instanzen nicht vollständige Klarheit herrscht, dann ist sie vorweg schon in ihrer Aktivität lahmgelegt. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß die in Frage kommenden Instanzen zum mindesten in der grundsätzlichen Auffassung einig sein müssen. Wenn Genosse Ludwig darauf hinwies, daß das Fundament unserer Partei vermodert, verrottet und vermorscht ist, und wenn er glaubt, das damit beweisen zu können, daß 206 000 Mark erst jetzt an die Zentrale abgeführt worden sind, so stimmt das nicht. Ich frage verschiedene Bezirke, ob sie nicht auf Grund des Wahlkampfes ihre ganzen verfügbaren Gelder haben opfern müssen, und wenn die Genossen in der letzten Zeit genau wie in Hamburg, wo wir 31 000 Mark aufbrachten, diesen Opfermut bewiesen haben, so deshalb, weil wir es im Interesse der großen Sache bezahlen müssen. Wir haben es nicht getan, um die Zentrale in ihrer heutigen Zusammensetzung finanziell zu unterstützen, sondern weil uns dieser Parteitag vor eine eminent wichtige Entscheidung stellt. Und da war es wichtig, daß wir im Interesse des revolutionären Proletariats, im Interesse der USPD unsere Vertreter entsenden, um durchzusetzen, was im Interesse des deutschen und des gesamten internationalen revolutionären Proletariats notwendig ist, um zu unserem Ziel zu kommen.

 

 

 

 

 



[1]. Cf. http://www.deutsche-kommunisten.de/Ernst_Thaelmann/Band1/thaelmann-band1-006.shtml.

[2]. Es handelt sich um die 21 Aufnahmebedingungen der Kommunistischen Internationale, die am 6. August 1920 vom 2. Kongreß der Kommunistischen Internationale bestätigt wurden.