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13. Plenum des Exekutivkomitees
der Kommunistischen Internationale
(Dezember 1933)

Wilhelm Pieck
Bericht: Der Faschismus in Deutschland

Dezember 1933

 

 

Quelle:

Wilhelm Pieck: Wir kämpfen für ein Rätedeutschland - Der revolutionäre Kampf der deutschen Arbeiterklasse unter Führung der Kommunistischen Partei Deutschlands gegen die faschistische Diktatur (Bericht auf dem Plenum des EKKI im Dezember 1933, über die Tätigkeit der Kommunistischen Partei Deutschlands). Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter in der UdSSR, Moskau-Leningrad, 1934 [1].

 

 

 

 

 

 

Erstellt: November 2016

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Dokumente der Kommunistischen Internationale ‑ Übersicht

 

 

 

 

 

 

I. Einleitung

Vor acht Monaten, unter den Verhältnissen der außerordentlichen Verschärfung der politischen und wirtschaftlichen Lage in Deutschland, übergab die deutsche Bourgeoisie die Verwirklichung der offenen faschistischen Diktatur an Hitler und seine “nationalsozialistische” Partei. Die acht Monate des Bestehens der Blut- und Hungerregierung Hitler-Goering[2]-Goebbels haben im vollen Umfange bestätigt, daß die brutale, hemmungslose faschistische Diktatur keine einzige politische und wirtschaftliche Frage des heutigen Deutschland zu lösen vermag [...] Es beginnt ein neuer Aufschwung der revolutionären Massenbewegung in Deutschland [...][3]

Mit diesen Worten hat das Polbüro des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Deutschlands in seiner Entschließung vom 10. Oktober[4] die Lage und Entwicklung in Deutschland charakterisiert. Die Entwicklung in Deutschland bestätigt jeden Tag die von uns gegebene Schilderung, die auf der marxistisch-leninistischen Analyse der Verhältnisse der Klassenkräfte basiert. Der Marxismus ist die mächtige, unzerstörbare Waffe des Klassenkampfes des Proletariats. Die Hitlerbande, die heute in Deutschland regiert, hat aus den großen wissenschaftlichen Werken der Begründer des Marxismus Scheiterhaufen errichtet. Aber ausgerüstet mit der Waffe des Marxismus-Leninismus mobilisiert die kommunistische Avantgarde des deutschen Proletariats unter den Schwierigkeiten eines unerhörten faschistischen Terrors die Massen für die proletarische Revolution, für die wahre Volksrevolution, und schafft die Voraussetzungen für den Sturz des Faschismus und für die Errichtung der Diktatur des Proletariats.

Der deutsche Faschismus gibt dem ganzen kapitalistischen Europa das Gepräge. Der Ausbruch der deutschen Revolution wird mit um so gewaltigerer Kraft den revolutionären Sturm über ganz Europa jagen. Darin besteht die große geschichtliche, internationale Bedeutung des opfermutigen Kampfes der deutschen Kommunistischen Partei.

Als vor zehn Monaten die Bourgeoisie dem Faschismus die Regierungsmacht übergab, bestand für sie die Gefahr, daß die konterrevolutionären Kräfte durch die Kräfte der Revolution überholt würden. Das deutsche Proletariat zeigte in den Streikkämpfen seine große Kraft. Dadurch wurde die deutsche Bourgeoisie in ihrem Entschluß bestärkt, den Versuch zu machen, ihre Herrschaft durch die Niederwerfung der Arbeiterklasse, durch die reaktionärste, offene faschistische Diktatur der “nationalsozialistischen” Hitlerpartei zu sichern.

"In Geldfragen ist kein Raum für Sentimentalitäten" ‑ das war die Kampfparole der deutschen Bourgeoisie 1848, von ihrem liberalen Minister Hansemann verkündet. "Unter diesen Verhältnissen ‑ sagte Karl Marx ‑ mußte sich unbedingt die Herrschaft der Bourgeoisie in Terrorismus verwandeln."

Aber weder der härteste Terror der Faschisten, der Deutschland in eine Blutstätte und in ein Zuchthaus für die Werktätigen umgewandelt hat, noch ihre betrügerische Demagogie konnten den Hunger der Arbeiter stillen, den Erwerbslosen Arbeit geben, die Millionen Werktätigen aus der Schlinge der Krise, aus der Unsicherheit und dem Elend ihres Lebens erlösen. Die Revolutionierung der Massen geht vorwärts. Die Demagogie der Faschisten wird zerschlagen durch die ernsten Ereignisse des täglichen Lebens. Die “nationale Front”, die angebliche Herstellung der sogenannten “Einheit” der Klassen, der Bourgeoisie und des Proletariats, die verkündet war an allen Toren der faschistischen Kasernen und Gefängnisse ‑ wo ist sie? Die “nationale Revolution” ist bankrott, die Hitlerregierung führt Deutschland in die Katastrophe. Unter der Herrschaft des Faschismus ist Deutschland zu einer steten Gefahrenquelle des imperialistischen Krieges in Europa geworden. Die Hitlerregierung anerkennt die Grenzen des Versailler Raubvertrages, rüstet aber mit aller Macht zum Kriege und will das deutsche Volk als Landsknecht für den konterrevolutionären Feldzug der Weltbourgeoisie gegen das einzige freie Land der Werktätigen, gegen die Sowjetunion, gebrauchen.

Auch die Weimarer Demokratie ist gestorben. Kein Arbeiter rührte sich zu ihrer Verteidigung. Die schandbare sozialdemokratische Politik in den 15 Jahren seit der Novemberrevolution hat nicht nur der faschistischen Diktatur den Weg geebnet, sondern auch den Schleier von der parlamentarischen Diktatur der Bourgeoisie gerissen.

So verlor diese verächtliche Versammlung seihst die letzte Spur von Ansehen; die Aufständischen, die sich für sie erhoben hatten, hörten auf, sich um sie zu kümmern, und als sie schließlich zu einem schmählichen Ende kam, [...] starb sie, ohne daß irgend jemand ihren ehrenlosen Abgang beachtet hätte. (Marx-Engels: "Revolution und Konterrevolution in Deutschland".)

Diese Worte von Marx und Engels, die sie über den Zusammenbruch der Nationalversammlung von 1848 schrieben, sind eine treffende Kennzeichnung der Weimarer Demokratie. Die Sozialdemokratie erfüllt heute ihre Aufgabe als soziale Hauptstütze der Bourgeoisie dadurch, daß sie versucht, einen Damm gegen die neue Welle des revolutionären Aufschwungs aufzurichten, indem sie die Spaltung der Arbeiterklasse aufrechterhält. Der Führer der deutschen Sozialdemokratie, Wels, erklärte auf der Pariser Konferenz der 2. Internationale: "Es kann nicht die Aufgabe des großen Freiheitskampfes sein, aus der faschistischen Hölle in das bolschewistische Zuchthaus zu gelangen[5]." Diese Sozialdemokratie von Wels und Noske, Löbe und Scheidemann, die im Jahre 1918/19 die proletarische Revolution abwürgte, die die Begründer der Kommunistischen Partei Deutschlands Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg meuchlings ermorden ließ, die vor zehn Jahren die Kommunistische Partei verbot, um der Bourgeoisie zu helfen ‑ diese Sozialdemokratie steht auch heute im Dienste des verfaulenden Kapitalismus gegen die werktätigen Massen Deutschlands.

Aber die Lage ist heute ganz anders als vor 15 Jahren, als die Kommunistische Partei Deutschlands erst gegründet wurde, noch keine Massenorganisation und ungenügend bolschewisiert war. Trotz der schwersten Illegalität, trotz der brutalsten Verfolgungen steht die Kommunistische Partei in eiserner, einheitlicher Kampfentschlossenheit an der Spitze der Millionen Werktätigen, die gegen den Faschismus kämpfen. Der revolutionäre Aufstand der deutschen Arbeiterklasse ‑ das ist die Perspektive in Deutschland. Die Kommunistische Partei ist die einzige Kraft, unter deren Führung die proletarische Revolution in Deutschland verwirklicht werden wird.

Der Kommunismus wird den Faschismus in Deutschland besiegen!

II. Ein neuer revolutionärer Aufschwung wächst heran

Die gegenwärtige Situation in Deutschland wird durch das Heranwachsen eines neuen Aufschwungs der revolutionären Massenbewegung unter Führung der Kommunistischen Partei gekennzeichnet.

Wenn die deutsche Bourgeoisie vor zehn Monaten der Hitlerpartei die Regierungsmacht mit der zentralen Aufgabe übertrug, durch die Aufrichtung der offenen faschistischen Diktatur die Kommunistische Partei und die von ihr geführte revolutionäre Arbeiterbewegung niederzuschlagen, so steht heute schon fest, daß Hitler die Durchführung dieser zentralen Aufgabe nicht gelingt. Dem Versuch des Monopolkapitalismus, des Finanzkapitals und des Junkertums, durch eine gesteigerte Ausbeutung und Ausplünderung der werktätigen Massen und durch die Vorbereitung des Krieges mit Hilfe der Hitlerdiktatur den kapitalistischen Ausweg aus der Krise zu finden, steht der rasch wachsende Widerstandswille der Massen entgegen, der sehr schnell gewaltige Massenkämpfe gegen die Hitlerdiktatur auslösen kann. Die Hitlerregierung begann die Durchführung der ihr übertragenen Aufgaben mit dem Bürgerkrieg und einem unerhörten Terror gegen die revolutionäre Arbeiterschaft, besonders gegen die Kommunistische Partei, die sie damit zu vernichten glaubte. Prahlerisch wie Hitler ist, erklärte er in seiner Eröffnungsrede des im März 1933 gewählten Reichstages, daß es ihm gelungen sei, die KPD in Atome zu zersplittern. Der Lügenpropagandachef der Hitlerregierung, Goebbels, suchte seinen Chef noch zu übertreffen mit der Erklärung: "In 50 Jahren wird kein Mensch auf der Welt mehr wissen, daß es überhaupt je einen Marxismus gegeben hat. Die Weltidee des Faschismus wird marschieren und die KPD für immer erledigt sein."

Die Tatsachen in Deutschland reden eine andere Sprache. Wohl konnte die Hitlerregierung hunderttausend revolutionäre Arbeiter in die Konzentrationslager werfen und tausende bestialisch foltern, zu Tode quälen und ermorden, wohl konnte sie die KPD in die Illegalität drängen, aber die revolutionäre Bewegung, die KPD, konnte sie nicht vernichten. Die KPD lebt. Ihr Einfluß auf die werktätigen Massen wächst in schnellem Tempo. Sie organisiert die Massenkämpfe gegen die Hitlerdiktatur. Ein neuer revolutionärer Aufschwung wächst heran. Die Wirtschaftskrise geht weiter. Die Voraussetzungen der revolutionären Krise steigen. Deutschland marschiert der proletarischen Revolution entgegen.

1. Der wachsende Widerstand der Arbeiterklasse

Um die Elemente des Wachstums der revolutionären Kräfte zu begreifen, um zu verstehen, daß sich die gegenwärtigen Kampfhandlungen der Arbeiterklasse und vor allem die Streiks auf einer ganz anderen, wesentlich höheren Stufe der Reife der Klassenbewegung, ihrer Revolutionierung, ihrer Organisiertheit bewegen, ist es erforderlich, den Prozeß des allmählichen Heranwachsens der revolutionären Klassenkräfte zur Überwindung der faschistischen Diktatur aufzuzeigen.

Mit der Machtübernahme Hitlers und durch die Verhinderung des Generalstreiks am 31. Januar durch die Sozialdemokratie wurde die revolutionäre Kampfbewegung keineswegs gebrochen. Es bestand für die Bourgeoisie nach wie vor die Gefahr der Überholung der konterrevolutionären Kräfte durch die Kräfte der proletarischen Revolution. Die bisher angewandten faschistischen Methoden des Terrors und des Betruges erwiesen sich als ungenügend. Es bedurfte eines bis zum Gipfelpunkt gesteigerten Terrors und der Organisierung einer Pogromstimmung gegen die revolutionäre Vorhut, um den Versuch zu einem entscheidenden Schlag zu machen. Das ist die eigentliche Ursache, die den Hitler, Goering und Goebbels die Brandfackel zur Reichstagsbrandstiftung in die Hand zwang. Tausende Arbeiter, Parteimitglieder und Funktionäre wurden verhaftet, fast zu Tode geprügelt. Hunderte wurden ermordet, Tausende von Arbeitern mußten Wohnung und Familie verlassen und in die Illegalität gehen. Eine starke Depression, noch besonders gefördert durch die Sozialdemokratie, verbreitete sich im Lager der Arbeiterklasse. Hätte das deutsche Proletariat in dieser Situation nicht die Kommunistische Partei gehabt, die sich keinen Augenblick beirren ließ und unerschrocken die Kampfstellung gegen den Faschismus hielt, so hätte der Faschismus triumphiert, es hätte keine schnelle Überwindung der Depression, keine neue Sammlung der Kräfte, keinen neuen Vormarsch, keinen Ansatz zum revolutionären Aufschwung gegeben- Der Absturz der deutschen Arbeiterbewegung in den Sumpf der Verzweiflung wäre erfolgt. Die Partei setzte sofort mit einem scharfen Kampf gegen die sozialdemokratische Sumpfideologie ein, daß das Proletariat eine entscheidende Niederlage durch den Faschismus erlitten hätte. Sie kämpfte gegen die von der Sozialdemokratie hervorgerufene Stimmung des Abwartens, daß Hitler sich abwirtschaften solle, und stellte offen vor den Massen die Frage der Organisierung des Kampfes. Sie kämpfte gegen das Überlaufen von Arbeitern in die faschistische Betriebsorganisation und trat allen Tendenzen, die auf eine Auflösung der revolutionären Massenorganisationen gerichtet waren, scharf entgegen. Vor allem kam es der Partei darauf an, die klassenbewußten Arbeiter zur Entfaltung der äußersten Selbstinitiative von unten zu veranlassen. Die revolutionäre Vorhut und die Kommunistische Partei der deutschen Arbeiterklasse haben in dieser Zeit ihre Feuerprobe bestanden. Die Partei erhielt bei den Reichstagswahlen am 5. März trotz der Ungültigkeitserklärung ihrer Listen, aus der die Sozialdemokraten Nutzen zu ziehen versuchten, und trotz des Brandstiftungspogroms und des Terrors 5 Millionen Stimmen. Bei den Betriebsrätewahlen im Monat März erhielten wir in einer Reihe von Großbetrieben 39 Prozent aller Stimmen. In einer großen Anzahl von Betrieben vermochten wir Streiks gegen die Maßregelung roter Betriebsräte auszulösen. Mitte März erschien zum erstenmal illegal das Zentralorgan der Partei, die "Rote Fahne". Obwohl durch den Terror zahlreiche Verbindungen der Bezirksleitungen mit den unteren Parteieinheiten abgerissen waren, wurden im ganzen Lande von den kommunistischen Arbeitern und Funktionären aus eigener Initiative Agitationsmaterial, Losungen und Kampfrufe sowie Appelle zur Einheitsfront herausgegeben und mit Unterstützung sozialdemokratischer und parteiloser Arbeiter verbreitet. Die Partei wuchs in diesen Tagen und Wochen auch im Bewußtsein ihr noch fernstehender Arbeiterschichten zur eisernen Kohorte der Revolution. Hier zeigten sich die Erfolge der zielklaren Führung der Partei durch den Genossen Thälmann in der Verwurzelung der Partei in den Massen, durch die es auch dem wütendsten Terror der Faschisten nicht gelang, die Partei von den Massen zu isolieren. Das war auch das Ergebnis der großen Hilfe, die die Komintern uns bei der Bolschewisierung unserer Partei geleistet hat. Hier erwies sich die Bedeutung des Leninschen Organisationsprinzips und der 21 Bedingungen der Kommunistischen Internationale, die das Eindringen opportunistischer und kleinbürgerlicher Elemente verhinderten und die besten Elemente der Arbeiterklasse in der Kommunistischen Partei vereinigten. Und nicht zuletzt war dieses Ergebnis die Auswirkung der großen Erfolge des sozialistischen Aufbaus in der Sowjetunion, der grandiosen Leistungen der Stoßbrigaden, die den Arbeitern die Kraft der proletarischen Klasse zeigen, an der sie sich- wieder aufrichten und alle Widerstände überwinden. Die revolutionäre Standhaftigkeit der Vorhut und der revolutionären Partei der deutschen Arbeiterklasse war die entscheidende Ursache für die verhältnismäßig schnelle Überwindung der Depression und für das Heranreifen eines neuen revolutionären Aufschwungs unter der Führung der Kommunistischen Partei.

2. Neue Methoden des Klassenkampfes

Die Tatsache, daß es der Hitlerregierung auch durch den schärfsten Terror nicht gelang, die revolutionäre Bewegung niederzuschlagen, und die durch die sozialdemagogische Phraseologie in den Massen geförderten antikapitalistischen Stimmungen zwangen die Hitlerregierung, den sozialen Betrug der Massen in der ersten Etappe weiter fortzusetzen. Das geschah durch die Verkündung der zwei Vierjahrespläne zur angeblichen Liquidierung der Erwerbslosigkeit und zur Rettung des deutschen Bauern, durch den antisemitischen Boykottag, durch die Einsetzung von Betriebskommissaren und durch die zeitweilige Duldung sogenannter “Eingriffe von unten”. Den Arbeitern wurde in Reden erklärt, daß die Fabrik des Kapitalisten auch die Fabrik der Arbeiter sei, die Werkbank auch ihre Werkbank. Damit wollte die Hitlerdiktatur Zeit zur Festigung ihres Staatsapparates gewinnen. Die Partei stellte ihre Taktik und die Methoden des Kampfes darauf ein, diesen sozialen Betrug der Hitlerregierung vor den Massen dadurch zu entlarven, daß sie an diese antikapitalistischen Stimmungen der Massen anknüpfte. Dabei nutzten wir die legalen Möglichkeiten innerhalb der faschistischen Organisationen, die nationalsozialistischen Betriebszellen, die von den Nazis veranstalteten Versammlungen der "Deutschen Arbeitsfront"[6], die zwangsmäßig eingesetzten Betriebsvertretungen und -kommissare dazu aus, daß sie unter dem Drucke der Arbeiter Forderungen nach Erhöhung der Löhne und Akkordsätze, nach Freilassung verhafteter Betriebsräte stellen mußten. In zahlreichen Betrieben wurden nach dem 1. Mai von unseren Genossen Betriebsbewegungen für die ursprünglich versprochene Bezahlung des ausgefallenen Arbeitstages durch die Unternehmer und für die Entlassung mißliebiger Meister und Direktoren entfesselt. Unter diesem Massendruck wurde die NSBO[7] sogar in einigen Fällen gezwungen, die vorübergehende Verhaftung einiger Betriebsführer zu veranlassen. In den Versammlungen der gleichgeschalteten Gewerkschaften -wurden Forderungen nach Neuwahl der Betriebsvertretungen, nach Herabsetzung der Mitgliedsbeiträge, nach Lohnerhöhung, nach Diskussionsfreiheit gestellt. Vielfach wurden dadurch die Gewerkschaftsversammlungen unter Führung der Kommissare gesprengt, so daß die Kommissare irgendwelche Diskussionsreden überhaupt nicht mehr zuließen. Auch gelang es uns in vielen Fällen, die Wahl von Lohn- und Verhandlungskommissionen durchzuführen und zu erreichen, daß die in diese Kommissionen gewählten NSBO-Funktionäre mit ihren oberen Organisationsleitungen in Widerspruch gerieten. Durch unsere Initiative wurden in verschiedenen Städten sogar Funktionäre der NSBO veranlaßt, die Verwirklichung der gemachten Versprechungen auf “Sozialisierung” ganzer Industriezweige zu fordern, was natürlich von den Naziführern abgelehnt wurde. Auch durch Ausnützung dieser Maßnahmen gelang es uns, wieder eine Streikbewegung in Fluß zu bringen, so daß im April 60 und im Mai 58 Streiks geführt wurden. Den Höhepunkt bildete der Streik in den Berliner Zeitungsdruckereien[8], wobei sogar die Druckerei des nationalsozialistischen "Angriff" stillgelegt wurde. Gefordert wurde von den Arbeitern der Abbau der Gehälter der Direktoren, Rückgängigmachung des im Vorjahre durchgeführten 10‑prozentigen Lohnraubes, Entlassung der oberen Angestellten, die aus Mitgliedern der NSDAP bestanden. Von der faschistischen Führung wurde versucht, den Streik durch eine Hetze gegen die kleinen jüdischen Angestellten auf ein falsches Geleise zu bringen. Ausgehend von dieser Methode der Mobilisierung der Arbeiter zum Kampf im Betrieb unter Anlehnung an die von den Nazis gemachten Versprechungen und Ausnutzung der legalen Möglichkeiten in den faschistischen Organisationen, versuchten wir, die selbständige Kampforganisierung mit selbständigen Klassenforderungen zur Hauptmethode zu machen. Bei der Ausnützung der ersten Methode bestand die Gefahr, daß unsere Partei- und RGO-Einheiten dem praktischen Opportunismus zum Opfer fielen, daß das Gesicht der Partei zurücktrat, daß die Kämpfe nicht zur grundsätzlichen Diskreditierung des Faschismus und zur Stärkung der revolutionären Einheitsfront als der einzigen Kraft gegen die Sozialreaktion dienten. Sie gestattete der NSBO, gewisse Betrugsmanöver durchzuführen.

Ich will dafür nur ein krasses Beispiel anführen: In einem Großbetrieb forderte die Belegschaft auf Betreiben unserer Genossen eine 20-prozentige Lohnerhöhung. Für die Verhandlungskommission wurde auch ein Genosse vorgeschlagen, der aber ablehnte. Infolgedessen bestand die Kommission nur aus NSBO-Funktionären, die eine 10-prozentige Lohnerhöhung bei der Direktion erreichten. Während ein SA-Mann in der Versammlung die Durchführung der 20-prozentigen Lohnerhöhung forderte, schwieg unser Genosse, der gerade an der Organisierung der Bewegung großen Anteil hatte. Bei einer nochmaligen Verhandlung mit der Direktion wurde eine Lohnerhöhung von 15 Prozent erreicht. Die Folge des Versagens unserer Genossen war, daß fast die ganze Belegschaft in die NSBO eintrat. In der ersten Zeit der Hitlerdiktatur traten eine Anzahl RGO-Gruppen in die NSBO über, und zwar mit der Absicht, dort revolutionäre Arbeit zu leisten. Aber diese Übertritte führten mehr zur Diskreditierung unserer Bewegung, vor allem, wenn es sich dabei um führende Betriebsfunktionäre handelte. In einer größeren Industriestadt ließ sich eine revolutionäre Sportorganisation von den Faschisten mit der Motivierung gleichschalten, dadurch in dem Besitz ihrer Materialien bleiben zu können. Es waren hervorragende Sportler, die bei einer faschistischen Sportveranstaltung die ersten Preise erlangten, und sie freuten sich, daß sie unter der Maske der Gleichschaltung ihr politisches Vereinsleben weiterführen und im Rahmen der Gesamtorganisation revolutionäre Aufklärungsarbeit betreiben könnten. Wir haben den Genossen zum Bewußtsein gebracht, daß eine solche Methode unmöglich ist, daß wir aber selbstverständlich eine beharrliche Zersetzungsarbeit in den faschistischen Massenorganisationen durch Entsendung zuverlässiger Genossen führen müssen. Dieses Wiederaufleben der Streikbewegung und der sonstigen Teilkämpfe in den Betrieben war das Ergebnis der kühnen Aufklärungs- und Kampfesarbeit unserer Genossen in den unteren Organisationen der Partei, die dafür sehr geschicktes Agitationsmaterial (Betriebszeitungen, kleine Flugblätter, Handzettel, Beschriftungen, Losungen etc.) herausgab. Aber diese Agitation stützte sich doch im wesentlichen auf die Entlarvung des klaffenden Widerspruches zwischen den Versprechungen und der praktischen Politik der Faschisten. Es fehlte die Aufklärung über den Zusammenhang der Teilangriffe der Faschisten gegen die Arbeiter mit ihrer Katastrophenpolitik, es fehlten die operativen Anweisungen zur Organisierung der Kämpfe, die Weckung des Willens zur Macht, die klare Perspektive der Unvermeidlichkeit unseres Sieges, die Propagierung unserer Endziele. Aber trotz dieser Mängel haben die zahlreichen Teilbewegungen doch sehr wesentlich zum beschleunigten Heranreifen einer neuen Welle des revolutionären Aufschwungs beigetragen.

3. Revolutionäre Kampforganisierung zerschlägt die faschistischen Betrugsmanöver

Durch das Ansteigen der Kampfbewegung wurde die Hitlerregierung gezwungen, ihre sozialdemagogischen Betrugsmanöver gegenüber den Massen einzuschränken. Hitler erklärte die "nationale Revolution" als beendet, die kleinen Betriebskommissare wurden ihres Postens enthoben und selbständige Eingriffe in die Unternehmergewalt durch die Arbeiter wurden mit Entlassung und Konzentrationslager beantwortet. Die Kommandogewalt des Unternehmers wurde gestützt durch die Ernennung von "Treuhändern"[9] zur Regelung der Arbeitsstreitigkeiten, die mit Polizeigewalt den Willen des Unternehmers durchsetzen. Der Wirtschaftsminister Schmitt verkündete Anfang Juli das Rentabilitätsprinzip der kapitalistischen Wirtschaft[10], daß also nur der Profit des Unternehmers maßgebend sei. Es erfolgte die feierliche Erklärung der Unantastbarkeit des Großbesitzes und des Warenhauskapitals. Die gewerblichen Kampfbünde der Handwerker und kleinen Händler wurden aufgelöst. Die sozialbetrügerische Demagogie beginnt ihre Wirksamkeit zu verlieren, sobald es uns gelingt, die Massen in Bewegung zu setzen. Gegen die Arbeiterschaft wurde der gesteigerte Terror zur Unterdrückung ihrer Kampfbewegung eingesetzt. Sechs mutige, kühne revolutionäre Kämpfer, unter ihnen der unvergeßliche, noch auf dem Schafott sich zur Revolution bekennende August Lütgens[11] aus Altona, wurden von der Hitlerregierung hingerichtet.

4. Vorwärts zur selbständigen Kampforganisierung!

Für die Partei stand und steht die Hauptaufgabe, die antifaschistische Einheitsfrontaktion durch den Übergang von der Agitation zur breitesten Entfaltung von Aktionen auf eine höhere Stufe zu heben, in denen unsere Klassenforderungen und das Gesicht der KPD und RGO im Mittelpunkt stehen und durch die die ökonomischen Kämpfe zu politischen Streiks gesteigert werden. In dem Aufruf zur "Sozialistischen Freiheitsaktion"[12] und in dem "Offenen Brief an die sozialdemokratischen Arbeiter"[13] hat das Zentralkomitee unserer Partei die Grundlinie unserer Taktik der gegenwärtigen Phase aufgezeigt. An alle kommunistischen, sozialdemokratischen und christlichen Arbeiter, an alle Antifaschisten wurde die Forderung gerichtet: "Arbeiter Deutschlands, vereinigt euch zum Sturz der faschistischen Kapitalsdiktatur!" Als Kettenglied zur Heranführung der Massen an größere Kämpfe wurden fünf Tagesaufgaben gestellt: Kampf gegen die Sozialreaktion, gegen den Terror, gegen die chauvinistische Kriegshetze, gegen die Kriegsrüstungen, gegen die Vorbereitung des konterrevolutionären Krieges gegen die Sowjetunion. Anknüpfend an das Verbot der von faschistischen Anhängern propagierten Losung von der “Zweiten Revolution” heißt es in unserem Aufruf: "Mit der Einigung der Arbeiterklasse zum Kampf gegen die faschistische Diktatur marschiert die zweite Revolution, die proletarische Revolution, die bolschewistische Revolution, und erst sie wird Arbeit, Brot und Freiheit bringen."

5. Die Bedeutung der Streiks

Angesichts unserer entscheidenden Aufgabe, das Proletariat im Prozeß der politischen und wirtschaftlichen Teilkämpfe an entscheidende Klassenschlachten, an Generalstreik und bewaffnete Erhebung heranzuführen, ist der ökonomische und politische Streik, der Massenstreik, die entscheidende Kampfesform in der gegenwärtigen Periode. Der Berliner Verkehrsarbeiterstreik hat aufgezeigt, wie im Verlaufe dieses Kampfes die Arbeiterklasse unter revolutionärer Führung als Hegemon der werktätigen Massen auftritt, wie die von der Bourgeoisie erzeugte Konkurrenz unter den Arbeitern dahinschwindet und durch Solidarität, Selbstlosigkeit und Heroismus ersetzt wird, wie das Beispiel eines einzigen Massenstreiks in den Betrieben des ganzen Reiches zündet, wie der Druck der Staatsgewalt und des faschistischen Terrors seinen Schrecken zu verlieren beginnt, wie der ganze politische Überbaue der Bourgeoisie ins Wanken gerät. Jeder revolutionär geführte Streik in den Industriegebieten, in Berlin, im Ruhrgebiet, an der Wasserkante, muß deshalb die durch Terror und Lohnräuberei in den Betrieben angesammelte Unzufriedenheit, Erbitterung und Haß in eine große Kraftsteigerung des revolutionären Massenwillens verwandeln- Ich erinnere hier an die Worte Lenins, die er Anfang 1913 angesichts des neuen revolutionären Aufschwungs über die Bedeutung des Streiks als Mittel der allgemeinen Klassenmobilisierung schrieb:

Dieses Mittel ist der revolutionäre Streik, der hartnäckige, von der einen Ortschaft auf die andere, von dem einen Ende des Landes auf das andere übergreifende, sich wiederholende Streik ‑ der Streik, der die Rückständigen zu neuem Leben erweckt durch den Kampf um wirtschaftliche Verbesserungen. ("Die Entwicklung der revolutionären Streiks und Straßendemonstrationen", Bd. 16., S. 244, russ.)

6. Die Elemente des revolutionären Aufschwungs

Unter dem terroristischen Druck des Streikverbots und der Konzentrationslager ist es gegenwärtig in Deutschland sehr viel schwieriger, einen selbständigen Streik unter revolutionärer Führung mit revolutionären eindeutigen Klassenlosungen auszulösen und zu führen. Während in der ersten Zeit der faschistischen Diktatur sich ein Teil der Bewegungen der Arbeiter im Rahmen der sozialbetrügerischen Losungen und Manöver der nationalsozialistischen Organisationen bewegte, befinden wir uns heute in einer Zeit, wo jede selbständige Kampfbewegung der Arbeiterklasse auf den wütenden Widerstand der Staatsmacht und aller reaktionären Kräfte stößt. Aber das erhöht auch die außerordentliche Bedeutung einer solchen Kampfbewegung in bezug auf die Revolutionierung der Massen und die Erschütterung der faschistischen Diktatur. Es gibt in Deutschland noch wenig große Streiks, aber es gibt eine Fülle von Teilkämpfen mit vielfach sehr starkem, gegen die Nazis und gegen die Hitlerregierung gerichteten politischen Einschlag. Ich will dafür nur einige Beispiele aus den letzten Monaten anführen.

In verschiedenen Schachtanlagen des Ruhrgebiets versuchten die Direktion und die Naziführung einen Lohnabbau. Unsere Betriebszellen mobilisierten die Belegschaften durch Flugblätter. Und als der Anschlag des Lohnabbaus am Schwarzen Brett erschien, trat die gesamte Belegschaft in den Streik. In einigen anderen Zechen genügte die bloße Streikdrohung der Belegschaft, den angekündigten Lohnabbau zu verhindern. In Elberfeld wollten die Unternehmervertreter die Belegschaft zwingen, an einer Nazikundgebung teilzunehmen, aber zwei Drittel der Belegschaft verweigerten die Teilnahme. Im Autowerk Büssing in Hannover beschloß die Belegschaft, keinerlei Spenden mehr abzuführen. Viele Meldungen liegen darüber vor, daß sich die Belegschaften weigern, NSBO-Uniformen und Hakenkreuzfahnen zu kaufen. In Solingen legten die Schleifer in einem Betriebe dreimal an einem Tage die Arbeit nieder wegen der Lieferung von schlechtem Material. In einem Metallbetrieb am Niederrhein forderte auf Initiative der RGO die Belegschaft eine 20‑prozentige Lohnerhöhung. Der Unternehmer wollte nur 10 Prozent bewilligen, aber die Belegschaft erzwang durch passive Resistenz eine Lohnerhöhung von 15 Prozent. Als Anfang November auf den Schächten des faschistischen Staatsrates Thyssen die Belegschaften gegen die verschärften Antreibereien in den Streik traten, ließ Thyssen 100 Arbeiter verhaften. Trotzdem wurde der Streik fortgesetzt. Die Belegschaft eines Stahlwerks im Ruhrgebiet trat sofort in den Streik gegen einen 10‑prozentigen Lohnraub, der dadurch abgewehrt wurde. Von großer Bedeutung wurde ein Streik in einem Stahlwerk am Niederrhein, weil er eigentlich das erste Beispiel dafür ist, wie mit der wachsenden Kampfbewegung höhere. Formen der Klassenorganisation der Arbeiter entstehen. Der 700 Mann starken Belegschaft wurde ein 10‑prozentiger Lohn- und Akkordabbau angekündigt. Die RGO-Gruppe gab sofort die Losung aus: Wahl einer Delegation zur Direktion, die die Zustimmung der ganzen Belegschaft einschließlich der NSBO-Mitglieder fand. Als die Direktion die Delegation ablehnte, forderte unsere RGO-Gruppe zum Streik auf, der einmütig durchgeführt wurde. Die faschistische Kreisleitung verlangte die sofortige Aufnahme der Arbeit, weil sonst Verhandlungen mit dem Unternehmer nicht geführt werden könnten. Aber das Streikabbruchmanöver der Faschisten mißlang und die Direktion mußte schließlich nachgeben und den Lohnabbau zurückziehen. Unsere Genossen haben die Streikerfahrungen sofort in einem Flugblatt ausgewertet und mit der Schaffung einer gewerkschaftlichen Organisationseinheit, einer unabhängigen Klassengewerkschaft, begonnen. Die NSBO-Betriebsgruppe ist zerfallen und wurde von den Faschisten wegen Unzuverlässigkeit aufgelöst.

Auch aus den Maßnahmen, die die Faschisten gegen die revoltierenden Arbeiter in Betrieben ergreifen müssen, ist die Zuspitzung der Lage in den Betrieben erkenntlich. Es vergeht kaum ein Tag, wo nicht Betriebe von faschistischen Polizeikommandos überfallen werden und eine Hetzjagd nach kommunistischen Flugblättern und ihren Verbreitern einsetzt. In einem Hüttenwerk in Mitteldeutschland drohte die Direktion nach einer Flugblattverbreitung und einer Beschriftung mit Losungen, daß die betreffende Schicht solange im Betriebe bleiben müsse, bis die Losungen und die Flugblätter entfernt seien. Diese Drohung wurde von der Belegschaft mit passiver Resistenz und schließlich mit dem Verlassen des Betriebes beantwortet. Wenn noch vor Monaten solche terroristischen Polizeiaktionen gewisse gedrückte Stimmungen in großen Teilen der Belegschaft auslösten, so haben sie heute schon in den meisten Fällen eine Ausbreitung und Vertiefung des Widerstandswillens zur Folge. Solchen Betriebsdurchsuchungen folgt meistens die Verbreitung neuer Flugblätter. Es ist auch charakteristisch, daß die Denunziationen durch NSBO-Arbeiter im Betriebe immer seltener werden. Vielfach wurden von den Belegschaften Streiks bis zur Wiedereinstellung von verhafteten Kollegen durchgeführt. Der Vorsitzende der "Deutschen Arbeitsfront", der Faschist Ley, gab im Namen der Hitlerregierung eine Anweisung an die Polizeibehörden aus, Terrorakte und Verhaftungen in den Betrieben zu unterlassen, weil solche Maßnahmen nur zu einer weiteren Beunruhigung der Belegschaften führen.

Das Wachstum der revolutionären Kampfstimmung in den Betrieben zeigt sich auch darin, daß die Nazis genötigt sind, neue Betrugsmanöver gegenüber den Arbeitern zu unternehmen. So hat schon jetzt der schon erwähnte Ley den Betriebsarbeitern für das Frühjahr eine 10‑prozentige Lohnerhöhung und einen ‑ wahrscheinlich unbezahlten ‑ dreiwöchigen Urlaub in Aussicht gestellt. Hitler mußte selbst in dem Berliner Siemensbetrieb sprechen, um die Arbeiter zu beruhigen. Die von Goebbels noch vor zwei Monaten angekündigte große Tournee von 150.000 Betriebsversammlungen haben die Faschisten fallen gelassen. Sie fürchten, daß in diesen Betriebsversammlungen der aufgespeicherte Haß gegen die Faschisten und das von ihnen unterstützte Unternehmertum spontan zum Ausdruck kommt. Sie wollen jetzt Zeit gewinnen, um durch neue Betrugsmanöver die Arbeiter zu beruhigen Sie zittern bei dem Gedanken, daß von Berlin, von der Wasserkante, vom Ruhrgebiet aus durch die Kommunisten eine Streikbewegung ausgelöst wird, die ihre Hauptstoßkraft gegen das faschistische Regime richtet.

Wie in den Betrieben, so wächst auch innerhalb der von den Faschisten “gleichgeschalteten” Gewerkschaften und innerhalb der "Deutschen Arbeitsfront" die Kampfstimmung der Arbeiter. Die Gewerkschaftsversammlungen wurden mehr und mehr zu revolutionären Agitationszentren. Eine Reihe von Gewerkschaftsversammlungen wurde von unserer Opposition gesprengt, so daß die Kommissare ohne ihre Aufträge durchzuführen abziehen mußten. Nachdem von den Nazis Diskussionsreden in den Versammlungen nicht mehr zugelassen wurden, griff die Opposition zu der Form der Fragestellungen, in denen die Forderungen der Arbeiter zum Ausdruck gebracht wurden. Wir haben solche Fälle, wo bei einer von dem faschistischen Kommissar vorgenommenen Abstimmung, wer in der Versammlung noch Marxist ist, sich 80 bis 90 Prozent erhoben. Die Folge dieser Entwicklung des offenen Widerstandes ist, daß die faschistische Bürokratie fast keine Gewerkschaftsversammlungen mehr einberuft. In den Arbeitsdienstlagern häufen sich die Gehorsamsverweigerungen und Streiks der arbeitenden Jugend bis zur Sprengung der Lager. 280 Streiks wurden allein in den letzten Monaten in den Arbeitsdienstlagern durchgeführt. Daneben gibt es eine Unmenge von kleineren Widerstandsaktionen in den Lagern. Ebenso tritt die Jugend kämpfend in einer Reihe von Großbetrieben auf, wo die Lehrlinge gegen den militärischen Wehrsport revoltieren und die Bezahlung der geraubten Freistunden verlangen. Wenn jetzt die bisher der NSBO angehörenden Jugendsektionen in die Organisation der Hitlerjugend überführt werden, so soll damit der wachsenden Protestbewegung in den Arbeitsdienstlagern und den Lehrlingsabteilungen der Betriebe entgegengewirkt werden.

Die Symptome des revolutionären Aufschwungs zeigen sich besonders in den Arbeitervierteln der Groß- und Mittelstädte. Dieser revolutionäre Haß wächst unausgesetzt. Und wenn er noch nicht allgemein in Form großer Klassenaktionen seinen Ausdruck findet, so steigert er doch den bewußten Kampfeswillen der Arbeiterschaft und hilft mit, die Voraussetzungen für diese Aktionen zu schaffen. Der reaktionäre französische Journalist Sauerwein, der mit den Nazis liebäugelt, schrieb über seine Reiseeindrücke in Berliner Arbeitervierteln in der Pariser Zeitung "Paris Soir": "Kommt man in die im Osten oder Norden der Stadt gelegenen Wohnviertel Berlins, an die Grenze dessen, was man die rote Stadt nennt und wo die kleine schwarze Mütze die braune Kopfbedeckung der SA ersetzt, beginnt die Atmosphäre unheilverkündend zu werden. Überall sieht man kleine Gruppen zusammenstehen [...] manchmal wird der Ton noch geheimnisvoller, werden die Gesichter noch verschlossener [...] Es gibt in Berlin Straßen, aus denen ‑ könnte der Haß töten ‑ kein Nazi lebend herauskäme." Während am 1. Mai bei der faschistischen “Maifeier” noch unter dem Druck des Terrors in den Arbeitervierteln fast jedes Haus mit Hakenkreuzfahnen beflaggt war, gab es am 6. August bei der großen Naziparade ganze Straßen ohne diese Beflaggung, obwohl auch hier die Nazis mit großem Terror vorgingen. In Berlin führten die revolutionären Arbeiter an diesem Tage an 18 verschiedenen Stellen Demonstrationen durch.

Es lassen sich eine ganze Reihe kleinerer Merkmale für den nazifeindlichen Umschwung und die wachsende Kampfstimmung anführen, die im Straßenleben zum Ausdruck kommen. Das gilt auch für das Kleinbürgertum. Wenn in den ersten Monaten der Hitlerdiktatur eine gewisse, von hoffnungsvollen Erwartungen getragene Begeisterung in großen Teilen der Bevölkerung vorhanden war, so folgte dieser Periode eine Zeit des durch den Terror hervorgerufenen furchtsamen Schweigens. Aber heute beginnt man wieder zu sprechen,  zu diskutieren und sogar Witze über die Hitlerregierung zü machen. Eine Arbeiterfrau fragt im Laden, ob schon wieder die Preise gestiegen sind. Der kleine Ladeninhaber antwortet: "Da müssen Sie Hitler fragen!" Man witzelt auf den Stempelstellen über die angebliche Liquidierung der Erwerbslosigkeit, über die Festparaden der Hitlerregierung. Arbeiterkinder sprechen auf den Straßen den Vers:

"Komm, Herr Hitler, sei unser Gast,
und gib uns die Hälfte von dem,
was du versprochen hast."

Der Hitlergruß mit erhobener Hand und die Ehrenbezeugungen vor den Hitlerfahnen, die von den Faschisten zuerst erzwungen wurden, begegnen in den Arbeitervierteln Erbitterung und Ablehnung. Überall wächst die Unzufriedenheit und Empörung gegenüber dem faschistischen Regime, bei den Arbeitern, bei den Kleinbürgern und im Dorfe. Die faschistische Massenbasis beginnt sich immer mehr einzuengen, und die sozialbetrügerische Demagogie beginnt ihre Anziehungskraft einzubüßen. Demgegenüber wächst die Werbekraft der Kommunisten. Selbst der Kleinbürger nimmt, wenn auch noch verängstigt, das kommunistische Agitationsmaterial. Die Denunziationen gegen die Kommunisten in den Arbeiterhäusern, in den Gastwirtschaften und in den Betrieben haben ganz erheblich nachgelassen. Man bietet sich an, die Kommunisten vor den faschistischen Verfolgungen zu schützen und ihnen illegale Quartiere zu geben. Es gelingt unseren Genossen sogar, auf dem Dorfe mit den Kleinbauern zu sprechen, ohne daß diese sie an die Nazis verraten. Das Anwachsen des revolutionären Aufschwungs zeigt sich in den SA‑Abteilungen der braunen Hitlerarmee. Die Enttäuschung über die Politik der Hitlerregierung, über den Abbruch der sogenannten nationalen Revolution, über die Macht der Herrschaft des Monopolkapitals wächst von Tag zu Tag. Man revoltiert gegen das neue Parteibuchbeamtentum, das sich überall breitmacht und vollfrißt. Die Zahl der Verhaftungen in der SA wegen Meuterei und Unzuverlässigkeit ist bereits so groß, daß man ein Konzentrationslager dafür einrichten mußte. Die Ablösung von SA‑Kommandos zur Überwachung der Gefangenen erfolgt wegen Unzuverlässigkeit in immer kürzeren Fristen. Unter den SA- und NSBO-Leuten kursiert ein Sprichwort:

"Hitler, gib uns Arbeit und Brot,
sonst werden wir rot."

Es wachsen in der Hitlerarmee die Gegensätze zwischen der SA und der SS, die die Elitetruppe Hitlers ist. Auch die Gegensätze zwischen den bewaffneten Formationen und den Betriebsarbeitern der NSBO steigern sich zu direkten Zusammenstößen. Das sind natürlich alles nur Symptome des Heranwachsens des neuen revolutionären Aufschwungs, der seine Wellen auch in das Lager und die Anhängerschaft Hitlers trägt und der der Partei immer größere Möglichkeiten der Steigerung ihrer revolutionären Massenarbeit gibt. Entscheidend für die Beurteilung der Lage ist, daß der Prozeß des Anwachsens der revolutionären Kräfte auf der Grundlage der systematischen Arbeit der Kommunistischen Partei erfolgt, auf Grund ihrer Umstellung von der Agitation auf die Organisierung von Aktionen, ihres erfolgreichen Kampfes gegen alle Stimmungen des Abwartens, auf Grund der Herausarbeitung selbständiger revolutionärer Losungen und neuer Formen der revolutionären Einheitsfront. Die Elemente des neu beginnenden revolutionären Aufschwungs zeigen sich vor allem in der Aktivierung und Verbreiterung der organisierten Kader der revolutionären Vorhut. Parteimitglieder und Sympathisierende, die in den ersten Wochen und Monaten der Hitlerdiktatur unter dem Terror etwas zurückwichen, stellen sich wieder für die Parteiarbeit zur Verfügung. Die Herausgabe von Agitationsmaterial durch die Initiative der Zellen nimmt mengenmäßig und qualitativ zu. Auch die mündliche Agitation tritt wieder stärker in den Vordergrund. Die starke Orientierung auf die Betriebe zeigt sich in der Schaffung neuer Betriebszellen; Parteizellen übernehmen Patenschaften zur Herstellung der Verbindung mit den Arbeitsdienstlagern und dem flachen Lande. Arbeiter, die die Verbindung mit der Partei verloren hatten, setzen sich mutig für die Partei ein und verbreitern den Kreis der sympathisierenden aktiven Parteihelfer. Der faschistische Terror beginnt seine Schrecken für die Arbeiter zu verlieren. Mutig setzen sie ihr Leben für die Kommunistische Partei, für den Kampf der Arbeiter gegen das faschistische Regime ein. In der Partei entwickeln sich jetzt die unteren Kader mit hohen Qualitäten für die proletarische Revolution.

Die Hitlerregierung bestätigt durch ihre Maßnahmen selbst das unaufhaltsame Wachstum der Kräfte des Kommunismus. Fortgesetzt erläßt sie in der Presse "Warnungen an die Mies- und Gerüchtemacher" und terroristische Drohungen an die "kommunistischen Hetzer". Hitler, Goebbels und Goering[14] überbieten einander in ihren Haß- und Hetzreden gegen den Kommunismus, von dem sie noch vor einigen Monaten behaupteten, daß sie ihn mit Stumpf und Stiel ausgerottet hätten. Die Geheime Staatspolizei erläßt an die Presse die Aufforderung, keine Notizen mehr über Verhaftungen, Razzien und Erfolge der kommunistischen Agitation zu bringen, weil mit solchen Notizen die "Unruhe in der Bevölkerung" gesteigert wird.

Der Reichstagsbrandprozeß, der der Organisierung einer neuen Pogromstimmung gegen die Kommunisten dienen sollte, hat das Gegenteil hervorgerufen. Er wurde zur Tribüne des revolutionären Wortes und der schärfsten Anklage gegen diese Regierung von Brandstiftern und Abenteurern. Der Name Dimitrow ist zum Losungswort für Millionen von Arbeitern geworden und trägt sogar in die Anhänger der faschistischen Partei Bewunderung, Zweifel und Schwanken. Selbst noch in Ketten und auf den Stufen des Schafotts machen die Kommunisten die faschistischen Machthaber erzittern. Ein leuchtendes Beispiel dieses Heldenmuts vor den faschistischen Machthabern und der unauslöschlichen Verbundenheit mit der proletarischen Revolution gab August Lütgens, einer der vier von der Hitlerregierung hingerichteten Altonaer Arbeiter, der noch unmittelbar vor seiner Hinrichtung seinen faschistischen Mördern ins Gesicht schrie: "Es lebe die proletarische Revolution! Rot Front!"

Auch die sogenannte “Volksabstimmung” vom 12. November[15] ist ein Beweis dafür, wie die Hitlerdiktatur durch das Wachstum der revolutionären Kräfte gezwungen ist, sich im verstärkten Maße der Methode chauvinistischer Aufpeitschung zu bedienen, womit sie sich ihre Massenbasis zu erhalten versucht. Selbst in dem von Grund aus gefälschten Wahlergebnis muß die Hitlerregierung zugeben, daß 3 350 000 Stimmen gegen sie abgegeben wurden und daß sich 2,5 Millionen nicht an der Wahl beteiligt haben. Sie muß auch zugeben, daß in den Arbeitervierteln Berlins und Hamburgs 16 Prozent der abgegebenen Stimmen gegen die Hitlerregierung waren. Das von Hitler bekanntgegebene Ergebnis ist zweifellos nur ein Bruchteil der Stimmen, die gegen die Hitlerregierung abgegeben wurden, und der Wählermassen, die aus Protest der Abstimmung fernblieben. Es liegen Resultate aus Wahlbezirken vor, wo 40‑50 Prozent der Wähler gegen Hitler stimmten. Nur die KPD allein hat entgegen allem Terror der Faschisten einen ernsten Kampf gegen die Hitlerpartei geführt und die Massen ermutigt, der Hitlerregierung mit einem unerschütterlichen Nein entgegenzutreten. Dieses Nein war eine revolutionäre Tat angesichts der Öffentlichkeit der Stimmabgabe und der Drohung der Faschisten, jeden niederzuschlagen, der gegen die Hitlerregierung stimmt. Die “Abstimmung” vollzog sich vielfach in der Weise, daß vor jedem Wahllokal die braunen Mordbanden der Hitlerpartei eine Gasse bildeten und jedem Wähler einen bereits für die Hitlerregierung ausgefertigten Stimmzettel im Kuvert überreichten. Wer dieses Kuvert mit dem Stimmzettel nicht abgab, sondern einen unbeschriebenen Stimmzettel verlangte, war damit schon als Feind der Hitlerregierung erkennbar. Oder es wurde in den Wahllokalen selbst die Stimmabgabe öffentlich vollzogen und jeder, der die zum Schein aufgestellten Wahlkabinen benutzte, galt als Gegner der Hitlerregierung. In der gleichen Weise vollzog sich die Wahl in den Konzentrationslagern, und es ist eine Infamie ohnegleichen, wenn die Hitlerregierung behauptet, daß in den Konzentrationslagern alle Gefangenen für die Hitlerregierung gestimmt hätten.

Die Millionen der gegen Hitler abgegebenen Stimmen sind mit ein Beweis des einsetzenden revolutionären Aufschwungs. Es wird den Faschisten immer schwieriger, die Aufmerksamkeit der werktätigen Massen von ihrem wirtschaftlichen Bankrott und der außenpolitischen Isolierung Deutschlands abzulenken. Alle die erwähnten Tatsachen des Widerstandes und des Kampfes der Arbeiterschaft gegen die Hitlerdiktatur zeigen, daß ungeachtet des schlimmsten blutigsten Terrors ein neuer revolutionärer Aufschwung heranwächst und daß ein neues Ansteigen der Streikwellen und der revolutionären Erwerbslosenaktionen, die Abkehr der kleinbürgerlichen und der Bauernmassen von der Hitlerpartei unvermeidlich ist. Das Anwachsen der revolutionären Kräfte ist das Ergebnis der erfolgreichen Arbeit der Kommunistischen Partei, die zur einzigen Massenpartei des deutschen Proletariats wird. Die zehn Monate faschistischer Diktatur in Deutschland bestätigen die Voraussage der Kommunistischen Internationale, daß die Aufrichtung der faschistischen Diktatur keine Periode der Reaktion einleitet, daß die Aufrichtung der Hitlerdiktatur die Entfaltung der revolutionären Kräfte wohl vorübergehend hemmen, aber nicht aufhalten kann. Die zehn Monate faschistischer Diktatur ergeben, daß Deutschland mehr und mehr der Knotenpunkt der, wenn auch ungleichmäßig, heranreifenden internationalen proletarischen Revolution geworden ist. Der Weg der faschistischen Diktatur ist der Weg der Knechtung und Ausplünderung der werktätigen Massen. Er treibt alle inneren und äußeren Widersprüche des deutschen Kapitalismus auf die Spitze und führt Deutschland in die Katastrophe. Der Weg der proletarischen Revolution ist der einzige Ausweg aus der Krise des Kapitalismus, die Rettung vor der Katastrophe, der Weg zum Sozialismus. Die gegenwärtige Situation in Deutschland zeigt, daß das Proletariat unter Führung seiner einzigen revolutionären Partei diesen Weg geht.

III. Politik und Perspektive der faschistischen Diktatur

1. Die faschistische Diktatur als Herrschaftsform des Monopolkapitals in der Periode des parasitären, verfaulenden Kapitalismus

Was ist die faschistische Diktatur in Deutschland, welches ist ihre Politik und welche Perspektive hat sie? Wenn ich in meinem Bericht den bereits einsetzenden revolutionären Aufschwung der Arbeiterklasse voranstelle und dann erst die Lage in der Bourgeoisie und ihre Methoden, einen Ausweg aus der Krise zu finden, behandle, so aus dem Grunde, weil der Klassenkampf der entscheidende Faktor für das Proletariat ist. Von den Arbeitern, von den Werktätigen, von ihrer Organisiertheit, ihrer revolutionären Aktionskraft hängt es ab, ob es einer schmarotzenden Oberschicht von 600 Millionären möglich sein soll, ein werktätiges Volk von 60 Millionen in einen neuen imperialistischen Krieg zu jagen. Als in Rußland in der Mitte des Jahres 1917 die Kapitalisten und Junker die Soldaten in den Tod jagten, Rekorde in der Ausplünderung der Arbeiter und Bauern lieferten und das Land in die Katastrophe trieben, schrieb Lenin unter dem Titel: "Die drohende Katastrophe und wie soll man sie bekämpfen?":

Eine Katastrophe von beispiellosem Ausmaß und der Hunger stehen vor der Tür [...] Und dabei genügt nur etwas Aufmerksamkeit und Nachdenken, um sich davon zu überzeugen, daß Mittel zur Bekämpfung der Katastrophe und des Hungers vorhanden sind, daß diese Kampfmaßnahmen vollkommen klar, einfach, vollkommen durchführbar, den Volkskräften durchaus angemessen sind und daß diese (Maßnahmen nicht getroffen werden, nur deshalb, ausschließlich deshalb, weil die Verwirklichung die ungeheuren Profite eines kleinen Häufleins von Kapitalisten und Großgrundbesitzern beeinträchtigen würde. (Band 21, S. 1195‑1196.)

Diese in einer anderen Situation während der russischen Revolution geschriebenen Worte Lenins treffen heute auch auf das Deutschland der Thyssen, Krupp und Hitler zu. Die Lage der arbeitenden Klasse verschlechtert sich von Tag zu Tag. Der Brandgeruch imperialistischer Kriegsabenteuer zieht durch das Land. Die Katastrophe droht. Und das nur deshalb, weil ein Haufen habgieriger, parasitärer Kapitalisten und Junker seine Klassenprivilegien gegen die ungeheure Mehrheit der Bevölkerung durch Gewalt und Betrug aufrechtzuerhalten versucht. Bei der Machtübernahme durch Hitler schrieb Genosse Knorin treffend:

Als die ungeheuer tiefgehende Krise die Grundpfeiler der Weimarer Republik ins Wanken brachte, als sich tiefgehende Risse innerhalb der Bourgeoisie selbst bildeten, sind die finstersten Kräfte der Gegenwart, die noch nicht begrabenen stinkenden Überreste der Feudalgesellschaft, die mittelalterlichen Finsterlinge, die Hohenzollern und Wittelsbacher, die wilhelminischen Offiziere a. D., die dank den Pensionen, die ihnen die Weimarer Republik freigebig zahlt, nicht vor Hunger krepiert sind, ist dieses ganze Pack aus seinen Schlupfwinkeln hervorgekrochen und hat sich um die Nationalsozialistische Partei geschart, um sich in den Kampf auf Leben und Tod gegen das Proletariat zu stürzen, das Brot, Arbeit und Macht fordert und den Kapitalismus, der nicht fähig ist, seine Sklaven zu ernähren, mit der proletarischen Revolution bedroht. ("Kommunistische Internationale", 1933 Nr. 5, S. 34.)

Der Klasseninhalt der faschistischen Diktatur in Deutschland wird durch die Zusammensetzung des "Generalrats der Wirtschaft" demonstriert Von 16 Personen in dieser eigentlichen Regierung über Deutschland sind 9 Großindustrielle (fast ausschließlich Vertreter des Monopolkapitals), 4 Bankfürsten und 2 Großagrarier. Mitglieder sind der 39‑fache Aufsichtsrat, Bankier und Staatskommissar Reinhardt, der Schwerindustrielle und 20‑fache Aufsichtsrat Voegler, der 18‑fache Aufsichtsrat und Bankier Fink, der Multimillionär und 30‑fache Aufsichtsrat Thyssen, der Kanonenkönig und Millionenverdiener an der Rüstungsindustrie Krupp. Das Wirtschaftsministerium liegt in den Händen des Vertreters der Großbanken und der großen Versicherungstrusts Schmitt. Die Führung aller vereinigten gleichgeschalteten Kapitalistenverbände liegt in den Händen von Krupp. Thyssen wurde von Hitler zum “autoritären Schlichter” aller Tarif- und Lohnstreitigkeiten in Westdeutschland ernannt Der gesamte kapitalistische Wirtschaftsapparat dient der Rettung einer kleinen- Oberschicht von Kapitalisten. Durch die neue Kartellverordnung wird die bisher nicht kartellierte Industrie zusammengeschlossen, um sie in eine noch größere Abhängigkeit vom Monopolkapital und den Großbanken zu bringen. Stillstand, ja sogar Rückgang der Produktion und Vernichtung von Produktivkräften charakterisiert den Fäulnisprozeß des deutschen Kapitalismus. Die Staatskassen werden vom Monopolkapital auf die frechste Weise geplündert. Hunderte von Millionen Mark werden zur Aufrechterhaltung einer bankrotten Wirtschaft und bankrotter Betriebe verschleudert. Millionen von Werktätigen hungern, aber Millionen von Mark werden aus den Staatskassen für den Umbau und die Sanierung der Riesentruste aufgewandt. Den Aktionären und Millionären des Stahlvereins und der Gelsenkirchener Bergbau‑AG wurden mit einem Schlage hunderte Millionen Mark erpreßter Steuergelder in den Rachen geworfen, nachdem die Hermann Müller- und Brüningregierungen die offenen Bankrotteure durch Millionensubventionen gefüttert und die Sozialdemokratie die “Sozialisierung” der Verluste auf Kosten des Staates als Staatskapitalismus den Arbeitern mundgerecht zu machen versucht hatte. Im Dorf wird eine staatlich privilegierte Oberschicht der Junker und Großbauern gefördert, die die armen und mittleren Bauern noch mehr als bisher ausbeuten und entrechten. Der Einsatz des ganzen ökonomischen und staatlichen Apparates der Bourgeoisie zur Rettung der Monopolkapitalisten und der großen Bankfürsten verschärft den Konkurrenzkampf innerhalb der Bourgeoisie, bei dem die einzelnen Kapitalisten ebenfalls um ihre Rettung kämpfen. Es wird der Gegensatz verschärft zwischen Industriekapital und Banken, zwischen Rohstoff Produzenten und weiterverarbeitender Industrie, zwischen Industrie- und Agrarkapital. Es geht der Kampf um die Frage der Preise und des Absatzes. Das Monopolkapital will sich zum alleinigen Beherrscher des gesamten Staatsapparates und des gesamten Wirtschaftsapparates machen. Die faschistische Hitlerpartei sucht sich als Partei des Monopolkapitals durch die “Gleichschaltung” aller bürgerlichen Parteien, aller bürgerlichen Länderregierungen und aller bürgerlichen Organisationen ein politisches Monopol zu verschaffen und mit Hilfe der sogenannten “Alleinherrschaft” die Gegensätze im Lager der Bourgeoisie zu überwinden. Aber die weitere schnelle Vertiefung der Wirtschaftskrise und aller inneren und äußeren Widersprüche des Kapitalismus führt zu einer schnellen Verschärfung der Gegensätze. Während die Politik der Arbeiterklasse darauf gerichtet sein muß, diese Gegensätze dazu auszunutzen, die ganze Front der Konterrevolution zu sprengen, ist die Taktik der Sozialdemokratie darauf angelegt, diese Gegensätze zur Untermauerung ihrer Arbeitsgemeinschaftspolitik mit Teilen der Bourgeoisie zum Betrug der Arbeitermassen auszunutzen. Die Bemühungen der faschistischen Diktatur, ihren Klassencharakter durch die Ideologie der “Volksgemeinschaft der Nation”, der Ersetzung der Klassen durch die “gleichberechtigte Vertretung von Berufsständen”, zu verstecken, werden von allen Parteien der 2. Internationale unterstützt. Die österreichische “linke” Sozialdemokratie, mit Otto Bauer an der Spitze, schuf die Theorie von der faschistischen Diktatur als der “Diktatur des Kleinbürgertums”. Trotzki bezeichnete die faschistische Diktatur als die “kleinbürgerliche Konterrevolution”. Diese für die Arbeiterklasse sehr gefährliche Theorie bedeutet:

1. eine Unterstützung der faschistischen Demagogie, die die Diktatur der Thyssen und Krupp als “Herrschaft des gesamten Volkes” mit dem von der Vorsehung berufenen “Führer” zu verschleiern sucht;

2. eine nachträgliche Rechtfertigung der Arbeitsgemeinschaftspolitik der Sozialdemokratie mit der Bourgeoisie, denn wenn die faschistische Diktatur als selbständige Kraft der Bourgeoisie gegenübersteht, dann ‑ so sagen die Wels und Konsorten ‑ war es prinzipiell richtig, mit Brüning und Teilen der Bourgeoisie eine Koalition gegen den Faschismus einzugehen.

3. den Versuch, die sozialdemokratischen Arbeiter von jeglichem Kampf gegen die gesamte Bourgeoisie und gegen jede bürgerliche Herrschaftsform abzuhalten. Zu einem alten Artikel im "Manchester Guardian", der kürzlich in Berlin in einer Neuauflage verbreitet wurde und in dem die Ablösung der Hitlerdiktatur durch eine Militärdiktatur als wahrscheinlich bezeichnet wird, schrieb die Sozialdemokratie, daß eine solche Militärdiktatur eventuell unter Schleicher der Arbeiterschaft eine größere Handlungsfreiheit geben würde und eine Stufe sei, dem Sozialismus näherzukommen.

Die Neumann-Remmele-Gruppe in der KPD hat die sozialdemokratische Theorie von der “Diktatur des Kleinbürgertums” abgewandelt zu einer “Diktatur des Lumpenproletariats” und sie ergänzt durch die Theorie von einem “System-Wechsel”, von der Ablösung der Herrschaft der Bourgeoisie durch die Herrschaft der zum Lumpenproletariat herabsinkenden bürgerlichen Gesellschaft. Diese Theorie leugnet die Tatsache, daß in der faschistischen Diktatur der Inhalt der Klassenherrschaft der Bourgeoisie derselbe geblieben ist wie in der “Weimarer Demokratie” und führt in der Konsequenz zu einer Gegenüberstellung der Herrschaftsform der bürgerlichen Demokratie und der faschistischen Diktatur. Sie bedeutet die Rechtfertigung der Arbeitsgemeinschaftspolitik der Sozialdemokratie und leugnet das Herauswachsen der faschistischen Diktatur aus der bürgerlichen Demokratie.

2. Die Besonderheiten der faschistischen Diktatur in Deutschland bei ihrer Aufrichtung und ihrer Durchführung

Die Entwicklung in Deutschland bestätigt die Feststellung des 12. EKKI-Plenums, wonach man von einer klassischen Form der faschistischen Diktatur nicht sprechen kann und sich gegen jede mechanische Gleichsetzung und oberflächlichen Vergleiche der faschistischen Diktatur in Deutschland und Italien wenden muß. Die Form und die Dauer der faschistischen Diktatur sind abhängig von den objektiven und subjektiven Faktoren der gesamten Entwicklung. Gerade für die Einschätzung der Perspektiven der faschistischen Diktatur in Deutschland ist die Kenntnis ihrer entscheidendsten Besonderheiten notwendig. Diese sind:

1. Die faschistische Diktatur in Deutschland wurde aufgerichtet gegen eine unbesiegte Arbeiterklasse, die zwar vorübergehend zurückwich, aber sich wieder zum Angriff sammelt; sie wurde aufgerichtet in einem im Weltkriege besiegten Lande, dessen Bourgeoisie alle Opfer des Krieges und der Reparationen auf die Werktätigen abwälzt. Der Versuch der Rückeroberung. der alten Machtstellung innerhalb der imperialistischen Welt, der einer der Faktoren ist, die die Bourgeoisie zur Machtübergabe an Hitler veranlaßten, zwingt die deutsche Bourgeoisie, ihre Vorbereitung zum Kriege in beschleunigtem Tempo durchzuführen. Aber: "Die Politik der Kriegsvorbereitung bürdet den Werktätigen Deutschlands im Interesse des Finanzkapitals und des Junkertums ein neues, im Vergleich zu Versailles noch schwereres militärisches Joch der Ausbeutung auf und bedeutet für Hunderttausende deutscher Jugendlicher die Knechtung in den Arbeitsdienstlagern", wie das Polbüro des ZK der KPD in seiner Resolution vom 10. Oktober festgestellt hat.

2. Die faschistische Diktatur in Deutschland wurde aufgerichtet in einem Lande weitgehender Erschütterungen des Kapitalismus, in dem industriellsten Lande Europas.

3. Die Diktatur wurde aufgerichtet in einem Lande, dessen Arbeiterschaft über die stärkste Klassenorganisation in den kapitalistischen Ländern mit einer jahrzehntelangen Tradition und einem marxistisch geschulten Kader von Funktionären der KPD und der RGO verfügte, in einem Lande, in dem die Gefahr einer raschen Abwendung des Kleinbürgertums und der kleinen und mittleren Bauern von der faschistischen Diktatur, besonders unter den Auswirkungen eines revolutionären Aufschwunges, für die Bourgeoisie besonders stark ist.

3. Hitler führt Deutschland in die Katastrophe

Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland in den zehn Monaten der faschistischen Diktatur zeigt, daß Hitler Deutschland in die Katastrophe führt. Die faschistische Hitlerregierung hat einen eigenen Propagandaapparat geschaffen, der alle Register des Betruges zieht, um den werktätigen Massen eine Überwindung der Erwerbslosigkeit und des Krisentiefs und eine beginnende Aufwärtsentwicklung der Wirtschaft vorzutäuschen. Aber die tatsächliche Abwärtsentwicklung der Wirtschaft kann durch die rosig gefärbten Konjunkturberichte der faschistischen Diktatur nicht verhüllt werden. Nur bei der Herstellung von Stahl- und Walzwerkserzeugnissen konnte durch die Rüstungsaufträge eine gewisse Belebung der Produktion herbeigeführt werden, die aber keineswegs Schritt gehalten hat mit der Belebung in dieser Industrie in den übrigen Ländern. In allen anderen Zweigen der Produktion von Produktionsmitteln ist entweder wie bei Kohle und in der Chemieindustrie für das Lager produziert worden oder es ist wie in der Maschinenindustrie, die für Deutschland von entscheidender Bedeutung ist, ein rapider Rückgang zu verzeichnen. Außer in der Produktion von Stahl, Eisen, Kohle, und Motorfahrzeugen hat die Produktion während der faschistischen Diktatur nicht einmal den Umfang der Produktion vom Jahre 1932 erreicht.

Der Absatz im Inlande ging entgegen den Erklärungen des gleichgeschalteten Konjunkturinstituts weiter zurück. Das trifft vor allem auf die Produktion und den Absatz von Konsumtionsmitteln zu. Im Großhandel und in dem für die Lage der Kleingewerbetreibenden entscheidenden Einzelhandel ist ein dauernder Rückgang des Absatzes bis zu 20 Prozent und mehr des Gesamtabsatzes vom Jahre 1932 zu verzeichnen. Die Warenhäuser weisen sogar einen durchschnittlichen Rückgang des Umsatzes von 27 Prozent auf. Besonders groß ist dieser Rückgang in den Kulturbedarfsgegenständen als eine unmittelbare Folge der dauernd sinkenden Lebenshaltung der Werktätigen. Nur in der Textilindustrie ist der Absatz gegenüber dem Vorjahr gestiegen, aber das auch nur infolge der gesteigerten Aufträge für Fahnentuch und Uniformstoffe. In der Nahrungsmittelindustrie ist der Absatz in den ersten sechs Monaten d. J. um 10 bis 13 Prozent gefallen. Diese Angaben beruhen auf amtlichen Ziffern. Es ist aber anzunehmen, daß in Wirklichkeit der Rückgang des Verbrauchs von den im Arbeiterhaushalt wichtigsten Lebensmitteln bedeutend größer ist.

Zu dieser Einengung des inneren Marktes treten die wachsenden Absatzschwierigkeiten nach dem Auslande als Folge der Lage auf dem Weltmarkte und der außenpolitischen Isolierung der faschistischen Diktatur. Wenn im ersten Halbjahr 1932 das auf die Ausfuhr angewiesene Deutschland noch einen Ausfuhrüberschuß von 600 Millionen Mark hatte, so ist dieser Überschuß im ersten Halbjahr 1933 auf 290 Millionen Mark gefallen. Trotz aller Subventionierungen durch den Staat sank die Ausfuhr um 20 Prozent, dagegen konnte die Einfuhr im gleichen Zeitraum nur um 13 Prozent eingeschränkt werden. Maschinenaufträge der Sowjetunion, die früher ganze Betriebszweige aufrechterhielten, sind sehr selten geworden. Das außenpolitische Abenteurertum der Hitler, Goering und Goebbels mußten Hunderttausende von deutschen Arbeitern mit dem Verlust ihrer Arbeitsstelle bezahlen.

Die Finanzlage der faschistischen Diktatur ist fast noch katastrophaler als die Lage der Produktion. Im September drohte eine neue Finanzkatastrophe, die Banken standen vor dem Zusammenbruch. Nur durch eine Änderung des Notenbankgesetzes konnte der Zusammenbruch aufgehalten werden. Der Reichsbankpräsident wurde von Hitler zum allmächtigen Finanzdiktator eingesetzt, aber auch er konnte die Kreditkrise nicht beheben. Langfristige Kapitalanlagen sind nicht zu haben, und selbst wenn eine Neuanlage von Kapital noch so profitversprechend ist, so hält sich das Kapital wegen der Unsicherheit des Regimes und der wachsenden Revolutionsgefahr doch zurück. Schon heute ist es offensichtlich, daß das deutsche Monopolkapital auch bei höchster Ausbeutung der Werktätigen seine “normale” Verwertung nicht wieder herzustellen vermag und daß es keinerlei ernste Erfolgsaussichten auf dem Weltmarkte besitzt. Die Politik Hitlers, die die Politik des Monopolkapitals ist, muß mit Notwendigkeit zu einem raschen Übergang von der bereits vorhandenen versteckten Inflation zu einer offenen Inflation führen. Die Bankrotterklärung gegenüber dem Auslande, das Stillhalteabkommen, die Herabsetzung der Zinszahlungen bei Auslandsanleihen um die Hälfte und die Devisenkontrolle haben zwar die offene Inflation vorläufig vermieden, aber die große Summe der Zinszahlungen und der Rückzahlungen der Schulden, die Subventionierung der bankrotten parasitären Wirtschaft, die Finanzierung der Produktion von Kriegsmaterial und der Einstellung der Wirtschaft auf den Krieg führen immer näher an die offene Inflation heran. Dazu kommt das wachsende Defizit im Reichshaushalt, das von der Regierung mit 2.384 Millionen Mark angegeben wird. Das Defizit im außerordentlichen Reichshaushalt durch die erhöhten Rüstungsausgaben gibt die Regierung erst gar nicht bekannt. Jedenfalls dürfte auch hier das Defizit einige Milliarden Mark übersteigen. Die Reichsbank soll nach Mitteilungen in der faschistischen Presse allein für Subventionen an die Unternehmer, für Ausfuhr- und Steuergutscheine an die Junker und Großbauern und für die Militarisierung der Jugend in den Arbeitsdienstlagern bereits über 5 Milliarden ausgegeben haben.

4. Die faschistische Diktatur bedeutet erhöhte Ausbeutung der Arbeiter

Die Faschisten haben vor ihrer Machtübernahme den Arbeitern den “deutschen Sozialismus” versprochen, der ihnen höhere Löhne bringen, der die Kurzarbeit beseitigen und der das Proletariat zu einem dem Unternehmertum gleichgesetzten “Arbeitertum” erheben und dem Miets- und Lebensmittelwucher ein Ende bereiten sollte. Was hat aber der “deutsche Sozialismus” der Faschisten den deutschen Arbeitern gebracht? Millionen von Werktätigen wurden in das tiefste Elend herabgedrückt. Die Ausbeutung der Arbeiterklasse wurde auf das höchste gesteigert. In den zehn Monaten der Herrschaft der Hitlerdiktatur hat die Bourgeoisie die Lebenshaltung der Arbeiterklasse um 2600 Millionen Mark gekürzt. Um dies den Kapitalisten zu ermöglichen, hat die Hitlerregierung die Streiks verboten, die Gewerkschaften geraubt, die Arbeiterpresse vernichtet, die selbstgewählten Betriebsvertretungen abgeschafft, die Versammlungs- und Koalitionsfreiheit vollständig beseitigt, alle Arbeiterorganisationen zerschlagen, deren Eigentum geraubt. In den Betrieben herrscht der schrankenlose Absolutismus der kapitalistischen Ausbeuter. Die Hitlerregierung will die Tariflöhne beseitigen und die Unabdingbarkeit der Tarife durch die Einführung des Leistungslohnes ersetzen. Die unterste Lohngrenze soll nicht höher als die Wohlfahrtsunterstützung sein. Leistungszuschläge und Prämien sollen nur bei entsprechender Verbesserung der Arbeitsleistung gewährt werden. Bisher hat nur die Furcht vor der weiter gesteigerten Entfesselung der proletarischen Streikkraft und vor der kommunistischen Massenmobilisierung die Hitlerregierung an der allgemeinen Durchführung ihrer reaktionären Lohnpolitik gehindert. Aber sie verfolgt diese Pläne mit allem Nachdruck. Die Hitlerregierung hat alle Formen des direkten Lohnraubs, von der Herabsetzung der Akkordlöhne bis zur Beseitigung ganzer Tarifverträge und ihrer Ersetzung durch betriebliche Abmachungen durchgeführt. Um die sozialen Zulagen abzubauen und die Urlaubsgelder zu kürzen, wurde meistens die Form der Entlassung und Wiedereinstellung zu geringeren Löhnen angewandt. Die Ersetzung der Männerarbeit durch Frauen und Jugendliche zu entsprechend niedrigeren Löhnen ist sehr häufig. Die nominelle Lohnsumme ist unter dem Hitlerregime von Januar bis August um 900 Millionen Mark gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres gesunken. Dabei wurde der stärkste Lohndruck auf die die wirtschaftlich schwächsten Arbeiterschichten ausgeübt Gleichzeitig wurde eine starke Staffelung der Löhne eingeführt. Nur einige Beispiele für den Lohnabbau. Ein Leunaarbeiter erhielt 1929 einen Wochenlohn von 31 Mark, heute erhält er nur 19 Mark. Eine Filmarbeiterin verdiente früher 35 Mark, heute 16 bis 18 Mark. Eine Drahtzieherin bei den Berliner Osramwerken erhielt 1928 38 Mark in der Woche, heute 9,38 Mark. Besonders sind die jugendlichen Arbeiter dem Lohndruck ausgesetzt. In dem mitteldeutschen Chemiewerk Film-Wolfen ist folgende Staffelung der Löhne bei gleicher Arbeit und gleicher Stückleistung durchgeführt. Wenn man den Lohn einer 21‑jährigen Arbeiterin vergleichsweise mit 100 einsetzt, so erhält die 20‑jährige Arbeiterin 3 Prozent weniger, die 19‑jährige 8 Prozent und die 18‑jährige 15 Prozent weniger Lohn.

Neben dem direkten Lohnraub hat die faschistische Diktatur besonders den indirekten Lohnraub auf das höchste gesteigert, der in folgenden Formen durchgeführt wird: Sie hat die Mehrzahl der deutschen Arbeiter in Kurzarbeiter verwandelt und damit deren Lohneinkommen um 20 Prozent und noch mehr gekürzt. Den ledigen Arbeitern und Arbeiterinnen wurde eine Steuer von 2 bis 3 Prozent ihres Lohnes als “Ehestandsbeihilfe” abgezogen. Den frechsten Lohnraub stellt jedoch die zwangsweise Einziehung von “Spenden” dar. 1 bis 2 Prozent des Lohnes werden den Arbeitern als “Spende” für Arbeitsbeschaffung abgezogen. Dazu kommt die “Winterhilfsspende” und ferner eine Sammlung für die “Opfer der Arbeit”. Außer diesen allgemeinen Zwangsspenden werden in den Betrieben Sammlungen für die Anschaffung faschistischer Fahnen, für die Durchführung faschistischer Feste, für die braunen SA- und SS-Banden veranstaltet. Diese “Spenden” werden den Arbeitern zwangsweise abgepreßt. In einem zum Siemenskonzern gehörenden Berliner Betrieb, in dem einige tausend Arbeiter beschäftigt werden, zwang der faschistische Meister einer Abteilung, wo hauptsächlich Frauen arbeiten, die Arbeiter, von einem Wochenverdienst von 26 Mark 4 Mark als regelmäßige wöchentliche Spende für die Winterhilfe zu geben. Wer sich weigerte, wurde mit der Entlassung bedroht. Den Ledigen wurden für die Ehestandsbeihilfe noch 2 Mark extra abgezogen, so daß die beiden “Spenden” 25 Prozent des Lohnes ausmachten. Der faschistische Bezirksleiter der "Deutschen Arbeitsfront" in Münster mußte ‑ wie die gleichgeschaltete "Vossische Zeitung" in Berlin meldet ‑ wegen der wachsenden Empörung der Arbeiterschaft über die abgepreßten Zwangsspenden zu ihrer Einschränkung auffordern, weil ‑ wie er selbst zugibt ‑ "durch Arbeitszeitverkürzung [...] und die Spenden aller Art das Einkommen des Arbeiters fast auf den Satz des Wohlfahrtsempfängers herabgesetzt ist". Der auf diese Weise durchgeführte indirekte Lohnraub beträgt in den zehn Monaten der Hitlerdiktatur ungefähr eine Milliarde Mark.

Aber das ist noch nicht alles. Es kommt hinzu die Verminderung der Kaufkraft der Löhne durch die Erhöhung der Preise. Der Reallohn sinkt dauernd. Die Kleinhandelspreise für Lebensmittel sind nach der amtlichen Statistik um 5 Prozent vom März bis September gestiegen. Der ehemalige Sekretär im Reichslandwirtschaftsministerium, von Rohr, schätzt dagegen die Erhöhung der Preise der wichtigsten Produkte in der Agrarwirtschaft auf 18 Prozent. Die Fett- und Butterpreise sind allein in dieser Zeit um 40 bis 50 Prozent gestiegen. Da allgemein die Arbeiter, Angestellten und Beamten die Hälfte ihres Einkommens, für Lebensmittel ausgeben müssen, so ergibt sich daraus, daß der Arbeiterklasse durch die Erhöhung der Lebensmittelpreise mindestens 600 Millionen Mark durch das faschistische Regime geraubt wurden. Die Hitlerregierung droht Geld- und Zuchthausstrafen den Getreidehändlern an, die Getreide unter dem gesetzlich festgesetzten Preis verkaufen. Mögen die werktätigen Massen hungern, wenn nur den Junkern und Großbauern der Profit durch die Aufrechterhaltung der hohen Getreidepreise gesichert ist. Das ist der wahre Klasseninhalt der “Arbeiterpolitik” der Hitlerdiktatur. Die Hitlerregierung raubte in der Zeit ihrer Diktatur allein den beschäftigten Arbeitern, Angestellten und Beamten 900 Millionen Mark durch direkten Lohnraub; 1000 Millionen Mark durch Erhöhung der Steuern, Zwangsabgaben und Spenden; 600 Millionen Mark durch Verteuerung der Lebensmittel. Um diese 2½ Milliarden Mark wurde die Gesamtlohnsumme der deutschen Arbeiter und Angestellten durch die Hitlerregierung vermindert, dafür müssen sie aber um 15 Prozent mehr leisten als vor einem Jahre. Unter der Weimarer Demokratie war der Kapitalist der “Herr im Hause”. Im "Dritten Reich" wurde er mit Hilfe der faschistischen Rassentheorie und des Führerprinzips in ein “höherrassiges” Individuum verwandelt. Das ist der “deutsche Sozialismus” der Faschisten.

5. Der Schwindel mit der „Beseitigung der Erwerbslosigkeit"

Die Faschisten haben vor ihrer Machtübernahme und am 1. Mai neuerlich versprochen, den Arbeitslosen Arbeit zu verschaffen, die Fabriktore zu öffnen, die stillgelegten Maschinen wieder in Gang zu bringen und den von den Regierungen Hermann Müller, Brüning und Papen durchgeführten Unterstützungsraub rückgängig zu machen. Sie haben diese Versprechungen ebensowenig gehalten wie alle anderen. Die Hitlerregierung behauptet, daß sie mehr als 3 Millionen Erwerbslosen Arbeit verschafft und gegenüber dem Vorjahre 7‑900.000 Arbeiter mehr in den Produktionsprozeß eingereiht hätte. Das ist aber nur ein großer Schwindel und in der Hauptsache durch Berechnungstricks in der Erwerbslosenstatistik herbeigeführt worden.

150.000 jugendliche Arbeiter, die den Arbeitsdienstlagern zugeführt wurden, sind einfach aus der Liste der Erwerbslosen gestrichen und in die Listen der Beschäftigten überführt worden. 120.000 Landhelfer, jugendliche Arbeiter, die zwangsweise den Großbauern überwiesen wurden und für ihre Arbeit keinerlei Barentlohnung erhalten, sind den Neubeschäftigten zugezählt worden. 100.000 Arbeiter, die aus Reichsmitteln in der “werteschaffenden” Erwerbslosenhilfe als Notstandsarbeiter beschäftigt werden und deren niedrige Unterstützungssätze einfach als Löhne angegeben werden, sind in die Liste der Beschäftigten aufgenommen. Weiteren 3‑500.000 Arbeitern wurde auf folgende Weise “Arbeit” verschafft: durch Überführung ins Konzentrationslager, durch Pressung zur Zwangsarbeit bei Drohung des Unterstützungsentzuges und des dauernden Ausschlusses aus der Versicherung, durch Verteilung der vorhandenen Arbeit auf eine größere Zahl von Arbeitern durch allgemeine Einführung der Kurzarbeit und Einführung der 40‑Stundenwoche ohne Lohnausgleich, durch Entlassung von Frauen und älteren Arbeitern.

Das erste “Wunder” einer angeblichen Liquidierung der Erwerbslosigkeit in einem ganzen Bezirk wurde von den Faschisten aus Ostpreußen gemeldet. Wie aber dieses Wunder herbeigeführt wurde, das geht aus einem Artikel in der faschistischen Presse "Wie es in Ostpreußen geschafft wurde" hervor. Es heißt dort: "Die Unternehmer wurden durch Rundschreiben und Fragebogen aufgefordert, Arbeitslose in ihre Betriebe einzustellen, und solange von der Verpflichtung zur tariflichen Bezahlung entbunden, als der Arbeitslose von den Kontrolleuren nicht für voll arbeitsfähig erklärt wird. Für wen im Privatgewerbe kein Arbeitsplatz freigemacht werden kann, wird mit seinen übrigen Schicksalsgenossen in Arbeitslagern gesammelt und vorerst in zusätzlicher Arbeit bei Wegebauten, Meliorationsarbeiten beschäftigt oder bei Bauern, Gutsbesitzern als Erntehelfer untergebracht. Schlägt ein Arbeitsloser diese Arbeit aus, so verliert er nicht nur den Unterstützungsanspruch, sondern scheidet überhaupt aus jeder Versicherung aus. Das Arbeitsamt kennt ihn nicht mehr, interessiert sich auch nicht weiter für sein Schicksal. Um den Landwirten einen Anreiz zur vermehrten Beschäftigung solcher Arbeitskräfte zu bieten, zahlt man an sie eine Prämie in Höhe von 2 bis 3 Wochenunterstützungen aus den Mitteln der Reichsanstalt. Derjenige Landwirt, der mit einem Arbeitslosen einen einjährigen Arbeitsvertrag abschließt, erhält eine besondere Prämie von etwa 240 Mark." Dafür wird aber den beschäftigten Erwerbslosen kein Barlohn ausgezahlt, sie erhalten .nur Naturalverpflegung und das auch nur in unzulänglichem Maße.

Wo in einem Betriebe wirklich zusätzliche Arbeitskräfte beschäftigt wurden, so geschah das meistens weit unter den Tariflöhnen. Soweit wirklich eine Zunahme der Beschäftigungsziffer über den Saisonbedarf hinaus stattfand, erfolgte sie ausschließlich in der Kriegsmaterialproduktion und durch die Einführung der Kurzarbeit. Obwohl die Regierung alle 14 Tage verkünden läßt, daß wiederum neue hunderttausend Erwerbslose Arbeit gefunden hätten, so steht diesem Schwindel die Tatsache gegenüber, daß die wirkliche Zahl der Erwerbslosen seit Wochen wieder im Ansteigen ist. Die Gesamtzahl der gegenwärtig Erwerbslosen ist mit 7 Millionen nicht zu hoch gegriffen.

Die Hitlerregierung hat das Erwerbslosenelend durch den systematischen Abbau der Erwerbslosen- und Krisenunterstützung außerordentlich erhöht. Mehr als eine Milliarde Mark wurden aus den Unterstützungskassen für die Erwerbslosen herausgenommen und damit die Arbeitsbeschaffungsprogramme finanziert, die den Hausbesitzern, Industriellen, Großbauern und Junkern geschenkt werden. Mit den den Erwerbslosen weggenommenen Unterstützungsgeldern werden die für den Krieg geplanten Autostraßen gebaut, Flugplätze angelegt, die Arbeitsdienstlager erhalten und ein Teil der Produktion von Kriegsmaterialien finanziert. Während im Jahre 1929 noch 77 Prozent der Erwerbslosen aus der Erwerbslosenversicherung Unterstützung erhielten, sind es gegenwärtig keine 10 Prozent mehr. Die Hunderte von Millionen, die den Arbeitern von ihrem Lohne als Beiträge zur Erwerbslosenversicherung abgenommen werden, fließen unmittelbar als Subventionen, als Mittel zur Finanzierung der Kriegsproduktion, als Kredite für die Junker in die Taschen der herrschenden Klasse. 2.700.000 Arbeiter wurden während der zehn Monate Hitlerdiktatur der Erwerbslosenunterstützung beraubt.

Das ist die Verwirklichung des von Hitler angekündigten Vierjahresplans zur Beseitigung der Erwerbslosigkeit. Hitler hat keinerlei neue Arbeit beschafft, es sei denn die Aufträge für Granaten, Kanonen und Flugzeugmotore. Aber Hitler hat die ganze Arbeiterklasse in Kurzarbeiter verwandelt, hat das Erwerbslosenelend auf alle Arbeiter ausgedehnt, hat die Löhne gesenkt, das Brot verteuert, die Unterstützungen geraubt. Das ist das “Rettungsprogramm” der Hitlerdiktatur.

6. Das Kleinbürgertum, die kleinen und mittleren Bauern als Verbündete der Arbeiterklasse

Hitler hat vor seiner Machtübernahme und der Aufrichtung der faschistischen Diktatur dem Kleinbürgertum und den Bauern versprochen: Brechung der Zinsknechtschaft, Beschlagnahme des mühelosen Einkommens der Kriegs- und Inflationsgewinnler, Verstaatlichung der Banken, Schließung der Warenhäuser, Aufteilung des Großgrundbesitzes, Beseitigung der hohen Korruptionsgehälter, Nichtigkeitserklärung der kapitalistischen Auslandsverpflichtungen und des Versailler Vertrages. Von all diesen Versprechungen hat die Hitlerregierung nicht das geringste gehalten. Sie hat im Gegenteil die Ausplünderung dieser Bevölkerungsschichten durch das Monopolkapital und den Staat gesteigert.

Die ganze den städtischen Mittelstand ruinierende Last an hohen Pachten, Steuern und Zinsen, an gewerblichen Mieten und Standgebühren ist geblieben. Es blieb der Rattenschwanz von Gewerbe-, Bürger-, Umsatz-, Schlacht-, Bier-, Salz-, Zucker-, Tabak- und Getränkesteuern. Diese Last wurde durch die fortwährenden Bettel- und Zwangsspenden noch erhöht. Den kleinen und armen Bauern versprachen die Faschisten alles, was sie hören wollten: staatliche Garantie des Kleinbesitzes, Errichtung eines neuen Bauernadels, gerechter Preis für schwere Arbeit, Konzessionen wurden in Aussicht gestellt. Das Moratorium gegen Zwangsversteigerungen wurde erklärt und nach seinem Ablauf aus Furcht vor der wachsenden Unzufriedenheit im Dorfe zunächst bis zum nächsten Jahresanfang verlängert. Die Versprechungen Hitlers, den landarmen Bauern Boden zu geben, wurden nicht eingelöst. Kein einziger Großgrundbesitz wurde konfisziert. Die Erhöhung der Fett- und Butterpreise wurde als eine “Rettungsaktion für die kleinen Bauern” bezeichnet. Aber durch die gleichzeitige Erhöhung aller Futtermittelpreise, durch Errichtung eines Futtermittelmonopols steht sich heute der Kleinbauer schlechter als früher. Den Nutzen haben ausschließlich die Junker und Großbauern, die von der Getreide- zur Futtermittelwirtschaft übergehen können.

Das Erbhofgesetz[16] der Hitlerregierung zeigt den Kurs auf die Großbauern. Die 500.000 Erbhöfe dieser Schichten erhalten alle möglichen Privilegien: Entschuldung, Befreiung von der Erbschaftssteuer, Unteilbarkeit, Schutz vor gerichtlichen Zwangsversteigerungen. Neben den Fideikommissen der Latifundienbesitzer wird eine privilegierte feudale Großbauernmacht gefördert, die die wirtschaftliche Ausbeutung und politische Entrechtung der kleinen und mittleren Bauern noch schärfer als bisher durchführt. Die fortgesetzt steigende Agrarkrise vermag aber die Hitlerregierung trotz aller Begünstigungen, die sie den Junkern und Großbauern gewährt, nicht aufzuhalten. Sie ist in der Hauptsache eine Folge der im Interesse des Monopolkapitalismus durchgeführten Verminderung der Kaufkraft der werktätigen Massen, der Arbeiter, Angestellten und Beamten und des Kleinbürgertums. Die Massen haben nicht satt zu essen, aber die Getreidevorräte in Deutschland häufen sich. Sie sind heute größer als jemals zuvor. Die Massen können kein Fleisch kaufen, das Schlachtvieh findet keine Käufer. Über 500.000 Schweine und mehr als 50.000 Rinder wurden im ersten Halbjahr 1933 weniger abgesetzt als in der gleichen Zeit des Vorjahres.

Die Leidtragenden dieser Agrarkrise sind die kleinen und mittleren Bauern. Den Vorteil von der Politik der Hitlerregierung hat nur das Großkapital und das Junkertum. Den Vorteil hat das faschistische Führerpack selbst, das sich auf Staatskosten Landhäuser schenkt, neue Generalsuniformen anlegt, sich Leibwachen hält, sechsfache Gehälter bezieht und bei dem die Korruption in größerer Blüte steht als jemals unter Weimar. Die faschistische Demagogie beginnt ihre Wirkung auf die kleinbürgerlichen Massen zu verlieren. Um so notwendiger hält es das deutsche Monopolkapital, die Massen von dem wachsenden Elend im Lande abzulenken und die wachsende Unzufriedenheit in das Bett des Chauvinismus und des Kriegsrausches zu lenken. Die sogenannte “Volksabstimmung” vom 12. November diente ausschließlich diesem Zwecke. Die drohende Katastrophe im Innern des Landes zwingt die Hitlerregierung zu dem Versuch, den Ausweg in der Richtung außenpolitischer Abenteuer, in einem Kriege zu suchen.

7. Die faschistische Diktatur in Deutschland als Herd der europäischen Kriegsvorbereitungen

Hitler versprach vor und nach seiner Machtübernahme die nationale Befreiung, die Herstellung der staatlichen Gleichberechtigung, die Aufhebung der in Versailles und St. Germain diktierten Grenzen, den Anschluß Österreichs an Deutschland, die Austilgung der Schande von Versailles. Zehn Monate faschistischer Diktatur haben dazu geführt, die Beziehungen Deutschlands fast ausnahmslos zu allen Staaten der Welt zu verschlechtern. Der Versuch einer Revision der Verträge auf imperialistischem Wege und der gewaltsamen Neuaufteilung der Welt stellt den Krieg auf die Tagesordnung. Die Hitlerregierung will das werktätige Volk Deutschlands in diesen Krieg hineintreiben. Hitler unternimmt den Versuch, die imperialistischen Gegensätze auf dem Boden einer Allianz aller imperialistischen Länder gegen die Sowjetunion zu überbrücken und damit den Krieg gegen die Sowjetunion zu organisieren. Der Stoß nach dem Osten, die durch die sowjetfeindliche und antibolschewistische Politik der Sozialdemokratie und der 2. Internationale unterstützte annektionistische Politik gegen die Sowjetunion ist die Grundtendenz der Außenpolitik der faschistischen Kriegsverbrecher.

Hitler schreibt in seinem Buch "Mein Kampf" über die von einem faschistischen Deutschland zu betreibende Außenpolitik: "Für Deutschland lag die einzige Möglichkeit zur Durchführung einer gesunden Bodenpolitik nur in der Erwerbung von neuem Land in Europa selbst [...] Wollte man in Europa Grund und Boden, dann konnte dies im großen und ganzen nur auf Kosten Rußlands geschehen, dann mußte sich das Reich wieder auf der Straße der einstigen Ordensritter in Marsch setzen, um mit dem deutschen Schwert dem deutschen Pflug die Scholle, der Nation aber das tägliche Brot zu geben." In dieser Linie lag auch das Hugenberg-Memorandum auf der Londoner Konferenz, das "aus Raumnot des Volkes die russische Ukraine als Kolonialgebiet" forderte. In dieser Linie liegt der Völkerbundsaustritt der Hitlerregierung[17]. Die schwerindustriellen Raubritter und die faschistischen Abenteurer in Deutschland warten nur darauf, daß der japanische Imperialismus im Fernen Osten an den Grenzen der Sowjetunion einbricht. Am Tage nach der Austrittserklärung aus dem Völkerbund boten die angeblichen Kämpfer gegen Versailles, die Hitler und Goebbels, in öffentlicher Rede den französischen Generalstäblern das Bündnis gegen den Weltbolschewismus an. Aus diesem Grunde haben sie jetzt mit Polen eine Vereinbarung getroffen, sich nicht gegenseitig anzugreifen, bei der die Hitlerregierung zunächst auf die Rückgabe des Polnischen Korridors verzichtete, um ein deutsch-polnisches Bündnis gegen die Arbeiter- und Bauernmacht der Sowjetunion anzubahnen.

Die Hitlerregierung betreibt unter Einsetzung aller ökonomischen und finanziellen Mittel in stärkstem Tempo die Rüstung zum Kriege. Sie hat die Reichswehr bereits um das Doppelte, auf 200.000, erhöht und hat heute schon in den beiden Formationen der Hitlerbanden, der SA und SS, mit dem gleichgeschalteten Stahlhelm und der Schutzpolizei über eine halbe Million militärisch ausgebildeter Leute zur Verfügung. Die Produktion von Kanonen, Flugzeugen, Tanks und anderem Kriegsmaterial wird auf das höchste gesteigert- Dazu kommen die militärischen Grenzbefestigungen an der Ostgrenze. Deutschland ist mehr denn je zum Herd steter Kriegsgefahr in Europa geworden. Der angestrebte Anschluß Österreichs an Deutschland hat zu einer außerordentlichen Verschärfung aller imperialistischen Gegensätze in Europa geführt, die die unmittelbare Kriegsgefahr in sich trägt. Die deutsche Sozialdemokratie steht wie alle Parteien der 2. Internationale bei diesen Kriegsvorbereitungen auf der Seite der Bourgeoisie. Sie hat am 17. Mai im Reichstage[18] dem außenpolitischen Aufrüstungs- und Kriegsprogramm der Hitlerregierung ihre Zustimmung gegeben, sie hat die heutige Militarisierung der Jugend durch die Errichtung von Arbeitsdienstlagern durch die direkte Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Wehrsportorganisationen begonnen.

Hitler hat den Massen in Deutschland die nationale Befreiung versprochen und hat sich auf einer Welle des Chauvinismus zur Macht tragen lassen. Wie sieht aber diese nationale Befreiung für die Massen des werktätigen Deutschland aus? Sie hat ihnen neue Kriegsvorbereitungen im Interesse des Finanzkapitals gebracht, die im Vergleich zu den Lasten von Versailles ein noch schwereres militärisches Joch bedeuten. Sie hat ihnen weiteren Abbau der Löhne und den Erwerbslosen den weiteren Abbau der Unterstützungen, die Verteuerung aller Lebensmittel gebracht und dem Mittelstand alle Wiederaufstiegsmöglichkeiten geraubt. Sie hat die Militarisierung der ganzen werktätigen Jugend gebracht und eine steigende chauvinistische Haßstimmung in allen übrigen Ländern gegen das faschistische kriegslüsterne Deutschland erzeugt. Sie hat einen unerhörten blutigen Terror gegen die Kommunisten und revolutionären Arbeiter gebracht. Der Weg der faschistischen Diktatur ist der Weg in die Katastrophe. Er ist die Eröffnung des Bürgerkrieges gegen das eigene werktätige Volk. Er ist der Weg zu den Schlachtfeldern eines grausameren Massenmordens als 1914‑1918. Der Faschismus muß sterben, wenn das Proletariat leben soll.

IV. Ohne die Sozialdemokratie keine faschistische Diktatur

Die einzige Kraft, die die faschistische Diktatur hätte verhindern können oder sie niederzuwerfen vermag, ist die auf dem Boden des Klassenkampfes geeinte deutsche Arbeiterklasse. Die Kommunistische Partei hat unausgesetzt dafür gekämpft, diese Einheit herbeizuführen. Wiederholt hat sie die sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsmassen aufgefordert, gemeinsam mit den Kommunisten den Generalstreik zur Verhinderung und zum Sturz der faschistischen Diktatur durchzuführen. Aber die sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsführer haben nicht nur durch ihre konterrevolutionäre Politik und ihre Einheitsfront mit der Bourgeoisie die Arbeiterschaft gespalten, sie wollen auch ihre Spaltung aufrechterhalten, um den einheitlichen Kampf, um den Sieg der Arbeiterschaft zu verhindern. Darin besteht im wesentlichen ihre Rolle als soziale Hauptstütze der Bourgeoisie. Die Einheit der deutschen Arbeiterklasse kann also nur durch die Liquidierung des Masseneinflusses der Sozialdemokratie herbeigeführt werden.

Die Aufrichtung der faschistischen Diktatur war der Bourgeoisie nur möglich infolge der von der Sozialdemokratie betriebenen Sabotage des Klassenkampfes, ihrer Desorganisierung und Entwaffnung des Proletariats und ihres immer stärkeren Verwachsens mit dem kapitalistischen Staatsapparat. Nur dadurch, daß durch die sozialdemokratische Politik der Spaltung die KPD als revolutionäre Vorhut der Unterstützung der Mehrheit der Arbeiterklasse beraubt war, konnte das Finanzkapital seine terroristische Diktatur über das Proletariat aufrichten. Die Kommunistische Partei hat mit allen Kräften versucht, die von der Sozialdemokratie zur Verschleierung ihres Verbrechens aufgestellte Theorie von der “Unvermeidlichkeit der faschistischen Diktatur” in den Massen zu bekämpfen. Unsere Strategie und Taktik ging von der Grundeinstellung aus, daß im Wettlauf der revolutionären und konterrevolutionären Kräfte die Steigerung der antifaschistischen Einheitsfrontkämpfe, die Heranführung der Arbeiter an Streiks, an den politischen Massenstreik und Generalstreik der einzige Weg war, um die weitere Entfaltung der faschistischen Diktatur zu verhindern. In Auswertung der Erfahrungen vom 20. Juli v. J. [19] und in Durchführung der vom 12. Plenum des EKKI gestellten Aufgaben im Kampfe gegen den Faschismus mobilisierte die Partei ihre Kräfte zu einer neuen höheren Stufe der antifaschistischen Aktion. Mit ihrem Kampfappell an die Arbeiterklasse Deutschlands: "Vereinigt euch zum gemeinsamen Kampf gegen Lohnraub und faschistische Diktatur!"[20] bekräftigte sie erneut ihre wiederholt zum Ausdruck gebrachte Bereitschaft, „mit jeder Organisation, in der Arbeiter vereinigt sind und die wirklich den Kampf durchführen will, gemeinsam zu kämpfen"[21].

Die Kampf- und Streikmobilisierung auf Grund unserer Einheitsfrontpolitik mit den sozialdemokratischen Arbeitern führte zu einer sehr hohen Kraftsteigerung des Proletariats. Den Angriff der Papendiktatur auf die Löhne der Arbeiter beantworteten diese mit einem Gegenangriff. In mehr als 900 Streiks wurde die Lohnraubverordnung zu Fall gebracht. In hunderten betrieblichen Teilkämpfen bewiesen wir Kommunisten den Arbeitern, daß wir die einzigen sind, die Streiks zu organisieren und bis zum Siege zu führen verstehen. Der Höhepunkt dieser Streikwelle war der Berliner Verkehrsarbeiterstreik[22] am Vorabend der Reichstagswahlen vom 6. November. Er führte bis dicht an den politischen Massenstreik heran. Ohne die Organisierung und Führung dieser Hunderte von Teilkämpfen und Streiks wäre der Kommunistischen Partei die Auslösung dieses Berliner Massenstreiks kaum möglich gewesen. Die Arbeiterklasse errang mit ihm den größten politischen Erfolg des ganzen Jahres, obwohl er nur mit geringfügigen materiellen Erfolgen der Verkehrsarbeiter infolge der Organisierung des Streikbruchs durch die sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsführer abgebrochen werden mußte.

Das Papenkabinett, als eine der Formen der faschistischen Diktatur, wurde durch die Massenstreikkraft der Arbeiterschaft gesprengt. Das Tempo der revolutionären Welle begann sichtbar die von der Bourgeoisie gesteigerte chauvinistische Welle einzuholen. Der Berliner BVG-Streik hatte der Arbeiterschaft, aber auch der Bourgeoisie gezeigt, welche Kraft dem einheitlich kämpfenden Proletariat unter der Führung der KPD innewohnt. Der damalige Reichswehrgeneral von Schleicher erklärte, daß bei Fortdauer und Steigerung des BVG-Streiks der gesamte preußische Polizeiapparat nicht mehr in der Lage gewesen wäre, die staatliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Die politische Bedeutung der Massenstreikwelle kam auch in dem Ergebnis der Reichstagswahl vom 6. November zum Ausdruck, wo die Nazis, als die faschistische Partei der deutschen Bourgeoisie, 2 Millionen Stimmen verloren. Das schwankende Kleinbürgertum begann sich nach der kämpfenden Arbeiterschaft hin umzuorientieren. Es bestätigt sich die leninistische Lehre, daß die Zwischenklassen nur durch die revolutionäre Aktivität des Proletariats auf den Weg der Revolution gebracht werden können. Ohne den Streikbruch der Sozialdemokratie und ihrer Gewerkschaftsbürokratie wäre es der Bourgeoisie nicht gelungen, die breite Streikwelle abzustoppen. Aus dem Streik der Berliner BVG-Arbeiter und der Hamburger Straßenbahner[23] hätten die großen politischen Massenstreiks herauswachsen können, die allein die Aufrichtung der faschistischen Diktatur hätten verhindern können; Aber der sozialdemokratische Parteivorstand und der ADGB würgten brutal jeden Streik ab und stellten sich unverhüllt auf die Seite des faschistischen Staatsapparates. Hier tritt für jeden Arbeiter erkennbar hervor, daß die Sozialdemokratie und der ADGB das deutsche Proletariat an der siegreichen Durchführung ihrer Kämpfe hinderten, daß sie sich der Einheit des deutschen Proletariats in den Weg stellten. Indem sie den Generalstreik verhinderten, ermöglichten sie die Errichtung der offenen terroristischen Diktatur des Finanzkapitals.

Der durch die Streikbewegung gestürzten Papenregierung folgte das Schleicherkabinett, mit .dem die Bourgeoisie den Versuch unternahm, hinter einer Nebelwand sozialer Phraseologie die Umgruppierung und Vereinheitlichung aller faschistischen Kräfte zu einem neuen entscheidenden Vorstoß gegen die revolutionäre Bewegung vorzunehmen. Je mächtiger die Einheitsfrontbewegung der Arbeiter sich entwickelte und die Bourgeoisie deshalb ihre Versuche zur terroristischen Niederwerfung der revolutionären Kräfte verstärken mußte, um so vielseitiger und gerissener mußte auch die Sozialdemokratie ihre Manöver zur Aufrechterhaltung der Spaltung des Proletariats und zur Verhinderung der Massenkämpfe gestalten. In all ihren Worten und Handlungen legte sie es darauf an, die unter Papen stürmisch zur Entfaltung gekommene Streikkraft zu brechen, die Arbeiter über den Ernst der Lage und über die Gefahr der Sprunghaftigkeit der faschistischen Entwicklung hinwegzutäuschen und den Einheitsfrontwillen der SPD-Arbeiter zu unterdrücken. Mit dem Schleicherkabinett sollte es der Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsbewegung ermöglicht werden, die Klassenwachsamkeit des Proletariats gegenüber der drohenden weiteren Entfaltung der faschistischen Diktatur einzuschläfern. Diesem Zwecke sollten die Scheinamnestie, die formelle Rücknahme der Papenschen Lohnraubverordnung, die Erklärung des Burgfriedens, das Verbot der Tarifkündigungen, die Aufhebung des "Rote-Fahne"-Verbots dienen. Diese sozialbetrügerischen Maßnahmen des Schleicherkabinetts wurden von der Sozialdemokratie zur verstärkten Fortführung ihrer Tolerierungspolitik, besonders aber zur Abdämmung der für die Bourgeoisie gefährlichen Streikbewegung benutzt. Sie bezeichnete die Schleicherpolitik als eine neu beginnende Ära der sozialen und politischen Errungenschaften auf dem Boden der parlamentarischen Spielregeln. Die ADGB-Führer mit Leipart an der Spitze erhoben Schleicher in den Rang eines “sozialen” Generals.

Aber der Genosse Thälmann charakterisierte die durch das Schleicherkabinett geschaffene Lage Anfang Dezember auf dem Hamburger Bezirksparteitag mit folgender Warnung an das Proletariat: "Mit der Konstituierung des Schleicherkabinetts treten wir in ein neues verschärftes Stadium der faschistischen Diktatur ein. [...] Wir müssen Überrumpelungsmanövern und sensationellen überraschenden Angriffsmaßnahmen gegenüber gewappnet sein." So sehr auch die Partei die Massen zu mobilisieren, im Streikkampf nicht nachzulassen und die Kämpfe gegen das Schleicherkabinett zu steigern versuchte, so hatte doch das mit Hilfe der SPD durchgeführte Betrugsmanöver die Wirkung, daß die Streikstimmung unter den Massen nachließ. Dieses Nachlassen der Kampfstimmung der Arbeiter nutzten die Nazis sofort zu starken provokatorischen Demonstrationen gegen die KPD aus, mit denen zugleich die Schleicherregierung gesprengt werden sollte. Die entscheidenden Teile des Finanzkapitals stellten offen die Frage der Übernahme der Regierung durch Hitler und der Aufrichtung der faschistischen Diktatur. Der Naziaufmarsch am 22. Januar in Berlin[24], der vor unserem Parteihaus, allerdings nur unter einem ungeheuren Polizeischutz, vorbeigeführt wurde, war der Versuch, alle faschistischen Kräfte zusammenzureißen für die Durchführung dieser Pläne der Nazis. Die Partei alarmierte die gesamte Arbeiterschaft nicht nur in Berlin, sondern im ganzen Reiche und rief sie zu Gegenaufmärschen, zur Durchführung politischer Proteststreiks auf und stellte für Berlin die Frage des politischen Massenstreiks. Wenige Tage später, am 25. Januar, zeigte das Berliner Proletariat in einer gewaltigen Demonstration seine Kampfbereitschaft und seinen glühenden Willen zur Einheitsfront. Obwohl die SPD diese Demonstration als “Putschismus”, “Verbrechen”, “Abenteurertum” bezeichnete, wurde diese Demonstration zu einer der gewaltigsten Kampfkundgebungen unter außerordentlich starker Anteilnahme sozialdemokratischer Arbeiter. Während die Sozialdemokratie den Naziaufmarsch als eine schwere Niederlage der Berliner Arbeiterschaft bezeichnete, schrieb der Chefredakteur des "Vorwärts", Stampfer, zwei Tage später über den Gegenaufmarsch von seinem "großen Erlebnis", über den "Heroismus der kommunistischen Arbeiter, bei froststarrender Kälte stundenlang am Zentralkomitee ihrer Partei vorbeizumarschieren". Aber dieser Aufmarsch signalisierte der SPD die Gefahr, daß die sozialdemokratischen Arbeiter immer stärker sich mit den Kommunisten verbünden. Sie versuchte mit dem Vorschlag eines Nichtangriffspaktes zwischen den Führern der KPD und der SPD, den sie in diesen Tagen verstärkt in die Massen, vor allem in die Betriebe warf, die Verständigung der Arbeiter über revolutionäre Einheitsfrontaktionen von unten zu verhindern.

Das kam ganz offen bei der Kundgebung zum Ausdruck, die das Berliner Reichsbanner im Berliner Lustgarten 24 Stunden vor Hitlers Machtergreifung veranstaltete. Obwohl der Führer des Reichsbanners, Höltermann, dort erklärte, daß vielleicht schon binnen 24 Stunden die Entscheidung über die Aufrichtung der Hitlerdiktatur gefallen sein könnte, wurde keinerlei Aufforderung zum Kampf herausgegeben, sondern im Gegenteil vor einer selbständigen Aktion der Kommunisten gewarnt, die als ein Verbrechen bezeichnet wurde. So lieferte die Sozialdemokratie, wie am 20. Juli, völlig kampflos die Arbeiterschaft der faschistischen Diktatur aus. 24 Stunden später, am 30. Januar, übergab die Bourgeoisie der Hitlerpartei die Begierungsmacht zur Aufrichtung der faschistischen Diktatur. Der Bankrott aller bürgerlichen Parteien und ihrer Regierungsmethoden in der Durchführung des kapitalistischen Hungerprogramms, die schnelle Einengung der sozialdemokratischen Massenbasis, die wachsenden Differenzen in den Spitzen der Bourgeoisie, der Vormarsch der revolutionären Kräfte zwangen die Bourgeoisie zu dem Versuch, die bisher außerhalb der Regierung stehende terroristische Stütze und stärkste Massenpartei der Bourgeoisie mit der Niederschlagung der revolutionären Arbeiterbewegung zu beauftragen.

Die Kommunistische Partei wandte sich sofort mit einem erneuten Generalstreiksangebot an SPD und ADGB und rief die Massen mit folgenden Losungen zum Kampfe auf[25]: "Heraus auf die Straßen!" "Legt die Betriebe still!" "Antwortet sofort auf den Anschlag der faschistischen Bluthunde mit dem Streik, mit dem Massenstreik, mit dem Generalstreik!" Die Sozialdemokratie lehnte den Generalstreik ab, obwohl sie noch 24 Stunden vorher in der Lustgartenkundgebung betrügerisch von der Anwendung der "äußersten Kampfesmittel" gegen den Versuch der Errichtung der Hitlerdiktatur gesprochen hatte. Sie erklärte, daß Hitler von Hindenburg verfassungsmäßig berufen sei, daß das Proletariat das "Pulver des Generalstreiks nicht vorzeitig verschießen"[26] dürfe und daß alle Kräfte auf die zum 5. März ausgeschriebenen Reichstagswahlen konzentriert werden müßten, deren Ergebnis abzuwarten sei[27]. Anstatt gegen die Hitlerdiktatur konzentrierten die Sozialdemokratie und der ADGB ihre Angriffe gegen die Kommunistische Partei, um die Massen abzuhalten, der Generalstreikparole zu folgen. Unter den sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsmassen war eine äußerst erregte Stimmung, aber ihre Entschlußkraft war durch die Betrugsmanöver ihrer Führer gehemmt, was sie zu einer abwartenden Haltung veranlaßte. Die Sozialdemokratie bot ihre stärksten Betrugsmanöver auf, um die Massen vom Kampf zurückzuhalten: daß Hitler verfassungsmäßig regieren müsse, daß er auch nur mit Wasser kochen könne und sich abwirtschaften werde. Die unter der Schleicherära von der Sozialdemokratie abgedämmte Streikbewegung veranlaßte auch das von den Nazis chauvinistisch aufgepeitschte Kleinbürgertum, sich der vermeintlich stärkeren Kraft der Nazis zuzuwenden.

So führte die Politik der Spaltung der Arbeiterklasse durch die Sozialdemokratie dazu, zu verhindern, daß die Mehrheit der Arbeiterklasse der Kampfaufforderung der KPD zur Verhinderung der faschistischen Diktatur folgte. Ohne diese Unterstützung der Mehrheit der Arbeiterklasse war aber die KPD außerstande, den Generalstreik und den Machtkampf gegen die Hitlerdiktatur siegreich durchzuführen. Sie hätte ein Verbrechen an der gesamten Arbeiterschaft begangen, wenn sie unter diesen Umständen die Vorhut allein in den Kampf geführt hätte. Sehr richtig heißt es in der am 1. April beschlossenen Resolution des Präsidiums des EKKI über die Lage in Deutschland[28]: "Die charakteristische Besonderheit der Situation im Moment des Hitlerumsturzes besteht darin, daß sich diese Voraussetzungen für den siegreichen Aufstand zu jener Zeit noch nicht auszureifen vermocht hatten, sie waren lediglich im Keimzustand vorhanden." Es wird im Anschluß daran auf eine Lehre Lenins hingewiesen: "Mit der Vorhut allein kann man nicht siegen. Die Vorhut allein in den entscheidenden Kampf werfen, solange die ganze Klasse, solange die breiten Massen die Avantgarde nicht direkt unterstützen oder wenigstens eine wohlwollende Neutralität ihr gegenüber üben ‑ wäre nicht nur eine Dummheit, sondern auch ein Verbrechen..." (Lenin, Bd. 25, S. 281.) Das mag denen gesagt sein, die in- und außerhalb der Partei behaupten, daß die kommunistische Partei versagt und den Augenblick des bewaffneten Aufstandes verpaßt hätte. Auf der deutschen Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsbürokratie allein lastet die ungeheure Schuld, durch die Spaltung der Arbeiterklasse und durch ihre verbrecherische Politik dem Faschismus zur Macht verholfen und die Aufrichtung der faschistischen Diktatur ermöglicht zu haben. Wie sie im Jahre 1918 die proletarische Revolution niederschlug, so hat sie die Massen beschwindelt mit dem Gerede der demokratischen friedlichen Entwicklung zum Sozialismus, ohne die Diktatur des Proletariats. Sie führte die Massen zum Faschismus. Sie trägt die Schuld daran, daß von Hitler und seinen Banden Hunderte von revolutionären Kämpfern zu Tode gemartert und Hunderttausende in die Konzentrationslager geworfen wurden. Die Richtigkeit der Strategie und Taktik der kommunistischen Parteien im unversöhnlichen Kampf gegen den Menschewismus aller Spielarten konnte nicht besser bestätigt werden als durch die deutsche Entwicklung. Die Eroberung der Mehrheit der Arbeiterklasse durch Ausmerzung des sozialdemokratischen Masseneinflusses, besonders auch in den Gewerkschaften, der schärfste Kampf gegen alle sozialdemokratischen Einflüsse innerhalb unserer Partei, gegen alle Abarten des Opportunismus, das ist die Hauptlehre aus der Geschichte der faschistischen Machtergreifung in Deutschland, das ist die Bedingung und Voraussetzung für die Niederwerfung der faschistischen Diktatur und für die Aufrichtung der proletarischen Diktatur.

Wie war nun das Verhalten der Sozialdemokratie nach dem 30. Januar, nach der Aufrichtung der Hitlerdiktatur? Die Sozialdemokratie hat alle Versuche unternommen, die Arbeiterschaft über den wahren Charakter der Hitlerdiktatur zu täuschen, sie von jedem ernsthaften Kampfe zurückzuhalten und sie der Hitlerdiktatur zuzuführen. Die "Metallarbeiter-Zeitung" vom  1. April 1933 (als sie noch nicht gleichgeschaltet war) schrieb: "Wenn nun endlich der wirtschaftlichen Not tatkräftig zu Leibe gegangen werden soll, so wird das niemand heißer begrüßen als die Gewerkschaften. An ihrer eigenen Mitarbeit wird es bestimmt nicht fehlen. Wenn die Regierung nun beherzt an das Werk herangeht, so werden ihr moralische Eroberungen auch bei den 48 Prozent des Volkes möglich sein; die am 5. März nicht für sie gestimmt haben." Die sozialdemokratische Gewerkschaftsbürokratie forderte am 1. Mai die Arbeiter auf, unter Hitlers Hakenkreuzfahne zu demonstrieren. Walter Pahl, einer der Vertrauten von Leipart, schrieb in einem Artikel zum 1. Mai, der durch die gesamte Gewerkschaftspresse ging[29]: "Wir brauchen wahrhaftig nicht umzufallen, um au bekennen, daß der Sieg des Nationalsozialismus, obwohl er im Kampfe gegen eine Partei errungen wurde, die uns als Träger der sozialistischen Idee galt, auch unser Sieg ist, insofern die sozialistische Aufgabe heute der ganzen Nation gestellt wird." Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion gab am 17. Mai im Reichstag ihre Zustimmung zu Hitlers Regierungserklärung[30] und der sozialdemokratische Parteivorstand vollzog auf Befehl von Hitler den Austritt aus der 2. Internationale[31]. Wenn trotz dieser Dienste der Sozialdemokratie für Hitler ihre Organisation verboten wurde, so geschah das nicht, weil sie eine Gefahr für die faschistische Diktatur war, sondern aus einem andern Grunde: Bei Fortsetzung dieses offenen plumpen Verrats der Arbeiterinteressen durch die Sozialdemokratie wären ihre legalen Organisationen zweifellos zu Sammelbecken der sozialdemokratischen Arbeiteropposition gegen ihre konterrevolutionäre Führung und damit auch gegen die faschistische Diktatur geworden, soweit diese Arbeiter nicht direkt zu den Kommunisten übergingen. Die Sozialdemokratie bleibt auch nach dem Verbot ihrer Organisation die soziale Hauptstütze der Bourgeoisie. Sie setzt ihre Politik der Spaltung der Arbeiterklasse fort und sucht diese noch zu vertiefen. Sie richtet ihren Kampf, ihre Hetze und Verleumdung nur gegen die Kommunistische Partei, sie betreibt die Sabotage des Kampfes der Massen gegen den Faschismus, die Hemmung dieses Kampfes der einzigen revolutionären Klasse. Sie erstrebt die Wiederholung der Koalitionspolitik auf höherer Stufe, was bei den jetzigen Verhältnissen in einem Block mit Hugenberg seinen Ausdruck finden könnte.

Die Sozialdemokratie hat ihre Politik der Spaltung der Arbeiterklasse und deren Durchdringung mit der reformistischen Ideologie nicht allein durch den großen Organisationsapparat der Partei, der Gewerkschaften, Krankenkassen, Kommunen und anderen Einrichtungen durchgeführt, sie hat auch das sozialdemokratische Gift zur Vernichtung des Klassenbewußtseins durch einen ganzen Komplex kleinbürgerlicher Ideologie den Massen eingeflößt. Diese Ideologie bildet weiter eine Gefahrenquelle für die Arbeiterklasse. Auch die Arbeiteraristokratie in Deutschland, die die Basis für die reformistische Politik der Sozialdemokratie bildete, ist nicht verschwunden, wenn sie auch durch die Verallgemeinerung des Elends bedeutend kleiner geworden ist. Die Politik der faschistischen Diktatur ist gerade darauf gerichtet, diese Differenzierung in der Lebenshaltung der Massen zu steigern, wenn auch nur dadurch, daß sie das Niveau der Lebenshaltung nach unten hin verschlechtert. Die Versuche der Faschisten, sich eine eigene Basis in den Betrieben, durch die NSBO zu schaffen, bleiben ziemlich erfolglos. Die Bourgeoisie braucht also auch hier die Hilfe der Sozialdemokratie. Die Sozialdemokratie setzt ihren Kurs auf die Schaffung von Reserven, um dem Kapitalismus bei dem ersten Symptom eines Zusammenbruchs der faschistischen Diktatur wieder zu Hilfe zu kommen, um wie 1918 als Totengräber der deutschen Revolution zu fungieren. Die Sozialdemokratie macht ihre größte Krise durch. Sie ist in Zersetzung, in ihrem tiefsten Niedergang, aber es wäre falsch, etwa anzunehmen, daß sie aufgehört habe zu existieren. Es liegt bei uns Kommunisten, sie zu vernichten. Jede Schwankung in unserer Kampfstellung zur Sozialdemokratie, jede Unklarheit in unserer Einheitsfrontpolitik zur Gewinnung der sozialdemokratischen Massen steigert die Gefahr der Wiederbefestigung der Sozialdemokratie und könnte unseren erfolgreichen Weg zur Errichtung der proletarischen Einheitsfront versperren.

Wir müssen unsere größte Aufmerksamkeit auf die Vorgänge in der Sozialdemokratie, besonders auf die Manöver der rechten und “linken” SPD-Führer richten, mit denen sie den Blick der SPD-Arbeiter verwirren wollen. Die Errichtung der faschistischen Diktatur löste bei großen Schichten der sozialdemokratischen Arbeiter eine sehr niedergedrückte Stimmung aus, die bei den sogenannten “Linken” in Panikstimmung umschlug. Ich führe hier nur ein paar Äußerungen dieser sogenannten “Linken” an: "Wir sind in Deutschland aufs Haupt geschlagen. Der demokratische Sozialismus hat nicht nur in Mitteleuropa, sondern auch in der ganzen Welt seine stärkste Position verloren" ‑ jammert Bienstock[32]. "Die Menschheitsgeschichte wird [...] um viele Jahrhunderte zurückgeworfen werden" ‑ prophezeit Miles[33]. "Wir haben eine gewaltige Niederlage erlitten" heulen die Trotzkisten und Brandlerianer. Die Neumann-Remmele-Gruppe schreit vom "Sieg des Faschismus und der Niederlage des Proletariats". Einige wiedererwachte Versöhnler schließen sich diesem konterrevolutionären Schrei an. Der nach Prag emigrierte sozialdemokratische Parteivorstand erkannte die Gefahr dieser Katzenjammerstimmung für die Sozialdemokratie. In einer schnell zusammengeflickten Plattform, die er als "Revolution gegen Hitler" betitelt[34], wirft er sich in Pose und erklärt, daß die Sozialdemokratie nur noch als "revolutionäre Sozialdemokratie" existieren könne und dem "totalen Staat" Hitlers die "totale Revolution" entgegengesetzt werden müsse. Aber seine ganze Politik ist darauf eingestellt, die Bourgeoisie davon zu überzeugen, daß die Verwendung der Sozialdemokratie unumgänglich notwendig ist, "um Deutschland nicht im bolschewistischen Chaos verfallen zu lassen".

Aber die im Lande verbliebenen sozialdemokratischen Führer, vor allem die alten oder neuen “Linken”, begreifen, daß mit einem solchen unverschleierten antibolschewistischen Programm des Parteivorstandes die sozialdemokratischen Arbeiter von der Abwanderung in das kommunistische Lager nicht abgehalten werden können. Gerade der unerschrockene Kampf der revolutionären Vorhut reißt die SPD-Arbeiter aus ihrer Depressionsstimmung heraus und zieht sie in die antifaschistische Front hinein. Viele von ihnen arbeiten eng mit uns Kommunisten zusammen und verbreiten unsere Zeitungen, Flugblätter und Literatur. Ihre Empörung über den Verrat und die Feigheit ihrer Führer verbindet sie mit der kritischen Überprüfung der grundlegenden Probleme der Arbeiterbewegung. Sie beginnen zu begreifen, daß der von ihren Führern propagierte Weg des “friedlichen Hineinwachsens” in den Sozialismus durch die bürgerliche Demokratie zur Aufrichtung der faschistischen Diktatur geführt hat. Sie beschäftigen sich sehr ernst mit der Problemstellung der proletarischen oder bürgerlichen Diktatur, der bürgerlichen oder proletarischen Demokratie und der Anwendung der Gewalt im Klassenkampf. Sie beginnen zu begreifen, daß die Ursachen der Aufrichtung der faschistischen Diktatur in der Spaltungspolitik ihrer Führer liegen und daß diese ihre Wurzeln schon in der Vorkriegspolitik der Sozialdemokratie hat. Diese erwachende Erkenntnis und Oppositionsstimmung der sozialdemokratischen Arbeiterschaft suchen die “linken” Phraseure der Sozialdemokratie durch eine breit angelegte Kampagne der “Selbstkritik” aufzufangen, um zu verhindern, daß die Arbeiter die einzig richtige revolutionäre Konsequenz des Übertrittes zur KPD ziehen. In seiner Broschüre "Neu beginnen! Faschismus oder Sozialismus" schreibt Miles, einer der Agenten des Parteivorstandes in “linker” Maskierung:

Es ist daher eine geschichtliche Illusion, zu glauben, daß die deutsche Sozialdemokratie bis August 1914 im Kern eine revolutionäre marxistische Partei war und dann aus Gemeinheit oder Unverstand der Führer dem Marxismus untreu geworden sei. Sie konnte niemals Prinzipien verraten, die sie nie besessen hat. Der August 1914 war nicht die Ursache der Verbürgerlichung der Sozialdemokratie, sondern nur ihre Offenbarung. Er hat nur offen enthüllt, was stets schon bestand [...] Auch in der nachfolgenden Periode der Weimarer Republik blieb die deutsche Sozialdemokratie ihren Grundsätzen treu, die den bürgerlichen Staat und den Kapitalismus bejahen" (S. 39).

Dieses Eingeständnis geschieht aus dem demagogischen Grunde, den sozialdemokratischen Arbeitern einzureden, daß nunmehr alles besser werden soll in der Sozialdemokratie, um sie damit von der Erkenntnis der Richtigkeit der kommunistischen Einheitsfrontpolitik zurückzuhalten. Die “linken” Agenten des SPD-Parteivorstandes im Lande und in der Emigration beginnen ein freches betrügerisches Spiel mit radikalen Worten. Auf der Pariser Konferenz der 2. Internationale sprach Aufhäuser von der Notwendigkeit einer “Erziehungsdiktatur”[35] als “Übergangsstadium”. Bei den wachsenden Sympathien der SPD-Arbeiter für die unerschütterliche Macht der Sowjetunion und den großen Erfolgen des sozialistischen Aufbaus suchen die SPD-Demagogen in einigen Phrasen dieser Stimmung Rechnung zu tragen, um aber im gleichen Atemzuge zu versuchen, den Arbeitern einzureden, daß “die bolschewistische Taktik für Westeuropa nicht anwendbar” sei. In frecher Weise erklären sie, daß die Kommunistische Internationale und ihre Sektionen mit der Übertragung der bolschewistischen Theorie und Taktik, die zum Siege der Oktoberrevolution geführt hat, auf die deutsche Arbeiterbewegung im Resultat die faschistische Diktatur ans Ruder gebracht hätten. So schreibt der schon genannte Miles in der Broschüre "Faschismus oder Sozialismus":

Die durch die Kommunistische Internationale, wenn auch aus revolutionären Beweggründen herbeigeführte Spaltung der deutschen sozialistischen Arbeiterbewegung ist die eigentliche Ursache für deren Versagen. (S. 43.)

Diese Betrüger wollen also den Arbeitern einreden, daß beide Parteien, sowohl die SPD als auch die KPD, versagt hätten und die Führer beider Parteien die Schuld daran tragen. Die Enttäuschung der SPD-Arbeiter über ihre eigene Parteiführung soll übertragen werden auf die Kommunistische Partei, um auch damit die Arbeiter von dem Anschluß an diese zurückzuhalten. Diese sozialdemokratischen Betrüger werden dabei unterstützt von der ganzen Bande der Trotzkisten, der SAP[36], der Brandlerianer, die die Spaltung der Arbeiterschaft noch durch die Gründung einer neuen Partei und sogar einer 4. Internationale erweitern und damit der Bourgeoisie und dem Faschismus zu Hilfe kommen. Es ist unsere Aufgabe, vor den sozialdemokratischen Arbeitern die Rolle dieser Agenturen des Faschismus zu entlarven durch die Hineinziehung der sozialdemokratischen Arbeiter in den tagtäglichen Kampf gegen die Hitlerdiktatur, um so die Einheitsfront herzustellen, sie zu befreien von den Überresten der sozialdemokratischen Tradition und als organisierte Kämpfer in die kommunistische Kampffront hineinzuziehen.

Wir haben in unserem "Offenen Brief an die sozialdemokratischen Arbeiter" die Grundlinie unseres Kampfes um die Einheit der eigenen Klasse aufgezeigt, ganz klar die Frage der proletarischen Diktatur und der Sowjetmacht gestellt. Aber in unserer praktischen Politik zeigen sich noch mancherlei Schwächen, manchmal sogar gefährliche opportunistische Abweichungen. Das trifft besonders dort zu, wo unsere Genossen in falscher Erkenntnis unserer Einheitsfrontpolitik den sozialdemokratischen Arbeitern halfen, eigene illegale Organisationen der SPD zu schaffen. Wir müssen den sozialdemokratischen Arbeitern ganz klar sagen, daß jede Wiederherstellung der zertrümmerten sozialdemokratischen Organisation für die Sache der Arbeiterklasse schädlich ist, daß nur die KPD die einzige revolutionäre Arbeiterpartei ist. Es ist aber auch schädlich, wenn etwa unsere Genossen aus Furcht vor der Majorisierung durch sozialdemokratische Arbeiter deren Übertritt zur Partei verhindern. Selbstverständlich sind diese Arbeiter noch nicht gleich mit dem Übertritt Kommunisten, aber schon ihr Entschluß zu uns zu kommen, noch dazu in dieser Zeit der Illegalität, zeigt, daß sie gebrochen haben mit ihrer sozialdemokratischen Tradition. Es liegt an der Arbeit unserer Genossen, ihnen zu helfen, gute Kommunisten zu werden. Wir müssen selbstverständlich die feste kommunistische Führung in unserer Organisation und allen unseren Aktionen sichern. Das gleiche trifft zu auf die Gewinnung der sozialdemokratischen Gewerkschaftskollegen für die Schaffung unabhängiger Klassengewerkschaften. Es muß unsere Losung sein: "Jeder Kommunist ein Fünfergruppenführer sozialdemokratischer Arbeiter und Gewerkschafter." Noch gegen eine andere falsche Auffassung müssen wir uns wenden, nämlich daß die sozialdemokratischen Arbeiter von selbst zu uns kommen werden und daß wir uns nicht besonders um ihren Übertritt zur KPD zu bemühen brauchten. Die gegenwärtige Situation in der deutschen Arbeiterbewegung gibt uns jetzt die Möglichkeit zur Liquidierung des Masseneinflusses der SPD und zur Wiederherstellung der Einheit der Arbeiterbewegung auf revolutionärer Grundlage. Es gilt, die sozialdemokratischen Arbeiter dafür zu gewinnen, mit uns zusammen in der revolutionären Einheitsfront, in der Kommunistischen Partei, in den unabhängigen Klassengewerkschaften zur Revolution, zur Befreiung der Arbeiterklasse, zum Sozialismus zu marschieren.

V. Die Rolle der Partei und der revolutionäre Ausweg

1. Die Voraussetzungen der Revolution

Die Partei sieht es als ihre zentrale Aufgabe an, das Proletariat an den Kampf um die Macht mit Hilfe des politischen Massenstreiks, des Generalstreiks, heranzuführen. Die entscheidende Voraussetzung dazu ist die Eroberung der Mehrheit der Arbeiterklasse auf dem Boden der Organisierung und Führung der wirtschaftlichen und politischen Teilkämpfe, die Schaffung der kämpfenden Einheitsfront mit den sozialdemokratischen Arbeitern und die Gewinnung der christlichen, der von den Nationalsozialisten betrogenen und der parteilosen Arbeiter. Die Erfüllung dieser Hauptaufgabe hängt auf das engste mit der Herausbildung unabhängiger Klassengewerkschaften zu wirklichen Massenorganisationen zusammen, die die Wirtschaftskämpfe des Proletariats vorbereiten und durchführen und die zur hauptsächlichsten Verbindungsorganisation der Partei zu den breiten Arbeitermassen werden müssen. In den Kämpfen der Arbeiterklasse wächst das Vertrauen der städtischen Mittelschichten und der kleinbäuerlichen Massen zu ihr und erleichtert uns die Gewinnung dieser Massen als Verbündete des Proletariats für die Volksrevolution. Bei der Durchsetzung unserer revolutionären Massenpolitik suchen wir der Gefahr rechtsopportunistischer Fehler entgegenzuwirken, die in dem Nachlaufen hinter der spontan wachsenden Unzufriedenheit der Massen und der Unterschätzung der objektiven Bedingungen der beschleunigten Revolutionierung der Lage bestehen. Es ist selbstverständlich, daß wir auch die “linken” sektiererischen Tendenzen bekämpfen, die in der Auffassung zutage treten, daß die Entwicklung von selbst zur revolutionären Krise treibe, daß sich dieser Prozeß gradlinig, ohne Hemmungen und gelegentliche Rückschläge vollziehe, daß der faschistischen Diktatur bereits jede Manövrierfähigkeit genommen sei. Wir bemühen uns, den Massen begreiflich zu machen, daß es Von der Kraft und den Kämpfen der Arbeiterklasse abhängt, in welchem Tempo die historischen Fristen für den Sturz der faschistischen Diktatur verkürzt werden, daß es unsere Aufgabe ist, die Partei zur einzigen Massenpartei des Proletariats zu entwickeln, die alle antifaschistischen Kräfte um sich schart und in den Kampf führt. Wir sind uns stets der Lehre Lenins bewußt, der im Jahre 1909 schrieb:

Die Partei, die es verstehen wird, sich zu festigen, um mit den Massen verbunden zielbewußt zu arbeiten, die Partei der fortgeschrittenen Klasse, die verstehen wird, ihre Vorhut zu organisieren, die ihre Kräfte darauf richten wird, jede Lebensäußerung des Proletariats im sozialdemokratischen (d. h. heute: im kommunistischen — D. V.) Geiste zu beeinflussen — diese Partei wird unter allen Umständen siegen. ("Auf den richtigen Weg", Bd. 14, S. 32, russ.)

2. Die KPD ‑ die größte, bolschewistische illegale Massenorganisation

Es ist in der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung einzig dastehend, daß es einer Partei von 300.000 Mitgliedern und 6 Millionen Wählern, mit 35 Tageszeitungen, gelungen ist, die Organisation als Massenorganisation in die Illegalität zu überführen. Der uns gegenüberstehende Klassengegner verfügt über den gesamten Staats- und Machtapparat. Wir haben es in Deutschland mit einer der organisiertesten Bourgeoisien in Europa zu tun, die die größten Erfahrungen im Kampfe gegen die revolutionäre Arbeiterschaft gesammelt hat. Aber die deutsche Arbeiterklasse verfügt, wenn sie einig und geschlossen ist, über Kräfte, die unseren Klassengegner niederringen werden. Die Kommunistische Partei als Führerin und Vorhut der Arbeiterklasse ist die Macht, die diese Kräfte im Proletariat entwickelt und es fähig macht, die Bourgeoisie zu stürzen und die Macht an sich zu reißen.

Der Einsatz aller terroristischen Kräfte der Bourgeoisie hat der Kommunistischen Partei vom ersten Augenblick an schwere Verluste zugefügt. Mehr als 60.000 Funktionäre und Mitglieder sind verhaftet, hunderte wurden durch die grausamsten Mißhandlungen zu Tode gequält, fast 2000 revolutionäre Arbeiter sind seit dieser Zeit von den faschistischen Banden ermordet worden. An die 100.000 Arbeiter befinden sich in den Konzentrationslagern. Teilweise werden Frauen und Kinder der in der Illegalität lebenden und arbeitenden Genossen als Geiseln festgenommen. In den letzten Tagen vor der sogenannten “Volksabstimmung” am 12. November wurden allein in Berlin von den Faschisten 14 Arbeiter ermordet und über 1000 verhaftet. Im selben Maße wie der revolutionäre Aufschwung sich entfaltet, wird der Faschismus versuchen, Terror und Provokationen gegen das kämpfende Proletariat zu steigern. Aus schwerem Kampfe heraus, angesichts drohender Geiselmorde in den Konzentrationslagern und Gefängnissen, viehischer Meuchelmorde, wie sie der braune Oberschlächter Goering im Leipziger Prozeß gegen Dimitrow und Genossen angekündigt hat, rufen wir das internationale Proletariat, die Kommunisten aller Länder zur aktiven Kampfessolidarität, zur Unterstützung der illegalen Arbeit der deutschen Kommunisten auf. Das internationale Proletariat kann versichert sein, daß die deutschen Kommunisten ihre revolutionäre Pflicht erfüllen werden.

Die Organisation der Partei ist trotz der Massenverhaftungen und Verfolgungen ihrer Funktionäre durch die Hitlerdiktatur intakt geblieben. Wenn auch die Mitgliederzahlen allein dafür keinen genügenden Ausweis bieten, so ist doch an ihnen zu ermessen, inwieweit die Organisation sich gegenüber der faschistischen Diktatur behauptete. Während im Monat Januar die Partei noch über 300.000 Mitglieder hatte, sank diese Ziffer nach der Aufrichtung der faschistischen Diktatur auf 49 Prozent Ende April und im Juni auf 37 Prozent. Der Rückgang der Zahl der beitragleistenden Mitglieder war in den verschiedenen Bezirken sehr ungleichmäßig. Es gab Parteibezirke, die noch im Mai und Juni 80 bis 90 Prozent des früheren Mitgliederbestandes kassierten, während in anderen Bezirken der Bestand bis auf 30 und 25 Prozent zurückging. Das bedeutet aber nicht, daß die Genossen der Partei untreu geworden wären, sondern ist teils auf die Verhaftungen, teils auf das Abreißen von Verbindungen, auf die Verhaftung der Leitungen zurückzuführen. Im August und September, vor dem Einsetzen der zweiten Terrorwelle, war der Gesamtmitgliederbestand wieder auf 45 Prozent der alten Mitgliederzahl angewachsen. Durch die Einführung des Systems der markenlosen Kassierung ist es ziemlich schwierig, einen genauen Anhaltspunkt für die Errechnung des Mitgliederbestandes zu erhalten. Mit voller Bestimmtheit können wir sagen, daß wir in jedem Moment der vergangenen zehn Monate über 100.000 nicht nur zahlender, sondern auch wirklich aktiv tätiger Kommunisten in der Partei hatten.

Die Partei hatte sich zwar schon lange vor der Hitlerdiktatur auf die Illegalität vorbereitet. Dennoch verursachten mangelnde Erfahrung, schematische Vergleiche mit der Illegalität im Jahre 1923, gewisse legalistische Tendenzen hinsichtlich des Tempos und des Ausmaßes des faschistischen Terrors und der Tiefe der einsetzenden Illegalität in der Partei erheblichen Schaden. Dazu kam, daß es den unteren und mittleren Funktionären ziemlich schwierig war, sich den Verfolgungen des Klassengegners zu entziehen, weil sie ihm aus ihrer jahrelangen legalen Arbeit bekannt waren. Dazu kam, daß sie aus wirtschaftlichen Gründen ihrer Erwerbsarbeit nachgehen oder als Erwerbslose die Stempelstelle besuchen mußten und dort den Verfolgern in die Hände fielen. Auch hatte der sozialfaschistische Polizeiapparat der Weimarer Republik durch die Anlegung umfangreicher Kartotheken kommunistischer Funktionäre für die faschistische Diktatur eine weitgehende Vorarbeit geleistet. Hinzu kam noch, daß die Auswechslung der Kader nicht schnell genug erfolgte.

Die politischen Massenorganisationen verstanden es nur sehr langsam, einen eigenen Illegalen Apparat aufzubauen. Hier traten sogar offene Tendenzen der Liquidierung dieser Organisationen auf, oder es wurden von der Partei wichtige Parteikräfte zur Überführung der Massenorganisationen in die Illegalität angefordert. Der Umbau der Parteiorganisation konnte nur langsam, Schritt für Schritt und ständig unterbrochen von den Maßnahmen des Gegners erfolgen. Die bisherigen Abteilungen im Zentralkomitee und in den Bezirksleitungen wurden aufgehoben und ihre Arbeit einigen Genossen übertragen. Die Genossen aus den Leitungen wurden zur Kontrolle und Anleitung der Arbeit auf die Parteibezirke, die Betriebsarbeit, die Arbeit in den Massenorganisationen, den Gewerkschaften und der Jugend verteilt. Die bisherige Information und Leitung durch allgemeine Rundschreiben, ein vielfacher Fehler der Schematisierung unserer bisherigen Organisationsarbeit, wurden durch besondere, konkrete schriftliche und mündliche Informationen ersetzt, in denen die Konkretisierung der Generallinie der Partei auf die Besonderheiten der einzelnen Bezirke, Ortsgruppen und Betriebe vorgenommen wurde. Die Gesamtorganisation wurde bei weitgehender Zentralisierung der Führung und weitestgehender politischer Selbständigkeit der unteren Einheiten verkleinert. Diese Arbeit wird uns aber dadurch sehr erschwert, daß bis auf wenige Ausnahmen .von den alten Leitungen der Bezirke und Unterbezirke fast nichts mehr vorhanden ist. An ihre Stelle ist ein vollständig neuer Kader von Funktionären getreten, der sich aus den Bedingungen der tiefsten Illegalität und des Kampfes mit den Faschisten entwickelt. Die Bildung der Leitungen in den Bezirken und Orten erfolgt jetzt durch eine Kombinierung von Wahl und Kooptierung. Bei ihrem Beginn waren eine Anzahl Genossen der Auffassung, daß in Anwendung des demokratischen Zentralismus prinzipiell die Wahl der Leitungen in jedem Falle aufrechterhalten werden müsse. In einem Org-Rundschreiben war ein genaues System entwickelt, wie diese Wahl auf Konferenzen und Delegiertensitzungen durchgeführt werden solle. Die Entwicklung hat jedoch sehr bald gezeigt, daß das praktisch unmöglich ist, wenn wir dadurch nicht große Verluste erleiden sollen.

Die früheren Schwächen unserer Betriebsarbeit sind noch nicht überwunden. Es zeigen sich auch heute noch Tendenzen zur Verlegung der Parteiarbeit aus den Betrieben in die Wohnbezirke. Demgegenüber zeigen sich aber auch gewisse Fortschritte in der Organisierung der Betriebsarbeit. Die Bearbeitung der Betriebe von außen, die Aufnahme der Verbindung mit noch im Betrieb vorhandenen revolutionären sozialdemokratischen Arbeitern, die Verbindung der Wohngebietsorganisationen mit dem Betrieb, hat eine ganze Reihe von Aufgaben gestellt, die wir mit neuen Methoden zu lösen versuchen. Unsere Betriebszellenorganisationen waren durch Entlassungen und Verhaftungen aller als Marxisten verdächtigen Arbeiter bis auf ein Drittel des Standes vom Januar 1933 vermindert worden. Aber während wir beispielsweise in Berlin im Juni nur noch 12 Betriebszellen hatten, besaßen wir im Oktober 84 und im November wieder 140. Es gibt in Berlin, Leipzig, Hamburg und im Ruhrgebiet schon sehr viele Betriebszellen, die sich in ihrer Mehrheit aus früheren sozialdemokratischen Arbeitern zusammensetzen. In der Errichtung von Abteilungs- und Werkstattzellen haben wir gute Ergebnisse durch unsere Betriebsarbeit. Schon seit August zeigen sich ernste organisatorische Erfolge in der Verankerung der Partei in den Betrieben. Es ist uns gelungen, in ungefähr der Hälfte der Betriebe, in denen früher Betriebszellen vorhanden waren, zumindest wieder die Verbindung herzustellen.

Wir hatten auch dadurch ernste Verluste, daß es unsere Genossen nicht verstanden, die durch die Illegalität notwendig werdenden konspirativen Regeln immer einzuhalten. So hat eine Bezirksleitung ein starres Schema für die regelmäßigen Zusammenkünfte der Genossen des Bezirkssekretariats mit den Leitern der unteren Organisationen festgelegt. Als es der Polizei gelang, ein Glied dieses Schemas zu erfassen, konnten sämtliche Spitzenfunktionäre des Bezirks mit einem Schlage verhaftet werden. Die Partei wendet ihre Aufmerksamkeit im besonderen der Sicherung der Partei vor Spitzeln und Provokateuren zu. Die Zahl der Provokationen und Spitzeleien in den ersten zehn Monaten der faschistischen Diktatur ist verhältnismäßig gering. Nur einige, allerdings sehr ernste Fälle haben wir zu verzeichnen, wo sich ehemalige Bezirksfunktionäre der politischen Polizei zur Verfolgung und Identifizierung von Kommunisten zur Verfügung stellten. Es sind dies ein ehemaliger Bezirksleiter von Ostpreußen, Werner Kraus, und ein Instrukteur namens Grobis[37], die durch ihre Personenkenntnis der Partei schweren Schaden zugefügt haben. Einer unserer Bauernführer, Genosse Ernst Putz, hat die Schurkerei dieser beiden Schufte mit dem Tode bezahlen müssen. Selbstverständlich versuchte die Partei, sofort die Parteieinheiten von allen Provokationen in Kenntnis zu setzen und bei allen Verhaftungen in führenden Funktionärkaders in den davon betroffenen Teilen der Organisation sofortige Umstellung vorzunehmen. Die Polizei versucht, aus den Gefängnissen und Konzentrationslagern entlassene Arbeiter als Provokateure und Spitzel in den Parteiorganisationen zu verwenden. Wir können mit Stolz sagen, daß an der Standhaftigkeit nicht nur der Parteimitglieder, sondern aller antifaschistischen Arbeiter in den Konzentrationslagern ‑ mit wenigen Ausnahmen ‑ diese Versuche des Klassenfeindes ohne Erfolg bleiben. Trotzdem ist aber die Partei dazu übergegangen, die aus den Gefängnissen und Konzentrationslagern entlassenen Genossen zunächst von der Parteiarbeit fernzuhalten.

Eine Bedrohung der Sicherheit unserer Genossen ist mitunter ihre eigene Unvorsichtigkeit. In einigen Orten mußten Genossen ihre Unvorsichtigkeit, sich nur auf wenige Minuten zu ihrer Familie zu begeben, mit dem Tode bezahlen. Die Frage des Nachwuchses der Partei, der Heranbildung der Kader, ist eines der ernstesten Probleme angesichts der großen Lücken, die in unseren Kaderbestand gerissen worden sind. Es ist uns zwar bisher immer noch gelungen, diese Lücken auszufüllen, aber der Mangel an geschulten Funktionären zeigt sich in außerordentlich ernster Weise. Die Schulung unter den neugewonnenen Kräften für die Partei, ihre Heranbildung zu leitenden Funktionären ist noch sehr schwach, obwohl wir schon eine Reihe von Bezirksschulen organisierten. Wir stellen fest, daß aus dem Jugendverband der Partei eine große Anzahl wertvoller Kräfte zugeführt wurde und daß auch die Genossinnen, deren Männer verhaftet waren, tapfer in die Bresche sprangen und die gerissenen Lücken ausfüllten. Ohne unsere Schwächen und Fehler zu übersehen, die in den zehn Monaten der faschistischen Diktatur in der Parteiarbeit gemacht wurden und die meistens die Schwächen und Fehler noch aus der legalen Zeit unserer Arbeit sind, an deren Beseitigung wir mit aller Energie arbeiten ‑ wird die Partei ihre illegale Arbeit so steigern, daß sie imstande ist, den Klassenfeind zu schlagen.

3. Die Generallinie der Partei und die Frage der Teilforderungen

Die zentralen Losungen der Partei während der ganzen Periode der faschistischen Diktatur sind in dem "Offenen Brief an die sozialdemokratischen Arbeiter" festgelegt: "Arbeiter Deutschlands, vereinigt euch!", "Reicht euch die Bruderhand zum kühnen unerschrockenen Kampf!", "Durch revolutionäre Einheit zum Sturz der faschistischen Diktatur!", "Niemals mehr zurück zu Weimar!", "Vorwärts zur Arbeiter- und Bauernrepublik!" Die Sozialdemokratie versucht dagegen, mit ihrer Losung des Kampfes für den demokratischen Sozialismus, mit ihrer scheinradikalen Losung von der sogenannten “Erziehungsdiktatur” die Massen vom revolutionären Weg abzuhalten. Wir erklären demgegenüber, daß nur der Massenstreik, der Generalstreik der Arbeiter im Bündnis mit den werktätigen Massen in Stadt und Land, daß nur der bewaffnete Sturz der faschistischen Blutdiktatur zur Befreiung der Arbeiterklasse und des ganzen werktätigen Volkes aus sozialer Knechtschaft führen kann. Unsere Losungen für die nationale Befreiung lauten: "Nieder mit der Hitlerregierung, der Regierung der Auslandstribute, der Erfüllungspolitik und der Versailler Versklavung!", "Nieder mit den faschistischen Kriegstreibern, die das arbeitende Volk auf die Schlachtbank imperialistischen Massenmordens und gegen die Sowjetunion führen wollen!", "Arbeiter Deutschlands, schützt euer proletarisches Vaterland! Streikt gegen die Kriegshetze im eigenen Lande und der Imperialisten der ganzen Welt!", "Proletarischer Internationalismus gegen chauvinistische Verhetzung!", "Der Kommunismus, die Arbeiter- und Bauernrepublik wird die Versailler Ketten sprengen!"

Die Organisierung und Führung der ökonomischen und politischen Teilkämpfe, vor allem Streiks für die Tages- und Teilinteressen der Arbeiter und werktätigen Massen, ist dabei das Kettenglied zur Heranführung der Massen an die großen Klassenschlachten. Wir warnen unsere Genossen, die Kommunisten und revolutionären Gewerkschafter, vor der Schematisierung bei der Verwendung von Tageslosungen. Wir helfen ihnen, die schlechte Methode allgemeiner Streik- und Kampfparolen, die die konkreten Verhältnisse nicht berücksichtigen, zu überwinden. In unseren Anweisungen haben wir sie aufgefordert, die Ursachen der wachsenden Unzufriedenheit in den Massen, in den Betrieben, an den Stempelstellen, in den Arbeitsdienstlagern, in den gleichgeschalteten Gewerkschaften, in den Organisationen des städtischen Mittelstandes, auf dem Dorfe gewissenhaft zu untersuchen und daran anknüpfend konkrete Kampforderungen aufzustellen, den Kampf für sie zu organisieren, entsprechende Kampforgane zu schaffen und sich überall an die Spitze der Kämpfe zu stellen, um damit die Massenbewegung auf eine höhere Stufe zum Kampfe für den Sturz des Faschismus und den Sieg der Sowjetmacht zu erheben.

In den Betrieben und gleichgeschalteten Gewerkschaften wurde von uns gefordert: Kampf gegen den Lohnraub in jeder Form, gegen die Ersetzung des Tarifvertrages durch den Leistungslohn, gegen die Aufrechterhaltung und Vergrößerung der Lohnspanne, gegen die Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich, gegen die Zwangsspenden und gegen die neuen drohenden Entlassungen. Diese Forderungen wurden verbunden mit dem Kampf für die Koalitions- und Versammlungsfreiheit, für die freie Wahl von Betriebsräten und Grubenkontrolleuren, gegen den Beteiligungszwang an den Aufmärschen der NSBO, gegen die Militarisierung der Betriebe und gleichgeschalteten Gewerkschaften, gegen den Terror, für das Selbstbestimmungsrecht der Mitglieder, für die selbständige Verwaltung der Mitgliedsbeiträge, für die kollektive Verweigerung der Beitragszahlung an die faschistischen Gewerkschaften und Überführung der Beiträge an die von den Arbeitern verwalteten Streikkassen. In der Durchsetzung dieser Forderungen wurden alle Formen des Widerstandes und des Angriffs, von der Opposition in der "Arbeitsfront", der Erzwingung von Betriebsversammlungen und Diskussionsfreiheit, der Wahl von Verhandlungskommissionen, der passiven Resistenz bis zum Streik angewandt.

Den Kampf für die Forderungen der Erwerbslosen verbanden wir mit dem Kampf gegen den faschistischen Winterhilfsschwindel, der nur der Brandschatzung der Betriebsarbeiter und der werktätigen Mittelschichten zugunsten der Unternehmer dient. Wir stellten dabei in den Vordergrund den Kampf gegen die Arbeitsdienstpflicht, gegen die Herabsetzungen der Unterstützungen, gegen die unbezahlte Landarbeit, gegen die sogenannte “Verwandlung der Unterstützungssätze in Löhne”. Unter der Losung: "Für die Hungernden und Frierenden!" riefen wir diese auf: "Öffnet die Lebensmittelspeicher, die Kartoffelmieten, die Güterwagen und Kohlenhalden!"

Zur Mobilisierung der werktätigen Landbevölkerung gaben wir folgende Aktionslosungen: "Zahlt keinen Groschen Abgaben, Steuern oder Zinsen!", "Marschiert in Massen auf die Rathäuser und Finanzämter! Verhindert in Massen alle Pfändungen!", "Kämpft um die Besitzergreifung des Grund und Bodens der Großagrarier!", "Holt euch Düngemittel und Saatgetreide von den großen Gütern! Treibt euer Vieh auf die Weiden der Großagrarier!"

Auch für die Mittelständler, Beamten und Angestellten gaben wir eine Reihe konkreter Losungen heraus: "Keinen Pfennig Steuern für die Faschistenregierung!", "Verschafft euch selbst den Vollstreckungsschutz durch Massenaktionen gemeinsam mit der Arbeiterschaft!", "Die faschistischen Zwangsspenden sind euch geraubte Gelder für die Kriegsrüstungen der Thyssen und Krupp! Organisiert mit Hilfe der Arbeiterschaft die kollektive Verweigerung!", "Verweigert die Zahlung von Mieten und Stromgebühren!"

Die werktätige Jugend in den Arbeitsdienstlagern riefen wir zum Kampf für besseres Essen, warme Kleidung, bezahlten Urlaub, volle Tariflöhne, gegen den militärischen Drill, zum Streik bis zur Sprengung der Lager und Überführung in die Betriebe. Wir riefen sie auf, bei der Zwangseinziehung zum Arbeitsdienst in den Arbeitervierteln auf den Bahnhöfen und auf den Landstraßen gegen die Militarisierung zu demonstrieren. Die Lehrlingsabteilungen in den Betrieben mobilisierten wir zum Kampf gegen den Wehrsport und für die volle Bezahlung der durch ihn entstehenden Kleiderabnutzung und Fahrtspesen.

Den Arbeiterinnen und werktätigen Frauen sagten wir, daß sie in den Warenhäusern, Markthallen, auf den Marktplätzen gegen die Teuerung, gegen den Zoll- und Preiswucher gemeinsam mit den Kleinhändlern und Handwerkern demonstrieren, daß sie sich aus den großen Warenhäusern Kleider und Schuhe für ihre Kinder holen sollen, daß sie in gemeinsamen Demonstrationen vor den Gefängnissen, den Folterhöllen der SA-Kasernen, den Konzentrationslagern die Freilassung ihrer Männer und Söhne fordern sollen.

Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus den Teilforderungen, die wir auf den verschiedensten Gebieten des Arbeiterkampfes aufstellten und die in jedem Betriebe, an den Stempelstellen, in den Arbeitsdienstlagern noch durch besonders konkrete, unmittelbar an die Mißstände anknüpfende Forderungen ergänzt werden. Wir wollen nicht den Eindruck erwecken, als ob das nun schon alles richtig praktisch angewandt wird, aber die Parteiführung setzt doch alle Kräfte dafür ein, daß die Partei sich darauf einstellt, um die Kämpfe der Arbeiter auf eine höhere Stufe zu heben. Wir legen das größte Gewicht auf die Schaffung von Kampforganen der Arbeiter, die der Reife und dem Inhalt der Bewegung entsprechen, die besonders unter den Bedingungen der Illegalität von besonderer Bedeutung sind. Auch hier versuchen wir, jeder Schematisierung vorzubeugen und dafür Sorge zu tragen, daß sie unmittelbar aus den besonderen Verhältnissen herauswachsen. Neben der Wahl unabhängiger, illegaler, von der Belegschaft gewählter Streikleitungen, der Wahl von Vertrauensleuten, gibt es noch Akkordkommissionen, Lohn- und Tarifkommissionen, Ausschüsse von Betriebskrankenkassen. Es kommt uns vor allem darauf an, gute Beispiele von Kampforganen zur Organisierung von Kämpfen zu schaffen, um damit anfeuernd zu wirken. Wir konzentrieren unsere Betriebsarbeit vor allem auf die Großbetriebe. Eine besonders schwierige Aufgabe für uns ist die Schaffung von Kampforganen unter den Erwerbslosen. Wir sind hier noch weit zurück und legen das Hauptgewicht auf eine wirklich organisierte Erwerbslosenarbeit.

4. Die Schaffung unabhängiger Klassengewerkschaften

Obwohl die Partei schon erkannt hat, daß zur Durchführung ihrer revolutionären Aufgabe die Schaffung unabhängiger Klassengewerkschaften eine unerläßliche Voraussetzung ist, so sind wir damit doch noch sehr im Rückstande. Das hegt zum größten Teil daran, daß unsere gewerkschaftliche Massenarbeit schon in der legalen Zeit große Schwächen aufwies und daß auch nach der “Gleichschaltung” der Gewerkschaften durch die Faschisten eine gewisse Unsicherheit in unseren Losungen bestand. Eine Anzahl Genossen vertrat die Losung: "Rettet die Gewerkschaften!" und trat für das Verbleiben der Mitglieder in den Gewerkschaften ein. Dieser Fehler begünstigte das Auftreten liquidatorischer Stimmungen in der RGO und den Roten Verbänden und schwächte deren Werbekraft. Mit Hilfe unserer führenden Genossen in der Komintern gelang es uns, diesen Fehler auszumerzen, aber wir hatten dadurch auch einen Tempoverlust erlitten. Wir versuchen jetzt, durch die Streikbewegungen und durch die Steigerung unserer gewerkschaftlichen Massenarbeit die Vorbedingungen für die Gründung der unabhängigen Klassengewerkschaften zu schaffen. In einer Resolution des ZK unserer Partei zur Gewerkschaftsfrage vom August 1933 [38] wurden der Partei die Aufgaben hierzu gestellt und die Reichsfraktion der Kommunisten in der RGO mit der Aufstellung eines politischen und organisatorischen Plans über den raschen Aufbau der unabhängigen Klassengewerkschaften beauftragt. Unser Kampf in den gleichgeschalteten Gewerkschaften, in der "Deutschen Arbeitsfront", und in der faschistischen Polizei- und Spitzelorganisation, der NSBO, wird fortgesetzt und muß zur Herüberziehung der besten Arbeiterelemente dieser Organisationen für den Ausbau der unabhängigen Klassengewerkschaften führen. Unsere Partei ist gegen die Versuche einiger “linker” Sozialdemokraten entschieden aufgetreten, die mit Unterstützung der Amsterdamer Gewerkschaftsbürokratie unserer Bewegung für die Aufrichtung unabhängiger Klassengewerkschaften die Gründung sogenannter “Unabhängiger Gewerkschaften” mit sozialdemokratischer Führung gegenüberstellten, was im Grunde genommen nur die Spaltung der Arbeiterklasse aufrechterhalten soll. Wir stellen als wichtigste Aufgabe die Heranziehung breiter Massen sozialdemokratischer Arbeiter und ehemaliger Mitglieder und Funktionäre des ADGB zum Aufbau von wirklichen unabhängigen Klassengewerkschaften.

5. Der Kampf um die Jugend

[...]

6. Bewaffneter Sturz der faschistischen Diktatur ‑ die Perspektive in Deutschland

Die Hitlerdiktatur erklärte bei ihrer Machtübernahe, daß sie den Klassenkampf des deutschen Proletariats ausrotten wolle, und bezeichnete ihn als eine “Erfindung kommunistischer Volksverhetzer”. Aber ihre Politik der Volksausplünderung und des entfesselten Terrors hat die Klassenfronten nur noch schärfer aufgerissen. Sie hat den Bürgerkrieg gegen das Proletariat eröffnet und bekräftigt damit die Lehre des Marxismus, daß die Aufhebung der Klassen und des Klassengegensatzes nur erreicht wird durch den Umsturz aller bisherigen gesellschaftlichen Ordnungen durch den Sieg des Kommunismus. Der bewaffnete Sturz der faschistischen Blutdiktatur ist die Losung, die die revolutionäre Partei des Proletariats den Massen stellt. Indem die Partei zum einzigen wahren Zentralpunkt aller und jeder Opposition der unterdrückten Klassen gegen das faschistische Regime wird, propagiert sie als die zentrale Losung die Frage der Machteroberung, den Kampf um die Errichtung der Sowjetmacht. Unsere ganze Massenarbeit, die Arbeit auch der untersten Einheiten der Partei, unserer Fraktionen in den Massenorganisationen, muß auf diese Perspektive eingestellt sein. Die Partei muß von dem kühnen Bewußtsein ausgehen, daß der Sieg des Kommunismus unabänderlich ist. Mit dieser Siegeszuversicht muß sie auch die werktätigen Massen erfüllen. In wenigen Wochen jährt sich der 15. Jahrestag der Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands, die im Pulverdampf der von den Sozialdemokraten verratenen Novemberrevolution unsere unvergeßlichen Toten Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg geschaffen haben, um dem deutschen Proletariat die Waffe in die Hand zu geben, mit der es seinen Feinden die Macht entreißen, mit der es seine Diktatur aufrichten wird.

Das kommunistische Rettungsprogramm

Als einzige Partei, die ein Programm der Rettung aus Elend, Not, Hunger und Erwerbslosigkeit hat, sagen wir dem werktätigen Volk in Deutschland: Nur die Zertrümmerung der faschistischen Diktatur kann euch von dem Elend, von der Knechtung befreien. Die Zertrümmerung der faschistischen Diktatur kann nur das Werk der Revolution der Arbeiterklasse im Bunde mit allen Unterdrückten und Ausgebeuteten sein. Nur die Macht der Arbeiterklasse rettet euch vor der Katastrophe, in die die Nationalsozialisten das deutsche Volk stürzen und die von der Sozialdemokratie in der Weimarer Republik vorbereitet wurde.

Vorwärts zur Diktatur des Proletariats, für die Macht der Arbeiter- und Bauernräte, zum Sturz des Kapitalismus, vorwärts zum Sozialismus!

Das ist der Weg, den das Proletariat des einstigen zaristischen Rußlands im Bunde mit den Werktätigen und ausgebeuteten Bauern unter der Führung der bolschewistischen Partei Lenins gegangen ist. Dieser Weg hat zum Sozialismus, zur nationalen Befreiung von mehr als hundert Nationen, zur ökonomischen und politischen Selbständigkeit des mächtigen Sowjetstaates im Kampf gegen den internationalen Imperialismus geführt. Diese soziale und nationale Befreiung wurde im Kampf gegen die nationalistische Barbarei, gegen den blutigen Rassenhaß unter dem Banner des proletarischen Internationalismus errungen. Auf diesem Wege ihr zu folgen, hat die Kommunistische Partei Deutschlands aufgerufen, auf dem Wege des Kampfes für eure eigenen Interessen, für die Zukunft der Jugend und Kinder. Von diesem Wege hat euch die Sozialdemokratie zurückgehalten.

Wir Kommunisten werden nach dem Sturz der faschistischen Diktatur, der Herrschaft der Kapitalisten, die Macht der Arbeiter- und Bauernräte, die Macht der ungeheuren Mehrheit des deutschen Volkes über eine verschwindende Minderheit von Parasiten aufrichten. Wir Kommunisten werden in den Räten, frei gewählt von allen Arbeitern, werktätigen Bauern, Angestellten, von allen Werktätigen in Stadt und Land, eure Zustimmung fordern, um folgende grundlegende Maßnahmen zur Sicherung der Macht der Arbeiterklasse, im Interesse der Freiheit und des Wohlstandes aller Ausgebeuteten und Unterdrückten unverzüglich durchzuführen[39]:

1. Wir werden ohne Verzug alle Banken, Großbetriebe, Eisenbahnen, Warenhäuser der Großkapitalisten entschädigungslos enteignen und sie in sozialistisches Eigentum umwandeln.

2. Wir werden den ganzen Grundbesitz der Gutsherren, der Kirchen und der Klöster, der Hohenzollern, der Fürsten sowie jeden anderen Großgrundbesitz entschädigungslos enteignen und ihn samt allem dazugehörigen Inventar kostenlos unter den Bauern und Landarbeitern verteilen.

3. Wir werden die ganze Verschuldung der Arbeiter, der Bauern und des Kleinbürgertums an die Banken, Großkapitalisten und Großgrundbesitzer und alle bestehenden Steuern, sowohl der Weimarer Republik als auch der Hitlerregierung, aufheben.

4. Wir werden alle Werktätigen zur Beteiligung an der Staatsregierung auf Grund der proletarischen Demokratie mittels der Räte sowie zur unmittelbaren Kontrolle über Banken, Industrie, Eisenbahnen und landwirtschaftliche Großbetriebe heranziehen.

5. Wir werden alle Häuser, Wohnungen und Villen der Reichen enteignen, die Müßiggänger aus ihnen zwangsweise entfernen und ihre Wohnungen samt Möbeln und der ganzen Einrichtung den Erwerbslosen sowie den in schlechten Wohnungen hausenden Werktätigen (Arbeiter, Angestellte, Handwerker usw.) geben.

6. Wir werden alle staatlichen und großkapitalistischen Niederlagen von Lebensmitteln und lebenswichtigen Bedarfsartikeln enteignen und den Erwerbslosen sowie allen Bedürftigen zur Verfügung stellen, indem die Verteilung den Erwerbslosenkomitees übertragen wird.

7. Wir werden allen Werktätigen volle Organisations-, Versammlungs- und Pressefreiheit garantieren, wir werden ihnen die großen Säle, die Druckereien und alle Papiervorräte zur Verfügung stellen.

8. Wir werden mit der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken ein brüderliches Bündnis schließen, alle Werktätigen bewaffnen und eine mächtige revolutionäre Rote Armee schaffen. Wir werden im Bunde mit den Werktätigen der UdSSR, Polens, Frankreichs, der Tschechoslowakei und Englands die Abwehr gegen alle Wiederherstellungsversuche des Finanzkapitals und des Junkertums organisieren.

9. Durch die Übernahme sämtlicher Produktionsmittel wird die proletarische Macht die Voraussetzungen für eine noch nie dagewesene wirtschaftliche Blüte des Landes im Interesse der werktätigen Massen selbst, neue Voraussetzungen für die Entwicklung des Außenhandels, in erster Linie mit der UdSSR, schaffen und allen Erwerbslosen Arbeit sichern.

10. Im Besitze der revolutionären Staatsmacht, befreit vom Joch der eigenen Kapitalisten, wird das werktätige Volk Sowjetdeutschlands das Friedensdiktat von Versailles für null und nichtig erklären. Im Bunde mit dem internationalen Proletariat und der mächtigen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken wird die siegreiche deutsche proletarische Revolution die Reparationen, alle Gewaltverträge, die die Gleichberechtigung Deutschlands beseitigt haben, aus dem Wege räumen.

Die Macht der Räte, der überwiegenden Mehrheit des Volkes, vernichtet die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, beseitigt die nationale Unterdrückung und schafft den Sozialismus. Die Weimarer Demokratie hat euch den demokratischen Sozialismus versprochen. Die Faschisten haben euch den nationalen Sozialismus verkündet. Beide erklärten: der Kapitalismus hat sich überlebt. Beide haben die Regierungsgewalt übernommen. Beide haben aber die Macht im Interesse der kapitalistischen Ausbeuterklasse ausgeübt, zum Schutze des sterbenden kapitalistischen Systems. Es gibt keinen demokratischen Sozialismus. Es gibt keinen nationalen Sozialismus. In Deutschland herrscht der Kapitalismus. Es gibt nur einen Sozialismus, den proletarischen Sozialismus, verwirklicht durch die proletarische Diktatur, durch die Rätemacht in der sozialistischen Sowjetunion. Die große Sowjetdemokratie hat die schöpferische Kraft der Millionen Erniedrigten und Unterdrückten entfesselt. Sie hat allen Arbeit gegeben. Sie hat alle Frauen zur Freiheit geführt. Sie hat allen Jugendlichen eine weite Zukunft eröffnet. Sie hat eine sozialistische Wirtschaft aufgebaut, die keine Krisen zu fürchten hat. Sie beseitigt die Klassen, sie führt zur klassenlosen Gesellschaft, zum Kommunismus, zum Wohlstand für alle. Diesen Weg weist euch die Kommunistische Partei Deutschlands. Die Stunde der Vergeltung für alle Verbrechen der deutschen Bourgeoisie naht. Erhebt euch, Arbeiter, erhebe dich, betrogenes deutsches Volk, gegen die faschistische Blutherrschaft des Kapitals.

Auf zum Kampf für den Sturz der faschistischen Diktatur!

Für die Macht der Arbeiter- und Bauernräte!

Für Sowjetdeutschland!

Für die Vernichtung des Versailler Raubfriedens!

Für den Sozialismus!

Es lebe die Kommunistische Partei Deutschlands und ihr eingekerkerter Führer, Genosse Thälmann!

Es lebe die Avantgarde des Welt Proletariats, die Kommunistische Partei der Sowjetunion, mit ihrem bolschewistischen Zentralkomitee unter Führung des Genossen Stalin!

Es lebe die Kommunistische Internationale!

Es lebe der Weltoktober!

 

 

 

 

 

Fußnoten



[1].       [321ignition] Die Fußnoten sind von uns, unter Verwendung von eventuellen in der Quelle enthaltenen Fussnoten, formuliert.

[2].       Schreibweise so in der Quelle.

[3].       Auslassungen im Original.

[4].       Resolution des Politbüros des ZK der KPD: "Die gegenwärtige Lage in Deutschland und die Aufgaben der KPD", 10. Oktober 1933. (Cf. Rundschau, 40/1933, S. 1541 ff.) Cf. das Dokument .

[5].       Die Authentizität des Otto Wels zugeschriebenen Zitats konnte nicht überprüft werden. Jedenfalls entspricht es einer vom Parteivorstand der SPD im Exil in Prag im Juli 1933 verbreiteten Stellungnahme. Dieser Text trägt den Titel "Revolution gegen Hitler. Die historische Aufgabe der deutschen Sozialdemokratie". Er wurde von Curt Geyer aufgrund von Diskussionen innerhalb Deutschlands niedergeschrieben, vom Parteivorstand in Prag als Heft 1 der Schriftenreihe "Probleme des Sozialismus" sowie als Broschüre für den illegalen Gebrauch unter dem Tarntitel "Julius Cäsar, Der gallische Krieg" publiziert. (Cf. Ursula Langkau-Alex: Deutsche Volksfront 1932‑1939, Zwischen Berlin, Paris, Prag und Moskau - Band 1 - Vorgeschichte und Gründung des Ausschusses zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront. Berlin, Akademie Verlag, 2004. S. 130.)

Der Text ist abgedruckt in: Hans Adolf Jacobsen, Werner Jochmann (Hg.): Ausgewählte Dokumente zur Geschichte des Nationalsozialismus, 1933‑1945 - 1. Lieferung. Bielefeld, Verlag Neue Gesellschaft, 1961. S. X‑XX.

Daraus folgende Auszuge:

3. Die kommunistische Gefahr.

Das Regime Hitlers muß gestürzt werden durch die Mobilisierung breitester Volksschichten. Nur blinder Vulgärmarxismus vermag sich der Illusion hinzugeben, daß die gewaltige Mehrheit des deutschen Volkes aus Proletariern bestehe, daß es also nur darauf ankomme, in dieser Mehrheit proletarisches Klassenbewußtsein zu wecken und ihr proletarische Parolen zu geben, um dem Regime ein Ende zu machen. Diese Blindheit gegenüber der Klassenschichtung in Deutschland, gegenüber dem sozialen Standpunkt und der Ideologie der einzelnen Bevölkerungsklassen, ihre vollkommene Verschätzung ihrer wirklichen Stärke und ihrer Grenzen, wie der historischen Bedingtheiten ist eine der Hauptfehlerquellen der kommunistischen Anschauungen. Unter der Einsichtslosigkeit und infolge dieser Einsichtslosigkeit völlig verfehlten Ideologie und Taktik der Kommunisten hat die deutsche Arbeiterbewegung furchtbar gelitten. Der innere Zerfleischungskampf hat sie geschwächt. Er hat viele Sozialdemokraten mit ehrlich-sozialrevolutionärem Willen in die falsche Position gedrängt. Immer wieder ist bei den sozialdemokratischen Arbeitern der Wille zur Einheit und Geschlossenheit emporgeflammt, immer wieder aber hat die kommunistische Doktrin die Einheit der Arbeiterklasse verhindert. Die Existenz der Kommunistischen Partei, ihr unbelehrbares Festhalten an einer falschen Doktrin erschwert die Aufgabe des Kampfes gegen die Despotie Hitlers. Sie birgt ernste Gefahren für die Erfolgsaussichten in sich. Die neue sozialdemokratische Kampffront muß sich deshalb mit aller Entschiedenheit von den Kommunisten absetzen. Sie muß programmatisch die bolschewistische Zielsetzung verwerfen. Das kann nicht das Ziel des großen Freiheitskampfes gegen den faschistischen Staat sein, daß an Stelle des faschistischen das bolschewistische Arbeiterzuchthaus gesetzt wird! Es gilt nicht, die Vorzeichen der Sklaverei zu wechseln, sondern es gilt, die Fesseln der Sklaverei abzuwerfen und die Freiheit wieder zu erobern! Klare, wahrhaft sozialistische Zielsetzung gegenüber dem kleinbürgerlichen reaktionären Hitlersozialismus wie gegenüber dem kommunistischen Illusionismus. Der kommunistische Illusionismus und die bolschewistische Propaganda haben in der Vergangenheit dem Faschismus Kraftreserven geliefert. Mit Hilfe des bolschewistischen Schreckgespenstes sind breite Mittelschichten, die den Sozialismus nicht zu fürchten haben, dem Faschismus in die Arme getrieben worden. Es ist töricht, diese Mittelschichten jetzt mit lautem Rachegeschrei und mit dem Vorbild des bolschewistischen Regimes künstlich an das Hitler-Regime zu fesseln! Die kommunistische Propaganda ist geeignet, m diesen Schichten das Gefühl hervorzurufen, daß der Sturz des Hitler-Regimes unter kommunistischen Parolen ihre physische Liquidierung nach bolschewistischem Muster bedeuten würde, sie ist geeignet, der Wirkung der Enttäuschung und Verzweiflung dieser Schichten erfolgreich entgegenzuwirken! Um so entschiedener und klarer müssen die Sozialdemokraten vor die von Hitler enttäuschten Massen treten. Ihre Parole ist die Parole der Befreiung, denn Freiheit und Sozialismus sind untrennbar verbunden. Wer diese Verbindung löst, der vertritt nur noch einen Bastard-Sozialismus. Vor dem revolutionären Sturz des Hitler-Regimes sollen nicht die zittern, die die Opfer dieses Regimes sind! Zu ihnen treten die Sozialisten als die Befreier, nicht als die Richter. Zittern mögen die Männer des Regimes, zittern mögen mit ihnen die wahren Ausbeuterklassen!

[6].       Die Deutsche Arbeitsfront (DAF) wurde am 10. Mai 1933 gegründet. Sie sollte als neue einheitliche Organisation "durch Bildung einer wirklichen Volks- und Leistungsgemeinschaft, die dem Klassenkampfgedanken abgeschworen hat" die Interessen "aller schaffenden Deutschen" wahrnehmen. Die Vertreter der Großindustrie setzten sich gegen die Perspektive ein, dass die DAF sich zu einer Institution der Vertretung der Arbeiterinteressen entwickle. Das am 19. Mai 1933 angenommene Gesetz über Treuhänder der Arbeit schuf dann zur Regelung der Arbeitsverträge und zur "Aufrechterhaltung des Arbeitsfriedens" öffentliche Verwalter, was dem Wunsch der Unternehmer entgegenkam. Letzten Endes wurde der DAF ein Tätigkeitsbereich zugewiesen, der die Betriebe ausschloss. Die DAF zählte zwar 1942 25 Millionen Mitgliedern, aber mit 44 000 hauptamtlichen und 1,3 Millionen ehrenamtlichen Mitarbeitern war sie zu einer rein bürokratisch-zentralisierten Organisation geworden.

[7].       Am 1.‑4. August 1929 fand der 4. Kongress der NSDAP statt. Es wurde die Gründung der “Nationalsozialistischen Betriebszellen-Organisation” (NSBO) beschlossen, die alle Mitglieder der Partei in den Betrieben zusammenschloss. Nach der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur übernahm die NSBO zunächst in gewissere Hinsicht die Rolle der Gewerkschaften, sie wurde jedoch allmählich neutralisiert, und 1936 war ihre Auflösung innerhalb der Deutschen Arbeitsfront vollendet.

[8].       Am 12. Mai 1933 wurden in Berlin die Zeitungsdruckereien bei Ullstein, Mosse, Scherl und einigen anderen bestreikt.

[9].       Am 19. Mai 1933 wurde das Gesetz über Treuhänder der Arbeit verkündet. Cf. den Text .

[10].     Am 29. Juni 1933 wurde Kurt Schmitt (zu dieser Zeit Generaldirektor der Allianz-Versicherung) zum Reichswirtschaftsminister ernannt (als Nachfolger Alfred Hugenbergs). Am 13. Juli hielt Schmitt vor Unternehmern eine Rede, in der er unter anderem erklärte:

[...] verbinde ich die Ansicht und bin darin in Übereinstimmung mit dem Führer, daß es unmöglich die Aufgabe des Staates und des Wirtschaftsministeriums oder sonst irgendeines behördlichen Organes sein kann, die Vorgänge in der Wirtschaft im einzelnen verantwortlich zu bestimmen und zu regeln. Die Aufgaben, die der deutschen Wirtschaft gestellt sind, können nur von der Wirtschaft selbst, d. h. von den aus ihr herausgewachsenen verantwortlichen Führern, gelöst werden. Der Staat soll verwalten und mit seiner Wirtschaftspolitik die Wirtschaft führen, aber nicht selbst wirtschaften. [...] Das Entscheidende aber ist ‑ und darin sehe ich die erste Aufgabe des Wirtschaftsministers ‑, die Voraussetzung dafür zu schaffen, daß so schnell wie möglich in unserer Wirtschaft der Glaube befestigt wird, daß die Sicherheit des wirtschaftlichen Kalkulierens das Höchstmaß hat, das überhaupt denkbar ist. Wir sind uns darüber klar, daß ohne Rechtssicherheit und ohne wirtschaftliche Kalkulationsmöglichkeit der Kaufmann in seinen Entschlüssen auf das schwerste gehemmt wird. Die Wirtschaft muß aber auch ihrerseits die großen und schweren Aufgaben der Regierung unterstützen. Der Führer hat wiederholt klipp und klar ausgesprochen, daß es nicht ohne die Köpfe der Wirtschaft geht und daß jeder Versuch einer Sozialisierung der Wirtschaft an den Menschen scheitern muß, denn es gäbe keine Menschen, die von vornherein auf jede Chance in der wirtschaftlichen Betätigung verzichten wollen. Was uns groß gemacht hat, ist die Ausnutzung der individuellen Fähigkeiten. Wenn wir sozialisieren, würden wir als Maßstab des Tempos der nationalen Arbeit das Tempo der langsamsten Arbeit aufstellen. Wir dürfen niemals eine Beugung der höheren Fähigkeit durch die niedere zulassen. Der Nationalsozialismus hat die Aufgabe, überall die größte Fähigkeit zur ausschlaggebenden Bedeutung kommen zu lassen. Wir wissen es ja aus tausend Aussprüchen, daß der Sinn der wahren nationalsozialistischen Staats- und Wirtschaftsauffassung der ist, daß jeder, der etwas kann, und jeder, der eine verantwortungsvolle Stellung zu tragen hat, von dem Staate gestützt und in seiner Autorität gefördert wird. Die oberste Aufgabe des Wirtschaftsministers sehe ich viel weniger in einer Aufstellung von wirtschaftlichen Konstruktionen und Plänen als vielmehr in der Organisation der vorhandenen praktischen, realen Wirtschaftsmöglichkeiten. Es ist nicht die Aufgabe des Wirtschaftsministeriums, in die einzelnen Wirtschaftszweige einzugreifen und darin herumzuregieren. Man muß aber natürlich die Möglichkeit dazu offenhalten. Der nationalsozialistische Staat muß für sich in Anspruch nehmen, daß er den Dingen in der Wirtschaft nicht freien Lauf läßt, daß er nicht jeden machen läßt, was er will, damit nicht jemand aus Konkurrenzgründen rücksichtslos Schaden stifte, der sich unter Umständen auf einen ganzen Wirtschaftszweig auswirken kann. Der Staat wird von dieser Befugnis aber nur einen sehr weisen Gebrauch machen und es sich genau überlegen, bevor er ordnend eingreift.

Zitiert nach: Paul Meier-Benneckenstein (Hg.): Dokumente der deutschen Politik, Berlin, Junker und Dünnhaupt, 1939.

[11].     Am 2. Juni 1933 sprach ein Sondergericht in Altona Todesurteile gegen August Lütgens, Walter Möller, Karl Wolff et Bruno Tesch aus. Es handelte sich um eine Machination die ihren Ursprung in Vorkommnissen vom 17. Juli 1932 hat: im Laufe von Zusammenstößen in Altona zwischen einem SA‑Zug und Einwohnern des Stadtteils, waren zwei Mitglieder der SA getötet worden. Schon wenige Zeit danach hatten die Justizbehörden Anklagen über ein angebliches kommunistisches Komplott fabriziert, und im Herbst 1932 waren die vier genannten Personen in Schutzhaft genommen worden, das Verfahren war aber fallengelassen worden. Die Ergebnisse der Untersuchung dienten allerdings der faschistischen Justiz. Lütgens, Möller, Wolff et Tesch wurden am 1. August 1933 hingerichtet.

[12].     Aufruf des ZK der KPD "Nieder mit den Galgen und Bluthunden von Altona! Antifaschisten! Senkt die Fahnen vor den gemeuchelten Opfern von Altona! Antifaschisten! Reißt empor das Banner der sozialistischen Freiheitsaktion!" vom 4. Juli 1933. Abgedruckt in:

Dokumente des ZK der KPD 1933‑1945. Offenbach, Verlag Olga Benario und Herbert Baum, 2002. S. 66.

[13].     Offener Brief des Zentralkomitees der KPD "An alle sozialdemokratischen Arbeiter Deutschlands!" vom 20. Juni 1933. In: Rundschau, Basel, 1933, Nr. 23, S. 783‑787. Abgedruckt in:

Dokumente des ZK der KPD 1933‑1945. Offenbach, Verlag Olga Benario und Herbert Baum, 2002. S. 55‑59.

[14].     Schreibweise so in der Quelle.

[15].     Am 14. Oktober 1933 erklärte die deutsche Reichsregierung den Austritt Deutschlands aus der Genfer Konferenz und dem Völkerbund. Gleichzeitig verkündete Hitler die Auflösung des Reichstags sowie die Durchführung einer Volksabstimmung über die Frage des Völkerbundes. Die Neuwahlen und die Volksabstimmung fanden am gleichen Tag, den 12. November 1933, statt. Bei den Wahlen lag allein die NSDAP-Liste vor. Bei der Volksabstimmung ging es darum, für oder gegen den Austritt aus dem Völkerbund zu stimmen.

Die KPD nahm mit einem Aufruf vom 7. November "Nur der Kommunismus bringt die Rettung! Nieder mit der Regierung des Hungers, des Krieges und des Terrors!" Stellung. Es hieß darin insbesondere:

Schleudert euer millionenfaches “Nein” den faschistischen Henkern und Kriegstreibern entgegen! Kein Terror und keine Wahlfälschung wird imstande sein, zu verhindern, daß am 12. November die Arbeiterklasse an der Spitze der Mehrheit des deutschen Volkes der Hitler-Diktatur ein millionenfaches “Nein” entgegenschleudert. Geht in die Wahllokale, streicht auf allen Stimmzetteln die zusammengeschobene Nazi-Liste durch und schreibt darauf: “KPD” und “Für Thälmann”! Auf dem andern Zettel macht ein dickes Kreuz in das Feld mit “Nein”.

(Cf. das Dokument .)

[16].     Das Reichs-Erbhofgesetz wurde am 29. September 1933 erlassen. Es sollte für "Erhaltung des Bauerntums als Blutquell des deutschen Volkes" sorgen und die Bauernhöfe vor Überschuldung und Zersplitterung schützen. Es bestimmte, dass Bauer nur sein könne, "wer deutschen oder stammesgleichen Blutes" sei. Das war durch "großen Abstammungsnachweis" (bis 1. Januar 1800) zu belegen. Nach dem Gesetz galten als Erbhof alle landwirtschaftlichen Betriebe, die mindestens die Größe einer "Ackernahrung" (= 7,5 Hektar) hatten und 125 Hektar nicht überschritten. Er musste sich im Alleinbesitz eines Bauern befinden. Das Erbhofgesetz unterband die Erbteilung durch Bestimmung der Vererbbarkeit auf nur einen Nachkommen, in der Regel ausschließlich im Mannesstamm. Der Verkauf von Erbhöfen wurde ebenso verboten wie die Belastbarkeit. Über Ausnahmen entschieden die so genannten Anerbenbehörden. Die Entschuldung und der Vollstreckungsschutz brachten zwar vorübergehend Vorteile, engten aber die Kreditmöglichkeiten der Bauern auf Personalkredite ein und behinderten so die Modernisierung der Landwirtschaft. Das Erbhofgesetz stand damit den auf Autarkie ausgerichteten Zielen der nationalsozialistischen Agrarpolitik entgegen. Es führte zu vermehrter Landflucht und konnte ein Absinken des Lebensstandards der insgesamt 694.997 Erbhofinhaber im "Altreich" (1938) nicht verhindern.

[17].     Cf. Fußnote 15 .

[18].          Am 17. Mai 1933 tritt der Reichstag zu einer Sitzung zusammen, in der Adolf Hitler eine Regierungserklärung präsentiert.

Der Inhalt dieser Erklärung ist durch die von Hitler ständig praktizierte Methode der zynischen Demagogie geprägt. Er gibt vor, Anwendung von Gewalt zu verwerfen, lässt aber klar verstehen, unter welchen Bedingungen ein friedliches Einverständnis möglich ist: nämlich die Erfüllung seiner Ziele, die er gegebenenfalls auch mit Gewalt und Krieg durchsetzen wird. Hier davon Auszüge.

[https://deutschlandinnot.wordpress.com/2015/05/17/adolf-hitlers-erste-ausenpolitische-rede-als-reichskanzler-am-17-mai-1933-friedensrede/]

[...] Denn alle die heutige Unruhe verursachenden Probleme liegen in den Mängeln des Friedensvertrages begründet, der es nicht vermochte, die wichtigsten und entscheidendsten Fragen der damaligen Zeit für alle Zukunft überlegen, klar und vernünftig zu lösen. [...] Durch viele Jahrhunderte entstanden die europäischen Staaten und ihre Grenzziehungen aus Auffassungen heraus, die nur innerhalb eines ausschließlich staatlichen Denkens lagen. Mit dem siegreichen Durchbruch des nationalen Gedankens und des Nationalitäten-Prinzips im Laufe des vergangenen Jahrhunderts wurden infolge der Nichtberücksichtigung dieser neuen Ideen und Ideale durch die aus anderen Voraussetzungen heraus entstandenen Staaten die Keime zu zahlreichen Konflikten gelegt. Es konnte nach Beendigung des großen Krieges keine höheren Aufgaben für eine wirkliche Friedenskonferenz geben als in klarer Erkenntnis dieser Tatsache eine Neugliederung und Neuordnung der europäischen Staaten vorzunehmen, die diesem Prinzip im höchstmöglichen Umfang gerecht wurde. Je klarer durch diese Regelung die Volksgrenzen sich mit den Staatsgrenzen deckten, um so mehr musste damit eine große Reihe von künftigen Konfliktsmöglichkeiten aus der Welt geschafft werden. [...] Die gegenwärtige wirtschaftliche Situation Europas ist gekennzeichnet durch die Übervölkerung des europäischen Westens und durch die Armut des Bodens dieser Gebiete an gewissen Rohstoffen, die gerade in jenen Gebieten mit alter Kultur dem dort gewohnten Lebens-Standard unentbehrlich sind. [...] Statt den Gedanken der Vernichtung zu predigen, musste man eine Neuordnung der internationalen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen vornehmen, die den Existenznotwendigkeiten der einzelnen Völker im höchstmöglichen Umfange gerecht wurde. [...]

Dass aber die heute vorliegenden Probleme eine vernünftige und endgültige Lösung erfahren, liegt im Interesse aller. Kein neuer europäischer Krieg wäre in der Lage, an Stelle der unbefriedigenden Zustände von heute etwas Besseres zu setzen. Im Gegenteil, weder politisch noch wirtschaftlich könnte die Anwendung irgendeiner Gewalt in Europa eine günstigere Situation hervorrufen, als sie heute besteht. [...] Neue Kriege, neue Unsicherheit und eine neue Wirtschaftsnot würden die Folge sein. Der Ausbruch eines solchen Wahnsinns ohne Ende aber müsste zum Zusammenbruch der heutigen Gesellschafts- und Staatsordnung führen. Ein im kommunistischen Chaos versinkendes Europa würde eine Krise von unabsehbaren Ausmaßen und nicht abzuschätzender Dauer heraufbeschwören. Es ist der tiefernste Wunsch der nationalen Regierung des Deutschen Reiches, eine solche unfriedliche Entwicklung durch ihre aufrichtige und tätige Mitarbeit zu verhindern. Das ist auch der innere Sinn der in Deutschland vollzogenen Umwälzung. Die drei Gesichtspunkte, die unsere Revolution beherrschen, widersprechen in keiner Weise den Interessen der übrigen Welt.

Erstens: Verhinderung des drohenden kommunistischen Umsturzes und Aufbau eines die verschiedenen Interessen der Klassen und Stände einigenden Volksstaates und die Erhaltung des Begriffs Eigentum als Grundlage unserer Kultur.

Zweitens: Lösung des schwersten sozialen Problems durch die Zurückführung der Millionenarmee unserer bedauernswerten Arbeitslosen in die Produktion.

Drittens: Wiederherstellung einer stabilen und autoritären Staatsführung, getragen von dem Vertrauen und Willen der Nation, die dieses große Volk endlich wieder der Welt gegenüber vertragsfähig macht. [...]

Betreffend die Sitzung des Reichstags spricht der Parteivorstand im Exil der SPD sich gegen eine Teilnahme der SPD-Abgeordneten aus. Die Reichstagsfraktion erörterte die Frage in einer Sitzung, an der 65 der 120 am 5. März gewählten Abgeordneten teilnehmen. Es wird mit 48 Stimmen gegen 17 beschlossen, an der Sitzung des Reichstages teilzunehmen und eine Erklärung im Namen der SPD-Fraktion vorzulegen. Schließlich stimmen allerdings im Reichstag die 48 anwesenden Abgeordneten für die Regierungserklärung ohne durch eine Erklärung Stellung zu nehmen.

[http://histmove.ouvaton.org/pag/chr/pag_009/fr/chro_1933_05_1939_12.htm]

[19].     Deutschland, Preußen 20. Juli 1932.

Am 30. März 1930 folgt auf Reichsebene auf die von Hermann Müller (SPD) geführte Koalitionsregierung eine von Heinrich Brüning (Zentrum) gebildete Koalitionsregierung, an der die SPD nicht mehr teilnimmt (cf. Fußnote 10 ). In Preußen besteht weiterhin eine am 5. April 1925 gebildete Koalitionsregierung unter Führung von Otto Braun (SPD). Infolge der Änderung des Kräfteverhältnisses auf nationaler Ebene setzt sich nach und nach innerhalb der Rechtsparteien eine Ausrichtung auf einen Bruch mit der SPD auch in Preußen durch. Nach den Landtagswahlen vom 24. April 1932, bei denen die NSDAP 162 Sitze erhält und die SPD 94, dankt die preußische Regierung ab. Die Bemühungen, eine vom Landtag eingesetzte neue Regierung zu bilden, bleiben erfolglos.

Am 1. Juni 1932 folgt Franz von Papen auf Brüning als Reichskanzler. Am 20. Juli erklärt der Reichskanzler Franz von Papen, daß auf sein Verlangen der Reichspräsident eine "Verordnung betreffend die Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gebiete des Landes Preußens" unterzeichnet hat. Die Verordnung ernennt den Reichskanzler zum Reichskommissar für das Land Preußen. Papen teilt mit, daß er den preußischen Ministerpräsidenten Braun und den preußischen Innenminister Carl Severing (ebenfalls SPD) absetzt und Franz Bracht mit der Leitung des Innenministeriums beauftragt. Die anderen Minister werden ebenfalls entlassen.

[20].     "Vereinigt euch zum gemeinsamen Kampf gegen die faschistische Diktatur! An die Werktätigen in Stadt und Land! An die Arbeiterklasse Deutschlands! Klassengenossen! Arbeitende Frauen und arbeitende Jugend!" 18. November 1932.

Auszugsweise abgedruckt in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung (Hg. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED), 1962, Heft 4, S. 895‑897.

[21].     Schon am 25. April 1932 erschien in der Roten Fahne ein Aufruf, in dem es hieß: "Wir sind bereit, mit jeder Organisation, in der Arbeiter vereinigt sind, und die wirklich den Kampf gegen Lohn und Unterstützungsabbau führen will, gemeinsam zu kämpfen!" Abgedruckt in:

Heinz Karl, Erika Kücklich (Hg.): Die antifaschistische Aktion - Dokumentation und Chronik Mai 1932 bis Januar 1933, Berlin, Dietz, 1965. S. 65‑69.

[22].     Am 30. September 1932 lief der Gültigkeitstermin für den Kollektivvertrag der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) ab. Die Betriebsleitung kündigte eine Lohnverminderung an, die fünfte seit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise; das Ergebnis wäre ein Lohnverlust von 50 % seit 1929. Die Gewerkschaft des betroffenen Bereiches (Gesamtverband der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs) führte eine Befragung der Belegschaft bezüglich eines Streiks durch; diese erhält nicht die nach der offiziellen Regelung erforderliche Mehrheit von 75 %. Am 3. November begann jedoch trotzdem ein Streik. Eine Streikleitung von ungefähr fünfzig Vertretern wurde gebildet unter Beteiligung von gewerkschaftlich nicht Organisierten, von Mitgliedern der KPD/RGO, der SPD und auch der NSDAP/NSBO. Die Lahmlegung der öffentlichen städtischen Verkehrsmittel war quasi-total, bei 22 000 Streikenden. Zusammenstöße mit der Polizei traten ein, es gab mehrere Tote unter den Streikenden. Auf Grund der von bürgerlicher Seite kommenden Proteste zog die NSDAP sich aus der Streikleitung zurück. Die Leitung des Gesamtverbandes stand ebenfalls dem Streik feindlich gegenüber. Die Leitung der BVG führte ungefähr 1000 Entlassungen durch. Am 8. November beschloss das Streikkomitee die Aufhebung des Streiks, der die Lohnverminderung nicht verhindern konnte. Insgesamt wurden 2500 Arbeiter und Angestellte in Zusammenhang mit dem Streik entlassen.

[23].     Cf. dazu Ernst Thälmann auf der 3. Reichskonferenz der KPD im Oktober 1932 (Dokument .):

Die Streikwelle im Hamburger Gebiet hat ebenfalls hauptsächlich beim Streik der Hochbahner, Straßenbahner usw. zu einer mächtigen Verstärkung unseres Einflusses geführt. Das Monopol der Reformisten in der Hamburger Hoch- und Straßenbahn ist durchbrochen. Während die RGO bei der letzten Betriebsratswahl nur knapp 300 Stimmen erhalten hat, haben bis zum zweiten Tag nach dem Streikverrat der Reformisten bereits 180 Straßenbahner und Hochbahner, davon die Mehrzahl freigewerkschaftlich organisierte Kollegen, ihren Eintritt in die RGO vollzogen.

[24].     Gemeint ist der Aufmarsch der SA unter starkem Polizeischutz am 22. Januar 1933 vor dem Karl-Liebknecht-Haus in Berlin, dem Sitz des ZK der KPD.

[25].     Cf. das Dokument .

[26].     Vorwärts, Leitartikel von Friedrich Stampfer, 31. Januar 1933:

Das Mittel der Arbeitseinstellung ist ein legales Mittel. Seine Anwendung zur Abwehr eines Angriffs auf die Freiheitsrechte des Volkes, auf die sozialen und politischen Rechte der Arbeiterklasse ist hundertmal gerechtfertigt. Aber taktische Vernunft rät, mit ihm hauszuhalten, damit ein entscheidender Augenblick nicht eine abgekämpfte Arbeiterschaft finde. Sehr bald kann alles anders sein ‑ in Zeiten wie den jetzigen ändern sich die Verhältnisse und die Taktik sehr schnell! Heute Generalstreik machen, hieße die Munition der Arbeiterklasse zwecklos in die leere Luft verschießen!

[27].     Einige Auszüge aus diesbezüglichen Stellungnahmen vom 30. Januar 1933:

Aufruf von Parteivorstand und Fraktion der SPD:

Die Stunde fordert die Einigkeit des ganzen arbeitenden Volkes zum Kampf gegen die vereinigten Gegner. Sie fordert Bereitschaft zum Einsatz der letzten und äußersten Kräfte. Wir führen unseren Kampf auf dem Boden der Verfassung. Die politischen und sozialen Rechte des Volkes, die in Verfassung und Gesetz verankert sind, werden wir gegen jeden Angriff mit allen Mitteln verteidigen. Jeder Versuch der Regierung, ihre Macht gegen die Verfassung anzuwenden oder zu behaupten, wird auf den äußersten Widerstand der Arbeiterklasse und aller freiheitlich gesinnten Volkskreise stoßen. Zu diesem entscheidenden Kampf sind alle Kräfte bereitzuhalten. Undiszipliniertes Vorgehen einzelner Organisationen oder Gruppen auf eigene Faust würde der gesamten Arbeiterklasse zum schwersten Schaden gereichen.

Gemeinsamer Aufruf von ADGB, AfA-Bund, Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften, Gewerkschaftsring deutscher Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenverbände:

Gewerkschaftsmitglieder! Die Lebensinteressen der gesamten Arbeiterschaft stehen auf dem Spiel. Um Angriffe gegen Verfassung und Volksrechte im Ernstfalle wirksam abzuwehren, ist kühles Blut und Besonnenheit erstes Gebot. Laßt euch nicht zu voreiligen und darum schädlichen Einzelaktionen verleiten.

Vorwärts:

Gegenüber dieser Regierung der Staatsstreichdrohung stellt sich die Sozialdemokratie und die ganze Eiserne Front mit beiden Füßen auf den Boden der Verfassung und der Gesetzlichkeit. Sie wird den ersten Schritt von diesem Boden nicht tun. Sie wird vielmehr durch Ausnutzung aller verfassungsmäßigen und gesetzlichen Mittel den allerschärfsten Kampf gegen diese Regierung führen. Sie überlaßt die Verantwortung für den Ausbruch eines Ringens, das beiderseits nicht mehr mit den normalen Waffen des politischen Kampfes geführt werden sollte, ausschließlich ihren Gegnern.

[28].     Cf. das Dokument .

[29].     Ausführliche Auszüge hier: .

[30].     Cf. Fußnote 18 .

[31].     Am 30. März 1933 trat Otto Wels aus dem Büro der SAI aus. Als Begründung führte er die Tagung des Exekutivkomitees und des Büros der SAI vom 18. und 19. März an, in der Resolutionen über Deutschland in Abwesenheit von Vertretern der SPD angenommen wurden. Die Resolution "Kampf dem Faschismus" prangert die vom nationalsozialistischen Regime ausgeübte brutale Repression an. Wels hatte versucht, zu verhindern, dass diese Resolutionen veröffentlicht werden, aber Friedrich Adler, der Sekretär der SAI, hatte das Verlangen zurückgewiesen. Am 19. Mai 1933 nahm Wels seinen Platz im SAI-Büro wieder ein.

[32].     Gregor Bienstock. Im Mai 1933 veröffentlichte Bienstock in Wien unter dem Pseudonym B. Irlen eine Schrift mit dem Titel "Marx gegen Hitler". Das Vorwort dazu zeichnete Bienstock namentlich.

[33].     Walter Loewenheim war zunächst Mitglied der KPD, trat aber 1927 aus der Partei aus. Im August 1933 verfasste er unter dem Pseudonym Miles eine Programmschrift "Neu Beginnen! Faschismus oder Sozialismus", die vom Parteivorstand in Prag als Heft 2 der Schriftenreihe "Probleme des Sozialismus" veröffentlicht wurde.

[34].     Cf. Fußnote 5 .

[35].     Auf der Pariser Konferenz der SAI im August 1933 hatte Siegfried Aufhäuser für das Deutschland nach Hitler eine vorübergehende "Erziehungsdiktatur" gefordert, mit dem Zweck, die zu Hitler gelaufenen Mittelschichten an der Seite des Proletariats scharen.

[36].     Die Sozialistische Arbeiter-Partei (SAP) entstand 1931 als eine Abspaltung von der SPD. Zu ihren Mitgliedern gehörten Persönlichkeiten des späteren politischen Exils wie Willy Brandt, August und Irmgard Enderle, Stefan Szende sowie die ehemaligen KPO-Mitglieder Paul Frölich und Jacob Walcher. (Die Kommunistische Partei-Opposition war 1929 von oppositionellen KPD-Mitgliedern gebildet worden.) 1939 zerfiel die Partei in mehrere Grüppchen Intellektueller.

[37].     Paul Grobis.

[38].     Beschluss des ZK der KPD zur Gewerkschaftsfrage vom 25. August 1933. Abgedruckt in:

Dokumente des ZK der KPD 1933‑1945, Offenbach, Verlag Olga Benario und Herbert Baum, 2002, S. 81‑85.

[39].     Die Programmpunkte 1‑9 sind in der vom Politbüro des ZK der KPD am 10. Oktober 1933 angenommenen Resolution "Die gegenwärtige Lage in Deutschland und die Aufgaben der KPD" enthalten. Als Adolf Hitler den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund erklärte, veröffentlichte das ZK der KPD am 7. November einen Aufruf "Nur der Kommunismus bringt die Rettung! Nieder mit der Regierung des Hungers, des Krieges und des Terrors!", der dieses Programm an die Öffentlichkeit brachte. In seinem Bericht auf dem 13. Plenum des EKKI legt W. Pieck dieses "kommunistische Rettungsprogramm" vor. Der zusätzliche Punkt 10 entspricht gewissen im Aufruf vom 7. November formulierten Stellungnahmen. Das Programm wurde 1934 als Tarnschrift unter dem Titel "Mondamin ‑ 70 bewährte Rezepte" (S. 14/15) verbreitet.