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Präsidium des Exekutivkomitees
der Kommunistischen Internationale

Resolution :
Die Lage in Deutschland

1. April 1933

 

 

Quelle:

Die Kommunistische Internationale über die Lage in Deutschland. Verlagsgenossenschaft Ausländischer Arbeiter in der UdSSR, 1933 [1].

 

 

 

 

 

 

Erstellt: November 2016

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Dokumente der Kommunistischen Internationale ‑ Übersicht

 

 

 

 

 

 

Das Präsidium des EKKI konstatiert nach Entgegennahme des Referats des Genossen Heckert über die Lage in Deutschland, daß die politische Linie und die organisatorische Politik, die das ZK der Kommunistischen Partei Deutschlands mit dem Genossen Thälmann an der Spitze bis zum Hitlersehen Umsturz und im Augenblick dieses Umsturzes befolgte, vollständig richtig war.

Angesichts der außerordentlichen Zuspitzung der wirtschaftlichen und politischen Lage in Deutschland, unter der einerseits, die Kommunistische Partei bereits zu einer gewaltigen Macht in der Arbeiterklasse geworden ist und die revolutionäre Krise rasch heranreift, während andererseits unter den herrschenden Klassen selbst tiefe Gegensätze zutage traten und die faschistische Diktatur in Gestalt der Regierung Papens und Schleichers sich als unfähig erwies, das Wachstum des Kommunismus aufzuhalten und irgendeinen Ausweg aus der sich immer mehr verschärfenden Wirtschaftskrise zu finden, hat die deutsche Bourgeoisie dem Faschisten Hitler und seiner “Nationalsozialistischen” Partei die Durchführung der offenen faschistischen Diktatur übertragen. Der Sieg Hitlers und die Aufrichtung der Macht der “Nationalsozialisten” ist durch folgende Umstände ermöglicht worden:

Die deutsche Sozialdemokratie, die die Mehrheit des Proletariats in der November-Revolution von 1918 hinter sich hatte, spaltete die Arbeiterklasse und hat, statt die Revolution zur Diktatur des Proletariats und zum Sozialismus vorwärtszutreiben, wie das die Pflicht einer proletarischen Partei gewesen wäre, im Bündnis mit der Bourgeoisie und den wilhelminischen Generälen den Aufstand der revolutionären Massen niedergeschlagen und die tiefe Spaltung der Arbeiterklasse Deutschlands eingeleitet. Im Zeichen der Arbeitsgemeinschaft mit der Bourgeoisie und der Taktik des “kleineren Übels”, im Bündnis mit der Bourgeoisie und mit Billigung der gesamten 2. Internationale setzte sie diese Politik brutaler Repressalien gegen die revolutionäre Bewegung und die Linie der Spaltung der Arbeiterklasse bis in die jüngsten Tage hinein fort. Sie verbot den Roten Frontkämpferbund, sie verbot die revolutionären Arbeiterorganisationen, sie verbot Arbeiterdemonstrationen bzw. ließ auf sie schießen, sie sprengte die wirtschaftlichen und politischen Streiks gegen die Offensive des Kapitals und des Faschismus und unterstützte die Herrschaft der konterrevolutionären Bourgeoisie. Die Sozialdemokratie konzentrierte in den Händen ihrer korrumpierten bürokratischen Spitzen die Führung der Arbeiter-Massenorganisationen. Sie schloß die revolutionären Arbeiter aus ihnen aus und unterband durch das Netz der ihr untergeordneten zentralisierten Arbeiterorganisationen die Initiative der Arbeitermassen, zermürbte ihre Kampffähigkeit im Kampfe gegen Kapital und Faschismus und verhinderte dadurch eine entschlossene Abwehr der zum Angriff übergehenden faschistischen Diktatur und der terroristischen faschistischen Banden. Diese Politik des Kampfes gegen die revolutionären Massen, der Arbeitsgemeinschaft mit der Bourgeoisie und der Unterstützung der Reaktion unter dem Vorwand der Taktik des “kleineren Übels” war und ist die Politik der gesamten 2.[2] und der Amsterdamer Internationale[3], von 1914 angefangen bis zum heutigen Tage.

Die Weimarer “demokratische” bürgerliche Republik konnte unter dem Imperialismus, besonders aber in einem im imperialistischen Kriege besiegten Lande, dessen Kapitalismus von der allgemeinen Krise des kapitalistischen Systems tief erschüttert ist, nur eine reaktionäre Diktatur der Bourgeoisie sein. Die Arbeitergesetzgebung, die Sozialversicherung und die demokratischen Rechte, die die Bourgeoisie den Arbeitern in den Jahren der Revolution gewähren mußte, wurden den Arbeitern von der zur Macht gelangten Weimarer Koalition, die aus Sozialdemokraten, dem Zentrum und den “Demokraten” bestand, allmählich wieder entrissen. Die schrittweisen und ununterbrochenen Konzessionen an die Reaktion, die schrittweise Aufhebung eines Punktes der Verfassung nach dem anderen, einer Errungenschaft der Arbeiter nach der anderen, die schrittweise Faschisierung des gesamten Staatsapparates diskreditierte die Weimarer Koalition und die Weimarer Republik dermaßen, daß sie jede ernste Bedeutung in den Augen der breiten Massen einbüßte.

Das Versailler System[4] plünderte Deutschland aus und beugte die deutschen werktätigen Massen unter das Joch unerträglicher Ausbeutung nicht bloß durch ihr eigenes, sondern auch durch das ausländische Kapital, dem die deutsche Regierung Reparationszahlungen zu leisten hatte. Das Versailler Joch, verstärkt durch das Joch der “eigenen” deutschen Bourgeoisie, führte zu einer unerhörten Senkung des Lebenshaltungsniveaus des Proletariats und zu einer derartigen Verelendung der Bauernschaft und des städtischen Kleinbürgertums, daß ein Teil der Bauernschaft und des städtischen Kleinbürgertums immer mehr dazu neigte, das Vorkriegsdeutschland, das noch keine allgemeine Krise des Kapitalismus und keine solche Verelendung der Massen kannte wie jetzt, als sein Ideal zu betrachten. Es ist daher begreiflich, daß im Augenblick der stärksten wirtschaftlichen Krise, die die Schwere des durch den Versailler Vertrag auferlegten außenpolitischen Nationaljochs noch steigert, sowie in Verbindung damit, daß das Proletariat aus Verschulden der Sozialdemokratie gespalten und daher nicht stark genug war, um die städtischen kleinbürgerlichen und die bäuerlichen Massen mit sich zu reißen ‑ daß es in diesem Augenblick zu einem stürmischen Ausbruch des deutschen Nationalismus und Chauvinismus kommen mußte und tatsächlich auch kam, der die politische Stellung der Bourgeoisie bedeutend festigte und die demagogischste nationalistische Partei, die Partei der “Nationalsozialisten”, an die Oberfläche brachte.

Die kommunistischen Arbeiter organisierten und führten den Kampf gegen die Offensive des Kapitals und des Faschismus. Sie unterstützten jede, auch die geringste Aktion der sozialdemokratischen Arbeiter gegen das Kapital, wo immer es zu solchen Aktionen kam. Vom Bestreben geleitet, die revolutionäre Einheit der Arbeiterklasse wiederherzustellen, haben sie bereits lange vor dem Sieg des Faschismus den sozialdemokratischen Arbeitern und den untergeordneten sozialdemokratischen Organisationen wiederholt die Einheitsfront zum Kampf gegen die Bourgeoisie und ihre Lakaien, die Faschisten, vorgeschlagen. Doch die sozialdemokratischen Arbeiter, hinter denen die Mehrheit der Arbeiterklasse Deutschlands steht, haben ‑ gefesselt durch ihre sozialdemokratische Führung, die gegen die revolutionäre Einheitsfront und für die Beibehaltung ihrer reaktionären Einheitsfront mit der Bourgeoisie ist ‑ jedesmal in ihrer großen Masse die Einheitsfront mit den Kommunisten abgelehnt und so den Kampf der Arbeiterklasse gesprengt. Während die Kommunisten für die revolutionäre Einheitsfront der Arbeiterklasse gegen die Bourgeoisie, gegen den Faschismus eintraten, hat die Sozialdemokratie, im Gegenteil, die Arbeiter in die reaktionäre Einheitsfront mit der Bourgeoisie gegen die Kommunisten, gegen die kommunistischen Arbeiter getrieben, hat die kommunistischen Organisationen stets und überall, wann und wo sich Gelegenheit dazu bot, zertrümmert und Verfolgungen ausgesetzt.

In Durchführung ihrer Linie des Kampfes um die revolutionäre Einheit der Arbeiterklasse gegen die sozialdemokratische Einheitsfront mit der Bourgeoisie, hat die Kommunistische Partei als einziger revolutionärer Führer des deutschen Proletariats, ungeachtet des Streikbrechertums der Sozialdemokratie in der Frage der Einheitsfront gegen die Bourgeoisie, die Arbeiterklasse am 20. Juli 1932[5], als die Faschisten die sozialdemokratische Preußenregierung davonjagten, und am 30. Januar 1933, als Hitler in Deutschland zur Macht kam, zum politischen Generalstreik aufgerufen, und zur Durchführung eines solchen Streiks der Sozialdemokratischen Partei und den reformistischen Gewerkschaften die Einheitsfront vorgeschlagen.

Die Entwicklung des Kampfes gegen Bourgeoisie und Faschismus durch das Proletariat, sowie der Generalstreik hätten dazu geführt, daß die schwankenden werktätigen Massen der Bauernschaft und des städtischen Kleinbürgertums zum Proletariat gestoßen wären. Die Sozialdemokratie jedoch unterband, in Fortsetzung ihrer bisherigen Politik sowie in Betreibung der weiteren Arbeitsgemeinschaft mit der Bourgeoisie, die Initiative der Massen durch das Netz der hinter ihr stehenden zentralisierten Organisationen, in erster Linie der reformistischen Gewerkschaften und verhinderte die Organisierung des Generalstreiks, vereitelte diesen, nicht ohne dadurch der weiteren Offensive der Faschisten gegen das Proletariat unmittelbar Vorschub zu leisten. Als Folge dessen erwies sich die Avantgarde des revolutionären Flügels des deutschen Proletariats ‑ die Kommunistische Partei ‑ der Unterstützung seitens der Mehrheit der Arbeiterklasse beraubt. Unter solchen Umständen erwies sich das Proletariat in einer Lage, in der es nicht imstande war und tatsächlich auch nicht vermochte, die sofortige und entschlossene Abwehr gegen den Staatsapparat zu organisieren, der in seinen Bestand die Kampforganisationen der faschistischen Bourgeoisie, die Sturmabteilungen, "Stahlhelm" und Reichswehr zum Kampf gegen das Proletariat mit einbezogen hatte. Die Bourgeoisie vermochte die Staatsgewalt im Lande ohne ernsthaften Widerstand den Händen der Nationalsozialisten zu übergeben, die mit den Mitteln der Provokationen, des blutigen Terrors und politischen Banditentums gegen die Arbeiterklasse vorgehen.

In Analysierung der Voraussetzungen für den siegreichen Aufstand des Proletariats hat Lenin ausgeführt:

Die entscheidende Schlacht kann dann als voll herangereift gelten, wenn sich alle uns feindlichen Klassenkräfte hinreichend verrannt haben, wenn sie sich hinreichend gegenseitig in die Haare geraten sind und sich durch den Kampf, der ihre Kräfte übersteigt, hinreichend geschwächt haben, wenn sich alle schwankenden, unsicheren, unbeständigen Zwischenelemente, d. h. das Kleinbürgertum, die kleinbürgerliche Demokratie zum Unterschied von der Bourgeoisie, hinreichend vor dem Volk entlarvt und durch ihren praktischen Bankrott hinreichend blamiert haben, wenn die Massenstimmung zugunsten einer Unterstützung der entschlossensten, aufopfernd kühnen revolutionären Handlungen gegen die Bourgeoisie im Proletariat eingesetzt und mächtig anzuschwellen begonnen hat. Eben dann ist die Revolution reif, eben dann ist unser Sieg, falls wir alle vorstehend bezeichneten [...] Voraussetzungen richtig erwogen und den Moment richtig gewählt haben, ist unser Sieg gesichert.

Die charakteristische Besonderheit der Situation im Moment des Hitler-Umsturzes besteht darin, daß diese Voraussetzungen für den siegreichen Aufstand zu jener Zeit noch nicht auszureifen vermocht hatten, sie waren lediglich im Keimzustand vorhanden. Was die Avantgarde des Proletariats, die Kommunistische Partei betrifft, so konnte sie, da sie nicht in Abenteurertum verfallen wollte, diesen mangelnden Faktor natürlich nicht durch ihre Handlungen ersetzen.

"Mit der Vorhut allein", sagt Lenin, "kann man nicht siegen. Die Vorhut allein in den entscheidenden Kampf werfen, solange die ganze Klasse, solange die breiten Massen die Avantgarde nicht direkt unterstützen oder wenigstens eine wohlwollende Neutralität ihr gegenüber üben ‑, wäre nicht nur eine Dummheit, sondern auch ein Verbrechen [...]"

Das sind die Umstände, die den Rückzug der Arbeiterklasse und den Sieg der Partei der konterrevolutionären Faschisten in Deutschland bestimmt haben. Die Errichtung der faschistischen Diktatur in Deutschland ist somit letzten Endes die Folge der sozialdemokratischen Politik der Arbeitsgemeinschaft mit der Bourgeoisie im Verlaufe der ganzen Lebensdauer der Weimarer Republik. Die Sozialdemokratie hat wiederholt erklärt, sie hätte nichts dagegen, wenn Hitler auf “verfassungsmäßigem” Wege zur Macht komme. Bereits nach dem Machtantritt Hitlers schrieb der "Vorwärts" am 2. Februar, daß ein Mensch wie Hitler ohne die Sozialdemokratie nicht Reichskanzler zu werden vermocht hätte[6]. Dasselbe führte Wels am 23. März auch in seiner Deklaration vor dem Reichstag aus, als er sagte, daß die Sozialdemokraten vor den "Nationalsozialisten" große Verdienste haben, da es Hitler eben dank der Politik der Sozialdemokratie gelungen ist, zur Macht zu kommen[7]. Schon ganz zu schweigen von Leipart, Löbe und anderen Führern der Sozialdemokratie, die die Faschisten restlos unterstützen. Die Kommunisten hatten recht, als sie die Sozialdemokraten ‑ als Sozialfaschisten bezeichneten.

Dadurch aber, daß sich die faschistische Diktatur auf die bewaffneten Banden der Nationalsozialisten und des "Stahlhelm" stützt, daß sie den Bürgerkrieg gegen die Arbeiterklasse aufnimmt, daß sie alle Rechte des Proletariats aufhebt, zerschlägt sie gleichzeitig auch die sozialdemokratischen Theorien von der Möglichkeit der Eroberung einer parlamentarischem Mehrheit durch Wahlen und friedliche Entwicklung zum Sozialismus, ohne Revolution. Sie zerschlägt die sozialdemokratischen Theorien von der Arbeitsgemeinschaft mit der Bourgeoisie, sowie von der Politik des “kleineren Übels” und macht alle demokratischen Illusionen in den breiten Arbeitermassen zunichte. Sie zeigt, daß der Staat durchaus kein über den Klassen schwebender Überbaue, sondern ein Werkzeug der Diktatur der Bourgeoisie ist, daß die moderne Staatsgewalt ‑ die bewaffneten SA‑Banden, der "Stahlhelm", die Polizei und das Offiziersgesindel [es] sind, die im Namen der Bourgeoisie und der Junker herrschen. Die Arbeiterklasse überzeugt sich in der Praxis, daß die Kommunisten recht hatten, als sie jahrelang gegen die demokratischen Illusionen und die sozialdemokratische Politik des “kleineren Übels” sowie die Arbeitsgemeinschaft mit der Bourgeoisie kämpften.

Gleichzeitig vermag die zügellose faschistische Diktatur Hitlers, die den Bürgerkrieg im Lande entfesselt hat, keine einzige politische und wirtschaftliche Frage des heutigen Deutschlands zu lösen. Not und Elend der Massen nehmen mit jedem Tage mehr zu. Die Lage der Industrie verschlechtert sich, da die abenteuerliche Politik der Regierung lediglich die Schrumpfung sowohl des Binnen- wie auch des Außenmarktes beschleunigt. Es fehlt jegliche Perspektive eines ernsthaften Rückganges der Erwerbslosigkeit, ja es kann eine solche Perspektive auch gar nicht geben. Es besteht absolut keine Möglichkeit, allen Anhängern der Nationalsozialisten Arbeit und Ämter zu verschaffen. An Stelle der zur Einstellung gelangenden Nationalsozialisten werden andere Arbeiter entlassen werden. Die Verlängerung des Moratoriums bis zum Oktober und die Kontingentierung der landwirtschaftlichen Einfuhrprodukte aus dem Auslande vermag nur auf überaus kurze Zeit eine dünne Schicht der wohlhabenden Bauern zu befriedigen, vermag aber der Zunahme der Not, des Elends und der Unzufriedenheit der breiten bäuerlichen Massen nicht Einhalt zu gebieten. Durch demagogische Aktionen gegen die Warenhäuser und das jüdische Kapital läßt sich keine Hilfe für das notleidende Kleinbürgertum schaffen, dessen Lage nach Maßgabe des weiteren Rückganges der Kaufkraft des Proletariats sich verschlechtern wird, was eine weitere Schrumpfung des Binnenmarktes nach sich ziehen wird. Die mikroskopische Gabe von Getreide und Speck an die Notleidenden war lediglich ein auf den Stimmenfang berechneter Köder. Die Erhöhung der Erwerbslosenunterstützung um monatlich 2 Mark kann infolge der sich verschlechternden Wirtschaftslage nicht umhin, wieder rückgängig gemacht zu werden. Es zeigt sich klar, daß Hitler Deutschland einer Wirtschaftskatastrophe entgegenführt, die sich immer unvermeidlicher gestaltet.

Die nationalsozialistische Bewegung ist in erster Linie als eine von wilhelminischen Offizieren und Beamten angeführte nationalistische und chauvinistische Bewegung, als eine Bewegung der kleinbürgerlichen sowie teilweise der bäuerlichen Massen gegen Versailles emporgeschossen. Die zweimonatliche Machtausübung durch Hitler ist eine einzige chauvinistische Phrasendrescherei gegen den proletarischen Internationalismus und gegen den “Weltbolschewismus”, ist eine Politik der Verschärfung der Beziehungen zu ausnahmslos allen Staaten. Eine derartige Politik vermag Deutschland nicht nur nicht zu stärken, sondern schwächt es und isoliert es noch mehr. Die Versuche der Regierung, unter diesen Verhältnissen den Versailler Vertrag zu verletzen und wenigstens durch den Anschluß Österreichs außenpolitische Erfolge zu erzielen, um ihr Ansehen in den Massen zu heben, deren Not und Elend sie nicht zu lindern vermag, wird lediglich zu einer weiteren Verschärfung der gesamten internationalen Situation und zu einem ungeheuren Anwachsen der Kriegsgefahr führen. Jeder neue Tag der Regierung Hitler wird immer klarer den Betrug offenbaren, dem die Massen, die Hitler Gefolgschaft leisteten, zum Opfer gefallen sind. Jeder neue Tag wird immer klarer aufzeigen, daß Hitler Deutschland in die Katastrophe hineintreibt. Die augenblickliche Stille nach dem Sieg des Faschismus ist nur eine vorübergehende Erscheinung. Der revolutionäre Aufschwung in Deutschland wird trotz des faschistischen Terrors unvermeidlich ansteigen. Die Abwehr der Massen gegen den Faschismus wird zwangsläufig zunehmen. Die Errichtung der offenen faschistischen Diktatur, die alle demokratischen Illusionen in den Massen zunichte macht und die Massen aus dem Einfluß der Sozialdemokratie befreit, beschleunigt das Tempo der Entwicklung Deutschlands zur proletarischen Revolution.

Es hat die Aufgabe der Kommunisten zu sein, die Massen darüber aufzuklären, daß die Hitler-Regierung das Land in eine Katastrophe hineinreitet. Heute ist es nötig, den Massen mit größerer Energie denn je vor Augen zu halten, daß die einzige Rettung der werktätigen Massen vor noch größerem Elend und noch größerer Not, das einzige Mittel zur Verhütung der Katastrophe ‑ die proletarische Revolution und die Diktatur des Proletariats ist. Es gilt, den Kampf zu führen um die Zusammenschweißung aller Kräfte des Proletariats und die Herstellung der Einheitsfront der sozialdemokratischen und der kommunistischen Arbeiter zum Kampf gegen die Klassenfeinde. Es gilt, die Partei zu festigen und alle Massenorganisationen des Proletariats zu verstärken, die Massen auf die entscheidenden revolutionären Kämpfe, auf den Sturz des Kapitalismus, auf den Sturz der faschistischen Diktatur durch den bewaffneten Aufstand vorzubereiten. Ausgehend von den bevorstehenden Ausführungen billigt das Präsidium des EKKI das vom Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Deutschlands vorgesehene praktische Arbeitsprogramm.

 

 

 

 

 



[1].       [321ignition] Die Fußnoten sind von uns, unter Verwendung von eventuellen in der Quelle enthaltenen Fußnoten, formuliert.

[2].       Sozialistische Internationale.

1864 wird in London die “Internationale Arbeiter-Assoziation” gegründet, an der Karl Marx und Friedrich Engels aktiv teilnehmen; sie wird 1876 durch Entschluss ihrer in Philadelphia abgehaltenen Generalversammlung aufgelöst. 1889 wird in Paris ein internationaler Arbeiterkongress abgehalten. Die so eingerichtete Koordinierung zwischen Parteien marxistischer Orientierung wird geläufig “Zweite Internationale” genannt. In einer ersten Phase wird, abgesehen von der Einberufung von Kongressen, keine besondere organisatorische Struktur eingerichtet. 1900 wird ein Internationales sozialistisches Büro gebildet, sowie ein mit den laufenden Angelegenheiten beauftragtes Exekutivkomitee mit Sitz in Brüssel.

Am 14. und 15. Februar 1915 wird in London eine Konferenz der sozialistischen Parteien der alliierten Länder abgehalten. Die Zahl der Delegierten beläuft sich auf 46. Frankreich ist folgendermaßen vertreten: für die Sozialistische Partei SFIO (Parti socialiste Section française de l'Internationale ouvrière, SFIO) Alexandre Desrousseaux genannt Bracke, Adéodat Compère-Morel, Marcel Cachin, Jean Longuet, Marcel Sembat, Pierre Renaudel, Edouard Vaillant, Louis Dubreuilh, Ernest Poisson, Braemer; für die Allgemeine Konföderation der Arbeit (Confédération générale du travail, CGT) Léon Jouhaux, Alexandre Luquet, Moulinier, Albert Bourderon, Alphonse Merrheim. Großbritannien ist unter anderem vertreten durch Arthur Henderson, Ramsay Macdonald, Keir Hardie, William Anderson, Bruce Glasier; Belgien ist insbesondere durch Émile Vandervelde und Camille Huysmans vertreten; für Russland nehmen unter anderen Teil Ivan M. Maisky von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands - Menschewiki, sowie Viktor M. Černov und Ilja A. Rubanovič von der Partei der Sozialrevolutionäre, etc.

Nach dem 1. Weltkrieg wird zunächst im Februar 1919 eine Konferenz in Bern abgehalten, danach wird im August 1920 in Genf die 2. Internationale wiedergebildet, unter Beteiligung einer reduzierten Zahl von Parteien. Sie richtet ihren Sitz in London ein.

Eine Anzahl anderer Parteien gründet im Februar 1921 in Wien die “Internationale Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Parteien”; Friedrich Adler und Otto Bauer spielen eine wichtige Rolle. Offiziell wird die Organisation auch “Wiener Internationale” bezeichnet, geläufig wird sie aber “2 ½. (Zweieinhalbte) Internationale” genannt.

Im Mai 1923 auf einem in Hamburg abgehaltenen Kongress gründen diese Internationale und die 2. Internationale gemeinsam die “Sozialistische Arbeiterinternationale”.

[3].       Internationaler Gewerkschaftsbund (genannt “Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale”).

1901 wird in Kopenhagen eine Versammlung von Vertretern der Gewerkschaftszentralen von Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark, Deutschland, Frankreich und Belgien abgehalten. Ein weiteres Treffen folgt 1903, und es wird ein internationales Sekretariat mit Carl Legien als Sekretär gegründet. 1913 wird die Bezeichnung Internationaler Gewerkschaftsbund (IGB) angenommen. Der 1. Weltkrieg führt zu der den kriegerischen Bündnissen entsprechenden Spaltung. 1919 wird der IGB wiedergebildet. Eine erste Versammlung wird im Februar 1919 in Bern abgehalten, mit Juli-August wird der Sitz in Amsterdam eingerichtet. Der IGB wird von der neuen Internationalen Arbeitsorganisation anerkannt. Die Aufnahme der Gewerkschaften der Sowjetunion zum IGB wird verweigert. Die amerikanische AFL tritt schließlich 1937 in den IGB ein.

[4].       Vertrag von Versailles.

Um den Friedenszustand mit Deutschland wiederherzustellen, versammeln sich die siebundzwanzig Alliierten oder Beteiligten Siegermächte (tatsächlich zweiunddreißig, insofern Großbritannien im Namen Kanadas, Australiens, Südafrikas, Neuseelands und Indiens spricht) zur Friedenskonferenz in Paris, vom 18. Januar 1919 bis zum 10. August 1920; bei diesen Verhandlungen werden unter anderem die vier Nebenverträge von Saint-Germain-en-Laye, Trianon, Neuilly-sur-Seine und Sèvres ausgearbeitet.

In der Praxis werden die Arbeiten dominiert durch ein Direktorium mit vier Mitgliedern: Georges Clemenceau für Frankreich, David Lloyd George für Großbritannien, Vittorio Emanuele Orlando für Italien, Thomas Woodrow Wilson für die USA. Der Pakt des Völkerbundes wird in den Text des Friedensvertrags in der Form einer Präambel integriert.

Die hauptsächlichen Gebietsklauseln betreffen die Rückgabe Elsass-Lothringens an Frankreich, die Verwaltung des Saargebiets vorerst durch den Völkerbund auf Dauer von fünfzehn Jahren und dann die Organisierung einer Volksabstimmung, sowie die Organisierung einer anderen von Deutschland und Polen geforderten Volksabstimmung in Schleswig und in Schlesien. Toruń (vormalig Thorn) wird an Polen abgetreten; Dantzig (heute Gdansk) wird eine unter Kontrolle des Völkerbundes verwaltete Freistadt, und der Korridor von Dantzig, der diesem Staat einen Zugang zum Meer sichert, isoliert so Ostpreußen von den anderen Gebieten Deutschlands. Die Sudetendeutschen werden in die Tschechoslowakei integriert. Auch verzichtet Deutschland auf alle seine Kolonien, und zwar zugunsten der Alliierten Mächte, wobei der Völkerbund beauftragt wird, gewissen dieser Mächte ein Mandat zu erteilen.

Nach Abschaffung des Wehrdienstes wird das Deutsche Heer auf 100.000 Mann (gegen 400.000 Anfang 1919) reduziert, und die Marine auf 15.000. Die Herstellung neuen Kriegsmaterials (Unterseeboote, Schwergeschütze und Panzer) wird verboten, die Kriegsflotte wird beschlagnahmt und die Festungsbauten müssen unter Kontrolle der Reparationskommission zerstört werden. Als Übergangsmaßnahme muss Deutschland 20 Milliarden Goldmark zahlen, bis dann die Reparationskommission den Betrag der zur Deckung der Kriegsschäden bestimmten Reparationen festsetzt.

Um die Durchführung der Vertragsklauseln zu garantieren, sollen das linke Rheinufer sowie drei Brückenköpfe am rechten Ufer (höchstens) fünfzehn Jahre lang durch die Alliierten Mächte besetzt bleiben, das Rheinland wird entmilitarisiert, und Deutschland muss seine Verantwortung bezüglich der durch den Krieg verursachten Schäden anerkennen.

[5].       Deutschland, Preußen 20. Juli 1932.

Am 30. März 1930 folgt auf Reichsebene auf die von Hermann Müller (SPD) geführte Koalitionsregierung eine von Heinrich Brüning (Zentrum) gebildete Koalitionsregierung, an der die SPD nicht mehr teilnimmt In Preußen besteht weiterhin eine am 5. April 1925 gebildete Koalitionsregierung unter Führung von Otto Braun (SPD). Infolge der Änderung des Kräfteverhältnisses auf nationaler Ebene setzt sich nach und nach innerhalb der Rechtsparteien eine Ausrichtung auf einen Bruch mit der SPD auch in Preußen durch. Nach den Landtagswahlen vom 24. April 1932, bei denen die NSDAP 162 Sitze erhält und die SPD 94, dankt die preußische Regierung ab. Die Bemühungen, eine vom Landtag eingesetzte neue Regierung zu bilden, bleiben erfolglos.

Am 1. Juni 1932 folgt Franz von Papen auf Brüning als Reichskanzler. Am 20. Juli erklärt der Reichskanzler Franz von Papen, daß auf sein Verlangen der Reichspräsident eine "Verordnung betreffend die Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gebiete des Landes Preußens" unterzeichnet hat. Die Verordnung ernennt den Reichskanzler zum Reichskommissar für das Land Preußen. Papen teilt mit, daß er den preußischen Ministerpräsidenten Braun und den preußischen Innenminister Carl Severing (ebenfalls SPD) absetzt und Franz Bracht mit der Leitung des Innenministeriums beauftragt. Die anderen Minister werden ebenfalls entlassen.

[6].       Deutschland, Stellung der Sozialdemokratie in Bezug auf die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten.

Nach der Ernennung Hitlers zum Kanzler, am 30. Januar 1933, halten die Sozialdemokraten immer noch an ihrem Kurs der “Verteidigung der Demokratie mit den Mitteln der Demokratie” fest, wobei sie eben Demokratie als die Macht der Kapitalistenklasse im Rahmen einer formal-demokratischen bürgerlichen Republik begreifen. Von diesem Standpunkt aus, erkennen sie die Regierung Hitler an. Darüber hinaus rühmen sie sich wieder, wie ständig seit 1918, die eigentlichen Schöpfer und Schützer, in Deutschland, dieses Regimes zu sein, welches ‑ so verstanden ‑ demokratisch ist.

Am 2. Februar veröffentlicht das Organ der SPD, Vorwärts, einen Artikel, der auf die am Abend des 1. Februars per Radio übermittelte Rede Hitlers abzielt: "Fort mit Euch! Unsere Antwort an Hitler und Papen", Vorwärts, Berlin, 2. Februar 1933. Hier Auszüge daraus:

Herr Adolf Hitler! [...] Sie sprachen vom “Novemberverbrechen”*. Aber ohne dieses “Novemberverbrechen” wäre ein Mann aus dem Arbeiterstande wie Sie niemals deutscher Reichskanzler geworden. Im alten Deutschland war der Arbeiter fast rechtlos und gesellschaftlich mißachtet. Erst die Sozialdemokratie hat den Arbeitern Gleichberechtigung und Achtung erkämpft. Und darum, Adolf Hitler, können Sie heute deutscher Reichskanzler sein. Alles, was Sie sind, danken Sie der großen staatlichen Umwälzung, die Sie schmähen und der Sie, im Widerspruch zu der geschichtlichen Wahrheit, an der Niederlage Deutschlands schuld geben.

[Will Schaber, Walter Fábián (Hrsg.), Leitartikel bewegen die Welt, Cotta Verlag, 1964]

Dementsprechend bestimmen die Sozialdemokraten auch ihre Haltung nach dem 30. Januar: jeder ‑ sie selbst ebenso wie Hitler ‑ soll als Richtlinie haben, “auf dem Boden der Verfassung” zu bleiben. Hiernach zwei Beispiele.

Aufruf des Parteivorstandes und der Fraktion im Reichstag der SPD, 30. Januar 1933 (Auszug):

Die Stunde fordert die Einigkeit des ganzen arbeitenden Volkes zum Kampf gegen die vereinigten Gegner. Sie fordert Bereitschaft zum Einsatz der letzten und äußersten Kräfte. Wir führen unseren Kampf auf dem Boden der Verfassung. Die politischen und sozialen Rechte des Volkes, die in Verfassung und Gesetz verankert sind, werden wir gegen jeden Angriff mit allen Mitteln verteidigen. Jeder Versuch der Regierung, ihre Macht gegen die Verfassung anzuwenden oder zu behaupten, wird auf den äußersten Widerstand der Arbeiterklasse und aller freiheitlich gesinnten Volkskreise stoßen. Zu diesem entscheidenden Kampf sind alle Kräfte bereitzuhalten.

[http://histmove.ouvaton.org/pag/chr/pag_009/de/chro_1933_01_02.htm]

Vorwärts, Organ der SPD, 30. Januar 1933 (Auszug):

Gegenüber dieser Regierung der Staatsstreichdrohung stellt sich die Sozialdemokratie und die ganze Eiserne Front** mit beiden Füßen auf den Boden der Verfassung und der Gesetzlichkeit. Sie wird den ersten Schritt von diesem Boden nicht tun. Sie wird vielmehr durch Ausnutzung aller verfassungsmäßigen und gesetzlichen Mittel den allerschärfsten Kampf gegen diese Regierung führen. Sie überlaßt die Verantwortung für den Ausbruch eines Ringens, das beiderseits nicht mehr mit den normalen Waffen des politischen Kampfes geführt werden sollte, ausschließlich ihren Gegnern.

[http://histmove.ouvaton.org/pag/chr/pag_009/de/chro_1933_01_02.htm]

          * Novemberverbrechen: "Novemberverbrechen" ist ein Begriff, der aus Sicht der Rechten zunächst nach November 1918 die Ausrufer der Republik, die Mitglieder des Rats der Volksbeauftragten und die Unterzeichner des Waffenstillstands angreift ‑ alle, die für den Zusammenbruch Deutschlands verantwortlich gemacht werden. In der Folge richtet der Begriff sich gegen die Politiker, die die “Erfüllungspolitik” in Hinblick auf die Folgen des Versailler Vertrags durchführen. Genau genommen, spricht Hitler in seiner Rede vom 1. Februar dieses Wort nicht aus. Nichtsdestoweniger unterstreicht er die betreffenden Punkte:

Über 14 Jahre sind vergangen seit dem unseligen Tage, da, von inneren und äußeren Versprechungen verblendet, das deutsche Volk der höchsten Güter unserer Vergangenheit, des Reiches, seiner Ehre und seiner Freiheit vergaß und dabei alles verlor. Seit diesen Tagen des Verrates hat der Allmächtige unserem Volk seinen Segen entzogen. Zwietracht und Haß hielten ihren Einzug. In tiefster Bekümmernis sehen Millionen bester deutscher Männer und Frauen aus allen Lebensständen die Einheit der Nation dahinsinken und sich auflösen in ein Gewirr politisch-egoistischer Meinungen, wirtschaftlicher Interessen und weltanschaulicher Gegensätze.

Wie so oft in unserer Geschichte, bietet Deutschland seit diesem Tage der Revolution das Bild einer herzzerbrechenden Zerrissenheit. Die versprochene Gleichheit und Brüderlichkeit erhielten wir nicht, aber die Freiheit haben wir verloren. Dem Verfall der geistigen und willensmäßigen Einheit unseres Volkes im Innern folgte der Verfall seiner politischen Stellung in der Welt.

Heiß durchdrungen von der Überzeugung, daß das deutsche Volk im Jahre 1914 in den großen Kampf zog ohne jeden Gedanken an eine eigene Schuld und nur erfüllt von der Last der Sorge, das angegriffene Reich, die Freiheit und die Existenz des deutschen Menschen verteidigen zu müssen, sehen wir in dem erschütternden Schicksal, das uns seit dem November 1918 verfolgt, nur das Ergebnis unseres inneren Verfalls. Allein auch die übrige Welt wird seitdem nicht minder von großen Krisen durchrüttelt. Das geschichtlich ausgewogene Gleichgewicht der Kräfte, das einst nicht wenig beitrug zum Verständnis für die Notwendigkeit einer inneren Solidarität der Nationen, mit all den daraus resultierenden glücklichen wirtschaftlichen Folgen ist beseitigt.

[http://der-fuehrer.org/reden/deutsch/33-2-1.htm]

          ** Eiserne Front: eine im Dezember 1931 gegründete Gruppierung, an der sich insbesondere die SPD und der ADGB sowie auch bürgerliche Kräfte beteiligen.

[7].       Deutschland, Stellung der Sozialdemokratie in Bezug auf die Reichstagswahlen vom 5. März 1933.

Die am 30. Januar 1933 eingesetzte Regierung mit Adolf Hitler als Kanzler löst den Reichstag auf. Am 28. Februar wird eine "Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat" erlassen, die zahlreiche Verfassungsrechte eingeschränkt oder außer Kraft setzt. Bei den am 5. März stattfindenden Wahlen erzielt die NSDAP 288 Sitze für insgesamt 647, die SPD 120. Für die KPD werden 81 Abgeordnete gewählt, die aber auf Grund der politischen Verfolgung ihr Mandat nicht ausüben können.

Artikel von Friedrich Stampfer im Sozialdemokratischen Pressedienst, 6. März 1933 (Auszug):

Die Herren haben jetzt im Reich und in Preußen die Mehrheit. Sie sind vom Reichspräsidenten ernannt und vom Volke bestätigt. Sie brauchen nur eine legale Regierung sein, dann sind wir ganz selbstverständlich auch eine legale Opposition. Möge sie von ihrer Mehrheit beschließen lassen, was immer im Rahmen der Verfassung beschlossen werden kann, wir werden uns auf die Rolle des sachlichen Kritikers beschränken so lange, bis uns das Volk eines Tages zu einer anderen Rolle beruft.

Durch den Sieg der Regierungsparteien ist die Möglichkeit geschaffen, streng nach der Verfassung zu regieren. Abweichungen von ihr könnten jetzt nicht mehr mit Arbeitsunfähigkeit des Parlaments oder mit Staatsnotstand begründet werden. Eine ausweitende Anwendung des Artikels 48 ist nicht zu rechtfertigen, wo die Maschine der normalen Gesetzgebung dem Steuer der Regierung gehorcht.

Für die Verfassung spricht heute alles: Der Eid, den der Reichspräsident und die Minister auf sie geleistet haben, aber auch Erwägungen rein praktisch politischer Natur. Nur die Verfassung bietet alle Mittel, das Volk aus der Bürgerkriegspsychose herauszuführen, und zu einer normalen Entwicklung im Innern zu gelangen, die auch im Interesse der deutschen Außenpolitik notwendig ist. Die Wahl hat gezeigt, daß das deutsche Volk heute in zwei annähernd gleiche Teile zerfällt, von denen der eine jetzt regieren will, während der andere es sich gefallen lassen muß, regiert zu werden. Eine Regierung, die es unter solchen Verhältnissen darauf anlegte, fast die Hälfte des Volkes durch verfassungswidrige Unterdrückungsmethoden vom Staate wegzubringen, würde außenpolitisch sich keine Verstärkung verschaffen.

Am 23. März nimmt der Reichstag ein Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich an. Hitler legt eine Regierungserklärung vor. Daraufhin hält Otto Wels eine Rede.

[http://www.zeit.de/reden/die_historische_rede/200114_historisch_wels/komplettansicht]

Wels wiederholt das am 2. Februar im Vorwärts formulierte Argument, wonach es den Sozialdemokraten zu verdanken ist, dass Arbeiter an die Spitze des Staates kommen können:

Wir haben gleiches Recht für alle und ein soziales Arbeitsrecht geschaffen. Wir haben geholfen, Deutschland zu schaffen, in dem nicht nur Fürsten und Baronen, sondern auch Männern aus der Arbeiterklasse der Weg zur Führung des Staates offensteht. Davon können Sie nicht zurück, ohne Ihren eigenen Führer preiszugeben.

Wels bekräftigt auch neuerlich die Haltung der Sozialdemokraten über die Verfassung als zentralen Bezugspunkt, und überlässt es den Nationalsozialisten, ihre Absichten in dieser Hinsicht klarzumachen.

Die Wahlen vom 5. März haben den Regierungsparteien die Mehrheit gebracht und damit die Möglichkeit gegeben, streng nach Wortlaut und Sinn der Verfassung zu regieren. [...]

Die Zustände, die heute in Deutschland herrschen, werden vielfach in krassen Farben geschildert. Wie immer in solchen Fällen fehlt es auch nicht an Übertreibungen. [...]Solchen Übertreibungen entgegenzutreten wäre leichter, wenn im Inlande eine Berichterstattung möglich wäre, die Wahres vom Falschen scheidet. Noch besser wäre es, wenn wir mit gutem Gewissen bezeugen könnten, daß die volle Rechtssicherheit für alle wiederhergestellt sei. Das, meine Herren, liegt bei Ihnen. [...]

Wollten die Herren von der Nationalsozialistischen Partei sozialistische Taten verrichten, sie brauchten kein Ermächtigungsgesetz. Eine erdrückende Mehrheit wäre Ihnen in diesem Hause gewiß. Jeder von Ihnen im Interesse der Arbeiter, der Bauern, der Angestellten, der Beamten oder des Mittelstandes gestellte Antrag könnte auf Annahme rechnen, wenn nicht einstimmig, so doch mit gewaltiger Majorität.