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Sitzung des Politsekretariats
der Kommunistischen Internationale

Dmitrij Zaharovič Manuilʹskij
Rede
(Auszüge)

1. Dezember 1931

 

 

Quelle:

H. Weber, J. Drabkin, B. H. Bayerlein (Hrsg.), Deutschland, Russland, Komintern - Volume 1, Partie 3, Berlin, Walter de Gruyter, 2015, S. 828 [1].

 

 

 

 

 

 

Erstellt: November 2016

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Dokumente der Kommunistischen Internationale ‑ Übersicht

 

 

 

 

 

 

Die Referate, die wir angehört haben, kann man nicht als befriedigend bezeichnen: sie haben die Fragen, die die Politkommission vor den Ländersekretariaten gestellt hat, nicht beantwortet. [...]

Weiter, Genossen, die Frage der zwei Welten ist aufs engste mit der Frage des revolutionären Auswegs aus der Krise verbunden. Und warum wird, z. B., in unseren einzelnen Sektionen die Frage des revolutionären Auswegs aus der Krise so schwach gestellt, so wenig verarbeitet? Dies spiegelt gerade diese allgemeine Schwäche der Sektionen, das Unvermögen, die beiden Welten konkret gegenüber zu stellen, wider. Darin besteht jetzt unsere ungeheuere Schwäche. Denn wenn wir die Frage der beiden Welten richtig zu stellen vermögen würden, könnten wir auch die Frage des revolutionären Auswegs aus der Krise konkretisieren und mit realem, konkretem Inhalt füllen.

Weiter, Genossen, könnt Ihr bemerken, dass in der letzten Zeit nach dem 11. Plenum bei uns in einer Reihe von Parteien die Agitation und Propaganda für die proletarische Diktatur und den Sozialismus verschwunden ist. Bei uns ist jetzt überall das Spiel mit dem Wort "Volksrevolution" zu beobachten. Die Volksrevolution in Deutschland, Volksrevolution übrigens auch in Spanien, Volksrevolution überall. Natürlich können wir auf die Volksrevolution nicht verzichten. [...]

Genossen, das ist die Frage, die ich am Anfang meines Referates festgestellt habe, dass wir in einer Reihe von Parteien in der Einstellung zum Faschismus als zu einer Art Prozess, der nur den Zerfall der Bourgeoisie wiedergibt, haben, infolgedessen wurde die Theorie des proletarischen Gesamtangriffs aufgestellt. Gab es Rückfälle in den Kommunistischen Parteien? Jawohl. Ich möchte vorausschicken, dass wenn ich vor allem den Propagandist[2] zitiere, dies nicht deshalb geschieht, weil der Propagandist am meisten Fehler gemacht hätte, sondern deshalb, weil das Mitteleuropäische Sekretariat [der Komintern] diese Frage am besten bearbeitet hat und die anderen Sekretariate diese Frage nicht verfolgten. Ihr könnt Euch erinnern, wie auf dem 11. Plenum, als wir die Lage in Deutschland kennzeichneten, die deutschen Genossen darauf bestanden, dass in die Resolution des 11. Plenums folgende Stelle eingefügt wird. Dort wurde die Frage gestellt: Wodurch äußert sich der revolutionäre Aufschwung in Deutschland. Und die deutschen Genossen haben eingefügt: "....." (liest vor). Wir haben einen Fehler begangen, dass wir darauf eingingen, ich muss offen sagen, dass wir einen Fehler begangen haben und in den Referaten einzelner Genossen auf dem Plenum wurde diesem Gedanken deutlich Ausdruck verliehen: Wir haben in Deutschland die Offensive des Faschismus schon zum Stillstand gebracht. Wir haben uns dadurch etwas beeinflussen lassen und dies in der Resolution festgestellt und sahen den gleichen Standpunkt in unseren Referaten. Und in Wirklichkeit haben die Tatsachen gezeigt, und hier müsst Ihr Euch selbst kritisieren, dass wir tatsächlich die Entwicklung des Faschismus in keinem Lande zum Stillstand gebracht haben. Wir haben ihn weder in Deutschland, noch in Polen zum Stillstand gebracht und daraus entspringen bei uns eine ganze Reihe von unrichtigen Schlussfolgerungen. Die Erfolge der Faschisten haben uns unvorbereitet getroffen und da wir unvorbereitet getroffen wurden, waren wir nicht in der Lage, die Wachsamkeit der Massen in genügendem Masse zu mobilisieren.

Ein zweiter Rückfall, Genossen, der festgestellt werden kann. Wir traten auf dem 11. Plenum gegen jeden Versuch, den Faschismus sozusagen als Kehrseite des revolutionären Prozesses darzustellen, auf. Dessen ungeachtet, wurde in unserer deutschen Presse z. B. nach den Hamburger Wahlen[3] die Zunahme des Faschismus als "Kehrseite" dargestellt. Nehmen wir die Stimmungen der deutschen Presse nach dem Einheitsfrontangebot, der zweite Artikel in der Roten Fahne – "Einheitsfront"[4]. Ein ausgezeichneter Artikel, er stellt das Beispiel der Antwort dar, die unsere Partei geben musste. Aber im ersten Artikel[5] finden wir wiederum diese Schnörkel, den Rückfall in den früheren Standpunkt. So wird z. B. wieder in dem Artikel gesagt, dass der Hauptfeind die Sozialdemokratie ist. Wir sagten auf dem 11. Plenum ‑ der Hauptfeind des Proletariats ist der Kapitalismus, der zwei Brigaden hat: den Faschismus und Sozialfaschismus. Die deutsche Rote Fahne verfällt wieder auf den alten Standpunkt.

Dann weiter im gleichen Artikel "Die Sozialdemokratie – die Hauptstütze des Faschismus". Einige Tage später ein neuer Artikel. Es stellt sich heraus, dass das "Zentrum die geeignete Partei des Faschismus" ist[6]. Heute ist die Sozialdemokratie die Hauptstütze des Faschismus, morgen das Zentrum. Genossen, das schafft keine Klarheit. Wir haben jedoch viel klarer auf dem 11. Plenum gesagt: Die Sozialdemokratie ist die soziale Hauptstütze der Bourgeoisie in den kapitalistischen Ländern und die Sozialdemokratie ist der Hauptfeind der Kommunistischen Partei in der Arbeiterklasse. Das haben wir gesagt. Und eine solche Fragestellung - die Sozialdemokratie - die Hauptstütze des Faschismus, ist unüberzeugend, weil die Sozialdemokratie die zweite Brigade des Kapitalismus ist. Und nun schlägt die Sozialdemokratie Lärm in bezug auf ihren Kampf gegen den Faschismus und verwirrt die Arbeiter. Und wir klären diese Frage nicht auf.

Weiter, Genossen zu der Frage des Faschismus. Wir haben die Frage des Faschismus auf dem 11. Plenum gestellt und bekämpfen die fatalistischen Einstellungen, als ob der Faschismus nur durch die proletarische Revolution gestürzt werden kann. Wir sagten, dass man die Diktatur der Bourgeoisie nur durch die proletarische Diktatur stürzen kann, aber der Angriff des Faschismus kann auch durch Teilkämpfe gestört werden. Und wir wiesen darauf hin, dass Teilkämpfe möglich sind, denn derjenige, der den Standpunkt vertritt, dass jetzt der Faschismus nur durch die proletarische Diktatur gestürzt werden kann, der verfällt auf den Standpunkt Brandlers, daß in der gegenwärtigen Zeit Teilkämpfe unmöglich sind. [...] Wir finden die Widerspiegelung dieser Einstellung sowohl im Propagandisten, als auch bei den einzelnen Genossen.

Die vierte Frage ‑ über die Volksrevolution. Ich stelle die Frage gleich so: In Deutschland hat man sehr viel über die Volksrevolution geschrieben und in dem Lande, in dem in Verbindung mit dem Angriff des japanischen Imperialismus die Frage der Volksrevolution gestellt werden sollte ‑ in China spricht man von der Volksrevolution nicht. [...]

Und nun weiter. Wenn die Klassenlinie der proletarischen Revolution verloren gegangen ist, wenn der Faschismus nur die Kehrseite des revolutionären Prozesses darstellt, wenn die reaktionäre Bourgeoisie von kommunistischem Bewusstsein durchdrungen werden und bis zur proletarischen Revolution gebracht werden kann, wenn der Faschismus den Boden für die proletarische Revolution bereitet, so kann man unwillkürlich dazu kommen, die Faschisten des Verrats an den Werktätigen, des Verrats am Sozialismus zu beschuldigen. Aber wann waren denn eigentlich die Faschisten Sozialisten, wann? Das ist schon zuviel. Das bedeutet tatsächlich die Schwächung unseres Kampfes gegen den Faschismus und andererseits bedeutet es ein Nachgeben dem Druck der Kleinbourgeoisie, den sie gegenwärtig auf uns ausübt.

Und weiter, Genossen, die dritte Schlussfolgerung aus diesem Verlust des Klassencharakters der Volksrevolution ‑ dieser Druck der Mitläufer sowie der Kleinbourgeoisie äußert sich in gewissen taktischen Verdrehungen. Woher stammen, Genossen, diese terroristischen Stimmungen in der Kommunistischen Partei Deutschlands? Ist denn die Frage des Terrors und terroristische Stimmungen eine Kampfmethode des Proletariats? Nein, Genossen. Nur Leute, die Personenkultus treiben, können diese Methode verteidigen. Das ist ohne Zweifel ein Einfluss fremder Klassen. Das ist nicht unsere Kampfmethode. Das ist eine Methode der Orgesch, Hitlers, aber durchaus nicht der kommunistischen Partei. [...]

 

 

 

 

 

Fußnoten



[1].       [321ignition] Die Fußnoten sind von uns, unter Verwendung von eventuellen in der Quelle enthaltenen Fußnoten, formuliert.

[2].       Der Propagandist war eine Monatsschrift für die Propaganda des Marxismus-Leninismus, herausgegeben vom Zentralkomitee der KPD, erschienen von 1930 bis 1932.

[3].       Die Hamburger Bürgerschaftswahlen fanden am 27. September 1931 statt. NSDAP: 26 % (1928: 2 %); KPD: 22 % (16 %); SPD, DStP und DVP verloren die Mehrheit.

[4].       Vermutlich Bezug auf den Artikel: "Einheitsfront wofür und mit wem?", Die Rote Fahne, 20.11.1931. Hierin heißt es:

Wir wollen die proletarische Einheitsfront gegen das ganze Notverordnungssystem. Das sind Forderungen, für die jeder ehrliche sozialdemokratische Arbeiter eintreten muß. [...] Unabhängig davon, daß Tausende und Aber Tausende der besten sozialdemokratischen Arbeiter in unsere Reihen als Mitglieder der revolutionären Vorhut der Arbeiterklasse treten, wollen wir die rote antikapitalistische und antifaschistische Einheitsfront mit allen sozialdemokratischen und parteilosen Arbeitern. In der brüderlichen Einheitsfront mit ihnen sind wir bereit, alles noch Trennende zurückzustellen, um gemeinsam gegen den gemeinsamen Feind zu marschieren.

[5].       Vermutlich Bezug auf den Artikel: "Die Einheitsfront, die siegen wird. Statt einer Antwort an Herrn Breitscheid", Die Rote Fahne, 17.11.1931. Hierin heißt es:

Die Sozialdemokratie [...] ist von einer Kampfpartei der sozialistischen Arbeiter zur sozialen Hauptstütze der bürgerlichen Reaktion in all ihren Formen geworden. Sie ist kein Schutzwall gegen den Faschismus, sondern die soziale Hauptstütze des Faschismus.

Ähnlich auch in: "Einheitsfront und “Einheitsfront”", Die Rote Fahne, 18.11.1931.

[6].       Siehe: "Tiefer in die Krise und Tributsklaverei", Die Rote Fahne, 22.11.1931.