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Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale

Leitsätze über die Einheitsfront der Arbeiter
und über das Verhältnis zu den Arbeitern, die
der 2., der 2 ½. und der Amsterdamer Internationale
angehören, sowie zu den Arbeitern, die
die anarcho-syndikalistischen Organisationen unterstützen

18. Dezember 1921

 

 

Quelle:

4. Kongreß der Kommunistischen Internationale (5. November - 5. Dezember 1922) - Protokoll, Verlag der Kommunistischen Internationale, Hamburg, Verlagsbuchhandlung Carl Hoym Nachf. L. Cahnbley, 1923, S. 1019 [1] [2].

 

 

 

 

 

 

Erstellt: November 2016

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Dokumente der Kommunistischen Internationale ‑ Übersicht

 

 

 

 

 

 

1. Die internationale Arbeiterbewegung macht gegenwärtig eine eigentümliche Übergangsetappe durch, die sowohl die Kommunistische Internationale im Allgemeinen, als auch ihre einzelnen Sektionen vor neue, wichtige taktische Probleme stellt.

Diese Etappe wird hauptsächlich durch folgendes gekennzeichnet: Die wirtschaftliche Weltkrise verschärft sich. Die Arbeitslosigkeit wächst. Das internationale Kapital ist fast in allen Ländern zur systematischen Offensive gegen die Arbeiter übergegangen, die sich vor allem in dem ziemlich offenkundigen Bestreben der Kapitalisten äußert, den Arbeitslohn und die gesamte Lebenshaltung der Arbeiter herabzudrücken. Der Bankrott des Versailler Friedens wird immer augenfälliger für die breitesten Schichten der Werktätigen. Die Unvermeidlichkeit eines neuen, imperialistischen Krieges oder gar mehrerer solcher Kriege ist klar, falls das internationale Proletariat die bürgerliche Regierung nicht stürzt: Washington hat das sehr deutlich gezeigt.

Die im Zusammenhang mit einer ganzen Reihe von Umständen eingetretene Belebung der reformistischen Illusionen in breiten Schichten der Arbeiter fängt unter den Schlägen der Wirklichkeit an, einer anderen Stimmung Platz zu machen. Die nach dem Abschluss des imperialistischen Gemetzels aufs Neue entstandenen “demokratischen” und reformistischen Illusionen der Arbeiter (einerseits der besser gestellten Arbeiter, andererseits aber der rückständigsten, politisch unerfahrensten) verblühen, ehe sie recht aufgeblüht sind. Der Verlauf und der Abschluß der “Arbeiten” der Washingtoner Konferenz werden diese Illusionen noch stärker erschüttern. Wenn man vor einem halben Jahre mit einer gewissen Berechtigung von einem allgemeinen Abrücken der Arbeitermassen in Europa und Amerika nach rechts reden konnte, so kann man gegenwärtig im Gegenteil zweifelsohne den Beginn einer Schwenkung nach links feststellen.

2. Andererseits ist unter dem Einfluß der sich verstärkenden Angriffe des Kapitals unter den Arbeitern ein spontanes, buchstäblich nicht zurückzuhaltendes Streben zur Einheit erwacht, das mit einem allmählichen Anwachsen des Vertrauens der breiten Arbeitermassen zu den Kommunisten Hand in Hand geht.

Immer breitere Arbeiterkreise beginnen erst jetzt den Mut der kommunistischen Vorhut richtig einzuschätzen, die sich in den Kampf die Interessen der Arbeiterklasse stürzte zu einer Zeit, als die ganze ungeheuere Arbeitermasse gleichgültig blieb, oder sogar dem Kommunismus feindlich gegenüberstand. Immer breitere Arbeiterkreise überzeugen sich jetzt davon, daß nur die Kommunisten, unter den schwierigsten Verhältnissen, bisweilen unter den größten Opfern, die wirtschaftlichen und politischen Interessen der Arbeiterklasse verteidigt haben. Die Achtung und das Vertrauen zu der unversöhnlichen kommunistischen Vorhut der Arbeiterklasse beginnen jetzt aufs neue zu wachsen, da selbst die rückständigeren Schichten der Arbeiter die Nutzlosigkeit reformistischer Hoffnungen eingesehen und begriffen haben, daß es außer dem Kampfe keine Rettung vor dem Raubzug der Kapitalisten gibt.

3. Die kommunistischen Parteien können und sollen jetzt die Früchte des Kampfes ernten, den sie zuvor in dem überaus ungünstigen Milieu der Gleichgültigkeit. der Massen geführt haben. Aber, indem die Arbeitermassen von immer größerem Vertrauen zu den unversöhnlichen, kampfesmutigen Elementen der Arbeiterklasse, den Kommunisten, durchdrungen werden, zeigen sie als Ganzes einen noch nie dagewesenen Drang nach Einheit. Die zum aktiven Leben erwachenden neuen Schichten der politisch weniger erprobten Arbeiter träumen von der Vereinigung aller Arbeiterparteien und sogar aller Arbeiterorganisationen überhaupt und hoffen auf diese Weise ihre Widerstandskraft den Kapitalisten gegenüber zu vergrößern. Neue Arbeiterschichten, die früher oft keinen tätigen Anteil am politischen Kampf genommen haben, gehen jetzt auf Grund eigener Erfahrung ganz aufs Neue an die Prüfung der praktischen Pläne des Reformismus heran. Wie diese neuen Schichten, so wollen sich auch bedeutende Arbeiterschichten, die den alten sozialdemokratischen Parteien angehören, nicht mehr mit dem Feldzug der Sozialdemokraten und Zentristen gegen die kommunistische Vorhut zufrieden geben, sie fangen schon an, eine Verständigung mit den Kommunisten zu fordern. Aber sie haben gleichzeitig noch nicht ihren Glauben an die Reformisten überwunden, und bedeutende Massen unterstützen noch die Parteien der 2. und der Amsterdamer Internationale[3]. Diese Arbeitermassen formulieren ihre Pläne und Bestrebungen nicht genügend klar, aber im großen und ganzen läßt sich die neue Stimmung auf den Wunsch zurückführen, die Einheitsfront herzustellen und zu versuchen, die Parteien und Verbände der 2. und der Amsterdamer Internationale zum Kampf gegen den Angriff des Kapitals zusammen mit den Kommunisten zu veranlassen. Soweit ist diese Stimmung progressiv. — Im Wesentlichen ist der Glaube an den Reformismus untergraben. Unter den allgemeinen Verhältnissen, in denen sich die Arbeiterbewegung jetzt befindet, wird jede ernste Massenaktion, auch wenn sie nur von Teilforderungen ausgeht, unvermeidlich allgemeinere und grundlegendere Fragen der Revolution auf die Tagesordnung stellen. Die kommunistische Vorhut kann nur gewinnen, wenn neue Arbeiterschichten sich durch eigene Erfahrung von den Illusionen des Reformismus und des Kompromißlertums überzeugen.

4. In der Anfangsperiode des Aufkeimens eines bewußten und organisierten Protestes gegen den Verrat der Führer der 2. Internationale hatten diese letzteren den gesamten Apparat der Arbeiterorganisationen in ihren Händen. Sie benutzten das Prinzip der Einheit und der proletarischen Disziplin, um dem revolutionären proletarischen Protest erbarmungslos den Mund zu stopfen und ohne Widerstand die ganze Macht der Arbeiterorganisationen in den Dienst des nationalen Imperialismus zu stellen. Unter diesen Umständen musste sich der revolutionäre Flügel um jeden Preis die Freiheit der Agitation und Propaganda erkämpfen, d. h. die Freiheit, den Arbeitermassen den beispiellosen geschichtlichen Verrat zu erklären, den die durch die Arbeitermassen selbst geschaffenen Parteien begangen haben und noch jetzt begehen.

5. Nachdem sie sich die organisatorische Freiheit der geistigen Einwirkung auf die Arbeitermassen gesichert haben, sind die kommunistischen Parteien aller Länder bestrebt, jetzt in allen Fällen eine möglichst breite und vollkommene Einheit der praktischen Aktion dieser Massen zu erreichen. Die Amsterdamer und die Helden der 2. Internationale predigen in Worten diese Einheit, tatsächlich handeln sie aber umgekehrt. Nachdem es den reformistischen Kompromißlern Amsterdams nicht gelungen war, organisatorisch die Stimme des Protestes und des revolutionären Aufruhrs zu unterdrücken, suchen sie jetzt den Ausweg aus der Sackgasse, in die sie sich durch ihre eigene Schuld verrannt haben, durch das Hineintragen der Spaltung, der Desorganisation, der organisatorischen Sabotage in den Kampf der werktätigen Massen. Eine der wichtigsten Aufgaben der kommunistischen Partei ist es jetzt, diese neuen Formen der alten Verräterei in flagranti zu entlarven.

6. Tiefe innere Prozesse zwingen jedoch die Diplomaten und Führer der 2., 2½ [4] und Amsterdamer Internationale auch ihrerseits die Frage der Einheit in den Vordergrund zu rücken. Wenn bei den zu neuem, bewußtem Leben erwachenden, wenig erfahrenen Arbeiterschichten die Parole der Einheitsfront wirklich das aufrichtigste Bestreben ist, die Kräfte der unterdrückten Klasse gegen den Vormarsch der Kapitalisten zusammenzuschließen, so ist für die Führer und Diplomaten der 2., 2½ und Amsterdamer Internationale das Aufstellen der Einheitsparole ein neuer Versuch, die Arbeiter zu betrügen und sie auf eine neue Art auf den alten Weg der „Zusammenarbeit“ der Klassen zu locken. Die nahende Gefahr eines neuen imperialistischen Krieges (Washington), das Wachsen der Rüstungen, die hinter den Kulissen geschlossenen neuen imperialistischen Geheimverträge — alles das veranlaßt die Führer der 2., 2½ und Amsterdamer Internationale nicht etwa Alarm zu schlagen, um nicht nur in Worten, sondern auch in der Tat die internationale Vereinigung der Arbeiterklasse zu verwirklichen; dies alles wird im Gegenteil innerhalb der 2. und der Amsterdamer Internationale unvermeidlich Reibungen und Teilungen im großen und ganzen von derselben Art hervorrufen, wie sie sich im Lager der internationalen Bourgeoisie selbst zeigen. Diese Erscheinung ist deshalb unvermeidlich, weil die Solidarität der reformistischen „Sozialisten“ mit der Bourgeoisie gerade „ihres“ Landes der Eckstein des Reformismus ist.

Das sind die allgemeinen Bedingungen, unter denen die Kommunistische Internationale als Ganzes und ihre einzelnen Sektionen ihr Verhältnis zu der Parole der sozialistischen Einheitsfront zu formulieren haben.

7. Angesichts dieser Lage ist die Exekutive der Kommunistischen Internationale der Meinung, dass die Parole des III. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale „Zu den Massen“ und die allgemeinen Interessen der kommunistischen Bewegung überhaupt von den kommunistischen Parteien und der Kommunistischen Internationale als Ganzes die Unterstützung der Parole der Einheitsfront der Arbeiter und die Übernahme der Initiative in dieser Frage fordern. Dabei muß natürlich die Taktik der kommunistischen Parteien im Zusammenhang mit den Verhältnissen eines jeden Landes konkretisiert werden,

8. In Deutschland [...] hat die Kommunistische Partei auf ihrer letzten Reichskonferenz die Parole der Einheitsfront der Arbeiter unterstützt und sich bereit erklärt, eine einheitliche Arbeiterregierung zu unterstützen, die geneigt ist, einigermaßen ernst den Kampf gegen die Macht der Kapitalisten aufzunehmen. Die Exekutive der Kommunistischen Internationale hält diesen Beschluß für unbedingt richtig und ist überzeugt, dass die KPD bei voller Wahrung ihrer selbständigen politischen Stellung in breitere Arbeiterschichten einzudringen und den Einfluss des Kommunismus auf die Massen zu verstärken vermag. In Deutschland werden sich eher als in einem anderen Lande die breiten Massen mit jedem Tage mehr davon überzeugen, wie recht die kommunistische Vorhut hatte, als sie in der schwierigsten Zeit die Waffen nicht strecken wollte und hartnäckig die Wertlosigkeit der vorgeschlagenen Anwendung reformistischer Heilmittel hervorhob, da die Krise nur durch die proletarische Revolution gelöst werden kann. Indem die Partei diese Taktik befolgt, wird sie mit der Zeit auch alle revolutionären Elemente des Anarchismus und Syndikalismus um sich gruppieren, die jetzt abseits vorn Massenkampf stehen.

9. In Frankreich [...] ist die Kommunistische Partei unter den politisch organisierten Arbeitern in der Mehrheit. Dadurch steht die Frage der Einheitsfront in Frankreich etwas anders als in anderen Ländern. Aber auch hier ist es notwendig, dass die ganze Verantwortung für die Spaltung des einheitlichen Arbeiterlagers auf unsere Gegner fällt. Der revolutionäre Teil der französischen Syndikalisten führt mit Recht den Kampf gegen die Spaltung der Gewerkschaften, d. h. für die Einheit der Arbeiterklasse im ökonomischen Kampfe gegen die Bourgeoisie. Der Kampf der Arbeiter aber endet nicht im Betrieb. Die Einheit ist auch notwendig angesichts des Anschwellens der Reaktion, der imperialistischen Politik usw. Die Politik der Reformisten und Zentristen hat dagegen zur Spaltung der Partei geführt und bedroht jetzt auch die Einheit der Gewerkschaftsbewegung, wodurch nur bewiesen wird, daß Jouhaux ebenso wohl wie Longuet objektiv der Sache der Bourgeoisie dienen. Die Parole der Einheitsfront des Proletariats im wirtschaftlichen wie politischen Kampfe gegen die Bourgeoisie bleibt das beste Mittel zur Durchkreuzung dieser Spaltungspläne.

Wenn auch die reformistische CGT, die von Jouhaux, Merrheim und Konsorten geführt wird, die Interessen der französischen Arbeiterklasse verrät — die französischen Kommunisten und die revolutionären Elemente der französischen Arbeiterklasse überhaupt müssen vor Beginn jedes Massenstreiks, vor jeder revolutionären Demonstration oder irgend einer anderen revolutionären Massenaktion den Reformisten vorschlagen, diese Aktion zu unterstützen; und wenn sie sich weigern, den revolutionären Kampf der Arbeiter zu unterstützen, sind sie systematisch zu entlarven. Auf diesem Wege werden wir am leichtesten die parteilosen Arbeitermassen erobern. Selbstverständlich soll das keinesfalls die Kommunistische Partei Frankreichs veranlassen, ihre Selbständigkeit einzuschränken, z. B. während der Wahlkampagnen irgendwie den „Linksblock“ zu unterstützen, oder sich jenen schwankenden Kommunisten gegenüber tolerant zu verhalten, die noch immer die Trennung von den Sozialpatrioten beweinen.

10. In England [...] hat die reformistische Labour Party der Kommunistischen Partei die Aufnahme neben den anderen Arbeiterorganisationen verweigert. Unter dem wachsenden Einfluß der eben genannten Stimmungen unter den Arbeitern haben die Londoner Arbeiterorganisationen unlängst den Beschluß der Aufnahme der Kommunistischen Partei Englands in die Labour Party gefasst.

Selbstverständlich ist England in dieser Beziehung eine Ausnahme, denn infolge eigentümlicher Bedingungen ist die Labour Party in England eine Art von allgemeiner Arbeitervereinigung des ganzen Landes. Es ist die Aufgabe der englischen Kommunisten, eine energische Kampagne für ihre Aufnahme in die Labour Party zu beginnen. Der kürzliche Verrat der Gewerkschaftsführer während des Kohlenarbeiterstreiks usw., der systematische Druck der Kapitalisten auf den Arbeitslohn der Arbeiter usw. — alles das hat eine tiefe Gärung unter den sich revolutionierenden Massen des englischen Proletariats hervorgerufen. Die englischen Kommunisten sollen alle Anstrengungen machen, um um jeden Preis unter der Parole der revolutionären Einheitsfront gegen die Kapitalisten in die Tiefe der Arbeitermassen einzudringen.

11. In Italien [...] beginnt die junge Kommunistische Partei, ihre Agitation unter der Parole der proletarischen Einheitsfront gegen die Offensive der Kapitalisten zu führen, trotzdem sie äußerst unversöhnlich gegenüber der reformistischen Sozialistischen Partei Italiens und der sozialverräterischen Arbeitskonföderation gestimmt war, die kürzlich ihrem offenen Verrat an der proletarischen Revolution die Krone aufgesetzt haben. Die Exekutive der Kommunistischen Internationale hält diese Agitation der italienischen Kommunisten für durchaus richtig und besteht nur auf ihrer Verstärkung in derselben Richtung. Die Exekutive der Kommunistischen Internationale ist überzeugt, dass die Kommunistische Partei Italiens bei genügendem Weitblick der gesamten Internationale ein Muster des kampfbereiten Marxismus zeigen kann, der erbarmungslos auf Schritt und Tritt die Halbheit und den Verrat der Reformisten und Zentristen, die sich in den Mantel des Kommunismus gehüllt haben, entlarven und gleichzeitig eine unermüdliche, sich immer steigernde, in immer breitere Massen dringende Kampagne für die Einheitsfront der Arbeiter gegen die Bourgeoisie führen kann.

Die Partei muss dabei selbstverständlich alles tun, um alle revolutionären Elemente des Anarchismus und Syndikalismus in den gemeinsamen Kampf hineinzuziehen.

12. In der Tschechoslowakei [...] , wo die Kommunistische Partei einen bedeutenden Teil der politisch organisierten Arbeiter hinter sich hat, sind die Aufgaben der Kommunisten in einigen Beziehungen den Aufgaben der Kommunisten in Frankreich analog. Ihre Selbständigkeit festigend und die letzten zentristischen Traditionen ausmerzend, wird die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei zugleich die Parole der Einheitsfront der Arbeiter gegen die Bourgeoisie zu popularisieren verstehen und auf diese Weise die Führer der Sozialdemokratie und der Zentristen, die in der Tat Agenten des Kapitals sind, endgültig in den Augen der rückständigen Arbeiter entlarven. Und zugleich sollen die Kommunisten der Tschechoslowakei an die Eroberung der Gewerkschaften, die sich noch immer in bedeutendem Umfang in den Händen der gelben Führer befinden, mit verstärkter Energie herangehen.

13. In Schweden [...] ist nach den letzten Parlamentswahlen eine solche Situation entstanden, dass die kleine kommunistische Fraktion eine große Rolle spielen kann. Einer der hervorragendsten Führer der 2. Internationale, Herr Branting, der zugleich Premierminister der schwedischen Bourgeoisie ist, befindet sich gegenwärtig in einer Lage, in welcher für ihn zur Bildung der Parlamentsmehrheit die Stellung der kommunistischen Fraktion des schwedischen Parlaments nicht gleichgültig ist. Die Exekutive der Kommunistischen Internationale findet, dass die kommunistische Fraktion des schwedischen Parlaments unter gewissen Umständen dem menschewistischen Ministerium Brantings die Unterstützung nicht verweigern darf, wie es auch die deutschen Kommunisten in einigen Landesregierungen Deutschlands (Thüringen) richtig getan haben. Das heißt jedoch durchaus nicht, dass die Kommunisten Schwedens in irgendwelchem Maße ihre Selbständigkeit einschränken oder der Entlarvung des Charakters der menschewistischen Regierung entsagen sollen; im Gegenteil, je mehr Macht die Menschewiki besitzen, desto mehr Verrat an der Arbeiterklasse begehen sie, und desto mehr Anstrengungen müssen die Kommunisten machen, um die Menschewiki in den Augen der breitesten Arbeiterschichten zu entlarven. Die Kommunistische Partei muß auch weiter auf dem Wege der Heranziehung der syndikalistischen Arbeiter zum gemeinsamen Kampf gegen die Bourgeoisie schreiten.

14. In Amerika [...] beginnt die Vereinigung aller linken Elemente der gewerkschaftlichen und politischen Bewegung; diese Vereinigung gibt den Kommunisten die Möglichkeit, in die breiten Massen des amerikanischen Proletariats einzudringen, den zentralen Platz in dieser linken Vereinigung einnehmend. Mit Hilfe von kommunistischen Vereinigungen überall, wo es nur einige Kommunisten gibt, sollen die amerikanischen Kommunisten an die Spitze dieser Bewegung für die Vereinigung aller revolutionären Elemente treten und die Parole der Einheitsfront der Arbeiter, z. B. zum Schutze der Arbeitslosen usw., mit Nachdruck aufstellen. Zur Hauptanklage gegen die Gewerkschaften Gompers‘ soll von nun an der Umstand dienen, dass sie nicht an der Bildung der Einheitsfront der Arbeiter gegen die Kapitalisten zum Schutz der Arbeitslosen usw. teilnehmen wollen. Die spezielle Aufgabe der Kommunistischen Partei bleibt noch die Heranziehung der besten Elemente der IWW.

15. In der Schweiz [...] hat unsere Partei einigen Erfolg in dieser Richtung zu verzeichnen. Dank der Agitation der Kommunisten für die revolutionäre Einheitsfront ist es gelungen, die Gewerkschaftsbürokratie zu zwingen, einen außerordentlichen Kongreß einzuberufen, der bald stattfinden soll, und auf welchem unsere Freunde es verstehen werden, vor allen Schweizer Arbeitern die Lügenhaftigkeit des Reformismus zu entlarven und die Arbeit des revolutionären Zusammenschlusses des Proletariats weiter zu treiben.

16. In einer Reihe anderer Länder [...] steht die Frage infolge ganz neuer lokaler Bedingungen anders. Nach Aufzeichnung der allgemeinen Linie ist die Exekutive der Kommunistischen Internationale überzeugt, daß die einzelnen kommunistischen Parteien sie entsprechend den Verhältnissen, die sich in jedem Lande herausbilden, anzuwenden verstehen werden.

17. Als Hauptbedingungen, die für die kommunistischen Parteien aller Länder gleich und unbedingt ultimativ sind, hält die Exekutive der Kommunistischen Internationale die absolute Selbständigkeit und die völlige Unabhängigkeit jeder kommunistischen Partei, die dieses oder jenes Übereinkommen mit den Parteien der 2. und 2½ Internationale trifft, und zwar volle Freiheit in der Darlegung ihrer Anschauungen und in der Kritik der Gegner des Kommunismus. Während die Kommunisten sich den Prinzipien der Aktion fügen, sollen sie dabei unbedingt das Recht und die Möglichkeit bewahren, nicht nur vor und nach der Aktion, sondern, wenn nötig, auch während der Aktion ihre Meinung über die Politik aller Organisationen der Arbeiterklasse ohne Ausnahme zu äußern. Ein Aufgeben dieser Bedingung ist unter keinen Umständen zulässig. Die Parole der größtmöglichsten Einheit aller Arbeiterorganisationen in jeder praktischen Aktion gegen die kapitalistische Front unterstützend, können die Kommunisten indessen keinesfalls von der Darlegung ihrer Anschauungen Abstand nehmen, die allein der konsequente Ausdruck der Verteidigung der Interessen der Arbeiterklasse als Ganzes sind.

18. Die Exekutive der Kommunistischen Internationale hält es für nützlich, alle Bruderparteien an die Erfahrungen der russischen Bolschewiki zu erinnern, jener vorläufig einzigen Partei, der es gelungen ist, den Sieg über die Bourgeoisie zu erringen und die Macht in ihre Hände zu nehmen. Während der 1½ Jahrzehnte, die seit der Entstehung des Bolschewismus bis zu seinem Sieg über die Bourgeoisie verflossen sind (1903-1917), hat der Bolschewismus nicht aufgehört, einen unermüdlichen Kampf gegen den Reformismus oder, was dasselbe ist, den Menschewismus zu führen. Aber zugleich haben die russischen Bolschewiki im Laufe dieser 1½ Jahrzehnte auch öfter Übereinkommen mit den Menschewiki getroffen. Die formelle Trennung von den Menschewiki geschah im Frühling 1905. Aber unter dem Einfluß der stürmischen Arbeiterbewegung bildeten die Bolschewiki schon Ende 1905 eine gemeinsame Front mit den Menschewiki. Das zweite Mal fand die formelle Trennung von den Menschewiki endgültig im Januar 1912 statt. Aber zwischen den Jahren 1905 und 1912 hatte man abwechselnd bald Spaltungen, bald Vereinigungen und halbe Vereinigungen in den Jahren 1906-1907 und auch 1910, und diese Vereinigungen und halben Vereinigungen geschahen nicht nur im Laufe des Fraktionskampfes, sondern auch unter dem direkten Druck der breiten Arbeitermassen, die zum aktiven politischen Leben erwachten und verlangten, daß man ihnen die Möglichkeit gebe, selbst an eigener Erfahrung zu prüfen, ob die Wege des Menschewismus wirklich grundsätzlich von der Bahn der Revolution ablenken. Vor der neuen revolutionären Bewegung, nach den Streiks an der Lena, kurz vor dem Beginn des imperialistischen Krieges, ließ sich unter der Arbeitermasse Rußlands ein besonders starkes Streben zur Einheit beobachten, das die Führer und Diplomaten des russischen Menschewismus ungefähr ebenso für ihre Zwecke auszunutzen versuchten, wie es jetzt die Führer der 2., der 2½ und der Amsterdamer Internationale versuchen. Die russischen Bolschewiki antworteten nicht auf das Streben der Arbeiter zur Einheit mit einem Lossagen von einer Einheitsfront. Im Gegenteil. Als Gegengewicht gegen das diplomatische Spiel der menschewistischen Führer stellten die russischen Bolschewiki die Parole der “Einheit von unten” auf, d. h. der Einheit der Arbeitermassen im praktischen Kampf um die revolutionären Forderungen der Arbeiter gegen die Kapitalisten. Die Praxis hat gezeigt, dass dies die einzig richtige Antwort war. Und im Ergebnis dieser Taktik, die sich je nach den Umständen, je nach der Zeit und dem Orte änderte, wurde ein großer Teil der besten menschewistischen Arbeiter für den Kommunismus erobert.

19. Indem die Kommunistische Internationale die Parole der Einheitsfront der Arbeiter aufstellt und Übereinkommen der einzelnen Sektionen der Kommunistischen Internationale mit den Parteien und Verbänden der 2. und 2½. Internationale zuläßt, kann sie sich selbstverständlich nicht von ebensolchen Übereinkommen im internationalen Maßstabe lossagen. Die Exekutive der Kommunistischen Internationale hat der Amsterdamer Internationale im Zusammenhang mit der Hilfsaktion für die Hungernden Rußlands einen Vorschlag gemacht. Sie hat diesen Vorschlag im Zusammenhang mit dem weißen Terror und den Verfolgungen der Arbeiter Spaniens und Jugoslawiens wiederholt. Die Exekutive der Kommunistischen Internationale macht jetzt der Amsterdamer, der 2. und 2½. Internationale einen neuen Vorschlag im Zusammenhang mit der ersten Tätigkeitsperiode der Washingtoner Konferenz, die bewiesen hat, dass der internationalen Arbeiterklasse ein neues imperialistisches Gemetzel droht. Die Führer der 2., der 2½. und der Amsterdamer Internationale haben bisher durch ihr Benehmen bewiesen, daß sie in der Tat ihre Einheitsparole fallen lassen, wenn es sich um praktische Aktionen handelt. In allen solchen Fällen wird es die Aufgabe der Kommunistischen Internationale als Ganzes und jeder ihrer Sektionen im besonderen sein, den breitesten Arbeitermassen die Heuchelei der Führer der 2., der 2½. und der Amsterdamer Internationale zu erklären, die die Einheit mit der Bourgeoisie der Einheit mit den revolutionären Arbeitern vorziehen, und z.B. dadurch, daß sie im Internationalen Arbeitsamt des Völkerbundes bleiben, einen Bestandteil der Washingtoner imperialistischen Konferenz bilden, anstatt den Kampf gegen das imperialistische Washington zu organisieren. Aber ein Ablehnen dieser oder jener praktischen Vorschläge der Kommunistischen Internationale durch die Führer der 2., der 2½. und der Amsterdamer Internationale wird uns nicht veranlassen, der Taktik zu entsagen, die tiefe Wurzeln in den Massen hat, und die wir systematisch und unausweichlich entwickeln müssen. In den Fällen, wo der Antrag eines gemeinsamen Kampfes von unseren Gegnern zurückgewiesen wird, ist es notwendig, daß die Massen das erfahren und auf diese Weise lernen, wer der wirkliche Zerstörer der Einheitsfront der Arbeiter ist. In den Fällen, wo der Antrag von dem Gegner angenommen wird, muss man bestrebt sein, den Kampf allmählich zu vertiefen und ihn auf die höchste Potenz zu steigern. In beiden Fällen ist es notwendig, dass die Aufmerksamkeit der breiten Arbeitermassen durch die Unterhandlungen der Kommunisten mit den anderen Organisationen gefesselt wird, denn es ist notwendig, die Arbeitermassen an allen Stadien des Kampfes um die revolutionäre Einheitsfront der Arbeiter zu interessieren.

20. Indem die Exekutive der Kommunistischen Internationale den hier dargelegten Plan aufstellt, weist sie alle Bruderparteien auch auf die Gefahren hin, mit denen er unter Umständen verbunden sein kann. Nicht alle kommunistischen Parteien sind genügend ausgebaut und gefestigt, nicht alle haben mit der zentristischen und halbzentristischen Ideologie gänzlich gebrochen. Es sind Fälle von Überschreitungen möglich, Tendenzen, die tatsächlich die Auflösung der kommunistischen Parteien und Gruppen in einem einheitlichen formlosen Block bedeuten würden. Um die neue Taktik mit Erfolg für die Sache des Kommunismus durchzuführen, ist es notwendig, daß die kommunistischen Parteien, die diese Taktik durchführen, stark und fest zusammengeschlossen sind, und daß ihre Führung sich durch ideelle Klarheit auszeichnet.

21. In den Gruppierungen innerhalb der Kommunistischen Internationale selbst, die mehr oder weniger begründet als rechte oder sogar halbzentristische gewertet werden, gibt es zweifellos Tendenzen zweierlei Art. Die einen Elemente haben nicht wirklich mit der Ideologie und den Methoden der 2. Internationale gebrochen, haben sich nicht von der Pietät gegen die frühere organisatorische Macht derselben befreit und suchen halbbewußt oder unbewußt die Wege ideeller Verständigung mit der 2. Internationale und folglich auch mit der bürgerlichen Gesellschaft, Andere Elemente, die gegen den formalen Radikalismus, gegen die Fehler der so genannten “Linken” u. a. kämpfen sind bestrebt, der Taktik der jungen kommunistischen Partei mehr Geschmeidigkeit und Manövrierfähigkeit zu geben, um ihr die Möglichkeit schnelleren Eindringens in die Tiefe der Arbeitermassen zu sichern.

Der rasche Entwicklungsgang der kommunistischen Parteien hat bisweilen äußerlich diese beiden Tendenzen in dasselbe Lager, gewissermaßen dieselbe Gruppierung gestoßen. Die Anwendung der oben angeführten Methoden, deren Aufgabe es ist, der kommunistischen Agitation eine Stütze in den vereinigten Massenaktionen des Proletariats zu geben, legt am besten die wirklich reformistischen Tendenzen innerhalb der kommunistischen Parteien klar und trägt bei richtiger Anwendung der Taktik außerordentlich zur inneren revolutionären Konsolidierung der kommunistischen Parteien bei, sowohl durch die Erziehung der ungeduldigen oder sektiererisch gestimmten Elemente auf dem Wege der Erfahrung als auch durch die Reinigung der Parteien von reformistischem Ballast.

22. Unter der Einheitsfront der Arbeiter ist die Einheit aller Arbeiter zu verstehen, die gegen den Kapitalismus kämpfen wollen, also auch der Arbeiter, die noch den Anarchisten, Syndikalisten usw. folgen. In manchen Ländern können solche Arbeiter auch im revolutionären Kampfe mithelfen. Die Kommunistische Internationale hat schon seit den ersten Tagen ihres Bestehens eine freundschaftliche Linie zu diesen Arbeiterelementen eingenommen, die allmählich die Vorurteile überwinden und zum Kommunismus kommen. Umso aufmerksamer müssen die Kommunisten ihnen gegenüber sein, jetzt, wo die Einheitsfront der Arbeiter gegenüber den Kapitalisten zur Wirklichkeit wird.

23. Zur endgültigen Bestimmung der künftigen Arbeit in der geschilderten Richtung beschließt die Exekutive der Kommunistischen Internationale, in nächster Zeit eine Sitzung der Exekutive unter Heranziehung von Vertretern der Parteien in doppelter Anzahl einzuberufen.

24. Die Exekutive der Kommunistischen Internationale wird sorgfältig jeden praktischen Schritt auf dem fraglichen Gebiet verfolgen und bittet alle Parteien, von jedem Versuch und jedem Erfolg auf diesem Gebiete der Exekutive der Kommunistischen Internationale unter Anführung von allen faktischen Details Mitteilung zu machen.

 

 

 

 

 

Fussnoten



[1].       [321ignition] Die Fußnoten sind von uns, unter Verwendung von eventuellen in der Quelle enthaltenen Fußnoten, formuliert.

[2].       Leitsätze über die Einheitsfront der Arbeiter, Dezember 1921/März 1922.

Am 1. Dezember 1921 hat das Politische Büro des Zentralkomitees der KPR(b) den Entwurf einer Resolution angenommen, zugunsten Aktionen der Kommunistischen Internationale unter Beteiligung der Arbeiter, die Mitglieder der Organisationen der 2. Internationale sind. Auf dieser Basis haben das Exekutivkomitee am 18. Dezember, sowie die vom 19. bis zum 22. Dezember versammelte 11. Allrussische Konferenz der KPR(b) diese Leitsätze. Eine redaktionelle Bearbeitung hat schließlich am 25 Dezember zum endgültigen Texte geführt. Daraufhin wurden die Leitsätze unter Datierung auf den 28 Dezember veröffentlicht, begleitet von einem Aufruf "Für die Einheitsfront der Arbeiter - An die Proletarier aller Länder", welcher am 1. Januar 1922 gemeinsam von den Exekutiven der KI und der Roten Gewerkschaftsinternationale (RGI) angenommen worden war. Das vom 21. Februar bis zum 4. März 1922 abgehaltene 1. erweiterte Plenum des Exekutivkomitees der KI hat die Leitsätze ratifiziert; die italienischen, spanischen, sowie die Mehrheit der französischen Vertreter stimmten dagegen. Der 4. Kongress der KI, abgehalten vom 5. November bis zum 5. Dezember 1922, nimmt eine Resolution über die Taktik an, an der die Leitsätze über die Einheitsfront der Arbeiter von Dezember 1921 als Anhang hinzugefügt sind.

[Verweise:

Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Band 4: Die Kommunistische Partei im Kampf für den Aufbau des Sozialismus in der UdSSR, Erstes Buch: 1921 bis 1929. Hrsg.: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU, Moscou, Verlag Progress, 1973.

Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Band 14, Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Berlin, Dietz, 1972.

Studien zur Geschichte der Kommunistischen Internationale: Sammelband, Berlin, Dietz, 1974.]

          Quellen:

Die Leitsätze, wie sie vom Exekutivkomitee ausgearbeitet wurden, sind abgedruckt in: Internationale Presse-Korrespondenz, n° 3, 1. Januar 1922, p. 17. Das angegebene Datum ist 28. Dezember 1921.

Die Leitsätze, wie sie vom 4. Kongres der KI angenommen wurden, sind abgesdruckt in: Protokoll des 4. Kongresses der Kommunistischen Internationale, Verlag der Kommunistischen Internationale, 1923, S. 1019.

[3].       Sozialistische Internationale.

1864 wird in London die “Internationale Arbeiter-Assoziation” gegründet, an der Karl Marx und Friedrich Engels aktiv teilnehmen; sie wird 1876 durch Entschluss ihrer in Philadelphia abgehaltenen Generalversammlung aufgelöst. 1889 wird in Paris ein internationaler Arbeiterkongress abgehalten. Die so eingerichtete Koordinierung zwischen Parteien marxistischer Orientierung wird geläufig “Zweite Internationale” genannt. In einer ersten Phase wird, abgesehen von der Einberufung von Kongressen, keine besondere organisatorische Struktur eingerichtet. 1900 wird ein Internationales sozialistisches Büro gebildet, sowie ein mit den laufenden Angelegenheiten beauftragtes Exekutivkomitee mit Sitz in Brüssel.

Am 14. und 15. Februar 1915 wird in London eine Konferenz der sozialistischen Parteien der alliierten Länder abgehalten. Die Zahl der Delegierten beläuft sich auf 46. Frankreich ist folgendermaßen vertreten: für die Sozialistische Partei SFIO (Parti socialiste Section française de l'Internationale ouvrière, SFIO) Alexandre Desrousseaux genannt Bracke, Adéodat Compère-Morel, Marcel Cachin, Jean Longuet, Marcel Sembat, Pierre Renaudel, Edouard Vaillant, Louis Dubreuilh, Ernest Poisson, Braemer; für die Allgemeine Konföderation der Arbeit (Confédération générale du travail, CGT) Léon Jouhaux, Alexandre Luquet, Moulinier, Albert Bourderon, Alphonse Merrheim. Großbritannien ist unter anderem vertreten durch Arthur Henderson, Ramsay Macdonald, Keir Hardie, William Anderson, Bruce Glasier; Belgien ist insbesondere durch Émile Vandervelde und Camille Huysmans vertreten; für Russland nehmen unter anderen Teil Ivan M. Maisky von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands - Menschewiki, sowie Viktor M. Černov und Ilja A. Rubanovič von der Partei der Sozialrevolutionäre, etc.

Nach dem 1. Weltkrieg wird zunächst im Februar 1919 eine Konferenz in Bern abgehalten, danach wird im August 1920 in Genf die 2. Internationale wiedergebildet, unter Beteiligung einer reduzierten Zahl von Parteien. Sie richtet ihren Sitz in London ein.

Eine Anzahl anderer Parteien gründet im Februar 1921 in Wien die “Internationale Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Parteien”; Friedrich Adler und Otto Bauer spielen eine wichtige Rolle. Offiziell wird die Organisation auch “Wiener Internationale” bezeichnet, geläufig wird sie aber “2 ½. (Zweieinhalbte) Internationale” genannt.

Im Mai 1923 auf einem in Hamburg abgehaltenen Kongress gründen diese Internationale und die 2. Internationale gemeinsam die “Sozialistische Arbeiterinternationale”.

.         Internationaler Gewerkschaftsbund (genannt “Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale”).

1901 wird in Kopenhagen eine Versammlung von Vertretern der Gewerkschaftszentralen von Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark, Deutschland, Frankreich und Belgien abgehalten. Ein weiteres Treffen folgt 1903, und es wird ein internationales Sekretariat mit Carl Legien als Sekretär gegründet. 1913 wird die Bezeichnung Internationaler Gewerkschaftsbund (IGB) angenommen. Der 1. Weltkrieg führt zu der den kriegerischen Bündnissen entsprechenden Spaltung. 1919 wird der IGB wiedergebildet. Eine erste Versammlung wird im Februar 1919 in Bern abgehalten, mit Juli-August wird der Sitz in Amsterdam eingerichtet. Der IGB wird von der neuen Internationalen Arbeitsorganisation anerkannt. Die Aufnahme der Gewerkschaften der Sowjetunion zum IGB wird verweigert. Die amerikanische AFL tritt schließlich 1937 in den IGB ein.

[4].       Cf. note 3 .