Ernst Thälmann
3. Reichsparteikonferenz der KPD:
Rede und Schlußwort
15.‑18. Oktober 1932
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Quelle: Broschüre herausgegeben von der Kommunistischen Partei Deutschlands. Andere Quelle: Ernst Thälmann: Reden und Aufsätze 1930‑1933 - Band 2 - März 1932‑Februar 1933. Köln, Verlag Rote Fahne, 1975. S. 285‑340[1]. |
Die Ergebnisse des 12. EKKI-Plenums und unsere Aufgaben
Genossen und Genossinnen! Wenn wir uns mit den Ergebnissen des 12. Plenums beschäftigen, so erscheint es zweckmäßig, im Anfang meiner Ausführungen die große Bedeutung solcher internationaler Tagungen unserer kommunistischen Weltpartei für die Arbeit der einzelnen Sektionen im eigenen Lande und speziell für die Arbeit der KPD zu beleuchten. Ich will hinweisen auf die große Rolle, die die Beschlüsse und Lehren des 11. Plenums für unsere Partei in Deutschland hatten. Wir haben die ganze Bedeutung der Ergebnisse des 11. Plenums für unsere Arbeit zeitweilig nicht genügend erkannt. Erst im Herbst vorigen Jahres ergab sich, nachdem eine Reihe von Abweichungen und Entstellungen unserer Linie in der Praxis aufgetreten waren, bei einer ernsten Überprüfung der Beschlüsse des 11. Plenums, welche ernsten Konsequenzen wir daraus ziehen mußten. Man muß heute aussprechen, daß der Kurs für die Durchsetzung der Linie des 11. Plenums in unserer Partei auf gewisse Hemmungen und zum Teil sogar auf Widerstand stieß, und daß wir mit Hilfe der ideologischen Offensive des Zentralkomitees einen Tag des zähen bolschewistischen Ringens um Klärung und Verbesserung der Massenarbeit einschlagen mußten, ehe wir einen gewissen Durchbruch zur Überwindung der Hauptschwächen erzielen konnten. Sowohl in der richtigen strategischen Orientierung, wie in der Frage einer notwendigen großzügigen Wendung in unserer gesamten revolutionären Massenarbeit mit dem Kurs auf die Führung der Aktionen und Kämpfe der Massen, war es das 11. Plenum, das uns die wichtigsten Fingerzeige gab. Gerade in der hinter uns liegenden Periode unserer Parteigeschichte hat sich in besonderem Maße die Rolle der Komintern als Weltpartei und die Führerrolle des Generalstabs der internationalen revolutionären Arbeiterbewegung, der Exekutive der Komintern, erwiesen.
Wenn wir von dieser Erkenntnis ausgehen, werden wir jetzt bei der Behandlung der Beschlüsse des 12. Plenums von vornherein in allen Einheiten der Partei vom Zentralkomitee und der Parteikonferenz bis zur Zelle das nötige Verständnis dafür aufbringen, studieren, verarbeiten und in unserer praktischen Politik konkretisieren müssen.
Es gab manchmal Genossen in unseren Reihen, die sich klüger dünkten und verschiedene Fragen besser beurteilen zu können glaubten, als es in den festgelegten Beschlüssen unserer Weltpartei niedergelegt war. Ich betone hier ausdrücklich: unser Verhältnis zur Komintern, dieses enge, unverbrüchliche, feste Vertrauensverhältnis zwischen der KPD und der Kommunistischen Internationale und ihrer Exekutive ‑ das ist eines der wichtigsten Ergebnisse der inneren Entwicklung unserer Partei, der innerpolitischen Kämpfe und Auseinandersetzungen der Vergangenheit und der höheren politischen Reife unserer Partei überhaupt. Dieses enge Vertrauensverhältnis ist ein Stück, ja, ist das Rückgrat unserer Bolschewisierung. Unsere Parteiführung, das Zentralkomitee, hat es deshalb stets als eine seiner wichtigsten Aufgaben angesehen, gegen jede Erscheinung anzukämpfen, die Autorität der Komintern in den Reihen der Funktionäre und Mitglieder der KPD auch nur im mindesten anzutasten.
Darum: solche Stimmungen eines ungenügenden Verständnisses für die Beschlüsse der Komintern, wie sie nach dem 11. Plenum in unseren Reihen stellenweise möglich waren, nicht etwa als bewußte Tendenz, sondern einfach als Ausdruck eines gewissen Unverständnisses, darf es jetzt nach dem 12. Plenum des EKKI unter keinen Umständen geben.
Eine der ernstesten und wichtigsten Aufgaben der heutigen Parteikonferenz ist, in den Reihen unserer Partei und darüber hinaus in den Massen den Beschlüssen des 12. Plenums des EKKI volle Achtung zu verschaffen; das bedeutet: nicht nur formale Anerkennung, sondern wirkliche, praktische Durchführung der Aufgaben, die uns das 12. Plenum stellt, wirkliche, lebendige Anwendung der Lehren, die es uns gibt.
Selbstverständlich ist es undenkbar, alle wichtigen Fragen einer solchen großen internationalen Tagung auch nur annähernd im Rahmen eines Referats zu streifen, geschweige denn, sie erschöpfend zu behandeln. Ich will mich deshalb bewußt darauf beschränken, einige Hauptprobleme kurz zu umreißen und den Hauptteil meines Referats den Fragen unserer Praxis, den vor uns liegenden Aufgaben zu widmen. Ich betone ausdrücklich: ein Referat kann nicht das gründliche Studium der Beratungen und Beschlüsse des 12. Plenums ersetzen, sondern nur eine Anleitung für die Behandlung der Fragen geben.
Zuerst die Frage der Analyse der Situation. Das 12. Plenum spricht in seinen politischen Thesen aus, daß das Ende der politischen Stabilisierung des Kapitalismus eingetreten ist. Was bedeutet das, Genossen? Wir müssen den ganzen Ernst und das ganze Gewicht einer solchen Feststellung verstehen. Lenin und die Komintern haben bekanntlich die ganze gegenwärtige Epoche, die im Zeichen des Monopolkapitalismus, des Imperialismus steht, als die Epoche der Weltrevolution gekennzeichnet. Der Weltkrieg von 1914-1918 und die russische Revolution des Jahres 1917 stehen am Beginn dieser Epoche und enthüllen ihren geschichtlichen Charakter. Die ersten Jahre der Nachkriegszeit von 1918-1923 waren erfüllt von einer nicht abreißenden Kette revolutionärer Kämpfe und bewaffneter Auseinandersetzungen, politischen Massenstreiks und Generalstreiks in einer ganzen Reihe von Ländern. Deutschland, das nach dem verlorenen Weltkrieg als das schwächste Glied in der Kette des Imperialismus anzusprechen war, zeigte ganz besonders deutlich diese rasche Aufeinanderfolge revolutionärer Zuspitzungen und Kämpfe. Mit der Oktoberniederlage des deutschen Proletariats von 1923, mit der Niederwerfung der bulgarischen Arbeiter und Bauern beim Sturz der Regierung Stambulijski, endete dieser erste Turnus, diese erste Reihe von Kriegen und Revolutionen.
Beim Abschluß dieser ersten Reihe der großen geschichtlichen Auseinandersetzungen finden wir die Sowjetmacht auf einem Sechstel der Erde, während in allen übrigen Ländern des Kapitalismus die Bourgeoisie den Ansturm des Proletariats noch einmal zurückgeschlagen hatte.
Es folgte die Zeit der relativen Stabilisierung des Kapitalismus, die mit einer Festigung der bürgerlichen Klassenherrschaft, mit einer günstigen Konjunktur der Wirtschaft, mit einem Anwachsen der demokratischpazifistischen Illusionen der Massen begann. Auf die erste große Flutwelle der Weltrevolution folgte eine gewisse Ebbe, eine gewisse Stagnation, ja teilweise rückläufige Entwicklung der revolutionären Bewegung. Die Propheten des Kapitalismus frohlockten, die Vertreter des Reformismus, die Führer der internationalen Sozialdemokratie verkündeten das Ende der Weltrevolution und wollten den Massen einreden, daß nunmehr der friedliche “demokratische” Weg zum Sozialismus, das allmähliche “Hineinwachsen in den Sozialismus” gesichert sei.
Wir Kommunisten aber, die wir mit der Methode des Marxismus-Leninismus an das Studium der ökonomischen und politischen Entwicklung herangingen und herangehen, stellten mit aller Schärfe diesen wirren und verlogenen “Theorien” unsere revolutionäre These entgegen, daß die Stabilisierung des Kapitalismus nur relativ sei, nur bedingt sei, sowohl zeitlich wie räumlich begrenzt, und daß sie einer neuen Sturmflut des revolutionären Aufstiegs Platz machen müsse.
Als dann die Weltwirtschaftskrise im Jahre 1929 einsetzte, als sie immer mehr Länder des Kapitalismus in ihren Bann zog und sich immer mehr vertiefte, haben wir bereits auf den damaligen Tagungen der Komintern und auch der KPD die Bedeutung der Krise für den Gang der Weltgeschichte aufgezeigt. Wir beschäftigten uns zum Beispiel auf dem Januar-Plenum 1931, also vor ungefähr einem dreiviertel Jahr, mit der Frage der Krise. Wir sahen, wie die zyklische Krise sich auf dem Boden der allgemeinen Krise des kapitalistischen Systems in der Epoche des Imperialismus in viel schärferer und umfassenderer Form entfalten mußte, als das bei den periodischen Krisen der Vorkriegszeit der Fall war. Wir zeigten gleichzeitig schon damals auf, wie umgekehrt die Weltwirtschaftskrise ihrerseits die allgemeine Krise des Kapitalismus vertiefen und in ein höheres Stadium steigern muß. Die Ereignisse haben uns vollkommen Recht gegeben.
Die allgemeine Krise des Kapitalismus ist, während die zyklische Weltwirtschaftskrise noch immer andauert und sich weiter verschärft, gegenwärtig bereits in ein Stadium ihrer Entfaltung eingetreten, wo wir mit Recht vom Ende der relativen Stabilisierung des Kapitalismus sprechen können. Wir haben noch nicht revolutionäre Krisen oder revolutionäre Situationen in einem solchen oder auch nur ähnlichen Ausmaß wie in den Jahren 1917/18, 1919 usw. Wir haben bereits die Revolution in Spanien, eine revolutionäre Situation in China und dort sogar den Sieg der Sowjetrevolution auf einem großen Territorium. Von Polen sagt das 12. Plenum des EKKI, daß es bereits ganz nahe an die revolutionäre Krise herangelangt sei, von Japan, daß dort diese Entwicklung sehr rasch eintreten kann. In Deutschland steigen die Voraussetzungen der revolutionären Krise mit größter Beschleunigung an.
Trotzdem ist die gegenwärtige Entwicklung, wie sie durch das 12. Plenum analysiert wurde, noch nicht die neue Welle revolutionärer Entscheidungskämpfe selbst, sondern der Übergang zu einer solchen neuen Reihe von Revolutionen und Kriegen, wie wir sie vor der Periode der relativen Stabilisierung des Kapitalismus gehabt haben.
Diese Feststellung des 12. Plenums ist von größter Bedeutung für uns. Nicht etwa, weil wir nun vielleicht in allen Artikeln von nichts anderem sprechen wollen als vom Ende der kapitalistischen Stabilisierung, weil wir daraus ein Schlagwort machen, sondern vom Standpunkt unserer Aufgaben, vom Standpunkt unserer revolutionären Arbeit. Was bedeutet die Feststellung des 12. Plenums bezüglich der Lage in Deutschland?
Im Jahre 1924, nach der Oktoberniederlage 1923 des deutschen Proletariats, gelang es der deutschen Bourgeoisie, ihre erschütterte Klassenherrschaft wieder zu festigen. Die Mark-Stabilisierung wurde durchgeführt, die Inflation überwunden, die revolutionäre Bewegung erlitt einen Rückschlag, der selbstverständlich zu einem wesentlichen Teil auf die ungenügende Festigkeit der Kommunistischen Partei, auf ihre mangelnde revolutionäre Reife, auf ihre Schwankungen zwischen den rechtsopportunistischen und liquidatorischen Fehlern der Brandler-Thalheimer und den “links”-opportunistischen Fehlern der Ruth Fischer-Maslow zurückzuführen war.
Heute hat die Kommunistische Partei in Deutschland eine ganz andere revolutionäre Festigkeit und Schlagfertigkeit erlangt, so daß sie sich auch in schwierigen Situationen, trotz aller noch vorhandenen Schwächen und Mängel, viel besser zu schlagen vermochte, als es damals der Fall war. Aber wenn wir ganz von dem subjektiven Faktor absehen und uns zunächst nur auf die objektive Entwicklung beschränken, so zeigt der bloße Vergleich zwischen jenen Jahren der relativen Stabilisierung des Kapitalismus und der Gegenwart die gewaltige Veränderung.
Wie ist die heutige Lage Deutschlands? Auf dem 12. Plenum wurde unser Land durch den Genossen Manuilski die "klaffende Wunde Europas" genannt. Tatsächlich sind durch die Krise und die besondere Verknüpfung der Krisenfaktoren Deutschlands mit den Auswirkungen des Versailler Systems alle inneren und äußeren Widersprüche und Gegensätze Deutschlands unerhört verschärft. Ich will nicht auf die einzelnen ökonomischen Tatsachen eingehen, die den Delegierten der Parteikonferenz in besonderen Materialien zur Kenntnis gebracht werden. Die ungeheure Erwerbslosigkeit in Deutschland, die völlige Zerrüttung der gesamten Ökonomik, die immer stärkere Stillegung des Produktionsapparates, die fortgesetzte Einschrumpfung des inneren Absatzmarktes durch die Verelendung der werktätigen Millionenmassen, die direkte Pauperisierung breitester Massen ‑ das alles sind unbestreitbare Tatsachen.
Mit großem Reklamegetöse wurde das Programm Papens als letzter Versuch des kapitalistischen Wegs zur Überwindung der Krise angepriesen. Die ausgesprochenen Zeitungen des Finanzkapitals selber erklärten, dieses Programm sei gewissermaßen die letzte Chance des Kapitalismus. Wenn dieses Programm nicht die berühmte “Ankurbelung” der Wirtschaft bringe, dann habe der Kapitalismus eine Entscheidungsschlacht verloren. Auch wenn wir uns nicht solche Formulierungen zu eigen machen, so zeigt diese anspruchsvolle Begleitmusik der Bourgeoisie zum Papen-Programm doch deutlich genug den Ernst der Situation.
Und was ist das Papen-Programm? Es ist eine Mischung von äußerst widersprechenden Maßnahmen, von denen die eine immer die andere aufhebt.
Auf der einen Seite spiegelt die Bourgeoisie den Versuch einer Arbeitsbeschaffung vor. Der Kapitalist, der Arbeiter einstellt, bekommt Prämien, bekommt besondere staatliche Subventionen. Aber zu gleicher Zeit, wo die Regierung behauptet, auf diese Weise die Produktion “ankurbeln” zu wollen, werden die Absatzmöglichkeiten, die ohnehin rapide zusammengeschrumpft sind, in kolossalem Maße noch weiter verringert.
Einmal wird der innere Absatzmarkt durch die neue Hungeroffensive gegen Betriebsarbeiter, Erwerbslose, Sozialrentner aller Art, durch Steuerraub usw. radikal verkleinert.
Zum anderen wird durch das Agrarprogramm mit seinen Kontingentierungsbestimmungen, mit heftiger Verschärfung des Zollkampfes, mit ausgesprochenen Autarkie-Tendenzen der Widerstand der übrigen kapitalistischen Staaten gegen deutsche Einfuhr künstlich gesteigert und damit der Export der deutschen Industrie ernsthaft und weitgehend gegenüber dem jetzigen Stande noch eingeschränkt.
Es ist klar, daß jede Spekulation auf eine “Ankurbelung der Produktion” angesichts dieser Tatsachen völlig sinnlos ist.
Ebensowenig wird die Bourgeoisie mit den finanzpolitischen Maßnahmen des Papen-Programms, mit der Methode der Steuergutscheine, die herrschenden Finanzschwierigkeiten abschwächen oder ihre weitere Verschärfung abwenden können. Die Methode, Steuergutscheine als eine Art Zahlungsmittel in den Zirkulationsprozeß einzupumpen, hinter denen nichts anderes steht als die Hoffnung auf einen zukünftigen Mehrwert, stellt im Grunde nichts anderes dar als eine inflationistische Maßnahme. Denn dem erweiterten Zahlungsmittelumlauf steht ja keineswegs eine vergrößerte Warenmasse gegenüber, so daß die Folge zwangsläufig eine ansteigende Teuerungswelle, eine Entwertung der Zahlungsmittel, eine weitere Gefährdung der Währung sein muß.
Alles Gerede der Bourgeoisie, der bürgerlichen und sozialdemokratischen Presse über ein Abflauen der Krise, einen nahe bevorstehenden Umschwung in die Depression oder gar eine baldige neue Prosperität ist entweder haltlose Utopie oder bewußter Betrug. Gegenüber diesen Spekulationen, irreführenden und verlogenen, der Irreführung der Massen dienenden Phrasen sagen wir Kommunisten den Massen mit aller Schärfe, daß sich die Krise nicht abschwächt, sondern daß sie im Gegenteil in ein verschärftes Stadium eintritt.
Vom Papen-Programm und allen Plänen der Bourgeoisie auf wirtschaftlichem Gebiet geht wenig oder nichts in Erfüllung, was angeblich der Überwindung, der Vermeidung der Katastrophe für die Werktätigen dienen soll, auch wenn die Regierung, die bürgerliche Presse und das amtliche Konjunktur-Institut in einem künstlichen Optimismus wetteifern. All diese Versprechungen sind Lug und Trug.
Übrig bleibt bei diesem Programm der Bourgeoisie nur das eine: das krankhafte Bestreben, die Ausplünderung der Massen mit immer neueren Methoden zu steigern! Die unersättliche Raffgier der Kapitalisten, der Großagrarier, der Bankiers, der Spekulanten, die auch in der herannahenden Katastrophe ihren Profit auf Kosten des unsagbaren Elends der Massen, der unerträglich gesteigerten Not des arbeitenden Volkes in Stadt und Land sichern wollen.
Man muß sich einmal vergegenwärtigen, was die Bestimmungen der Notverordnungen für die Kapitalisten bedeuten. Nehmen wir z.B. die Frage des Lohn- und Gehaltsraubes. Wenn es nach dem Willen der Bourgeoisie ginge, soll der Unternehmer bei Einstellung von Arbeitern und Angestellten eine dreifache Steigerung seines Profits haben.
1. bekommt er[2] direkt ein Geschenk aus den Steuergeldern der Werktätigen in Form der Kopfprämie von 400 Mark.
2. soll der eingestellte Erwerbslose zu Löhnen arbeiten, die erheblich unter dem Tariflohn liegen, d. h.: er soll noch mehr unbezahlte Mehrarbeit für den Kapitalisten leisten, er soll sich noch schärfer ausbeuten lassen.
3. soll diese vermehrte Ausbeutung zugunsten der Unternehmerprofite nicht nur auf die Neueingestellten, sondern gleichzeitig auch für die übrigen Arbeiter des Betriebes eingeführt werden.
Insgesamt nichts anderes als die nackte, krasse Steigerung der Ausbeutung, die räuberische Erhöhung des Unternehmerprofits!
Genau das gleiche, was für das Industrieproletariat und die Erwerbslosen der Städte und Industriebezirke hinsichtlich des Papen-Programms gilt, trifft auch für die werktätigen Bauern bezüglich des Agrarprogramms zu. Es ist ein Programm der reinen Bereicherung der Großagrarier und Junker. Selbst die am stärksten verschuldeten, völlig heruntergewirtschafteten Güter solcher ostelbischer Junker, die auf Grund des Siedlungsprogramms der Brüning-Regierung nicht mehr künstlich gehalten, sondern für Siedlungszwecke aufgekauft werden sollten, werden auf Grund des großagrarischen Einflusses, der in der Papen-Regierung besonders verstärkt ist, mit maßlosen Subventionen künstlich erhalten werden.
Welche politischen Folgerungen ergeben sich aus all diesen Tatsachen?
Eine ungeheuerliche Steigerung und Verschärfung des Klassenkampfes, eine Zuspitzung im Kampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat, zwischen den herrschenden Klassen und den werktätigen Massen von solchem Ausmaß, daß dadurch die Voraussetzungen der revolutionären Krise in Deutschland mächtig gesteigert werden.
Wenn man sich vor Augen führt, welche riesigen Massen von Erwerbslosen in Deutschland überhaupt keine Unterstützung mehr beziehen, weder aus der Arbeitslosenversicherung, noch von der Krisenfürsorge, noch von der Wohlfahrt, so ist es klar, daß diese Massen im kommenden Winter nicht ruhig bleiben werden. Solche Tage wie jetzt in Belfast in Irland sind im kommenden Winter auch in Deutschland sehr wahrscheinlich. Nach den bürgerlichen Statistiken gibt es gegenwärtig 5 392 000 in den Arbeitsämtern eingetragene Erwerbslose, zu denen die sogenannten “unsichtbaren” Erwerbslosen kommen, die gar keine Unterstützung mehr beziehen und sich bei den Arbeitsämtern nicht mehr melden, weil es doch zwecklos ist. Insgesamt schätzt die bürgerliche Statistik die Zahl der Erwerbslosen auf 7 160 000. In dieser Statistik ergibt sich jedoch bei einiger Nachprüfung, daß von den früheren Lohn- und Gehaltsempfängern zur Zeit der günstigen Konjunktur ‑ 22,8 Millionen ‑ heute 2 bis 2,5 Millionen aus der bürgerlichen Statistik einfach verschwunden sind. Das Konjunktur-Institut der deutschen Bourgeoisie versucht das mit dem Übergang dieser Erwerbslosen zum Straßenhandel, zu selbständigen Berufen zu erklären. Natürlich ist das eine Albernheit. Was ergibt sich also?
Die Zahl der Erwerbslosen muß auf 9 Millionen eingeschätzt werden. Überlegt, Genossen, was das für ein Bestandteil der Gesamtbevölkerung ist? Welche Rolle sie für den Klassenkampf des Proletariats spielen?
Betrachtet man die jetzige Welle von Streiks als Antwort auf die September-Notverordnung Papens im Zusammenhang mit der allgemeinen Verschärfung der Lage, so ergibt sich auch daraus eine Perspektive, die auf neue, heftigere, immer erbittertere Massenkämpfe hinweist.
In den Thesen des III. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale wurde u. a. folgendes gesagt:
Das Wesen der jetzigen Epoche besteht eben darin, daß die bescheidensten Lebensbedingungen der Arbeitermassen unvereinbar sind mit der Existenz der kapitalistischen Gesellschaft, daß darum der Kampf auch um die bescheidensten Forderungen sich auswächst zum Kampf um den Kommunismus.
Hier sehen wir also, daß der Kampf um die primitivsten Tagesinteressen zugleich der Schlüssel ist für die großen revolutionären Kämpfe, die aus dieser Entwicklung geboren werden.
So bestätigt gerade die Betrachtung der Lage Deutschlands die Feststellung des 12. Plenums über das Ende der kapitalistischen Stabilisierung. Die Entwicklung dringt immer mehr auf die Katastrophe zu, in der es für die Bourgeoisie nur eins gibt, die völlige Lähmung, Knechtung und Zersetzung des Proletariats und seine Ausplünderung bis aufs Letzte. Während es für das Proletariat und für die Werktätigen nur einen Ausweg geben kann: den Weg des revolutionären Massenkampfes bis zur proletarischen Revolution!
Die große umfassende Aufgabe aber, die für uns Kommunisten aus der Feststellung des 12. Plenums über das Ende der kapitalistischen Stabilisierung erwächst, muß darin bestehen, die breitesten Massen des Proletariats und seiner Verbündeten zu sammeln und auf dem Wege des Massenkampfes an die Positionen des Kampfes um die Macht, des Kampfes um die proletarische Diktatur heranzuführen.
Einige Bemerkungen zur Frage des Krieges. Das 12. Plenum hat das Problem der Kriegsgefahr unter den neuen Bedingungen des Endes der kapitalistischen Stabilisierung beleuchtet. Es ist klar, daß dieser allgemeine Charakter der gegenwärtigen Entwicklung auch für die Frage der Kriegsgefahr von größter Bedeutung ist. Es war kein Zufall, daß der Beginn der relativen Stabilisierung mit einer gewissen pazifistischen Ära zusammenfiel, und es ist ebenso kein Zufall, daß sich jetzt mit dem Ende der kapitalistischen Stabilisierung die Bourgeoisie immer stärker auf den Weg der gewaltsamen Lösungen begibt.
Vierzehn Jahre nach Abschluß des vorigen Weltkrieges ist das Problem der Neuaufteilung der Welt für die Imperialisten wieder zu einer brennenden Frage geworden, die sie mit dem Mittel des Krieges zu lösen versuchen. Wir stehen vor der Tatsache des Krieges im Fernen Osten zwischen Japan und China. Dort, am Stillen Ozean, verschärfen sich die Konflikte der Imperialisten untereinander so heftig, daß das 12. Plenum mit Recht feststellte, daß hier der Hauptbrandherd eines neuen imperialistischen Weltkrieges gegeben sei.
Gleichzeitig sehen wir die verstärkten Kriegsvorbereitungen der imperialistischen Mächte gegenüber der Sowjetunion, besonders in Ostasien, aber auch in Europa. Ich will darauf verzichten, die einzelnen Feststellungen des 12. Plenums zu dieser Frage zu wiederholen.
Das weitere Hauptgebiet, auf dem sich die Gefahr neuer imperialistischer kriegerischer Konflikte entwickelt, hängt mit dem Versailler System zusammen. Die Widersprüche des Versailler Systems in Europa haben sich in einer noch nie dagewesenen Weise verschärft, wobei die Zuspitzung der äußeren Gegensätze Deutschlands und der Versailler Siegermächte eine bedeutende Rolle spielt.
Polen rüstet sich zur Annektion von Danzig und Ostpreußen. Zugleich verschärft sich die imperialistische Aggressivität der Außenpolitik der deutschen Bourgeoisie. Was die Brüning-Regierung mit dem damaligen Außenminister Curtius vor eindreiviertel Jahren mit der deutsch-österreichischen Zollunion versucht hat, wird jetzt von den Papen-Schleicher auf weitaus höherer Stufe unternommen: die Durchbrechung jener Schranken, die das Versailler System dem Expansionsdrang des deutschen Imperialismus gesetzt hat.
Hier steht als Wichtigstes die Frage der militärischen Aufrüstung, hier steht die Frage einer Revision der Ostgrenzen und sogar schon gewisser Regulierungen im Westen, wie z. B. hinsichtlich Eupen-Malmedys, oder ‑ was in greifbarer Nähe liegt ‑ in der Frage des Saargebietes. Die deutsche Bourgeoisie stützt sich auf die nationalistisch-chauvinistische Welle in Deutschland, die zu dem rapiden Aufstieg des Hitler-Faschismus geführt hat und von der getragen die Papen-Schleicher-Regierung ans Ruder gelangte. So versucht die deutsche Bourgeoisie, sich mit ihren imperialistischen Machtgelüsten durchzusetzen.
Selbstverständlich stößt die deutsche Bourgeoisie mit ihrem Kurs verschärfter imperialistischer Aggressivität auf die schroffe Ablehnung, den schroffen Widerstand des französischen Imperialismus. Die ewigen Spekulationen der deutschen Diplomaten, England gegen Frankreich ausspielen zu können, sind wieder einmal gescheitert. Auf die deutsche Forderung nach Rüstungsgleichheit antwortete die englische Regierung mit schärfster Ablehnung. Und der andere “Bundesgenosse”, auf den die deutsche Bourgeoisie gebaut hatte, das faschistische Italien Mussolinis, antwortete auf die Agrarpolitik der Papen-Regierung mit seinen Einfuhrbeschränkungen, indem es seinerseits mit einer betont brüsken Geste den Handelskrieg gegen Deutschland auf der ganzen Front eröffnete.
So kann man sagen, daß auch die äußeren Gegensätze des kapitalistischen Deutschland sich heftig verschärft haben, daß die deutsche Bourgeoisie in einem Maße wie kaum je zuvor isoliert in den Reihen der kapitalistischen Großmächte steht, was naturgemäß auch auf die innere Lage als ein Faktor der Verstärkung der Schwierigkeiten abfärbt.
Die nationalistische Welle in Deutschland ist zu einem gewissen Teil der spezifischen Lage Deutschlands als eines besiegten Landes entsprungen. Man muß jedoch sehen, daß das 12. Plenum Recht hatte, indem es die verstärkte Welle des Chauvinismus nicht nur als eine deutsche, sondern als eine Erscheinung in vielen wichtigen kapitalistischen Ländern beurteilte.
Diese chauvinistische Welle ist zugleich ein wichtiger Hebel für die Entstehung größerer faschistischer Massenbewegungen. In Deutschland ist unzweifelhaft der Hitler-Faschismus vor allem dank seiner nationalen Demagogie zu einer so großen Bewegung geworden, weil er an die Erbitterung breiter Massen über die Versailler Knechtschaft und Tributsklaverei heuchlerisch anknüpfte.
Das 12. Plenum stellt den kommunistischen Parteien die konkrete Aufgabe des Kampfes gegen die chauvinistische Welle. Die kommunistischen Parteien müssen nach den Beschlüssen des 12. Plenums gegen diese nationalistische Verhetzung der Massen unter dem Banner des proletarischen Internationalismus ihrerseits einen Damm errichten. Diese Aufgabe kann in jedem einzelnen Land nur unter genauer Berücksichtigung der konkreten Bedingungen und Besonderheiten gelöst werden.
Wie steht es in Deutschland? Hier haben wir einerseits die Massenempörung über Versailles, andererseits die betrügerische Politik der deutschen Bourgeoisie, die die Unterdrückung Deutschlands durch das Versailler System dazu ausnutzt, mit Hilfe der nationalsozialistischen und anderer nationalistischer Bewegungen die Massen vom Kampf gegen das kapitalistische System und die bürgerliche Klassenherrschaft abzulenken auf einen angeblichen Kampf “gegen den äußeren Feind”.
Auf diese Art versucht die Bourgeoisie gegenwärtig sogar für ihre imperialistische Aufrüstung und für die militaristische Verseuchung der Jugend die Massenstimmung einzufangen. Indem sie ihre imperialistische Aufrüstungspolitik durchführt, gibt sie sich den Schein, gegen Versailles zu kämpfen. In Wirklichkeit hat ja der Lausanner Pakt erneut bewiesen, was wir Kommunisten stets gesagt haben:
Jede bürgerliche, jede kapitalistische Regierung Deutschlands ist außerstande, die Interessen des nationalen Befreiungskampfes des werktätigen deutschen Volkes gegen das Versailler System zu verfechten.
Jede Abmachung einer bürgerlichen und kapitalistischen Regierung mit anderen kapitalistischen Regierungen wird stets die Knechtung und doppelte Sklavenfron der deutschen Werktätigen bestehen lassen oder noch verstärken.
Aufs schärfste müssen wir den Massen einhämmern, daß es ohne soziale Befreiung vom Joch des Kapitalismus auch keine nationale Befreiung aus den Ketten von Versailles geben kann!
Aufs schärfste müssen wir den Massen einhämmern, daß imperialistische Aufrüstung und Militarismus keine Befreiung bedeuten, sondern im Gegenteil verschärfte Zuchthauszustände, noch mehr Unterjochung, Knebelung und Knechtung für die deutschen Werktätigen.
Wir müssen den Massen zeigen, daß ganz Deutschland nach dem Willen der Bourgeoisie in einen Kasernenhof verwandelt werden soll, in dem die werktätigen Massen nach dem Kommando der herrschenden Klasse zu exerzieren haben.
Aufs schärfste müssen wir den Massen einhämmern, daß man nicht Seite an Seite mit den deutschen Faschisten gegen Versailles kämpfen kann, sondern nur Schulter an Schulter mit den französischen, polnischen, englischen, tschechischen und übrigen Arbeitern der ganzen Welt.
Gegenüber der Aufrüstungspropaganda der Bourgeoisie müssen wir unseren revolutionären Standpunkt klar und unzweideutig enthüllen, der den stärksten unbeirrbaren Kampf gegen die imperialistische Aufrüstung und militaristische Verseuchung der Jugend mit der gleichzeitigen Entlarvung der pazifistischen Heuchler und Narren verbindet.
Wir müssen den Massen zeigen, daß jedes Gewehr in den Händen der Bourgeoisie ein Gewehr gegen das Proletariat ist.
Darum kämpfen wir gegen die Aufrüstungspropaganda und gegen jeden praktischen Schritt ihrer Aufrüstung mit dem Ziel der vollen Entwaffnung der Bourgeoisie.
Aber zugleich kämpfen wir für die Wehrhaftigkeit des Proletariats als die wichtigste Voraussetzung für die soziale und nationale Befreiung des werktätigen Volkes. Wir müssen immer mehr in den Massen die Fragestellung popularisieren, daß nur der Übergang der vollen Macht in Deutschland an die Arbeiterklasse, die sich auf das Bündnis oder die Neutralisierung der übrigen werktätigen Schichten stützt, den Weg zur Freiheit bedeutet. Nur wenn zum Schutz eines Deutschlands der Arbeiter und Bauern die bewaffnete Arbeiterklasse bereitstehen würde, werden nicht nur die sozialen Ketten der kapitalistischen Ausplünderung, sondern auch die nationalen Fesseln des Versailler Systems fallen, und die Geißel des imperialistischen Krieges wird von den Massen genommen werden.
Diese Fragestellung, die gegenüber der militaristischen Aufrüstungspropaganda und pazifistischen Phrasen den revolutionären Standpunkt, die Losung des Übergangs der Macht an das Proletariat propagiert, ist um so bedeutungsvoller, als die abenteuerliche imperialistische Politik der deutschen Bourgeoisie zweifelsohne bald zu neuen Nackenschlägen und damit zu einer Enttäuschung der Massen führen wird.
Gegenüber der wachsenden Kriegsgefahr zwischen Frankreich und Deutschland ist es von größter Bedeutung, daß wir in der Frage unseres Kampfes gegen das Versailler System eine entschlossene Wendung zur größten Festigung des proletarischen Internationalismus in den breiten Massen vollziehen. Gemeinsam mit den französischen Arbeitern gilt es, den Kampf gegen den Versailler Schandvertrag auf eine höhere Stufe zu heben. Das entspricht der Verwirklichung der Beschlüsse des 12. Plenums über unseren Kampf für den proletarischen Internationalismus, gegen die chauvinistische Welle.
Aus diesem Grunde wird die KPD, gemeinsam mit der Kommunistischen Partei Frankreichs, in den allernächsten Wochen mit einem Manifest an die Öffentlichkeit treten, das die Massen zum Kampf gegen das Versailler System aufruft und diesen Kampf mit der entschlossenen Offensive gegen die Bourgeoisie im eigenen Lande, gegen ihre Kriegsrüstungen, gegen den Militarismus, für die völlige Streichung aller Heeres- und Polizeiausgaben zugunsten der Kriegsopfer und Erwerbslosen verbindet.
Im Sinne dieses Manifests werden die Kommunisten im französischen Parlament einen Antrag einbringen, daß der Versailler Vertrag für null und nichtig erklärt und alle Heeresausgaben, sowie die Ausgaben für den Unterdrückungsapparat, für die Mobilgarden, für die Gendarmerie und städtische Polizei gestrichen und für die Erwerbslosen, die armen Bauern und die Kriegspensionäre verwandt werden soll.
Einen entsprechenden Antrag über die Streichung der Ausgaben für Reichswehr und Polizei wird die kommunistische Reichstagsfraktion im kommenden Deutschen Reichstag einbringen.
Dieses gemeinsame Auftreten der Kommunisten Deutschlands und Frankreichs, dem sich die übrigen Kommunistischen Parteien in Polen, der Tschechoslowakei, Belgien, England usw. ohne Zweifel anschließen werden, wird uns die Möglichkeit zu einer breit angelegten Kampagne im Zeichen des proletarischen Internationalismus, zu einer scharfen Frontstellung gegen die volksfeindliche, chauvinistische Hetze der Nazis, des Stahlhelm und der regierenden Bourgeoisie, wie gegen die bevorstehenden pazifistischen Betrugsmanöver der Sozialdemokratie geben.
Nun zu einem weiteren Hauptproblem, zur Frage des Faschismus. Auch dieses Problem, das in den Beratungen des 12. Plenums eine wichtige Rolle spielte, ist für uns in Deutschland von allergrößter Bedeutung. Mit dem Ende der relativen Stabilisierung des Kapitalismus tritt auch die Faschisierung der kapitalistischen Staaten in ein höheres Stadium. Deutschland ist ein Musterbeispiel für diese Entwicklung.
In der Periode der Stabilisierung hat sich die Bourgeoisie auch bei der unmittelbaren Ausübung der Regierungsmacht vorwiegend auf die Sozialdemokratie gestützt. Das Ende der Stabilisierung vergrößert das spezifische Gewicht des Faschismus im staatlichen Verwaltungssystem des Kapitalismus.
Wir können den Faschismus am Ende der kapitalistischen Stabilisierung nicht mit der faschistischen Entwicklung in einer Reihe von Ländern zu Beginn der relativen Stabilisierung des Kapitalismus gleichstellen. Das 11. Plenum wies die Theorien einer Unterschätzung des Faschismus, wie sie vom Genossen Neumann vertreten wurden, zurück. Es wandte sich gegen die Auffassung, als ob der Faschismus nur ein Produkt der Zersetzung und nicht zugleich ein Element des Angriffs der Bourgeoisie auf die Arbeiterklasse darstelle. Gegenwärtig besteht eine andere Gefahr, die der Überschätzung des Faschismus, die Auffassung, als ob die faschistische Diktatur eine Konsolidierung der Klassenherrschaft der Bourgeoisie darstelle. Wir müssen besonders in Deutschland erkennen, daß der Faschismus als Produkt des verfaulenden Monopolkapitalismus auch der Zersetzung unterliegt. In der politischen Resolution des 12. Plenums heißt es, daß die Herrschaft des Monopolkapitals angesichts der allgemeinen Krise des Kapitalismus außerordentlich die Überwindung der Wirtschaftskrise auf dem für den Kapitalismus üblichen Wege erschwert.
Der deutsche Kapitalismus geht in seinen Angriffen gegen die Arbeiterklasse, besonders gegen die KPD, angesichts der tiefen Unterminierung seiner Grundfesten immer mehr zu den Methoden einer terroristischen Diktatur über. Der Kampf der Bourgeoisie gegen die Krise wird immer stärker zum einfachen Kampf um die Erhaltung des kapitalistischen Staates, der kapitalistischen Klassenherrschaft als der ausschlaggebenden Vorbedingung für die Verteidigung des kapitalistischen Systems.
Die angekündigte “Reichsreform” der Papen-Regierung, wie sie Papen in seiner Münchener Rede dargestellt hat, zeigt die Pläne zu einem weiteren Ausbau der faschistischen Diktatur. Ein Oberhaus soll zur Festigung der faschistischen Herrschaft eingesetzt, Preußen unter Abschaffung seines besonderen Parlaments und seiner besonderen Regierung dem Reich einverleibt werden. So versucht Papen, eine stärkere Bindung zwischen den ostelbischen Junkern und der süddeutschen Konterrevolution herbeizuführen.
In der Frage des Faschismus hat es bekanntlich in unseren Reihen verschiedene falsche Auffassungen gegeben, gegen die wir in der Vergangenheit ankämpfen mußten. In jüngster Zeit tauchten im Zusammenhang mit der Ersetzung der Brüning-Regierung durch die Papen-Regierung solche falschen Auffassungen auf, wie die, diesen Wechsel in den Herrschaftsmethoden der Regierung als einen “Systemwechsel” zu bezeichnen.
Die bürgerliche Demokratie ist die Diktatur der Bourgeoisie in ihrer verschleierten Form.
Der Faschismus ist die offene, unverhüllte Diktatur, die auf dem Wege der Zertrümmerung der Klassenorganisationen des Proletariats aufgerichtet wird und sich vor allem der brutalen Gewaltanwendung zur Unterdrückung der Massen bedient.
Der Übergang von der einen zur anderen Form ist, im ganzen gesehen, wie das 11. Plenum feststellte, ein organischer Prozeß. Nicht irgendein Personenwechsel in der Regierung, sondern die allgemeinen Bedingungen des Klassenkampfes bestimmen über diesen Wechsel in der Herrschaftsform der Bourgeoisie.
So haben wir in Deutschland gesehen, wie die Brüning-Regierung, die sich voll und ganz, auch offen und parlamentarisch, auf die Sozialdemokratie stützte und deren Filiale die sozialdemokratische Preußenregierung war, fast zwei Jahre lang den Weg für die faschistische Diktatur vorbereitete mit einer Politik, die wir mit Recht als die Politik der "Durchführung der faschistischen Diktatur" bezeichneten.
Die Wiederwahl Hindenburgs, bei gleichzeitigem mächtigem Anschwellen der nationalsozialistischen Welle, der Ausgang der Preußenwahlen, der der Braun-Severing-Regierung die parlamentarische Basis nahm, die Einsetzung der Papen-Schleicher-Regierung an Stelle des Brüning-Kabinetts beschleunigten sodann die Entwicklung zur Aufrichtung der faschistischen Diktatur, bis der 20. Juli mit dem faschistischen Staatsstreich in Preußen in der ruckweisen Verschärfung der faschistischen Politik einen bestimmten Schnittpunkt der Entwicklung brachte. Das 12. Plenum hat in vollem Umfange jene Beurteilung des Charakters der Papen-Regierung bestätigt, wie wir sie nach dem 20. Juli getroffen haben. Wir sagten damals:
Mit ihrem Staatsstreich in Preußen ist die Regierung Papen-Schleicher-Gayl, gestützt auf den Hitler-Faschismus, zur Regierung der faschistischen Diktatur geworden und hat den faschistischen Umsturz in Preußen mit den Bajonetten der Militärdiktatur durchgeführt. [...] Die Kampfkraft und Kampfentschlossenheit des Proletariats ist durch den Faschismus in keiner Weise gebrochen oder gelähmt, im Gegenteil, sie ist, wie der 31. Juli zeigte, im Wachsen begriffen. Immer heftiger, immer unversöhnlicher formieren sich die Klassenfronten. [...] Jeden Augenblick muß die Arbeiterklasse gewärtig sein, einen Überrumpelungsversuch der Bourgeoisie parieren zu können.
Diese drei Feststellungen: 1. über den Charakter der Papen-Regierung, 2. über die ungebrochene Kampfkraft des deutschen Proletariats und 3. über die drohende Gefahr weiterer Überrumpelungsversuche der deutschen Bourgeoisie in der Art des 20. Juli wurden vom 12. Plenum als richtig anerkannt. Das Plenum kam bezüglich der Formen der gegenwärtigen Lage in Deutschland zu der Feststellung, daß hier eine der Formen der faschistischen Diktatur errichtet sei.
Diese Formulierung schließt sowohl eine mechanische Gleichsetzung der faschistischen Diktatur in Deutschland etwa mit Italien, Polen usw. aus, als auch zeigt sie, daß es sich bei der heutigen Herrschaftsform der deutschen Bourgeoisie nicht um etwas Starres, Abgeschlossenes handelt, sondern daß in erster Linie die weitere Entwicklung der Herrschaftsformen der Bourgeoisie vom Klassenkampf abhängig sind.
Unsere jetzigen Feststellungen über die Papen-Regierung bestätigen die bisherige Perspektive der Partei und unsere bisherige Behandlung des Problems der faschistischen Diktatur. Wir haben z. B. eine ernste ideologische Aufklärungsarbeit geleistet, die sich gegen die sozialdemokratische Darstellung wandte, erst die Hitler-Regierung sei die faschistische Diktatur. Demgegenüber haben wir betont, daß man nicht einfach Hitler-Regierung und faschistische Diktatur gleichsetzen dürfe, daß vielmehr sehr wohl eine Regierung der faschistischen Diktatur ohne offizielle Einbeziehung der Nationalsozialisten denkbar sei. Die heutige Lage bestätigt diese Auffassung. Dabei ist es klar, daß auch die Papen-Schleicher-Regierung nicht die letzte und höchste Stufe des Faschismus darzustellen braucht, sondern eben nur eine der Formen der faschistischen Diktatur, wobei es von uns abhängt, ob es zu einer weiteren Festigung und Entfaltung der faschistischen Gewaltherrschaft oder zu ihrer Zersetzung kommt.
Das 12. Plenum stellte die konkrete Behandlung der faschistischen Entwicklung in den einzelnen Ländern und damit auch in Deutschland in den Rahmen einer allgemeinen geschichtlichen Darlegung über die Rolle des Faschismus. Das Plenum hob den Zusammenhang zwischen Faschisierung und Verschärfung der politischen Reaktion mit dem Fortschreiten der Krise des Kapitalismus hervor. Ich möchte dazu einige Sätze von Karl Marx aus dem 1. Band des "Kapital" zitieren, die sich mit der Anwendung der unmittelbaren Gewalt durch die Bourgeoisie in den verschiedenen Entwicklungsphasen der bürgerlichen Klassengesellschaft beschäftigen. Marx spricht über die historische Entstehung der kapitalistischen Produktion und sagt dabei:
Die aufkommende Bourgeoisie braucht und verwendet die Staatsgewalt, um [...] den Arbeiter selbst in normalem Abhängigkeitsgrad zu erhalten. Es ist dies ein wesentliches Moment der sogenannten ursprünglichen Akkumulation.
In der Zeit ihres Aufstiegs benutzt also die Bourgeoisie bei der Herausbildung der kapitalistischen Produktionsweise als wesentliches Moment die unmittelbare Gewalt. Wie steht es dagegen in der Periode des entfalteten Kapitalismus, des "ausgebildeten kapitalistischen Produktionsprozesses"? Hierüber sagt Marx:
Der stumme Zwang der ökonomischen Verhältnisse besiegelt die Herrschaft des Kapitalisten über den Arbeiter. Außerökonomische, unmittelbare Gewalt wird zwar immer noch angewandt, aber nur ausnahmsweise. Für den gewöhnlichen Gang der Dinge kann der Arbeiter den “Naturgesetzen der Produktion” überlassen bleiben, d. h. seiner aus den Produktionsbedingungen selbst entspringenden, durch sie garantierten und verewigten Abhängigkeit vom Kapital.
Diese Feststellungen von Marx lassen bestimmte Schlußfolgerungen für die Gegenwart zu. Marx zeigt uns, wie von der kapitalistischen Frühzeit zur kapitalistischen Blüte sich eine Entwicklung vollzieht, in der die Anwendung der unmittelbaren Gewalt bei der Ausübung der kapitalistischen Klassenherrschaft, der Diktatur der Bourgeoisie, verhältnismäßig zurücktritt und dem “stummen Zwang der ökonomischen Verhältnisse” Platz macht. Heute, in der Epoche des Imperialismus, des verfaulenden, absterbenden Monopolkapitalismus, verliert dieser “stumme Zwang der ökonomischen Verhältnisse” wiederum seine Wirkung. Die allgemeine Krise des Kapitalismus untergräbt die Basis der bürgerlichen Klassenherrschaft. Das ist historisch die Voraussetzung für den verstärkten Übergang zur Gewaltanwendung durch die Bourgeoisie als der Regel bei der Ausübung ihrer Diktatur. Diese historische Feststellung, die auch in den Thesen des 12. Plenums ihren Niederschlag findet, hat selbstverständlich nichts mit der schon im 11. Plenum widerlegten Theorie zu tun, wonach der Faschismus im Zeitalter des Imperialismus zwangsläufig die Herrschaftsmethode der Bourgeoisie darstelle. Worum es sich handelt, das ist vielmehr die Klarstellung der Ursachen und Wurzeln der gegenwärtigen Faschisierung in einer Reihe der wichtigsten kapitalistischen Staaten.
Für Deutschland gilt auch heute noch, was wir angesichts der Aufrichtung der faschistischen Diktatur bereits auf dem Februar-Plenum unseres Zentralkomitees in den Mittelpunkt unserer Betrachtungen stellten: der Kampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat um den kapitalistischen oder revolutionären Ausweg aus der Krise tritt in ein verschärftes Stadium. Der Verlauf dieses Kampfes entscheidet über die weitere Entwicklung. Mit vollem Recht sagen die Thesen des 12. Plenums des EKKI über die Lage in Deutschland:
Die weitere Entwicklung oder der Zerfall dieser Diktatur (der faschistischen Papen-Schleicher-Herrschaft) hängt vom revolutionären Kampf der Arbeiterklasse gegen den Faschismus in allen seinen Formen ab.
Wir sehen z. B., daß in jenen Ländern wie Italien, Polen oder Jugoslawien, in denen die faschistische Diktatur vor der Weltwirtschaftskrise errichtet wurde, sich gegenwärtig unter dem Einfluß des zunehmenden revolutionären Aufschwungs der Massen Prozesse eines Zerfalls des Faschismus bemerkbar machen. In Deutschland können wir noch nicht von einem Zerfall des Faschismus sprechen.
Auch wenn die nationalsozialistische Bewegung aller Wahrscheinlichkeit nach ihren Höhepunkt überschritten hat, so bedeutet das allein noch keine Abschwächung der faschistischen Diktatur, denn wir haben ja bereits hervorgehoben, daß der Nationalsozialismus, die Hitler-Bewegung zwar die mächtigste faschistische Massenorganisation in Deutschland darstellt, aber doch eben nur einen Teil der faschistischen Front, der nicht einfach mit dem Faschismus überhaupt gleichgestellt werden darf. Man braucht nur in diesem Zusammenhang an die immer stärkere Rolle des Stahlhelm und der Deutschnationalen zu denken.
Trotzdem ist es selbstverständlich für unseren Kampf gegen den Faschismus sehr wichtig, daß wir uns die großen objektiven Möglichkeiten einer erfolgreichen Bekämpfung des Faschismus durch das deutsche Proletariat i- in vollem Umfang vergegenwärtigen.
Die faschistische Diktatur wird nicht in der Ära der Stabilisierung errichtet, sondern unter den Bedingungen der schärfsten Krise.
Während in Italien der Faschismus nach einer Niederlage des Proletariats zur Macht kam, stößt die faschistische Diktatur in Deutschland auf den sich immer stürmischer entfaltenden revolutionären Aufschwung der Massen.
Die bisherigen Länder der faschistischen Diktatur wie Polen, Italien, Jugoslawien, wie auch das Spanien Primo de Riveras, waren nicht annähernd so industrialisiert wie Deutschland mit seinem zahlenmäßig gewaltigen und seiner ganzen Entwicklung nach für den antifaschistischen Kampf gerüsteten Proletariat.
Auf die große Rolle der Kommunistischen Partei in Deutschland mit ihrer organisatorischen Stärke und ihrem revolutionären Erfahrungsschatz will ich nur kurz hinweisen.
Soviel ist jedenfalls klar: das deutsche Proletariat kann in die schweren und gewaltigen Klassenschlachten der nächsten Zukunft mit fester, kampfentschlossener Zuversicht, mit einer revolutionären Perspektive marschieren.
Und nun zur Frage des Verhältnisses von Faschismus und Sozialfaschismus. Die große Wichtigkeit einer richtigen Behandlung dieses Problems sowohl für unsere strategische Orientierung, wie für unsere konkrete Taktik in jeder einzelnen Situation liegt auf der Hand. Das 11. Plenum hat bezüglich des Verhältnisses von Faschismus und Sozialfaschismus einen Stoß gegen jede liberale Gegenüberstellung dieser beiden Stützen des kapitalistischen Systems geführt. Wir haben in Deutschland im Rahmen der ideologischen Offensive des Zentralkomitees gegenüber manchen abweichenden und unklaren Auffassungen die richtige Auffassung entsprechend der stalinschen Definition von den Zwillingen durchgesetzt. Man kann sagen, daß die gesamte politische Entwicklung in Deutschland im Verlauf der letzten Jahre geradezu einen anschaulichen Unterricht für die Richtigkeit dieser stalinschen These bilden, wonach Faschismus und Sozialfaschismus nicht Widersacher, sondern Zwillinge sind, die sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern einander ergänzen.
Wir hatten in der Politik der deutschen Bourgeoisie eine wechselseitige Ausnutzung der Sozialdemokratie und der Nationalsozialisten, wobei das Schwergewicht unter der Brüning-Regierung bei der SPD lag, während jetzt unter der Papen-Schleicher-Regierung hinsichtlich der Form, wie die beiden Stützen ausgenutzt werden, eine gewisse Veränderung eingetreten ist. Die Sozialdemokratie ist durch den Staatsstreich vom 20. Juli aus der Funktion einer offenen Regierungsteilnahme in erheblichem Maße verdrängt. Sie mimt vor den Massen eine scheinradikale Opposition gegen die Papen-Regierung. Aber das ist ebenso betrügerisch wie das Oppositionsgeschrei der Nationalsozialisten, ohne deren aktive Unterstützung die Papen-Regierung nicht ans Ruder hätte kommen können.
Nach wie vor bleibt die Sozialdemokratie die soziale Hauptstütze der Bourgeoisie. Ja, gerade gegenwärtig tritt die SPD zeitweilig seit dem 13. September viel offener als Tolerierungspartei des Kabinetts auf als die Nationalsozialisten. Bürgerliche Zeitungen in Deutschland und im Ausland haben z. B. hervorgehoben, wie sehr sich der Sozialdemokrat Lobe im Anschluß an die Reichstagsauflösung geradezu als “Retter” für die Papen-Regierung betätigte. Der Wahlkampf der SPD mit ihrer infamen Hetze gegen uns Kommunisten, die häufig sogar als der Hauptfeind bezeichnet werden, zeigt weiter diese Rolle des Sozialfaschismus.
Ich brauche nicht unsere Feststellungen über die SPD als Wegbereiterin der faschistischen Diktatur und über die Selbstentlarvung der SPD-Führer am 20. Juli zu wiederholen. Ich will hier nur auf ein Dokument hinweisen, das bei der jetzigen Verhandlung über den 20. Juli vor dem Staatsgerichtshof an die Öffentlichkeit kam. Ich meine den Brief Otto Brauns, des früheren preußischen Ministerpräsidenten, der von seinem Vertreter in Leipzig verlesen wurde. In diesem Brief heißt es:
Über zehn Jahre lang habe ich die Reichspolitik ohne Rücksicht auf die Zusammensetzung der Reichsregierung [...] unterstützt. [...] Und nun wie ein Dienstbote, der gestohlen hat und den man das Haus nicht mehr betreten läßt, aus dem Amt gejagt zu werden, ist bitter, und das um so mehr, als es auf die Anordnung eines Mannes geschieht, [...] der mir nicht zuletzt seine Wiederwahl zum Reichspräsidenten verdankt.
Diese Selbstentlarvung der SPD kann man höchstens noch mit dem bekannten Artikel des Herrn Goebbels vergleichen, wo er ganz offen eingestand, daß “auf dem breiten Rücken der Nazis” die feinen Leute aus dem Herrenklub ‑ damit ist die Papen-Schleicher-Regierung gemeint ‑ ans Ruder gekommen seien.
Für uns Kommunisten ist die richtige Beurteilung des Verhältnisses von Faschismus und Sozialdemokratie selbstverständlich von größter Bedeutung. Wir müssen trotz der Oppositionsmanöver der SPD in der Arbeiterschaft Verständnis für die Rolle der Sozialdemokratie als "gemäßigten Flügel des Faschismus", als "soziale Hauptstütze der Bourgeoisie" schaffen.
Wir wollen die proletarischen Massen in den Kampf gegen die Diktatur der Bourgeoisie führen, die heute immer schärfer in den Formen und in den Methoden einer faschistischen Diktatur ausgeübt wird. Können wir das etwa mit einer Abschwächung des Kampfes gegen die SPD, mit einer “Blockpolitik” gegenüber der SPD, mit einem “Neutralitätsabkommen” gegenüber den sozialfaschistischen Führern erreichen, wie es die “linken” Filialen des Sozialfaschismus, SAP und Brandleristen, oder vor allem der Konterrevolutionär Leo Trotzki den revolutionären Arbeitern vorschlagen?
Das ist unmöglich. Gerade um die Massen in den Kampf gegen die faschistische Diktatur führen zu können, müssen wir den Einfluß der SPD auf entscheidende Teile des Proletariats mit den größten Anstrengungen unsererseits zu brechen versuchen. Ohne den gleichzeitig schärfsten Kampf gegen die Sozialdemokratie kann es keine Einreihung der SPD-Arbeiter in die antifaschistische Kampffront und damit auch keinen erfolgreichen Kampf gegen die faschistische Diktatur und ihre Terrororganisation, den Hitler-Faschismus, geben.
Zu unserer täglichen Arbeit, in unserem nie erlahmenden Kampf gegen die SPD, müssen wir uns immer vor Augen halten, daß zwischen der SPD-Führung und den einfachen Mitgliedern, den Proleten dieser Partei, ein großer Unterschied besteht. Wir dürfen keine Gelegenheit vorübergehen lassen, um diesen unseren Klassengenossen unsere enge revolutionäre Verbundenheit und unseren stahlharten Willen zu zeigen, in gemeinsamer Front mit ihnen gegen Hunger und Lohnraub und gegen den Verrat der Bürokratie zu kämpfen.
Mit größtem Nachdruck weist das 12. Plenum auf die neue Rolle der sozialdemokratischen Betrugsmanöver hin, die vielseitiger und raffinierter werden, während der Masseneinfluß des Sozialfaschismus zurückgeht. Das 12. Plenum bestätigte die Orientierung bezüglich des Hauptstoßes in der Arbeiterklasse gegen die Sozialdemokratie. In den politischen Thesen des 12. Plenums heißt es ausdrücklich:
Nur wenn der Hauptschlag gegen die Sozialdemokratie, diese soziale Hauptstütze der Bourgeoisie, gerichtet wird, kann man den Hauptklassenfeind des Proletariats, die Bourgeoisie, mit Erfolg schlagen und zerschlagen.
Jede Tendenz einer Abschwächung unseres prinzipiellen Kampfes gegen die SPD-Führer oder einer liberalen Gegenüberstellung von Faschismus und Sozialfaschismus ist deshalb völlig unzulässig. Aber ebensowenig dürfen wir eine Gleichstellung dieser beiden Flügel des Faschismus zulassen, wie sie bei der Durchführung unserer richtigen Generallinie in der Praxis gelegentlich vorkam. Eine einfache schematische Gleichsetzung von Hitler und Severing, von Papen-Regierung und Brüning-Regierung, von Sozialdemokratie und Nationalsozialismus ist falsch und erschwert den Kampf sowohl gegen die Nazis wie gegen die SPD. Es heißt in der Resolution des 12. Plenums zu dieser Frage:
Der Faschismus sowie der Sozialfaschismus (Sozialdemokratismus) treten für die Aufrechterhaltung und Festigung des Kapitalismus, der bürgerlichen Diktatur ein, aber sie ziehen daraus verschiedene Schlußfolgerungen. Da die Lage der herrschenden Bourgeoisie eines jeden Landes gegenwärtig äußerst widerspruchsvoll ist und sie häufig nötigt, zwischen dem Kurs auf die entschlossene Entfesselung des Kampfes gegen ihre äußeren und inneren Feinde und einem vorsichtigeren Kurs zu lavieren, widerspiegelt sich dieser widerspruchsvolle Charakter auch in der Verschiedenheit der Haltung des Faschismus und des Sozialfaschismus.
Diese klaren Formulierungen geben uns nicht nur die Möglichkeit einer richtigen strategischen Orientierung, sondern bilden auch die Grundlage, auf der wir die Methoden unserer Taktik im Kampf gegen Nazis und SPD konkret entwickeln können.
Ich komme nun zu einer Hauptfrage im Zusammenhang mit den Ergebnissen des 12. Plenums, zur Frage des Kampfes um die politische Macht und die Rolle der Kommunistischen Partei. Genossen, ich habe versucht, bei der ganzen Erörterung über das 12. Plenum alle verschiedenartigen Probleme des Klassenkampfes stets in Verbindung mit dem sich gegenwärtig vollziehenden Übergang zu einer neuen Reihe von Revolutionen und Kriegen zu bringen. Das ist erst recht notwendig bei der Frage, wie wir das Problem der proletarischen Macht behandeln müssen.
Wir haben gesehen, daß wir in Deutschland noch keine revolutionäre Krise haben, sondern eine außerordentliche Beschleunigung des Heranreifens ihrer Voraussetzungen. Wir können das gegenwärtige Stadium in Deutschland als die Vorbereitungsperiode der proletarischen Macht bezeichnen. Mit anderen Worten: heute handelt es sich für uns darum, immer breitere Massen des Proletariats für den Kampf um die politische Macht Zusammenzuschweißen und durch die Erfahrungen der politischen und Wirtschaftlichen Tageskämpfe vom Teilstreik bis zu den höchsten Streikformen an die Positionen des Kampfes um die Macht heranzuführen. Und darüber hinaus gilt es, aus den übrigen werktätigen Schichten teils Verbündete für den Machtkampf der Arbeiterklasse zu gewinnen - ich denke hier an die armen Bauern und ländlichen Halbproletarier, an die Massen der unteren Angestellten und die ärmsten Schichten der Handwerker und Kleingewerbetreibenden-, teils ‑ wie die Mittelbauern und sonstigen Schichten ‑ möglichst weitgehend zu neutralisieren. Nun ist es klar, daß in dem Maße, wie diese Aufgaben immer brennender für uns werden, auch die Methode, wie wir die Frage des Endziels in unserer Agitation und Propaganda stellen, gleichfalls einen anderen Charakter annehmen muß. Es ist selbstverständlich, daß die Frage der proletarischen Staatsmacht von den Kommunisten in der Periode der Stabilisierung des Kapitalismus anders behandelt werden mußte als gegenwärtig. Gerade hier in Deutschland trifft das zu. Wir haben den niedergehenden Masseneinfluß der Sozialdemokratie, einen historischen Niedergang, der sich seit einer Reihe von Jahren vollzieht. Wir haben nach dem raschen Aufstieg der nationalsozialistischen Hitler-Bewegung, die mit ihrer Propaganda für das “Dritte Reich” größte Hoffnungen, vor allem bei den Mittelschichten, erweckt hat, auch in diesem Lager Stagnation und beginnenden Rückgang.
Die Sozialdemokratie, auf die die Massen in den Jahren nach 1918 ihre Hoffnungen setzten, hat breite Millionenschichten enttäuscht, heute setzt auch die erste Enttäuschung breiter Massen über die nicht eingelösten Versprechungen des Nationalsozialismus ein.
Was ergibt sich daraus? Eine Lage, in der für die Kommunistische Partei die größten Möglichkeiten, aber auch die größten Aufgaben heranreifen, diese von der SPD und von Hitler enttäuschten Massen aufzufangen, zu sammeln und in die revolutionäre Klassenarmee einzugliedern.
Darum tritt die Propaganda für die Eroberung der politischen Macht in ein ganz neues Stadium. SPD und Nazis schwätzen vom “Sozialismus”. Wir müssen die Massen für den Kampf um die Macht erziehen. Und dazu gehört neben den ausschlaggebenden Methoden unserer Massenpolitik auch die stärkere und konkretere Popularisierung der Herrschaft des Proletariats. So ist es kein Zufall, daß das 12. Plenum mit aller Schärfe als zentrale Hauptlosung für die KPD in diesem Sinne die Losung der Arbeiter- und Bauernrepublik festgestellt hat!
In diesem Zusammenhang einige Worte über die Rolle unserer Partei. Als mit dem Weltkrieg der erste Turnus der Kriege und Revolutionen begann, gab es nur eine bolschewistische Partei in der ganzen internationalen Arbeiterbewegung, die russische Sozialdemokratie unter Lenins Führung. In den Jahren von 1917 bis 1923 wurden zwar kommunistische Parteien gegründet, aber sie mußten erst ihre Kampferfahrungen sammeln.
Jetzt schreiben wir 1932. Wir haben eine große Kommunistische Weltpartei, die ideologische Stürme und Auseinandersetzungen überstanden hat. Wir haben die gigantischen Erfolge des sozialistischen Aufbaus, die Vollendung des ersten Fünfjahresplans in der Sowjetunion. Wir haben den Sieg der Sowjetrevolution auf einem großen Territorium in China. Und wir haben in Deutschland die KPD, die zweite Partei der Kommunistischen Internationale, die reiche Kampferfahrungen, feste Kaders und einen entschlossenen revolutionären Kampfwillen hat.
Wir werden mit ganz anderen Voraussetzungen in die zweite Welle der Revolutionen und Kriege eintreten, als dies 1914 oder auch 1917/18 der Fall war. Dieses Bewußtsein muß jeden Kommunisten mit Stolz und Siegeswillen erfüllen.
Wenn jeder Kommunist von diesem Kraftbewußtsein durchdrungen, eine revolutionäre Arbeit verrichtet, wenn die Kader unserer Partei mit vollem Bewußtsein des Triumphes und der Überlegenheit unserer Auffassungen gegenüber den bürgerlich-sozialdemokratischen Illusionen ihre Arbeit unter den Massen tun, dann wird sich die Anziehungskraft der Kommunistischen Partei rasch steigern und es wird uns leichter sein, die Massen zu Aktionen und Kämpfen zu sammeln und darüber hinaus auf den Kampf um die Eroberung der politischen Macht vorzubereiten.
Ich komme jetzt zu der wichtigsten Frage, mit der sich unsere Konferenz beschäftigen muß, zur Frage unserer Taktik, zur Frage unserer Massenpolitik.
Wie können wir die Massen an die Entscheidungskämpfe um die politische Macht heranführen? Mit den Methoden der Agitation und Propaganda? Es ist klar, daß die richtige Agitation und Propaganda, massenmäßig betrieben, auf der Basis der Betriebe und Stempelstellen, der Arbeiterviertel und Dörfer, eine riesige Rolle spielt und keineswegs unterschätzt werden darf. Aber Agitation und Propaganda allein, ohne eine praktische, konkrete Politik des Massenkampfes, der wirklichen Verteidigung der Tagesinteressen des Proletariats - das ist wie ein Wagen ohne Pferde, wie ein Automobil ohne Motor, damit kann man nicht die Welt erobern.
Ich betone: Nur in dem Maße, wie wir endgültig den Schritt von einer Partei der bloßen Agitation und Propaganda zur wirklichen bolschewistischen Kampfpartei vollziehen, - nur in dem Maße können wir wirklich .die Massen für den Kampf um die politische Macht erobern.
Wir haben in der Vergangenheit bis in die allerletzte Zeit auf diesem Gebiet die größten Schwächen zu verzeichnen gehabt. Eine Reihe von Notverordnungen der Bourgeoisie, die die schlimmsten Massenbelastungen brachten, gingen vorbei, ohne daß es uns gelang, einen wirklichen geschlossenen Massenwiderstand in Form von Streiks und Massenaktionen auszulösen. Der 20. Juli ist ein besonderes Beispiel. Mit vollem Recht wurde die KPD auf dem 12. Plenum unserer Weltpartei in ernster Weise kritisiert, weil es uns am 20. Juli durch eine Reihe von Faktoren nicht gelungen ist, unsere richtigen politischen Losungen in der Praxis zu verwirklichen. Daß es möglich ist, Kämpfe auszulösen, hat die jetzige Streikwelle aus Anlaß der September-Notverordnungen Papens bewiesen.
Heute bekommt diese Frage eine ganz besondere Bedeutung. Mit dem Ende der relativen Stabilisierung geht auch die Periode der sozialen Reformen zu Ende. Jeder Kampf, jede Aktion, jeder Teilstreik oder gar Massenstreik gegen die Kapitalsoffensive bedeutet damit in weit höherem Maße als früher eine Steigerung der Schwierigkeiten für den Kapitalismus, für die Bourgeoisie.
Das allein schon muß uns die außerordentliche Bedeutung aller Formen des proletarischen Widerstandes gegen die Kapitalsoffensive klar machen.
Aber noch eine zweite Frage: man kann zwar keinerlei Schema aufstellen, daß etwa politische Massenstreiks nur aus ökonomischen Streiks hervorwachsen oder nur im Anschluß an wirtschaftliche Streiks möglich sind. Aber man muß doch immer die enge Verflechtung der ökonomischen und politischen Kämpfe des Proletariats, die Lenin stets betont hat, ins Auge fassen. Und daraus kann man schlußfolgern: ohne die Erfahrungen einer ganzen Reihe von ökonomischen oder politischen Tageskämpfen, Teilstreiks, Massenstreiks bis zum Generalstreik ist es undenkbar, daß das Proletariat reif zur Aufrollung der Machtfrage wird.
Und ein Drittes: Jahrelang haben Sozialdemokratie und Bourgeoisie uns Kommunisten als die Partei einer bloßen Demonstrationspolitik, bloßer revolutionärer Zukunftsperspektiven verleumdet. Gegenwärtig bietet sich glänzender denn je zuvor die Möglichkeit, diesen Schwindel vor den Massen zu entlarven und die wirkliche Rolle unserer Partei aufzuzeigen.
Die Sozialdemokratie schwatzt vom Sozialismus. Die Nationalsozialisten führen sogar auch das Wort “Sozialismus” im Munde.
Wir aber, die Kommunisten, sagen den Massen: Jawohl, das kapitalistische System ist verfault und im Niedergang. Es muß verschwinden.
Jawohl, es gibt nur einen wirklichen Ausweg aus der Krise, nur eine wirkliche Rettung für die Massen aus Elend, Knechtschaft und Faschismus: das ist die volle Macht des Proletariats als Voraussetzung für den Sozialismus.
Jawohl, wir kämpfen dafür, daß das kapitalistische System beseitigt wird, daß das Proletariat die Macht erobert und den Sozialismus aufbaut.
Aber wir kämpfen auch für die Tagesinteressen der Arbeiterklasse. Wir kämpfen für die Verteidigung der Existenz der Betriebsarbeiter, der Erwerbslosen, Angestellten, unteren Beamten, der armen Bauern und des werktätigen Mittelstandes.
Heute, wo die SPD-Führer durch das Geschwätz vom “Sozialismus” die Massen von der Verteidigung ihrer Tagesinteressen, von den Kämpfen des proletarischen Alltags, von Streiks und Massenaktionen abhalten wollen, muß es uns erst recht gelingen, unsere Rolle als einzige Arbeiterpartei den Massen klarzumachen, und zwar nicht nur mit Worten, sondern vor allem durch die Tat, praktisch: indem wir die Kämpfe organisieren und zum Siege führen.
So gilt es, die KPD vor den Massen zu erweisen als Partei, die sowohl allein den revolutionären Ausweg aufzeigt und für die proletarische Diktatur und die sozialistische Zukunft der Arbeiterklasse kämpft, als auch allein die Tagesinteressen des Proletariats und der Werktätigen verficht.
Genossen, wir haben die größten, allergrößten Möglichkeiten für die entschlossene Anwendung einer solchen Massenpolitik, einer solchen Linie der Massenaktion und des Massenkampfes. Was zeigt sich in letzter Zeit in der Frage der Massenpolitik unserer Partei? Wir haben in den letzten Monaten in zwei Fragen einen großen Durchbruch, einen entscheidenden Fortschritt zu verzeichnen, den wir sehen müssen, ohne die noch immer vorhandenen Mängel und Schwächen zu verkleinern; zuerst durch die Antifaschistische Aktion einen großen Fortschritt in der Frage der Anwendung der Einheitsfrontpolitik von unten auf dem Gebiet des antifaschistischen Massenkampfes gegen den faschistischen Terror. Ich brauche über die große Bedeutung dieses Erfolges nicht viele Worte zu verlieren. Und dann in den letzten Wochen den Beginn eines Durchbruchs in der Frage der Wirtschaftskämpfe, die begonnene Streikwelle mit ihren Erfolgen für die revolutionäre Bewegung.
Diese beiden entscheidenden Schritte auf dem Wege der Wendung zur Massenpolitik, der Wendung zu einer bolschewistischen Kampfpolitik der Partei wären undenkbar, wenn wir nicht in einer entscheidenden Frage Hemmungen aus der Vergangenheit überwunden und die Offensive ergriffen hätten: in der Frage der Einheitsfronttaktik!
Wir haben auch in der Vergangenheit Agitation für Streikkämpfe getrieben, wie jetzt nach der September-Notverordnung.
Aber damals konnten wir mit unseren Losungen nur verhältnismäßig kleinere Massen in Bewegung setzen, sowohl beim Massenselbstschutz wie auch erst recht in der Frage der Wirtschaftskämpfe.
Warum hatten wir jetzt einen stärkeren, wuchtigeren Erfolg mit unseren Losungen?
Einmal sind die objektiven Verhältnisse für die Verstärkung des Klassenkampfes selbstverständlich günstiger geworden. Der Grad der Ausbeutung, der Ausplünderung der Massen bis aufs letzte ist gestiegen. Der faschistische Terror hat besonders blutige Formen angenommen.
Aber diese günstigen objektiven Voraussetzungen allein erklären unsere wachsenden Erfolge nicht. Hier ist noch eine andere, für uns wichtigere Ursache. Und das ist die Tatsache, daß es uns gelungen ist, die vom Februarplenum des ZK geforderte Wendung zu einer wirklichen Massenpolitik, zu einer Politik der Führung der Kämpfe und Aktionen der Massen unter breitester Entfaltung der Einheitsfrontpolitik von unten erfolgreich in Angriff zu nehmen. Das ist es, was wir unterstreichen müssen, ohne irgendwie in Schönfärberei oder Selbstgenügsamkeit zu fallen.
So große Möglichkeiten für die Steigerung der mächtigen Welle des proletarischen Widerstandes durch unsere revolutionäre Massenpolitik wie gegenwärtig waren selten vorhanden. Nehmen wir den Umfang der Streikbewegungen gegen Notverordnung und Lohnabbau in der Zeit vom 16. September bis 13. Oktober. Von der RGO sind 447 Streiks in dieser Zeit registriert worden. Davon wurden mit vollem Erfolg 228 beendet, mit Teilerfolgen 16, ohne Erfolg 30, mit unbekanntem Ausgang 173. In Wirklichkeit ist die Zahl der erfolgreichen Streiks weit größer. Ein bürgerliches Berliner Mittagsblatt spricht sogar davon, daß 80 Prozent aller Streiks erfolgreich verliefen.
Bei diesen Streiks ist interessant, daß die Mehrzahl in Metallbetrieben stattgefunden hat, danach in Textilbetrieben und dann in der Bauindustrie. Bezeichnend ist, daß sich unter den Streiks keine Bergarbeiterstreiks befunden haben.
Die große Anzahl der Streiks in den Metallbetrieben erklärt sich aus dem starken Lohnabbau bei den qualifizierten Arbeitern, der Radikalisierung der organisierten Arbeiter und der Tatsache, daß die reformistische Bürokratie unter dem Massendruck manövrieren mußte und manche Streiks sanktionierte, um nach Möglichkeit die Führung an sich zu reißen. In den Bergbaubetrieben ging das Unternehmertum zu der Taktik über, meistens die Tarife zu verlängern. Nur an relativ wenigen Stellen wurde mit dem Lohnraub auf Grund der Notverordnung begonnen. Die Ursachen dafür sind, daß die Bergarbeiter bisher am schnellsten und heftigsten auf Lohnraub durch Streik geantwortet haben, daß Streiks im Bergbau das Signal für andere Industriegruppen abgeben könnten und die Bourgeoisie erst die anderen Industriegruppen “erledigen” wollte, um dann an die Kumpels heranzugehen.
Bei der Betrachtung der Größe der bestreikten Betriebe ergibt sich nach einer Erhebung, daß es sich bei rund 60 Prozent um Kleinbetriebe und kleinere Mittelbetriebe, bei etwa 30 Prozent um größere Mittelbetriebe und bei knapp 10 Prozent der bestreikten Betriebe um Großbetriebe handelt. Unsere entscheidenden Schwächen sind demnach immer noch in den Großbetrieben, den wichtigsten Schlüsselpunkten der kapitalistischen Produktion, vorhanden.
Worin bestehen die wichtigsten Merkmale der Methoden des Unternehmerangriffs?
Einmal in dem Versuch, die Kampffront zu zersetzen, indem man das Proletariat spaltet und Erwerbslose und Betriebsarbeiter gegeneinander auszuspielen versucht.
Zweitens in dem Versuch, die Belegschaft selbst durch “abteilungsweisen Lohnabbau” zu zersetzen, bei dem unter Umständen auch nur einige Gruppen betroffen werden. Im Betrieb Phoenix (Düsseldorf), der aus sechs geschlossenen Abteilungen besteht, konzentrierte sich die Direktion z. B. auf die wichtigste Abteilung, das Röhrenwerk 3, und stieß in dieser Abteilung wieder gegen eine besondere Arbeitergruppe vor.
Eine dritte Methode sehen wir bei der Miag in Braunschweig. Dort wartet die Firma mit dem Lohnabbau auf Grund der Notverordnung und beginnt mit dem Abbau der Akkorde.
Im vierten Falle beginnen die Unternehmer mit der Herabsetzung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich, um dann den Notverordnungslohnraub durchzuführen. Diesen Weg hat Mannesmann in Düsseldorf eingeleitet, neuerdings auch Krupp in Essen und die Conti-Werke in Hannover.
Aus allen diesen Beispielen ergibt sich, daß die Unternehmer nicht einheitlich, sondern differenziert vorstoßen und daß das Problem der Spaltung und Zersetzung der Arbeiterfront eine größere Rolle als früher spielt.
An erster Stelle in den Streikaktionen gegen den Notverordnungslohnabbau standen unsere Bezirke Hamburg und Niederrhein. Die Streiks sind hier nicht vom Himmel gefallen, sondern die Frucht einer systematischen Streikvorbereitung.
Überall sehen wir eine mutige Beteiligung der Erwerbslosen an der Formierung des Streikschutzes, an der Sammelaktion und der Streikagitation. In keinem einzigen Falle wurden die Erwerbslosen zu Streikbrechern.
Wo wir eine gute Einheitsfronttaktik anwendeten, drangen wir nicht nur in die Schichten der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter, sondern auch in die Reihen der Naziproleten ein. So waren z. B. in der Schuhfabrik Pannier am Niederrhein, einem Betrieb mit etwa 180 Mann Belegschaft, vorwiegend Nazis beschäftigt. Bei Streikausbruch besaßen wir noch keine Positionen. Aber durch Masseneinsatz von außen her eroberten wir die Streikführung. Im Verlauf des Streiks sind 17 Arbeiter und Arbeiterinnen der RGO beigetreten.
Im Textilbetrieb Peltzer, Gladbach, einem Betrieb mit 190 Mann und vorwiegend christlich organisierter Belegschaft, ist es uns gelungen, den Streik unter Führung der RGO auszulösen. Jugendliche Arbeiterinnen, Mitglieder der Jungfrauenkongregationen, sammeln auf den Listen der IAH und schließen untereinander Wettbewerbe ab. Der Kampf wird nach fünf Tagen siegreich beendet. Ein Masseneintritt in die RGO setzt ein. Allein in der Versammlung bei Abschluß des Streiks sind 58 Eintritte in die RGO zu verzeichnen, darunter Kollegen, die 10 bis 15 Jahre im christlichen Verband organisiert sind.
Wie glänzend stellenweise im Bezirk Niederrhein die Solidaritätsaktion durchgeführt wurde, das zeigte sich beim Streik des Betriebes Wippermann in Hagen. Am ersten Landsonntag rückten zur Unterstützung dieses Betriebes allein 100 Gruppen größtenteils mit Handwagen aus, die bei den Bauern 65 Zentner Kartoffeln, 6 Zentner Gemüse, Körbe voll Brot und zentnerweise Äpfel sammelten. Der Streik wurde zu einem Durchbruch auch in den Landgegenden.
Die Streikwelle im Hamburger Gebiet hat ebenfalls hauptsächlich beim Streik der Hochbahner, Straßenbahner usw. zu einer mächtigen Verstärkung unseres Einflusses geführt. Das Monopol der Reformisten in der Hamburger Hoch- und Straßenbahn ist durchbrochen. Während die RGO bei der letzten Betriebsratswahl nur knapp 300 Stimmen erhalten hat, haben bis zum zweiten Tag nach dem Streikverrat der Reformisten bereits 180 Straßenbahner und Hochbahner, davon die Mehrzahl freigewerkschaftlich organisierte Kollegen, ihren Eintritt in die RGO vollzogen.
Ein schlechtes Beispiel bildet das Verhalten unserer Genossen beim Streik der Schuharbeiter in Weißenfels. Am 17. September wurde die Papen-Notverordnung mit der Lohnabbauankündigung in den meisten Weißenfelser Schuhbetrieben ausgehängt. Auf der Betriebsrätekonferenz am 19. September nahm kein oppositioneller Redner das Wort. Erst nachdem am 20. September die Belegschaft einer Firma bereits den Streik beschlossen hatte, nimmt unser Parteiorgan zum erstenmal am 21. September zum Lohnraubfeldzug in den Weißenfelser Schuhbetrieben Stellung.
Es folgen weitere Streikbeschlüsse, aber die Partei und RGO konzentriert nicht ihre Kräfte auf diese Betriebe, sondern organisiert erst für den 23. September eine ‑ öffentliche Versammlung. In einer allgemeinen, von der Bürokratie einberufenen Streikversammlung am 27. September treten weder die Opposition, noch der anwesende Bezirksleiter der RGO von Halle-Merseburg gegen die scheinradikalen Phrasen der Gewerkschaftsbürokratie auf. Wie nachlässig unser Parteiblatt, der "Klassenkampf", die Streikfragen behandelte, geht daraus hervor, daß die Zeitung noch nach Beendigung des Streiks einen Aufruf zur "Verbreiterung der Streikfront" veröffentlichte.
Welche allgemeinen Schwächen zeigten sich überhaupt bei den letzten Streiks? Einmal setzen unsere Genossen in der Kampfmobilisierung erst dann ein, wenn der Unternehmer bereits durch Anschlag den Lohnraub bekanntgibt.
In der innergewerkschaftlichen Vorbereitung der Streikaktionen herrscht nach wie vor eine außerordentliche Schwäche.
Die Tendenzen des rechten Opportunismus treten verstärkt in Erscheinung. Rote Betriebsräte weigern sich, gelegentlich, offen gegen die Notverordnung aufzutreten, sind oft legalistisch eingestellt, indem sie die Schiedssprüche anerkennen, oder machen statt einer Entlarvung der Reformisten, um den “Frieden nicht zu stören”, Blockpolitik mit den Reformisten.
Vielfach ist auch das führende Gesicht unserer RGO und der roten Verbände nicht genügend zu sehen.
Vor allem aber ließ sich in nahezu allen Kampfbewegungen eine starke Unterschätzung der “linken” Manöver der Sozialdemokraten und des ADGB von Seiten unserer Genossen beobachten. Beispiele hierfür gibt es in Fülle. Ich nenne den Betrieb Alexanderwerk in Remscheid, Wippermann in Hagen, den Industrieverlag in Düsseldorf und andere mehr, in denen es der reformistischen Bürokratie gelang, durch scheinbares Eintreten für die Streikfront die Führung an sich zu reißen und den Streik abzuwürgen.
Nun einige Worte zur politischen Bedeutung der ganzen Streikwelle. Ich will dabei nur die wichtigsten Faktoren andeuten:
1. Es ist uns zum erstenmal gelungen, eine wirkliche breite Kampfwelle gegen die Durchführung einer Notverordnung der Bourgeoisie zu entfesseln und damit die Durchführung eines ziemlich umfassenden Programms des Finanzkapitals zunächst zu einem großen Teil zu verhindern.
2. Seit langer Zeit ist sich die Arbeiterklasse zum erstenmal wieder ihrer gewaltigen Kraft bewußt geworden. Die reformistische Ideologie, wonach man in der Krise keinen Streik führen kann, wonach die Erwerbslosen eine Streikbrecherrolle spielen und gegen den mit Notverordnungen diktierten Lohnabbau nicht gekämpft werden dürfe, ist durch die Praxis widerlegt.
3. Breite Massen haben zum erstenmal praktisch erkannt, daß Erfolge nur im Kampf errungen werden können, wie es die Kommunisten und die RGO stets gesagt haben.
4. Die Rolle der Reformisten und der SPD-Führer kam in verstärktem Maße zum Ausdruck. Ihre neuen demagogischen Betrugsmanöver zur Verschleierung ihrer streikbrecherischen Politik kennzeichnen die höhere Phase der Faschisierung der SPD. Die Vielseitigkeit ihrer Betrugsmethoden hat sich erhöht.
Welche Konsequenzen ergeben sich aus alledem für unsere RGO-Arbeit? Ich will auch hier nur die wichtigsten Punkte in aller Kürze aufzählen:
1. Die RGO und die roten Verbände müssen zu wirklichen Massenkampforganisationen werden. In allen RGO-Gruppen gilt es, eine wirkliche kollektive Zusammenarbeit zu schaffen.
2. Die proletarische Demokratie muß in der revolutionären Gewerkschaftsbewegung in stärkstem Maße ausgebaut werden.
3. Es gilt, neue Kaders parteiloser und gewerkschaftlich organisierter Arbeiter heranzuziehen.
4. In jeder Gewerkschaftseinheit, im Betrieb und am Ort, muß eine Oppositionsgruppe geschaffen werden.
5. Vor allem aber gilt es, die wirkliche Konzentration auf die innergewerkschaftliche Arbeit durchzuführen, wobei es nicht genügt, die reformistischen und christlichen Organisationen von außen zu berennen, sondern der Kampf um jede wählbare Position der Gewerkschaftsorganisationen geführt werden muß. In den reformistischen und christlichen Verbänden gilt es, die Forderung nach proletarischer Demokratie zu erheben.
In der Frage des Streiks müssen wir, wenn die reformistische Bürokratie Urabstimmungen veranstaltet, in der Regel ‑ obwohl es kein allgemeines Schema geben kann ‑ daran teilnehmen. Das wichtigste aber ist, stets und gerade in diesen Situationen verstärkt die selbständige revolutionäre Vorbereitung und Auslösung von Kämpfen in Angriff zu nehmen. Vor allem müssen wir unter der freigewerkschaftlichen Mitgliedschaft die im Streikkampf erzielten materiellen Erfolge popularisieren und zur weiteren Radikalisierung der organisierten Arbeiterschaft ausnutzen.
Aber auch für die Arbeit unserer Betriebszellen sind bestimmte Schlußfolgerungen notwendig. Worauf kommt es an?
1. Auf das schnelle, selbständige Reagieren, wie es vor allem anläßlich des 20. Juli keineswegs in den Einheiten der Partei vorhanden war.
2. Die Betriebszelle muß das politische Zentrum der Betriebsarbeit werden.
3. Es darf in unserer Zellenarbeit keine Abgeschlossenheit geben, kein Kommandieren, sondern kollektive Arbeitsweise, die den übrigen Arbeitern hilft, die wirklich die Einheitsfronttaktik anwendet, die Belegschaft politisch belebt und so Erfolge erzielt.
4. In der Werbearbeit der Partei muß entschlossen der Kurs auf die Betriebsarbeiter genommen werden. Der Anteil der Betriebsarbeiter geht in der Partei in ernstester Weise zurück. Die Zeichen über diese Frage sind ein direktes Warnungssignal für uns. Wie können wir die Mehrheit der Arbeiterklasse gewinnen, wie wollen wir als möglicherweise illegale Partei unsere Aufgaben meistern, wie können wir den politischen Generalstreik gegen die faschistische Diktatur organisieren, wenn die entscheidenden Kader unserer Partei nicht in den Betrieben stehen?
Ich verweise hier auf das Beispiel unserer polnischen Bruderpartei, die seit vielen Jahren illegal ist, aber dank ihrer guten Betriebsarbeit fest in den Massen verankert ist und ihren Vormarsch ununterbrochen fortsetzt. Etwa 40 Prozent unserer polnischen Genossen stehen im Betrieb. Auf dem Februarplenum unseres Zentralkomitees beschlossen wir eine großzügige Wendung in der Frage der Betriebsarbeit. Diesen damaligen Beschluß gilt es restlos durchzuführen.
Wenn wir die ganze Streikkampagne mit ihren Erfolgen und Schwächen überprüfen, was müssen wir dann für Schlußfolgerungen aus dieser Entwicklung ziehen? Die ganze Partei von der Spitze bis zur unteren Einheit muß zu einem beweglichen bolschewistischen Angriffsfaktor werden. Unsere Partei ist zwar in politischer Hinsicht manövrierfähig, aber in der Durchführung ihrer Politik eine viel zu schwerfällige Maschine. Um die Manöver aller Klassenfeinde schnell und entschlossen durch unsere kühne Initiative zunichte zu machen, ist es notwendig, daß die Partei selbst die größte ideologische Klarheit und Geschlossenheit, das Höchstmaß an revolutionärer Festigkeit besitzt. Es erwies sich, daß die Partei im Rahmen ihres allgemeinen Vormarsches im letzten Jahr vorübergehend durch eine geschickte Taktik der Bourgeoisie in eine Lage geriet, in der sich nicht zuletzt durch bestimmte Mängel, Schwächen und Abweichungen in unserer Politik von den Massen zeigte. Es gab in diesem Augenblick sogar Genossen in der Partei, wie den Genossen Heinz Neumann und seine Gruppe, die nicht nur durch ihre politischen Fehler und Abweichungen die größte Verantwortung für die Schwächen und das Zurückbleiben der Partei trugen, sondern obendrein die Schwierigkeiten der Partei für ihre Zwecke auszunutzen versuchten.
Die Erfahrungen der deutschen Partei im Laufe des vergangenen Jahres sind von großer Bedeutung für die Zukunft. Wenn wir wirkliche Bolschewiki werden wollen, müssen wir uns abgewöhnen, den Weg der Revolution als eine so einfache, leichte Angelegenheit, ohne Schwierigkeiten und Rückschläge zu betrachten, wie das manchmal in unseren Reihen der Fall war. Lenin hat zu dieser Frage im August 1918 in seinem "Brief an die amerikanischen Arbeiter" einige Sätze geprägt, die sich jeder Revolutionär hinter die Ohren schreiben müßte:
Die historische Tätigkeit ist nicht das Trottoir des Newski-Prospekts, sagte der große russische Revolutionär Tschernyschewski. Wer die Revolution des Proletariats nur “unter der Bedingung” “akzeptiert”, daß sie leicht vonstatten gehe, daß die Proletarier verschiedener Länder sofort mit einer vereinten Aktion beginnen, daß von vornherein eine Garantie gegen Niederlagen gegeben, daß der Weg der Revolution breit, frei und gerade sei, daß man auf dem Wege zum Siege nicht zeitweise schwerste Opfer bringen, nicht “in einer belagerten Festung ausharren” oder nicht die schmälsten, ungangbarsten, gewundensten und gefährlichsten Bergpfade erklimmen müsse ‑ der ist kein Revolutionär, der hat sich nicht frei gemacht von der Pedanterie der bürgerlichen Intelligenz. [...][3]
Was Lenin hier über die Schwierigkeiten auf dem Weg zur proletarischen Revolution sagt, hat für uns nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der Zukunft große Bedeutung. Obwohl wir es nicht wünschen, kann man doch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit voraussehen, daß die Partei auch in der vor uns liegenden Periode nicht einfach von Erfolg zu Erfolg marschieren wird, sondern auch gelegentliche Niederlagen vorübergehend in Kauf nehmen muß.
Darf uns das erschrecken? Niemals! Wenn wir unsere Partei auf dem Wege der Bolschewisierung zu einem höheren Reifegrad, zu einer stählernen Festigkeit führen, dann werden wir imstande sein, über alle diese Windungen und Zickzackbewegungen, denen der Aufstieg des revolutionären Proletariats bis zum vollen Siege unterworfen ist, ohne innere Schwierigkeit hinwegzukommen. Und weil wir das sehen, Genossen, weil wir uns darüber klar sind, daß angesichts unserer revolutionären Perspektive die KPD immer härteren Bedingungen des Klassenkampfes entgegengeht, so müssen wir verstehen, daß das, was in innerparteilicher Hinsicht hinter uns liegt, unser notwendiger Kampf gegen die desorganisierende Tätigkeit der Gruppe Neumann, zugleich die innere Festigung und die Herausbildung der Front für diese kommenden Kämpfe bedeutete.
Um welche politischen Abweichungen von der Linie der Partei handelt es sich bei der Gruppe Neumann? Ich will kurz die Hauptpunkte skizzieren:
Erstens die Frage unseres Kampfes gegen die SPD. Auf diesem Gebiet zeigte sich besonders deutlich der Charakter der Neumann-Gruppe als einer prinzipienlosen Opposition. Ihre Hauptlinie sind Fehler einer linkssektiererischen Haltung gegenüber den sozialdemokratischen Arbeitern. Der Kampf für die lebendige Anwendung der Einheitsfronttaktik von unten, wie er seitens der Parteiführung seit langem geführt wird, wurde durch den Genossen Heinz Neumann als “Nachlaufen hinter den sozial- demokratischen Arbeitern” bezeichnet. Er wandte sich sogar gegen solche Formulierungen wie die, daß wir den sozialdemokratischen Arbeitern unsere Bruderhand reichen. Er versuchte, die Losung der Einheitsfront durch die Formulierung rote Arbeiterfront zu ersetzen, obwohl er ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht wurde, daß das einen Verzicht auf den Einheitswillen der Arbeiterschaft und eine Verengung unserer Massenpolitik darstelle.
Die gleiche sektiererische Haltung nahm Genosse Neumann in der Frage der innergewerkschaftlichen Arbeit ein. Seine Vorschläge und Formulierungen im August vorigen Jahres hätten die Tendenzen des Hinauslaufens aus den Gewerkschaften außerordentlich verstärkt und jede Verbesserung der innergewerkschaftlichen Arbeit unmöglich gemacht, wenn diese Politik nicht im Polbüro abgelehnt worden wäre.
Diesen sektiererischen Fehlern in der Frage der Einheitsfronttaktik und innergewerkschaftlichen Arbeit standen auf der anderen Seite rechtsopportunistische Entgleisungen gegenüber. Ich erinnere an die Vorrede der "Roten Fahne" zu dem bekannten Brief des Genossen Stalin. Diese Vorrede enthielt sowohl bezüglich der SAPD wie des Trotzkismus schwere opportunistische Fehler, für die Genosse Neumann die Verantwortung trug. Ähnliche rechte Fehler gab es bei ihm in der Frage der Volksrevolution, wo er die falsche Losung des “Dreibunds der Werktätigen”[4] aufstellte, die eine völlige Unterschätzung der proletarischen Hegemonie, der Klassenrolle des Proletariats zeigte.
Das zweite Hauptgebiet ist die falsche Politik Neumanns gegenüber dem Nationalsozialismus und in der Frage des Faschismus überhaupt. Wenn wir in der deutschen Partei lange Zeit hindurch der nationalsozialistischen Welle und daraus herrührend eine bestimmte Vernachlässigung zu verzeichnen hatten[5], so hat Genosse Neumann diesen Kurs beeinflußt. Er war es, der bei den Reichstagswahlen vom 14. September 1930[6] die falsche These aufstellte, dieser Tag sei “Hitlers bester Tag” gewesen und stelle den Höhepunkt der Nazibewegung dar. Am 25. Mai vorigen Jahres erklärte Genosse Neumann:
Was die Nazis anbetrifft, so bin ich, wie schon dargelegt, entschiedener Gegner jeder Revision unserer richtigen Einschätzung vom 11. Plenum. Weder die lokalen Oldenburger Wahlen noch evtl. zu erwartende quantitative Gewinne in den Preußenwahlen können die Tatsache aus der Welt schaffen, daß die ursprüngliche Stoßkraft der Nazibewegung, die Wucht ihrer Massenwirkung, vor allem ihr zeitweiser lähmender Einfluß auf Teile des Proletariats, SPD-Arbeiter und zu uns neigendes Kleinbürgertum im Rückgang oder bereits gebrochen ist. [...] Wem Oldenburg in den Kopf gestiegen ist, der ist kein Politiker, sondern ein Spießbürger, ein Bauch voll Stimmungen. Wir haben einen Niedergang des Faschismus, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa.
Aber auch in der praktischen Politik gegenüber den Nationalsozialisten verteidigte Genosse Neumann die falsche Losung "Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft!" und versuchte dadurch unseren Kampf gegen den Hitler-Faschismus zu erschweren. Genosse Neumanns Einstellung erschwerte auch unseren Kampf gegen die von der Bourgeoisie vielfach bewußt provozierten gelegentlichen Tendenzen des individuellen Terrors in der Arbeiterschaft.
Große Verwirrung richtete Neumann in der Frage der faschistischen Diktatur an. Als im Dezember 1930, also vor ungefähr zwei Jahren, die Brüning-Regierung zu verschärften Methoden der Notverordnungspolitik überging, stellte Genosse Neumann in der "Roten Fahne" die überspitzte These auf, die Brüning-Regierung sei damit die faschistische Diktatur. Die Partei habe also nicht mehr um die Verhinderung der faschistischen Diktatur, sondern nur noch um ihren Sturz zu kämpfen. In dieser überspitzten Formulierung drückt sich lediglich die vom 11. Plenum zurückgewiesene Theorie von der faschistischen Diktatur als “Sprungbrett für die Revolution” aus. Im Frühjahr dieses Jahres traten bekanntlich bei gewissen Schichten der verzweifelten Erwerbslosen massenmäßige Stimmungen auf, man müsse Hitler an die Macht bringen, um dadurch die Revolutionäre Krise zu beschleunigen. Das wurde durch die SPD-Führer mit ihrem Gerede vom “Ranlassen Hitlers, damit er abwirtschafte”, noch gefördert. Es ist klar, Genossen, daß die Partei durch solche falschen Formulierungen und Theorien über den Faschismus als “Sprungbrett der Revolution”, wie sie Genosse Neumann im Dezember 1930 durch seine überspitzten Formulierungen über die Brüning-Regierung und später noch ziemlich offen im Jugendverband zum Ausdruck brachte, in ihrem Kampf zur Überwindung der gefährlichen Erwerbslosenstimmungen dieses Frühjahrs gehemmt wurde.
Die dritte Hauptfrage der Abweichungen der Neumann-Gruppe von der bolschewistischen Linie betrifft ihre Schönfärberei und ihren Kampf gegen die bolschewistische Selbstkritik. Ich will nur noch ganz kurz einiges zur Gruppenarbeit des Genossen Neumann und einiger anderer Genossen sagen: Genosse Neumann schlug in dieser Frage eine Linie ein, die faktisch auf ein Sichverstecken hinter den objektiven Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Lage der Partei hinauslief, während die Gruppe z. B. auf dem Februarplenum und nachher zur Beschönigung der Fehler in verschiedenen literarischen Erzeugnissen einiger Genossen, die im Referat kritisiert wurden, ein geradezu familienhaftes Spießertum entwickelte.
Angesichts der vollkommenen, unerschütterlichen Einheit, der ideologischen Reife und Festigkeit unserer Partei und des Zentralkomitees waren alle diese Versuche von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wir mußten Neumanns Abweichungen politisch bekämpfen, wie wir es mit der ideologischen Offensive des Zentralkomitees seit Jahresfrist getan haben, aber wir brauchten die Partei nicht in ihrer Arbeit durch eine große Parteidiskussion zu stören, weil die Gruppe Neumann stets eine kleine, verschwindend kleine Gruppe war ‑ nicht nur Offiziere ohne Soldaten, sondern sogar ohne Unteroffiziere. Uns kam es vor allem darauf an, ideologische Klarheit zu schaffen und damit die falschen Auffassungen und Abweichungen Neumanns restlos zu isolieren. Das ist gelungen. Schon in den Beschlüssen des Februarplenums gab es u.a. folgende Formulierungen:
Die Bedeutung der ideologischen Offensive innerhalb der Partei für die praktische revolutionäre Massenarbeit wird durch das stärkere Auftauchen rechtsopportunistischer Abweichungen und Fehler als Hauptgefahr, sowie ‚linker’ sektiererischer Gefahren in der Partei besonders unterstrichen. Gegen diese Abweichungen und Fehler gilt es, das Feuer der offenen bolschewistischen Selbstkritik zu entfachen. Jeder Versuch zur Abschwächung der Selbstkritik wäre ein Schlag gegen die Bolschewisierung der KPD. Alle kleinbürgerlichen Versuche zur Schönfärberei und Vertuschung von Schwächen gegenüber der Komintern und dem Zentralkomitee, zur Zweideutigkeit und doppelten Buchführung, zur Anerkennung der Politik der Partei und ihrer Führung mit Worten, aber Nichtdurchführung der Beschlüsse und Nichtunterstützung der Führung in der Praxis, müssen aufs schärfste bekämpft und überwunden werden.
Solche Formulierungen wurden in den Beschlüssen des Februarplenums naturgemäß nicht ohne Grund gewählt. Sie richteten sich, ebenso wie andere Formulierungen in der Frage der Einheitsfronttaktik, des Hitler-Faschismus und des Kampfes gegen die “linken” Filialen des Sozialfaschismus, schon damals gegen bestimmte Fehler und Abweichungen des Genossen Heinz Neumann. Jetzt, nachdem die politischen Fragen alle geklärt sind, Neumann und einige Genossen jedoch zu den Methoden der Gruppenarbeit übergegangen sind, mußte der notwendige Kampf gegen diese prinzipienlose Opposition abgeschlossen werden. In diesem Kampf hatte die Parteiführung stets die volle bolschewistische Unterstützung der Kommunistischen Internationale, des EKKI.
Mit der Überwindung der falschen Auffassungen und Tendenzen der Neumann-Gruppe hat die Partei den Weg für ihren neuen erfolgreichen Vormarsch freigemacht. Schon die ersten Erfolge auf diesem Gebiet mit der Antifaschistischen Aktion und den neuen Streikkämpfen sind zu einem guten Teil der Tatsache zu verdanken, daß die Partei den falschen, sektiererischen und opportunistischen Abweichungen des Genossen Neumann entschlossen zu Leibe ging. War in den ersten Wochen nach dem Februarplenum des Zentralkomitees die Gruppe Neumann ein gewisses Hindernis für die Durchführung der Beschlüsse des Februarplenums, so ist jetzt der Weg frei, um unsere Wendung zur entschlossenen Massen- und Kampfpolitik rückhaltlos und entschieden weiter zu vollziehen. Darum brauchen wir auf der Parteikonferenz wie auf den kommenden Bezirksparteitagen keine überflüssigen Erörterungen über die verderbliche Handlungsweise des Genossen Neumann und einiger anderer Genossen zu betreiben, sondern müssen lediglich im Interesse der Bolschewisierung unserer Kaders die politischen und ideologischen Probleme zur Verbesserung unserer Parteiarbeit in den Vordergrund rücken.
Genossen, ich komme zum Schluß. Ich will kurz zusammenfassen, Welches die wichtigsten, dringlichsten, unaufschiebbaren Aufgaben der Partei sind. Das 12. Plenum hat uns als KPD zur zentralen Aufgabe gemacht, die Massen auf die Durchführung des politischen Generalstreiks gegen die faschistische Diktatur vorzubereiten. Auf welchem Wege kann das geschehen? Ich will versuchen, die Gesamtheit unserer konkreten Aufgaben in einigen Punkten zusammenzufassen:
1. Konzentration unserer Arbeit auf die Betriebe, Verbesserung und Konkretisierung unserer Betriebsarbeit. Die Betriebszellen müssen tatsächlich zu den wichtigsten Organen gemacht werden, die die Hauptträger aller Kampagnen der Partei sind. Die Betriebszelle muß in den Mittelpunkt unserer Parteiarbeit und unseres Parteilebens treten. Im Betrieb gilt es, die Anwendung der Einheitsfronttaktik von unten zur wirklichen Sammlung der Belegschaft, zu einheitlichen Kampfhandlungen zu konkretisieren. Wir müssen die Belegschaft zum gemeinsamen Handeln erziehen und durch eine systematische Anwendung der Einheitsfronttaktik im Betrieb, von der Beschlußfassung über Protestresolutionen bis zum Streik die kämpfende Einheitsfront schmieden. Der politische Inhalt unserer Betriebsarbeit muß in den Dienst der konkreten Kampfmobilisierung treten. Nicht mechanische Streikparolen, sondern konkrete Ausnutzung des in jedem Betrieb vorhandenen Konfliktstoffs für die Mobilisierung der Arbeiter, Schaffung des revolutionären Vertrauensleutekörpers im Betrieb und Einführung der Methode der parteilosen Beratungen, um die Schlagfertigkeit der Zelle im Betrieb zu sichern. Enge Verbindung der Arbeit der Betriebszellen mit allen übrigen Zweigen der revolutionären Arbeit. Das sind die wichtigsten Gesichtspunkte für die notwendige entschlossene Hebung unserer Betriebsarbeit.
2. Mächtige Belebung unserer Erwerbslosenarbeit. Angesichts des ungeheuer anwachsenden Elends der Erwerbslosen, der immer größeren Millionenmasse von Erwerbslosen, die überhaupt keine Unterstützung mehr beziehen, müssen wir verstehen, den Zündstoff, der in der Millionenmasse der Arbeitslosen für die Auslösung von Massenaktionen und für die allgemeine Steigerung des Massenkampfes gegen Kapitalsdiktatur und Faschismus vorhanden ist, zur Entzündung zu bringen. Es genügt nicht, den Erwerbslosen zu sagen, daß sie Solidarität mit den Betriebsarbeitern üben sollen. Wir müssen ihnen gleichzeitig zeigen, wie sie durch Massenaktionen aller Art für ihre eigenen Lebensinteressen kämpfen und sich gemeinsam mit den übrigen Werktätigen ihr Brot erobern können.
3. Die Entfaltung aller Formen der Tageskämpfe und Aktionen des Proletariats und der übrigen Werktätigen. Teilstreiks, Proteststreiks, Streiks gegen Lohnraub, politische Streiks und Massenstreiks, Kampf gegen Miet- und Steuerwucher, gegen Exmissionen und Zwangsversteigerungen, Massenaktionen der Erwerbslosen, gemeinsame Demonstrationen mit den Betriebsarbeitern und ähnliche Aktionen mehr.
4. Verstärkte Entfaltung der Einheitsfronttaktik von unten mit allen Formen und allen Methoden. Fortführung und Steigerung der Antifaschistischen Aktion, die in der letzten Zeit vernachlässigt wurde. Steigerung der Einheitsfrontbewegung zu umfassenden Einheitsfrontaktionen im Kampf gegen Hunger und Lohnraub in den Betrieben und auf den Stempelstellen.
5. Stärkster Kurs auf die Steigerung der innergewerkschaftlichen Arbeit in den reformistischen, christlichen und sonstigen Verbänden, wirklicher Kampf um alle wählbaren Funktionen in den Gewerkschaftsorganisationen, weil das eine unerläßliche Voraussetzung für die wirkliche Gewinnung der Massen der gewerkschaftlichen Mitglieder darstellt. Ausbau einer breiten Oppositionsbewegung, restlose Überwindung aller Tendenzen des Hinauslaufens aus den Gewerkschaften, des Verzichts auf die innergewerkschaftliche Arbeit, des Kapitulierens vor der reformistischen Bürokratie oder vor der Auffassung, als ob die Zugehörigkeit zur RGO und die Mitgliedschaft in den reformistischen Gewerkschaften nicht vereinbar sei.
6. Verbesserung unseres Kampfes gegen die Sozialdemokratie. Einerseits gilt es, den Betrugsmanövern der sozialfaschistischen Führer konkreter, überzeugender, schärfer entgegenzutreten, den prinzipiellen Kampf gegen die Sozialdemokratie zu steigern, ihre Rolle als soziale Hauptstütze der Bourgeoisie immer klarer und einleuchtender vor den sozialdemokratischen Arbeitermassen zu enthüllen. Andererseits müssen wir lernen, gegenüber den sozialdemokratischen Arbeitern eine immer kameradschaftlichere Sprache zu sprechen und sie so für den gemeinsamen Kampf zu gewinnen. Mit Recht sagt das 12. Plenum in seinen politischen Thesen u.a. folgendes:
[...] Nur wenn die Kommunisten zwischen den sozialdemokratischen Führern und den sozialdemokratischen Arbeitern streng unterscheiden, können sie die Mauer, die sie heute von den sozialdemokratischen Arbeitern trennt, im Namen der revolutionären Einheitsfront von unten niederreißen. [...]
7. Steigerung unseres Kampfes gegen den Hitler-Faschismus. Wir müssen die Tatsache einer beginnenden Zersetzung in den Reihen der nationalsozialistischen Bewegung, die Tatsache, daß jetzt der Hitler-Faschismus in seiner Massenbasis ein wenig abzubröckeln beginnt und einen bestimmten Höhepunkt überschritten hat, für eine großzügige Offensive unsererseits ausnutzen. Es gilt, in umfassendem Maße den ideologischen Massenkampf zur Losreißung werktätiger Anhänger, Arbeiter, Erwerbslose, Angestellte, Landarbeiter und Kleinbauern, Handwerker und Kleingewerbetreibende, zu entfalten. Es gilt, den Massenselbstschutz gegen den Naziterror, wenn dieser sehr bald wieder verschärft einsetzt, zu festigen und breiter zu entfalten. So werden wir angesichts der günstigen Voraussetzungen imstande sein, einen mächtigen Einbruch in die bisherige Anhängermasse der Nationalsozialisten zu vollziehen.
8. Verstärkter Kampf um die proletarische und werktätige Jugend. Nur mit unserer Hilfe, mit Hilfe der Partei kann der Kommunistische Jugendverband die Schwächen überwinden, die er zur Zeit durch bürokratische und sektiererische Tendenzen der Gruppe Kutschi[7] unter dem Einfluß des Genossen Neumann aufzuweisen hat. Wir müssen als Partei dem Jugendverband helfen, die große Aufgabe zu lösen, die selbstverständlich nicht schematisch angewandt werden soll, die Partei zahlenmäßig einzuholen und zu überholen. Wir müssen helfen, die Jugend aus der Gefolgschaft des Reformismus und des Nationalsozialismus herauszureißen und im Lager des Klassenkampfes zu sammeln, im Lager der Streiks und Massenaktionen, der wirklichen Verfechtung der Jugendinteressen, im Lager des Kampfes gegen die Militarisierung der Jugend, des Kampfes gegen Zwangsarbeit, im Lager des Kampfes für den revolutionären Ausweg aus der Krise, der der Jugend eine Zukunft ‑ die Zukunft des Sozialismus ‑ geben soll.
9. Wir müssen als Partei ganz besonders an die ernste Aufgabe herangehen, die Arbeit der RGO auf eine viel höhere Stufe zu heben. Durch die kommunistischen Fraktionen in allen Gruppen der RGO und in den roten Verbänden, durch die stärkste kameradschaftliche Unterstützung, nicht etwa mechanische Bevormundung, gilt es, die Arbeit der RGO und der roten Verbände auf der Linie der Entfesselung des Massenwiderstandes und der Belebung der Masseninitiative gegen die Kapitalsoffensive zu steigern und zu verbessern. Angesichts der bevorstehenden “drakonischen Maßnahmen” der Bourgeoisie, wie sie Papen zur Verhinderung von Streiks und Massenkämpfen angekündigt hat, werden die reformistischen Führer sehr bald dazu übergehen, die meisten Streiks als “wilde” Streiks auszugeben, die Zahlung von Unterstützungen ganz zu verweigern. Die Klassenorganisationen des Proletariats werden erneut mit immer stärkeren Verbotsmaßnahmen bedroht werden. Darum gilt es schon heute, in den Betrieben den Kurs auf Streikkassen für die kommende Unterstützung der Kämpfe zu nehmen, die nicht dem Zugriff des Klassenfeindes preisgegeben sind. Darum gilt es, alle Vorbereitungen für die Durchführung der Kämpfe auch unter Führung der RGO, im Gegensatz zu den Niederlagen jener Streiks, die unter reformistischer Führung standen, wie z. B. bei den Verkehrsarbeitern in Hamburg, in anschaulicher Weise den breitesten Massen zur Kenntnis zu bringen. Die RGO muß lernen, das Arbeiterleben besser zu studieren und daraus für ihre Taktik, für ihre ganze Arbeit Schlußfolgerungen zu ziehen.
10. Im inneren Leben unserer Partei muß die innerparteiliche Demokratie, die Heranziehung und politische Aktivierung der gesamten Mitgliedschaft in breitester Form entfaltet werden. Hierbei gilt es selbstverständlich auch, diejenigen Genossen, die eine Zeitlang mit dem Genossen Neumann gegangen sind, wenn sie ihre Fehler anerkennen und korrigieren, restlos für die Parteilinie und die Parteiarbeit zu aktivieren. Die Belebung des inneren Lebens unserer Partei, die Hand in Hand mit der unbedingten Sicherung der revolutionären Disziplin gehen muß, dient zugleich der Steigerung der Selbstinitiative aller Kaders und Einheiten der Partei und damit der Erhöhung unserer revolutionären Schlagfertigkeit. Das Schwergewicht unserer Arbeit muß den Kurs auf die Verbindung mit den Bezirken, mit den Betrieben nehmen, die Bezirksleitungen müssen das Schwergewicht ihrer Arbeit auf die Unterbezirke und Zellen verlegen, und in den Betriebszellen muß, wie wir immer wieder betonen wollen, der eigentliche Strom unseres Lebens lebendig entfesselt werden.
Diese innere Belebung unserer Partei ist zugleich eine Voraussetzung für die immer festere Verbindung der Partei mit den Massen, für die unermüdliche Mobilisierung der Massen zum Schutz und zur Verteidigung der Partei gegen die Verbotspläne der faschistischen Diktatur. In der weiteren Verschärfung der Klassengegensätze spitzt sich der Konflikt zwischen dem revolutionären Aufschwung und der faschistischen Reaktion zu. Die Klassenfeinde müssen uns und die Massen gerüstet finden bei ihren Plänen und Anschlägen gegen uns. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben unserer Massenpolitik, eine Aufgabe, die wir nie aus dem Auge verlieren dürfen.
Im Sinne dieser Aufgabenstellung, die über den 6. November hinaus Geltung hat, gilt es auch, die Reichstagswahl vorzubereiten und durchzuführen. Höchste Steigerung der außerparlamentarischen Massenkämpfe tut not. Die Streikwelle darf nicht abebben, sondern muß gesteigert werden.
In den Massen gilt es, auf breitester Basis unsere Losung, die Arbeiter- und Bauern-Republik zu proklamieren, die Machtfrage als einzige Voraussetzung für den Sozialismus, für den Ausweg aus der Krise klarzustellen.
So allein können wir bei gleichzeitiger größtmöglicher Steigerung der Tageskämpfe den Betrug der SPD mit ihrer “sozialistischen Aktion” entlarven.
Es darf keine fatalistischen Auffassungen geben, die sich einfach auf einen bevorstehenden Verlust der Nazis verlassen, als ob dieser Verlust automatisch, ohne unsere revolutionäre Arbeit eintreten würde. Ja, wir müssen auch die betrügerischen Versuche der Bourgeoisie, nicht zuletzt der Nazipresse, entlarven, die heute mit großen Fanfaren über einen bevorstehenden riesigen Zuwachs der Kommunisten gleichfalls unsere Aktivität abschwächen und durch die künstliche Erzeugung übertriebener Erwartungen unseren bevorstehenden Erfolg bei der Reichstagswahl abschwächen wollen. Wir gehen nüchtern, aber mit größter Energie an die Arbeit.
Im breitesten Maße gilt es, eine wirkliche massenmäßige Agitation und Propaganda zu entfalten. Zehntausende von roten Fahnen und Transparenten müssen in ganz Deutschland die Losungen der Kommunisten unter die Massen tragen. Nur die Kommunisten waren Sieger des vergangenen Reichstagswahlkampfes, nur die Kommunisten werden am 6. November einen neuen Erfolg erringen. Nur die Kommunisten sind in den kommenden außerparlamentarischen Klassenkämpfen die unausbleiblichen Sieger.
Genossen, wenn man unsere Partei auf dem 12. Plenum scharf kritisierte, so werden und müssen wir daraus die notwendigen Konsequenzen ziehen.
Denn wir wissen, wie außerordentlich viel von unserer eigenen Kraft und unserer Initiative, von unserer Fähigkeit zu marxistischer Analyse und den entsprechenden bolschewistischen Schlußfolgerungen abhängt.
Unsere gesamte Partei muß sich immer bewußt sein: Der Übergang Deutschlands zur Revolution, der Sieg des Proletariats über den blutigen Faschismus in Deutschland kann entscheidend sein für das Übergewicht der Revolution über die Konterrevolution und den Faschismus auf dem ganzen Erdball. - Die Entscheidung in Deutschland bedeutet unvermeidlich auch die Entscheidung für andere Länder Europas.
Aber wir müssen die Dinge objektiv sehen. In Deutschland haben wir trotz aller Schwierigkeiten im Lager der Klassenfeinde, trotz der Differenzen innerhalb der Bourgeoisie immerhin die stärkste faschistische Macht der Welt. Das heißt nicht, daß diese Macht nicht schon morgen oder übermorgen an Position und Stärke verlieren kann. Die Zerrissenheit und Spaltung im Lager der Bourgeoisie kann morgen schon neue, überraschende Konflikte mit sich bringen.
Wir müssen die gesamte Partei mitreißen, das letzte Mitglied aktivieren, um im Klassenkampf das Proletariat zum Siege führen zu können.
Haben uns die letzten Wochen gezeigt, daß der Aufschwung der faschistischen Welle bereits abzustoppen beginnt, so ist das erst ein kleiner Anfang unserer verbesserten revolutionären Massenarbeit. Wir glauben, daß wir in der weiteren Entwicklung neue Fortschritte im Kampf gegen die faschistische Diktatur erreichen werden durch die innere Stärkung der Partei und durch höhere revolutionäre Formen des Angriffs des Proletariats.
Wir sind international gestärkt! Das 12. Plenum, die Komintern und unsere russische Bruderpartei haben der deutschen Partei durch ihre brüderlichen bolschewistischen Ratschläge wichtige Waffen für unseren Kampf gegen Faschismus und Kapitalismus gegeben. Wir sagen ganz offen, daß die bolschewistische Linie unserer Komintern uns bei den schwierigen Problemen des Klassenkampfes in Deutschland viel geholfen und bolschewistisch gestählt hat.
Unsere Aufgabe wird sein, nicht nur dem Faschismus ideologisch und politisch an diesen oder jenen Stellen einige Schlappen und Schläge beizubringen, nicht nur der Sozialdemokratie die Massen ihrer Anhänger zu entreißen, nicht nur Massenkämpfe um Lohn und Brot und politische Forderungen zu entfesseln ‑ darüber hinaus müssen wir die Massen näher an den Entscheidungskampf um die Macht der Arbeiterklasse heranführen, sie für den großen Kampf um den revolutionären Ausweg gewinnen und aktivieren.
Deutschland hat für Mitteleuropa eine gewaltige Bedeutung! Wenn es hier gelingt, die Festungen des Kapitalismus zu stürmen, die faschistische Diktatur zu stürzen und die Diktatur des Proletariats aufzurichten, dann bedeutet das nicht nur den Sieg der Revolution in Deutschland, sondern den Sieg der Revolution in ganz Europa, die größte revolutionäre Unterstützung für die Beschleunigung des sozialistischen Aufbaus auch der Sowjetunion.
So stellen wir unsere Aufgaben mit revolutionärem Mut! So ist unsere siegreiche Perspektive! So gehen wir an die Arbeit zur Durchführung der Beschlüsse des 12. Plenums. So kämpfen wir, gemeinsam mit unseren Bruderparteien, unter der Führung der Komintern mit dem Genossen Stalin an der Spitze für den Sieg des Sozialismus! Wir müssen und wir werden die Sieger sein!
Schlußwort
Genossen! Unserer heutigen Reichsparteikonferenz kommt eine große Bedeutung zu. Sie tagt in der Zeit zwischen zwei Parteitagen und ersetzt gewissermaßen einen Parteitag. Nach dem Weddinger Parteitag hatten wir nie in zentralem Maßstabe vor einem so breiten und ausschlaggebenden Forum wie jetzt wieder die Probleme unserer Partei behandelt. Der Charakter dieser Konferenz ist allein durch die Tatsache bestimmt, daß aus hundert Großbetrieben hier die wichtigsten Vertreter anwesend sind. Das zeigt bereits eine Fundierung unserer Partei, die zwar noch keineswegs genügt, aber wesentliche Fortschritte aufweist, insbesondere gegenüber der Ruth-Fischer-Periode.
Wir müssen sehen: Mit dem Wachstum unserer Partei wächst auch unsere proletarische Klasse, wächst ihre Angriffskraft und ihr Angriffswillen.
Wir haben in der Parteigeschichte bisher drei Parteikonferenzen gehabt, die bezeichnenderweise neben der Erörterung der allgemeinen politischen Fragen auch mit wichtigen innerparteilichen Fragen beschäftigt waren:
Die erste Reichsparteikonferenz fand statt zur Zeit des Offenen Briefes als Abschluß der Ruth-Fischer-Periode. ‑ Die zweite Reichsparteikonferenz tagte nach dem VI. Weltkongreß und stand im Zeichen des Kampfes gegen die Rechten und Versöhnler. ‑ Die dritte Parteikonferenz findet heute statt; sie behandelt die Probleme des 12. Plenums und steht im Zusammenhang mit der Herausarbeitung einer revolutionären Massenpolitik, im Zeichen des innerparteilichen Kampfes gegen die Fehler und Abweichungen des Genossen Neumann und einiger anderer Genossen.
Wir können bei der Betrachtung der Parteigeschichte sowohl in unserer Partei als insbesondere auch der russischen Partei feststellen, daß bei allen Zuspitzungen und gewissen geschichtlichen Wendepunkten in bezug auf die Einschätzung und Charakterisierung der Situation, wie auch der revolutionären Entwicklung, kleinbürgerliche Tendenzen und Abweichungen von der Generallinie der Partei und Komintern auftreten. Beim Studium der Entwicklung der russischen Partei sehen wir, daß z. B. anläßlich des russisch-polnischen Krieges, bei der Frage der Heranziehung der Gewerkschaften usw., bei der Einführung der Neuen Ökonomischen Politik Oppositionsströmungen entstanden, die stets mit bolschewistischer Schärfe liquidiert wurden. Man kann sagen, daß alle diese Auseinandersetzungen mit den von der Parteilinie abweichenden Auffassungen die Partei nur gestärkt, angriffstüchtiger und angriffsfreudiger gemacht haben.
Die ideologische und politische Reife wächst gerade in den Zeiten dieser Auseinandersetzungen sehr stark.
Und wenn unsere Genossen über unsere innerparteilichen Auseinandersetzungen auf dieser Parteikonferenz in den Bezirken berichten, muß das in der Art geschehen, daß unsere Genossen das große Politische, unseren gewaltigen Fortschritt, unsere Kühnheit in der Überwindung von Schwächen und Fehlern sehen und betonen. Alle Genossen werden dann sehen, wie wir gewachsen sind, daß die Einheit und die Geschlossenheit der Partei so unverbrüchlich fest ist, daß Neumann und seine Freunde sich an diesem harten Panzer den Kopf eingerannt haben.
Wenn wir die Diskussion unserer Parteikonferenz über die Probleme der Einheitsfrontpolitik betrachten, dann sehen wir erst den gewaltigen Fortschritt, wenn man einen Vergleich zieht zu der Stellung, die der Brandlerismus innerhalb der Partei einst zu dieser Frage einnehmen konnte. Gerade bei diesen Vergleichen sehen wir insbesondere, wie stark die Partei heute bereits auf ideologisch-politischem Gebiet gewachsen ist.
Wenn wir die Perspektive haben, die Massen schneller an die wichtigsten Kampfformen, an Teilbewegungen und Massenkämpfe, bis an die Entscheidungskämpfe um die politische Macht heranzubringen, wenn wir von den wachsenden Voraussetzungen der revolutionären Krise sprechen und den beschleunigten revolutionären Aufschwung feststellen, dann glaube ich, Genossen, müssen wir mit besonderer Schärfe die bedeutsame Feststellung des 12. Plenums beherzigen, daß ein starkes Zurückbleiben unserer Partei hinter den objektiven revolutionären Möglichkeiten festzustellen ist.
Diese Frage ist sehr ernst. Denn jedes Zurückbleiben ermuntert die Bourgeoisie zu einer Verstärkung ihrer Offensive, jedes Zurückbleiben kann zu einer Abschwächung der Angriffswaffen des revolutionären Proletariats und des gesamten werktätigen Volkes gegen die faschistische Diktatur führen. Wir sahen, daß im Vergleich mit dem Tempo der Formierung und Konzentration der Klassenkräfte der Bourgeoisie in der Richtung der faschistischen Diktatur das Tempo des revolutionären Vormarsches ein langsameres war.
Allerdings zeigt sich bereits ein beginnender ernster Umschwung im Vormarsch des Proletariats. Wir müssen sehen, daß das aktive Auftreten der Arbeiterschaft in der großen Massenwelle des antifaschistischen Massenkampfes und in den jetzigen Wirtschaftskämpfen, im Kampf gegen die Notverordnung, im Kampfe gegen das Papen-Programm, in der Erzielung materieller Erfolge, daß unsere gesamte Offensive der Politik der Papen-Regierung ernste Hindernisse in den Weg legt und die Durchführung des Programms der Bourgeoisie zwar noch nicht verhindert, aber doch entscheidend erschwert.
Wir müssen auch sehen, daß durch unsere Offensive bereits ein Stillstand und sogar ein beginnender Rückgang der Nazibewegung zu verzeichnen ist. Eine weitere wichtige Tatsache besteht darin, daß die revolutionäre Ideologie in die Massen des ADGB und in die Reihen der Mitglieder der sozialdemokratischen Partei immer stärker eindringt.
Das 12. Plenum stellte sehr richtig fest, daß sich sowohl in Deutschland, als auch in anderen großen kapitalistischen Ländern eine stärker werdende chauvinistische Welle bemerkbar machte. Die Kriegsgefahr zwischen Deutschland und Frankreich und zwischen Deutschland und Polen bekommt einen ernsthaften Charakter. Der deutsche Imperialismus betreibt eine Abenteurer-Politik gegenüber den Mächten des Versailler Systems. Wir müssen sehen, daß sich mit dieser Kriegspolitik der deutschen Bourgeoisie, mit dem wachsenden Kontrast zwischen den Rüstungsausgaben und der großen gewaltigen Not, ähnlich wie bei der Panzerkreuzerfrage, breitere Antikriegsstimmungen in den Massen bemerkbar machen, wie wir das heute bereits schon in Frankreich sehen. Damit ist eine neue Situation mit neuen Bedingungen gegeben. Wir können zum offensiven Frontalangriff gegen Chauvinismus und Nationalismus übergehen. Wir können und wir müssen stärker die Frage unseres revolutionären Internationalismus in den Vordergrund stellen.
Die enge Kampfgemeinschaft und solidarische Kampfverbrüderung zwischen dem deutschen und französischen Proletariat ist ein wichtiger Faktor unseres Kampfes gegen Versailles. Wir müssen die nationale Frage heute viel entschiedener im Zusammenhang mit der Frage des proletarischen Internationalismus aufrollen. Wir müssen den Massen zeigen: Ihr seht den Chauvinismus der Bourgeoisie! Ihr seht das Treiben der Militärs in Deutschland! Ihr seht aber auch, daß die Knechtschaft sich vertieft, daß die Ausbeutung und Ausplünderung zunimmt! Und wir müssen den Massen sagen, daß nur unter dem Banner des proletarischen Internationalismus, nur durch die Arbeiter- und Bauern-Republik das Versailler System zertrümmert wird.
Wir müssen den Massen zeigen, daß gerade im Zusammenhang mit der nicht zu trennenden Frage der sozialen und nationalen Befreiung die engste Klassengemeinschaft, die Klassensolidarität der deutschen, französischen und polnischen Arbeiter gegen die deutsche, französische und polnische Bourgeoisie notwendig ist. Darum die gemeinsame Aktion unserer Partei mit den französischen Arbeitern gegen Versailles. Darum unser Plan einer großen Kampagne im Zeichen des proletarischen Internationalismus, darum unsere Direktive, daß wir unmittelbar mit dieser Kampagne beginnen müssen. Wir dürfen weder den Nationalsozialisten, noch den Sozialdemokraten das Feld überlassen. Wir müssen sofort in die Offensive gehen, das werktätige Volk aufwühlen, die proletarischen Massen für unsere Antikriegsaktion gewissermaßen elektrisieren und eine noch größere Massenmobilisierung auslösen, als uns das schon durch unsere Antifaschistische Aktion gelang.
Wenn wir so entscheidende Probleme vor unserer Partei aufrollen, dann ist es notwendig zu betonen, daß die Beschlüsse unserer Partei, die Direktiven solcher Konferenzen wie z.B. unserer Parteikonferenz auch wirklich in der Praxis durchgeführt werden. Nach unserem Februarplenum konnten wir leider keine genügende Durchführung unserer Beschlüsse feststellen. Das Beispiel des 20. Juli hat uns gezeigt, wohin es führt, wenn Direktiven unserer Partei keine Durchführung in der Praxis erfahren.
Eine entscheidende Frage bei der Durchführung unserer strategischen Hauptaufgabe der Eroberung der Mehrheit der Arbeiterklasse und bei der Aufgabe, durch unsere Massenpolitik die Arbeiterklasse an Massenkämpfe und an die Entscheidungskämpfe um die Eroberung der politischen Macht heranzuführen, ist die Frage der Lostrennung der reformistischen und sozialdemokratischen Arbeiter von den SPD- und ADGB-Führern. Zweifellos war es uns gelungen, durch die Antifaschistische Aktion eine breite revolutionäre Bewegung gegen den faschistischen Terror zu entfalten, eine Wendung in unserer Massenarbeit zu vollziehen, eine gewisse Isolierung unserer Partei von den Massen, wie sie zum Beispiel anläßlich der Preußenwahl am 24. April zutage trat, zu überwinden. Aber unser Kampf gegen die soziale Hauptstütze der Bourgeoisie, gegen die Sozialdemokratie, muß viel konkreter, viel grundsätzlicher und in den Auseinandersetzungen mit unseren sozialdemokratischen Klassengenossen viel kameradschaftlicher gestaltet werden.
Es ist völlig klar, daß unsere Strategie, auf Grund deren wir in der Arbeiterklasse unseren Hauptstoß gegen die SPD richten, den heftigen Kampf gegen den Hitler-Faschismus mit dem Ziel, seine Massenbasis zu zerschlagen, in sich schließt. Die Hitlerbewegung hat heute bereits einen solchen Massencharakter, daß ohne den Einbruch in ihre Front ein Sieg der proletarischen Revolution undenkbar ist. Die Frage der Gewinnung von Nazianhängern ist in starkem Maße eine Frage der Gewinnung der Massen der Angestellten, Beamten, der kleinbäuerlichen und Mittelschichten in unsere revolutionäre Kampffront. Das ist ein komplizierter Prozeß. Doch in dem Maße, wie das Proletariat seinen Kampfcharakter zeigt, wird es auch gelingen, aus diesen Schichten wirkliche Verbündete für unseren revolutionären Kampf zu gewinnen.
Wir müssen auf das Schärfste solche Stimmungen in unserer Partei bekämpfen, daß ein ideologischer Kampf gegen die Nazibewegung unnötig sei; wir dürfen auch die Nazibewegung nicht nur von außen berennen, sondern müssen auch angesichts der wachsenden Übertritte aus den Kreisen der SA zu uns für eine gewisse Zeit bestimmte Kaders in der Nazibewegung lassen, um dort eine größere revolutionäre Aufklärungsarbeit zu leisten. Trotz alledem bleibt natürlich die Sozialdemokratie das Haupthindernis der proletarischen Revolution, die soziale Hauptstütze der Bourgeoisie und das Hauptreservoir, aus dem wir unsere Anhänger gewinnen beim Kampf um die Eroberung der Mehrheit der Arbeiterklasse. Wir müssen gegen jeden Versuch kämpfen, der auf eine Abschwächung unseres Kampfes gegen die Sozialdemokratie hinausläuft.
Die wichtigste Methode unseres Kampfes gegen den Faschismus und seine Wegbereiter ist die Anwendung der Einheitsfrontpolitik von unten. Die verschiedenartigsten, raffiniertesten Betrugsmanöver unserer Klassenfeinde zwingen uns, gerade auf dem Gebiete der Einheitsfrontpolitik unsere Methoden außerordentlich zu verbessern. Wir müssen damit eine Erhöhung des revolutionären politischen Klassen- und Machtbewußtseins in den Massen entfalten.
Noch einige Worte zu unserer Politik in der Frage des Volksbegehrens, das von der SPD demagogischerweise gegen einen “Teil der Notverordnungen” organisiert wurde. Unsere Taktik war völlig richtig, als wir den Arbeitern sagten, das SPD-Manöver bedeute eine Ablenkung vom Kampf gegen Lohnraub, eine Ablenkung vom Kampfe gegen die Notverordnung und Papen-Diktatur. Aber wir müssen zugleich keine Unklarheit darüber zulassen, daß wir selbstverständlich bei verstärkter Entfaltung unserer außerparlamentarischen Kampfaktionen bereit sind, für dieses Volksbegehren einzutreten. Unserer heutigen Konferenz wird daher in Anlehnung an die bereits in einem Rundschreiben des Zentralkomitees aufgerollte Stellungnahme ein entsprechender Beschluß über unsere Beteiligung am Volksbegehren vorgeschlagen. Dadurch zerschlagen wir das Wahlmanöver der SPD und kommen auch an breiteste sozialdemokratische Arbeiterschichten zur Durchführung außerparlamentarischer Kampfaktionen heran.
Bei einer richtigen Politik wird es uns zweifellos gelingen, Millionen von bisher von der Sozialdemokratie beeinflußten Arbeitern an die Peripherie unserer Bewegung bzw. in unsere Front hineinzubringen. Welche Fortschritte der höhere Prozeß der Entwicklung der SPD zum Sozialfaschismus macht, zeigt z.B. die Tatsache, daß auf einer Sitzung der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion am 12. September 40 SPD-Abgeordnete für eine Tolerierung der Papen-Regierung eintraten. Die Äußerungen Severings vor dem Staatsgerichtshof, die immer entschlosseneren Annäherungsversuche Leiparts, Graßmanns usw. an Stegerwald und Gregor Strasser, um die sogenannte “Dritte Front” zur Unterstützung von Papen und Bracht zu bilden, all diese Tatsachen geben uns vergrößerte Möglichkeiten, die Massen der SPD für uns zu gewinnen.
Bezeichnenderweise äußerte sich am Abend der Reichstagsauflösung im Reichskabinett ein bekannter Minister folgendermaßen: Der rechte Flügel der Sozialdemokratie sei sehr stark, auf ihn könne man sich verlassen.
Und Herr Höltermann erklärte in einer internen Beratung des IGB am 2. 10. im Berliner Buchdruckerhaus, das Reichsbanner sei “der verlängerte Arm der Reichsregierung”.
Solche Tatsachen müssen natürlich die Spannung zwischen SPD-Führung und Mitgliedschaft verschärfen. Unsere Aufgabe ist es, in mutiger und großzügiger Anwendung unserer Einheitsfront-Politik diese Spannung zu erweitern und zu vertiefen.
In unserer gesamten Agitation und Propaganda müssen wir stärker die noch unpolitische Denkart mancher Schichten der werktätigen Bevölkerung, darunter der für das Proletariat wichtigen Reserven, beachten. Das bedeutet natürlich keinesfalls einen Verzicht auf die Herausbildung unserer prinzipiellen Stellungnahme zu den verschiedenen Problemen. Wir müssen diese Massen auf die Höhe des revolutionären Bewußtseins führen.
Verbindung mit den Massen! Verbindung mit den Massen, darauf kommt es an! Unsere russische Bruderpartei führte die siegreiche Oktoberrevolution im Jahre 1917, indem sie mit den Massen verbunden war. Der sozialistische Siegeszug wurde gemeinsam mit den Massen durchgeführt; unsere bolschewistische Bruderpartei ist gewachsen mit den Massen, sie schlug mit ihnen die Bourgeoisie und die Feinde in den eigenen Reihen. Die Verbindung der Partei mit den Massen, das ist das Grundproblem, das unsere Genossen sehen müssen. Bei prinzipieller Reinheit, bei größter Elastizität und Beweglichkeit, bei einer starken Autorität der Führung sind Fehler viel leichter zu überwinden als bei einer Starrheit und Unbeweglichkeit. Für jede konkrete Situation gelten je nach Bezirk, Ort usw. oft andere Methoden, durch die wir die Verbindung mit der Masse herstellen. Es gibt eben kein allgemeines Rezept unserer Einheitsfrontpolitik und -taktik.
Das 12. EKKI-Plenum hat allen Sektionen auf diesem Gebiet große und neue Erfahrungen vermittelt. Unsere polnische und auch unsere tschechische Bruderpartei haben glänzende Erfolge in der Einstellung der Gesamtpartei auf die konkreten Bedürfnisse der Massen zu verzeichnen, obwohl unsere tschechischen Genossen in der prinzipiellen Fragestellung der Einheitsfronttaktik auf dem 12. Plenum auch von uns etwas lernen konnten.
Die meisten unserer Redakteure verstehen noch nicht, eine Massensprache zu sprechen. - Welches war die wichtigste Waffe in der bolschewistischen Partei, um die Massen zu überzeugen? Das war die "Prawda" der Bolschewiki, das waren ihre sonstigen legalen und zum Teil illegalen Zeitungen. Ein sozialdemokratischer Arbeiter kommt nicht von heute auf morgen zu uns. Dazu gehört eine kühne, mutige, zähe, systematische Überzeugungsarbeit. Unsere Redakteure müssen uns hierbei viel stärker helfen, eine breitere kollektive Arbeit mit den Arbeitern entfalten und das Bild der Zeitung, den Inhalt unserer Presse arbeiter- und volkstümlicher gestalten.
In unserer RGO-Arbeit müssen wir von unten bis oben eine stärkere massenpolitische Linie entfalten. Was bedeutet es, daß wir in den wichtigsten Leitungen keine parteilosen und freigewerkschaftlichen Arbeiter haben? Die engherzige Zusammensetzung unserer RGO‑Leitungen hemmt und stört die weitere und schnellere Entwicklung der RGO. Als unser RFB noch nicht verboten war, haben wir bewußt bis zu den mittleren Funktionärskaders, an einigen Stellen sogar bis in die Bezirksspitzen parteilose Arbeiter herangezogen. Dadurch bekam der RFB eine bestimmte Autorität bei den unorganisierten und parteilosen Arbeitern. Das muß für alle Massenorganisationen ein Ansporn sein.
In unserem antifaschistischen Massenkampf müssen wir restlos die durch die falsche Losung "Schlagt die Faschisten, wo Ihr sie trefft!" geschaffenen Tendenzen überwinden. Wenn wir in Belegschafts-, Gewerkschaftsversammlungen usw. zum Problem des imperialistischen Krieges Stellung nehmen und diese Fragen vor den Massen aufrollen wollen, müssen wir unsere Methoden verbessern. Das gilt auch für die Frage des Herankommens an die christlichen Arbeitermassen. Wir kommen auf diesem Gebiet nicht vorwärts, wenn wir die Frage der Religion in den Vordergrund rücken; wir müssen von der sozialen Frage ausgehen. Auf dem christlichen Gewerkschaftskongreß in Düsseldorf traten die starken Gärungen, besonders unter der Jugend, sehr stark zutage. Minister Schäffer, der dort sprach, wurde niedergeschrieen. Das zeigt den wachsenden Druck der christlichen Gewerkschaftsmitgliedermassen. Die Gärung kam auch durch besondere Losungen zum Ausdruck, wie zum Beispiel "Keine billige Arbeitskraft, sondern Tariflohn" ‑ "Gleiche Leistung, gleicher Lohn" ‑ "Not, Not, Not, das Schicksal der werktätigen Jugend".
Wir müssen durch unsere Einheitsfront- und Massenpolitik verstehen, die revolutionäre Kampfesideologie im Kampfe gegen die Kapitalsoffensive, den Faschismus und die Kriegsgefahr zu verstärken. In den politischen Thesen des VI. Weltkongresses heißt es bereits:
Die Verschärfung des Kampfes gegen die Sozialdemokratie verschiebt den Schwerpunkt entschieden auf die Einheitsfront von unten. Aber sie enthebt die Kommunisten nicht der Verpflichtung, zu unterscheiden zwischen den sozialdemokratischen Arbeitern, die nur irregeführt sind, und den sozialdemokratischen Führern, die die Rolle von Lakaien des Imperialismus spielen. Im Gegenteil, sie erhöht diese Verpflichtung. In gleicher Weise wird die Losung des Kampfes um die Massen (auch der Massen, die noch den bürgerlichen Parteien und der Sozialdemokratie Gefolgschaft leisten) nicht nur nicht von der Tagesordnung gesetzt, sondern erst recht in den Mittelpunkt der ganzen Arbeit der Kommunistischen Internationale gestellt.
Seit dem VI. Weltkongreß haben sich die Widersprüche des Kapitalismus verschärft. Unsere revolutionäre Einheitsfrontpolitik ist stärker denn je eine Methode der Revolution und keine Methode der friedlichen Entwicklung, der Evolution. Wir müssen die Verdächtigungen der SPD- und ADGB-Führungen, als seien wir die Spalter, auf das Schärfste zurückweisen. In den Thesen über die Taktik wurde bereits auf dem III. Weltkongreß gesagt:
Die Parolen und Grundsätze der Kommunistischen Parteien bilden den einzigen Boden, auf dem die Arbeiterklasse sich wieder vereinigen kann, denn sie drücken die Notwendigkeiten des proletarischen Kampfes aus. Weil dem so ist, sind es jetzt die sozialdemokratischen und die zentristischen Parteien und Richtungen, die die Atomisierung und Teilung des Proletariats darstellen, während die kommunistischen Parteien das Element seiner Sammlung bilden.
Mit dem zahlenmäßigen Wachstum unserer Partei wächst natürlich noch nicht ohne weiteres die Qualität unserer Kader. Es muß uns gelingen, die revolutionäre Kampffähigkeit unserer Kader zu steigern, sie mehr und mehr auf den Angriff gegen alle Unterdrückungsmethoden der Bourgeoisie einzustellen, um das Tempo des revolutionären Vormarsches zu beschleunigen. Zweihunderttausend Arbeiter, die bisher unorganisiert oder in anderen Parteien waren, sind in letzter Zeit in unsere Partei eingetreten. Sie auf eine höhere Stufe der ideologischen Schulung emporzuheben, damit sie in der Lage sind, die revolutionären Aufgaben zu erfüllen - das ist eine große Aufgabe. Der 20. Juli hätte einen anderen Verlauf genommen, wenn wir in den vergangenen Monaten Selbstinitiative, Kampf- und Schlagkraft unserer Kader und die Qualität unserer Leitungen höher entwickelt hätten.
Wir müssen verstehen, gerade weil wir in den letzten Jahren keine großen Streikerfahrungen hatten, die jüngsten Streikerfahrungen unmittelbar auszunutzen. Es gilt, alle Streikbeispiele zu popularisieren, wir dürfen ans nicht auf spontane Streikausbrüche verlassen, sondern müssen eine ganz bewußte, systematische Vorbereitung der Streikkämpfe betreiben. Damit wächst im Bewußtsein der Masse und in der Praxis die Führerrolle der RGO und roten Verbände, und damit verstärken wir die Basis unserer revolutionären innergewerkschaftlichen Arbeit. Wir entwickeln neue Kader, neue revolutionäre Arbeiteraktivs, und müssen uns zum Ziele setzen, besonders in der RGO einen Stab erfahrener Instrukteure als Helfer, Berater und Kontrolleure für unsere Genossen unten einzusetzen.
Die Beschlüsse des 12. Plenums bedeuten den Abschluß und die Liquidierung innerparteilicher Schwierigkeiten, die fast ausschließlich im zentralen Apparat, in der Führung unserer Partei, in der Redaktion der "Roten Fahne" und im Büro des KJVD zu verzeichnen waren.
Warum war die Neumann-Gruppe nur in der zentralen Spitze und in der Spitze des Jugendbüros verankert? Dafür müssen bestimmte Ursachen vorhanden sein. Würden wir diese Ursachen verschweigen, dann gehen die Delegierten unserer Parteikonferenz noch nicht mit voller Einsicht in diese Probleme nach Hause. Worin liegen die Ursachen?
Erstens, weil in den einzelnen Gliedern verschiedener Leitungen, bei einzelnen Genossen die lebendige Verbindung mit dem Leben der Massen fehlte.
Zweitens, ein weiterer Grund liegt in der ungenügenden ideologischen Festigkeit, in dem Nichtvertrautsein mit den Problemen des Leninismus, das bei einer Reihe von politischen Freunden des Genossen Neumann zum Ausdruck kam.
Genossen, wenn wir alle in der Partei gewachsen sind, der eine mehr, der andere weniger, dann dürfen wir keinen Neid kennen. Auch das Wesen eines jeden Menschen ist nicht gleich! Wir können nicht alle wie die Sachsen gemütlich sein! Nehmt z.B. den Hamburger: Ihr wißt, daß er von rauherer Art ist. Aber spielen solche Fragen in der Politik eine Rolle? Höchstens nur bei Kleinbürgern. Es ist überhaupt bezeichnend, daß die Genossen um Neumann viele Probleme aus der Grube des Kleinbürgertums heraus betrachteten.
Diese Genossen hatten auch die hoffnungslose Perspektive, die Führung zu erobern. Ich sage, nach unserer Auffassung: hoffnungslose Perspektive! Wie konnten sie zu einer solchen Auffassung kommen? Weil sie eine ungenügende Verbindung mit den Massen der Parteifunktionäre und Parteimitgliedschaft hatten.
Gestern fiel hier ein Zwischenruf, als wir über unsere Auseinandersetzungen mit der Neumann-Gruppe sprachen, der lautete: “Warum wart Ihr so human?” ‑ Genossen, wir waren nicht human. Das ganze ist keine Frage der Humanität. Hier waren politische Tatsachen entscheidend, wir mußten die Situation berücksichtigen, in entscheidenden, für die Partei so wichtigen Situationen unter allen Umständen die Einheit der Führung zum Ausdruck bringen. Natürlich erfordert eine solche Arbeit große Anstrengungen und die größte revolutionäre Energie, besonders, wenn man, wie das zum Beispiel beim Genossen Neumann zu konstatieren war, zweimal der Komintern gegenüber Verpflichtungen einging, die man nachher durchbrochen hat.
Natürlich sind nicht alle Fehler, die gemacht wurden, Fehler des Genossen Neumann allein. Es wäre verkehrt, das zu behaupten. Wir haben alle Fehler gemacht. Denkt Ihr vielleicht, daß in einer solch ernsten Situation, in der unsere Partei täglich reagieren muß auf die Angriffe der Unternehmer, des Faschismus und ihrer Helfershelfer, keine Fehler vorkommen? Natürlich werden Fehler gemacht. Wenn man mit Initiative und Energie an die Arbeit geht, ist man noch nicht gefeit vor Fehlern. Aber hier gibt es Tatsachen, die man sehen muß: Es gibt Genossen, die Fehler machen und dann allzu jämmerlich feige sind, ihre eigenen Fehler zu korrigieren. Aber wir müssen sehen, daß sich im Tornister des Genossen Neumann ein ganzer Berg von Fehlern angesammelt hat, und daß sowohl der Genosse Neumann wie seine Freunde diese Fehler nicht sahen. Das ist eben das Entscheidende. Darum haben wir bereits auf dem Februarplenum diese Fragen so scharf gestellt. Und darum müssen wir auch für die Zukunft Beschlüsse des Zentralkomitees viel ernster und gewissenhafter behandeln.
Die Autorität einer Führung wird nicht nur dadurch verstärkt, daß sie eine richtige Generallinie hat, sondern auch dadurch, daß sie versucht - ohne daß damit gesagt sein soll, daß dadurch die Methoden der Parteiführung schon vollendet sind -, das politische Leben der Partei zur höchsten inneren Entfaltung und ideologisch auf das höchstmögliche Niveau zu bringen. Es muß um alle Probleme gerungen werden. Aber wenn Genossen da sind, die nicht den Mut haben, Artikel zu schreiben, weil sie innerlich politisch nicht genügend gefestigt sind, und weil sie Angst haben, bei der Aufzeigung einer Linie Malheur zu bekommen, dann sollen sie sich hüten, hinterher mit zersetzenden, die Autorität der Partei untergrabenden Methoden als “Kritiker” aufzutreten.
Unsere heutige Parteikonferenz hat bewiesen, wie unsere Genossen zu diesen Problemen stehen.
Wir müssen auf unserer heutigen Parteikonferenz gewisse Sicherungen treffen, damit unsere Funktionäre in Bezirke und unsere Betriebsarbeiter in die Betriebe zurückkehren können mit der tiefsten Gewißheit, daß die Führung in ihrer jetzigen Zusammensetzung nicht nur in sich konsolidiert ist, sondern auch die Garantie gibt, daß Störungen, wie sie in der Vergangenheit versucht wurden, nicht so leicht wieder vorkommen. Jedes Verharren bei Fehlern, jede Duldung von Unklarheiten bzw. jedes Stillschweigen bedeutet eine Verletzung unserer Grundprinzipien. Ich will heute an das erinnern, was wir über die bolschewistische Selbstkritik Bereits auf dem Februarplenum gesagt haben. Dort wird das zitiert, was der Genosse Stalin auf dem 14. Parteitag der KPdSU erklärte:
Wenn wir, die Vertreter der proletarischen Revolution, vor unseren Mängeln die Augen verschließen, die Fragen in familiärer Weise entscheiden, gegenseitig die Fehler verschweigen und die Krankheit in das Innere unseres Parteiorganismus treiben werden, wer wird dann diese Fehler, diese Mängel korrigieren? Ist es etwa nicht klar, daß wir dann aufhören werden, proletarische Revolutionäre zu sein, daß wir sicherlich dem Untergang entgegengehen, wenn wir nicht aus unserer Mitte dieses Spießertum, dieses familiäre Wirtschaften bei der Entscheidung wichtiger Fragen unseres Aufbaus ausrotten werden.
Diese Frage steht mit besonderer Schärfe in unserer Partei angesichts der großen Aufgaben, die Massen an die Kämpfe um die politische Macht heranzuführen.
Bei den großen Aufgaben müssen wir es verstehen, die Partei als Ganzes zusammenzureißen und gemeinsam auf die großen Aufgaben zu konzentrieren. Wenn die Genossen, die mit aller Schärfe von uns angegriffen wurden, alle Konsequenzen aus ihrer politischen Vergangenheit, aus ihren Schwankungen und Abweichungen ziehen und sich für die aktive, vorbehaltlose Durchführung der Beschlüsse des 12. Plenums entscheiden, dann wäre es für eine revolutionäre Führung unklug, diese Kräfte abzustoßen und sie nicht einzuspannen für die Durchführung der Linie unserer Partei.
Wir müssen zur Durchführung der Beschlüsse des 12. Plenums bestimmte Konsequenzen für die ideologische Vertiefung unserer Arbeit ziehen. Das allgemeine politische Niveau unserer Partei muß gehoben werden, muß einen stärkeren, festeren politischen Charakter bekommen. Immer müssen wir die prinzipielle Klarheit unserer Partei in den Vordergrund stellen. Es gilt, das theoretische Interesse in unserer Partei stärker zu wecken, um eine Verbesserung der Arbeit in der revolutionären Praxis zu erreichen. Unsere ideologische Offensive, in Verbindung mit einer gründlichen bolschewistischen Selbstkritik, muß die Kampffähigkeit der Partei steigern und auch in den Massen eine größere Kühnheit und Offensivfreudigkeit wecken.
Wir können das Jugendproblem nicht ernst genug in unserer gesamten Partei aufrollen. Die Frage unserer Jugend ist keine Ressortfrage, sondern stellt einen wichtigen Teil des Problems der Eroberung der Mehrheit der Arbeiterklasse dar. Hier steht nicht nur die Frage des KJVD, hier steht die Frage der Verjüngung aller unserer Kader. Erst die volle Erkenntnis der Wichtigkeit der arbeitenden Jugend, ihre Bedeutung und Rolle im Klassenkampf des Proletariats, bei der Frage des imperialistischen Krieges wird unsere Parteigenossen auch an die praktische Inangriffnahme einer revolutionären Jugendpolitik heranführen.
Nach statistischen Erhebungen wurde festgestellt, daß nach 1910 etwa 10 bis 12 Millionen junger Menschen aufgewachsen sind, eine Generation der Nachkriegszeit. Sie hat den Krieg oder die Revolution nicht mitgemacht oder nur als Kinder erlebt. Diese Generation ist bereits ökonomisch entwurzelt, ehe sie ins Leben eintritt. Diese Jugend geht von der Schulbank zur Stempelstelle oder von der Lehrstelle zur Stempelstelle. Diese gärende, revolutionär gestimmte Jugend sucht sozialistische Ideale. Wir müssen sehen, daß es dem Nationalsozialismus gelungen ist, einen gewissen Teil dieser Jugend aufzufangen. Wir müssen es fertig bringen, diese Jugendmassen für uns zu gewinnen, für den revolutionären Ausweg aus der Krise zu mobilisieren. Wir müssen sehen, daß der Faschismus durch vorgetäuschte Kameradschaftlichkeit in der Arbeitsdienstpflicht, durch militärische Disziplin usw. diese Jugendschichten für den Kampf gegen das Proletariat und für den imperialistischen Krieg mobilisiert.
Nur durch revolutionäre Kameradschaftlichkeit, durch wirkliche Liebe zur Jugendarbeit können wir unsere jungen Kampfgenossen erziehen und für unsere großen sozialistischen Ziele gewinnen. Hier wurde die Jugend das heiligste Gut unserer Partei genannt! Das ist richtig. Wir müssen unsere Jugend wie unsern eigenen Augapfel hüten! Wir müssen das politische Leben unseres Jugendverbandes zur höheren Entfaltung bringen. Zu allen entscheidenden Arbeiten unserer Partei muß das junge Element stärker herangezogen werden. Der Genösse Lenin hat 1905 in seinem Brief an Bogdanow folgendes geschrieben:
Man braucht junge Kräfte. [...] Es gibt eine Unmenge von Leuten, man muß nur weitherziger und kühner, weitherziger und nochmal weitherziger und noch einmal kühner unter der Jugend werben, ohne sie zu fürchten. Es ist Kriegszeit. Die Jugend wird den Ausgang des ganzen Kampfes entscheiden. Laßt die alten Gewohnheiten der Schwerfälligkeit, des Respekts vor der Amtsperson. Gründet aus der Jugend hunderte Zirkel [...] und spornt sie an, mit aller Kraft zu arbeiten.
"Man muß" ‑ so schrieb Lenin weiter ‑ "mit ungeheurer Schnelligkeit alle Leute mit revolutionärer Initiative vereinigen und in Bewegung setzen. Habt keine Angst vor ihrem Unvorbereitetsein, zittert nicht wegen ihrer Unerfahrenheit und Unreife. [...] Entweder überall neue, junge, frische, energische Kampforganisationen für unsere Arbeit, aller Formen, aller Arten und in allen Schichten, oder ihr werdet zugrunde gehen. [...] "
Also, Genossen: Keine Ängstlichkeit, zieht die Jugend heran zur revolutionären Praxis. Die Parteiarbeit kann nur gefördert werden, wenn frisches, junges Blut in die Adern unserer Partei hineingepumpt wird.
Genösse Florin hat in seinem Koreferat über die Probleme des sozialistischen Aufbaues in der Sowjetunion referiert. Genösse Florin hat mit Recht gesagt, daß es notwendig ist, in der Agitation auch die Schwierigkeiten, die Wachstumsschwierigkeiten aufzuzeigen.
Er hat in einer eingehenden Analyse des sozialistischen Aufbaues nachgewiesen, ein welch eminent revolutionärer Faktor die Erfolge an der Front des sozialistischen Aufbaus gleichzeitig auch für den Klassenkampf des internationalen Proletariats sind.
Wir senden von dieser Konferenz aus unseren russischen Genossen die heißen revolutionären Kampfesgrüße und erklären hier: Wir stehen im Kampfe unserer bolschewistischen Bruderpartei gegen die konterrevolutionäre Gruppe Njutin und ihre Helfershelfer, die Sinowjew, Kamenew usw., bei unserer russischen Bruderpartei und bei den russischen Arbeitern und Bauern in unversöhnlichem Kampfe gegen alle Feinde der Sowjetmacht.
Das 12. Plenum hat der deutschen Partei die Aufgabe gestellt, alle Kräfte zu mobilisieren zur Verhinderung der weiteren Entfaltung der faschistischen Diktatur und zur Niederringung des Faschismus. Die Bourgeoisie ist von großer Angst erfüllt vor der Revolutionierung der Massen. Wir haben für die nächste Zukunft und darüber hinaus den brutalsten Terror, eine weitere Steigerung der faschistischen Gewaltmethoden der Bourgeoisie gegen das Proletariat, insbesondere gegen unsere Partei zu gewärtigen.
Wir müssen daher alle Formen unserer Agitation aufs engste mit der übrigen Arbeit zu verbinden verstehen, auf ein eventuelles Verbot bis in den untersten Gliedern unserer Partei gewappnet sein. Die Beschlüsse des 12. Plenums und unserer Parteikonferenz müssen in allen Zellen und unter den breiten Massen des Proletariats studiert und ausgewertet werden.
Im bevorstehenden Wahlkampf müssen wir kühn als die Sieger der Zukunft unser Banner erheben. Wir müssen auftreten als die Organisatoren der Massen im Kampf um die politische Macht. Es muß uns gelingen, am 6. November zu den bereits am 31. Juli eroberten Massen neue Schichten des Proletariats und der werktätigen Bevölkerung unter unserer Freiheitsfahne zu sammeln.
Wir dürfen nie das Ziel unseres Kampfes aus den Augen verlieren. Das 12. Plenum hat uns seinen Weg gezeigt, den es konsequent zu beschreiten gilt. Wir müssen den Angriffswillen und die Kraft des Proletariats steigern und die großen Armeekorps der Arbeiterklasse an den Kampf um die politische Macht heranführen. Das kann nur geschehen durch die Entwicklung der Formen des Massenwiderstandes.
Geht mutig an die Arbeit! Erfülle jeder seine Pflicht in bolschewistischer Opferfreudigkeit! Die Bourgeoisie muß fallen, und wir müssen die Sieger sein!
[1]. Cf. http://www.deutsche-kommunisten.de/Ernst_Thaelmann/Band4/thaelmann-band4-022.shtml.
[2]. der Unternehmer.
[3]. Die in der Vorlage an einer Stelle unvollständige Wiedergabe des Textes ist hier ersetzt und vervollständigt nach: Lenin, Werke, Band 28, S. 55.
[4].
[5]. Text in der Vorlage entstellt.
[6]. Am 14. September 1930 fanden Reichstagswahlen statt, bei denen die NSDAP einen beträchtlichen Zuwachs an Abgeordneten verzeichnete. Von insgesamt 577 Abgeordneten stellt die SPD 143, die NSDAP 107, die KPD 77, die großen Rechtsparteien (Zentrum, DNVP, DVP) 139.
[7]. Kurt Müller