6. Kongress der Kommunistischen Internationale
(17. Juli - 1. September 1928)

Programm der Kommunistischen Internationale

1. September 1928

Erstellt:
Februar 2017


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Quelle:

Programm der Kommunistischen Internationale, Berlin, Verlag Carl Hoym Nachf., 1928 [1].

 

Programm der Kommunistischen Internationale
(Angenommen vom VI. Weltkongreß - am 1. September 1928 in Moskau)

Einführung

Die Epoche des Imperialismus ist die Epoche des sterbenden Kapitalismus. Der Weltkrieg 1914 bis 1918 und die allgemeine Krise des Kapitalismus, die er entfesselte, beweisen als unmittelbare Folgen des tiefen Widerspruches, in den die wachsenden Produktivkräfte der Weltwirtschaft mit den staatlichen Schranken geraten, daß im Schoße der kapitalistischen Gesellschaft die materiellen Voraussetzungen für den Sozialismus bereits herangereift sind; sie beweisen, daß die kapitalistische Hülle zu einer unerträglichen Fessel für die weitere Entwicklung der Menschheit geworden ist und daß die Geschichte den Sturz des kapitalistischen Joches durch die Revolution auf die Tagesordnung stellt.

Von den Zentren der kapitalistischen Macht bis in die entferntesten Winkel der kolonialen Welt unterwirft der Imperialismus die gewaltige Masse der Proletarier aller Länder der Diktatur der finanzkapitalistischen Plutokratie. Mit elementarer Gewalt enthüllt und vertieft der Imperialismus alle Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaft, steigert die Unterdrückung der ausgebeuteten Klassen bis zum äußersten und treibt den Kampf der kapitalistischen Staaten auf die Spitze. Dadurch verursacht er unabwendbar weltumspannende imperialistische Kriege, die das gesamte herrschende Regime aufs tiefste erschüttern, und führt mit eherner Notwendigkeit zur proletarischen Weltrevolution.

Der Imperialismus schlägt die ganze Welt in die Fesseln des Finanzkapitals, zwingt die Proletarier aller Länder, Völker und Rassen mit Hunger, Blut und Eisen unter sein Joch und steigert die Ausbeutung, Unterdrückung und Knechtung des Proletariats ins Maßlose. Damit stellt der Imperialismus dem Proletariat unmittelbar die Aufgabe, die Macht zu erobern, und nötigt die Arbeiter, sich aufs engste zur einheitlichen internationalen Armee der Proletarier aller Länder zusammenzuschließen, über alle Grenzpfähle, über alle Unterschiede von Nation, Kultur, Sprache, Rasse, Geschlecht und Beruf hinweg. So schließt der Imperialismus, der den Prozeß der Schaffung der materiellen Voraussetzungen des Sozialismus entwickelt und zu Ende führt, zugleich damit das Heer seiner Totengräber zusammen, indem er das Proletariat vor die Notwendigkeit stellt, sich in einer internationalen Kampfassoziation der Arbeiter zu organisieren.

Andererseits spaltet der Imperialismus von der großen Masse der Arbeiterklasse den Teil ab, dessen materielle Existenz die gesichertste ist. Diese vom Imperialismus gekaufte und bestochene Oberschicht der Arbeiterklasse, die die führenden Kaders der sozialdemokratischen Parteien stellt, ist an der imperialistischen Ausbeutung der Kolonien interessiert, ist “ihrer” Bourgeoisie und “ihrem” imperialistischen Staate treu ergeben und war in Zeiten entscheidender Klassenkämpfe im Lager der Klassenfeinde des Proletariats zu finden. Die durch diesen Verrat verursachte Spaltung der sozialistischen Bewegung im Jahre 1914 und der weitere Verrat der sozialdemokra­tischen Parteien, die zu bürgerlichen Arbeiterparteien wurden, zeigten klar: das internationale Proletariat kann seine historische Mission ‑ die Zerschmetterung des imperialistischen Joches und die Aufrichtung der proletarischen Diktatur ‑ nur im unerbittlichen Kampfe gegen die Sozialdemokratie erfüllen. Die Organisierung der Kräfte der Weltrevolution ist deshalb nur auf der Plattform des Kommunismus möglich. Der opportunistischen Zweiten Internationale[2] der Sozialdemokratie, die zur Agentur des Imperialismus innerhalb der Arbeiterklasse geworden ist, tritt unausbleiblich die Dritte, die Kommunistische Internationale entgegen ‑ die internationale Organisation der Arbeiterklasse, die die wahre Einheit der revolutionären Arbeiter der ganzen Welt verkörpert.

Der Krieg von 1914 bis 1918 rief die ersten Versuche zur Gründung einer neuen, einer revolutionären Internationale als Gegengewicht gegen die Zweite, sozialchauvinistische Internationale und als Waffe des Widerstandes gegen den kriegerischen Imperialismus hervor (Zimmerwald, Kienthal). Der Sieg der proletarischen Revolution in Rußland gab den Anstoß zur Bildung kommunistischer Parteien in den Zentren des Kapitalismus und in den Kolonien. Im Jahre 1919 wurde die Kommunistische Internationale gegründet, die zum ersten Male in der Weltgeschichte in der Praxis des revolutionären Kampfes die Vorhut des europäischen und amerikanischen Proletariats mit den Proletariern Chinas und Indiens und den farbigen Arbeitssklaven Afrikas und Amerikas fest vereint.

Die Kommunistische Internationale, die einheitliche und zentralisierte internationale Partei des Proletariats, setzt als einzige die Prinzipien der Ersten Internationale auf dem neuen Boden der revolutionären proletarischen Massenbewegung fort Die Erfahrungen des ersten imperialistischen Krieges und der folgenden Periode der revolutionären Krise des Kapitalismus ‑ der Kette von Revolutionen in Europa und in den kolonialen Ländern; die Erfahrungen der Diktatur des Proletariats und des Aufbaus des Sozialismus in der Sowjetunion; die Erfahrungen aller Sektionen der Kommunistischen Internationale, die in den Beschlüssen ihrer Kongresse festgelegt sind; schließlich die zunehmende Internationalisierung des Kampfes zwischen der imperialistischen Bourgeoisie und dem Proletariat ‑ das alles macht ein einheitliches, allen ihren Sektionen gemeinsames Programm der Kommunistischen Internationale notwendig. Als die umfassendste kritische Verallgemeinerung der gesamten historischen Erfahrung der internationalen revolutionären Bewegung des Proletariats ist das Programm der Kommunistischen Internationale das Programm des Kampfes für die proletarische Weltdiktatur, das Programm des Kampfes für den Weltkommunismus.

Die Kommunistische Internationale schart um ihr Banner die revolutionären Arbeiter, die die Millionen der Geknechteten und Ausgebeuteten gegen die Bourgeoisie und ihre “sozialistischen” Agenten führen. Sie betrachtet sich als die Vollstreckerin des historischen Vermächtnisses der von Marx unmittelbar geleiteten Organisationen, des "Bundes der Kommunisten" und der Ersten Internationale, und als Erbin der besten Überlieferungen der Zweiten Internationale aus der Vorkriegszeit. Die Erste Internationale schuf die geistigen Voraussetzungen des internationalen Kampfes des Proletariats für den Sozialismus. Die Zweite Internationale bereitete in ihren besten Tagen unter den Massen den Boden für die breite Entfaltung der Arbeiterbewegung. Die Dritte, die Kommunistische Internationale führt das Werk der Ersten Internationale fort, sie erntete die Früchte der Arbeit der Zweiten Internationale, verwarf aber entschieden ihren Opportunismus und Sozialchauvinismus sowie die bürgerliche Verfälschung des Sozialismus und hat die Verwirklichung der proletarischen Diktatur begonnen. Die Kommunistische Internationale setzt alle glorreichen, heroischen Traditionen der internationalen Arbeiterbewegung fort: die Traditionen der englischen Chartisten und der französischen Aufständischen von 1831; der revolutionären Arbeiter Deutschlands und Frankreichs von 1848; der unsterblichen Kämpfer und Märtyrer der Pariser Kommune; der tapferen Soldaten der deutschen, ungarischen und finnischen Revolution; der Arbeiter der einstigen Zarendespotie und siegreichen Träger der proletarischen Diktatur; die Traditionen der chinesischen Proletarier ‑ der Helden von Kanton und Schanghai.

Gestützt auf die historischen Erfahrungen der revolutionären Arbeiterbewegung aller Weltteile und aller Völker, steht die Kommunistische Internationale in ihrem theoretischen und praktischen Wirken ohne jeden Vorbehalt auf dem Boden des revolutionären Marxismus und seiner weiteren Ausgestaltung, des Leninismus, der nichts anderes ist als der Marxismus der Epoche des Imperialismus und der proletarischen Revolutionen.

Die Kommunistische Internationale verficht und propagiert den dialektischen Materialismus von Marx und Engels und wendet ihn als revolutionäre Methode der Erkenntnis der Wirklichkeit zu ihrer revolutionären Umgestaltung an; sie kämpft aktiv gegen alle Spielarten der bürgerlichen Weltanschauung sowie des theoretischen und praktischen Opportunismus. Auf dem Boden des konsequenten proletarischen Klassenkampfes unterordnet sie die vorübergehenden, die Gruppen-, nationalen und Teilinteressen des Proletariats seinen dauernden, allgemeinen, internationalen Interessen. Sie entlarvt schonungslos die von der Bourgeoisie entlehnte Lehre der Reformisten vom “Klassenfrieden” in allen ihren Formen. Als Erfüllung des historischen Erfordernisses nach einer internationalen Organisation der revolutionären Proletarier, der Totengräber des kapitalistischen Systems, ist die Kommunistische Internationale die einzige internationale Macht, deren Programm die Diktatur des Proletariats und der Kommunismus ist und die offen als Organisator der internationalen proletarischen Revolution auftritt.

I. Das Weltsystem des Kapitalismus, seine Entwicklung und sein notwendiger Untergang

1. Die allgemeinen Bewegungsgesetze des Kapitalismus und die Epoche des Industriekapitals

Auf der Grundlage der Entwicklung der Warenproduktion entstanden, ist die kapitalistische Gesellschaft gekennzeichnet durch das Monopol der Klasse der Kapitalisten und der Großgrundbesitzer an den wichtigsten und entscheidenden Produktionsmitteln, durch die Ausbeutung der Lohnarbeit der Klasse der Proletarier, die ‑ der Produktionsmittel beraubt ‑ genötigt sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen; sie ist gekennzeichnet durch die Warenproduktion um des Profites willen und die mit all dem verbundene Planlosigkeit und Anarchie des Produktionsprozesses in seiner Gesamtheit. Das Ausbeutungsverhältnis und die ökonomische Herrschaft der Bourgeoisie finden ihren politischen Ausdruck in der staatlichen Organisation des Kapitals als Instrument zur Unterdrückung des Proletariats.

Die Geschichte des Kapitalismus hat die Marxsche Lehre von den Gesetzen der Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft und ihren zum Untergang des ganzen kapitalistischen Systems führenden Widersprüchen vollauf bestätigt.

Die Jagd nach dem Profit nötigte die Bourgeoisie, die Produktivkräfte in ständig wachsendem Maße zu entfalten und die Herrschaft der kapitalistischen Produktionsverhältnisse zu befestigen und auszudehnen. Damit reproduzierte die Entwicklung des Kapitalismus ständig auf erhöhter Stufenleiter alle inneren Widersprüche des kapitalistischen Systems, vor allem den Grundwiderspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Arbeit und dem privaten Charakter der Aneignung, zwischen dem Wachstum der Produktivkräfte und den Eigentumsverhältnissen des Kapitalismus. Die Herrschaft des Privateigentums an den Produktionsmitteln, der anarchisch-elementare Gang dieser Produktion führten im Zusammenhang mit der Entwicklung des Gegensatzes zwischen der Tendenz zur schrankenlosen Erweiterung der Produktion und der beschränkten Konsumtion der proletarischen Massen (allgemeine Überproduktion) zur Störung des ökonomischen Gleichgewichts zwischen den verschiedenen Produktionszweigen: das zog periodisch wiederkehrende verheerende Krisen und Massenarbeitslosigkeit nach sich. Die Herrschaft des Privateigentums fand weiter ihren Ausdruck in der Konkurrenz innerhalb der einzelnen kapitalistischen Länder wie auch auf dem sich ständig erweiternden Weltmarkt. Diese Form der Rivalität zwischen den Kapitalisten hatte eine Reihe von Kriegen als untrennbare Begleiterscheinungen der kapitalistischen Entwicklung zur Folge.

Die technische und ökonomische Überlegenheit des Großbetriebs führte im Konkurrenzkampf zur Verdrängung und zur Vernichtung der vorkapitalistischen Wirtschaftsformen und zur wachsenden Konzentration und Zentralisation des Kapitals. In der Industrie fand das Gesetz der Konzentration und Zentralisation vor allem seinen Ausdruck im direkten Untergang der Kleinbetriebe und zum Teil in ihrer Degradierung zu Hilfsorganen der Großbetriebe. In der Landwirtschaft, die infolge des Bestehens des Bodenmonopols und der absoluten Rente zwangsläufig hinter dem Tempo der allgemeinen Entwicklung zurückblieb, drückte sich das Gesetz der Konzentration und Zentralisation nicht nur in der Differenzierung des Bauerntums und in der Proletarisierung breiter bäuerlicher Schichten aus, sondern vor allem auch in offenen und verhüllten Formen der Unterwerfung der kleinen Bauernwirtschaften unter die Diktatur des Großkapitals; dabei konnte der Kleinbetrieb den Schein seiner Unabhängigkeit nur um den Preis höchster Anspannung seiner Arbeitsleistung und systematischer Unterkonsumtion aufrechterhalten.

Die zunehmende Anwendung von Maschinen, die fortschreitende Vervollkommnung der Technik und die dauernde Erhöhung der organischen Zusammensetzung des Kapitals auf dieser Grundlage waren begleitet von einer weiteren Teilung der Arbeit, der Steigerung ihrer Produktivität und Intensität. Dies hatte zur Folge die steigende Anwendung der Frauen- und Kinderarbeit und schuf gewaltige industrielle Reservearmeen, die ständig durch proletarisierte und aus den Dörfern verdrängte Bauern sowie durch die verarmende Klein­ und Mittelbourgeoisie der Städte vermehrt wurden. Die Scheidung der Gesellschaft in zwei Lager: ein kleines Häuflein von Kapitalmagnaten an dem einen und Riesenmassen von Proletariern an dem anderen Pol; die ununterbrochene Steigerung der Ausbeutungsrate der Arbeiterklasse; die Reproduktion der grundlegenden Widersprüche des Kapitalismus und ihrer Folgen (Krisen, Kriege usw.) auf erhöhter Stufenleiter; die ständig zunehmende soziale Ungleichheit; die wachsende Empörung des Proletariats, das der Mechanismus der kapitalistischen Produktion selbst zusammenschließt und schult, ‑ das alles unterhöhlte die Grundpfeiler des Kapitalismus und rückte die Stunde seines Zusammenbruchs näher.

Gleichzeitig vollzog sich ein tiefgehender Umschwung im sozialen und kulturellen Leben der kapitalistischen Gesellschaft: die parasitäre Entartung der bürgerlichen Rentnerschichten; der allgemeine Verfall der Familie infolge des wachsenden Widerspruchs zwischen der massenhaften Einbeziehung der Frau in die gesellschaftliche Produktion und den Formen des in hohem Maße aus früheren Wirtschaftsepochen übernommenen häuslichen und Familienlebens; die fortschreitende Verflachung und Verkümmerung des geistigen und kulturellen Lebens auf der Grundlage der Spezialisierung der Arbeit bis ins kleinste, der Entartung des Stadtlebens und der Enge des Landlebens; die Unfähigkeit der Bourgeoisie, trotz der gewaltigen Fortschritte der Naturwissenschaften zur Synthese einer wissenschaftlichen Weltanschauung zu gelangen; das Wachsen des idealistischen, mystischen und religiösen Aberglaubens; ‑ alle diese Erscheinungen kündeten das nahende historische Ende des kapitalistischen Systems an.

2. Die Epoche des Finanzkapitals (der Imperialismus)

Die Periode der Herrschaft des Industriekapitals war im wesentlichen eine Periode der “freien Konkurrenz”, der verhältnismäßig stetigen Entwicklung und Ausbreitung des Kapitalismus über den ganzen Erdball durch die Aufteilung der noch freien Kolonien und ihre bewaffnete Besetzung. Dabei wuchsen ununterbrochen die inneren Widersprüche des Kapitalismus, deren Druck vor allem auf der systematisch ausgeplünderten, eingeschüchterten und geknechteten kolonialen Peripherie lastete.

Dieser Periode folgte zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Imperialismus, eine Periode der sprunghaften, konfliktreichen Entwicklung des Kapitalismus, in der die freie Konkurrenz dem Monopol rasch Platz zu machen begann. In dieser Periode, in der alle früher “freien” Kolonien bereits aufgeteilt waren, nahmen die Auseinandersetzungen um die Neuverteilung der Kolonien und der Einflußsphären mehr und mehr den Charakter des bewaffneten Kampfes an.

So fanden die weltumspannenden Widersprüche des Kapitalismus ihren klarsten Ausdruck in der Epoche des Imperialismus (des Finanzkapitals). Der Imperialismus ist eine geschichtlich neue Form des Kapitalismus, ein neues Verhältnis zwischen den verschiedenen Gliedern der kapitalistischen Weltwirtschaft und ein Formwandel in den Beziehungen zwischen den Grundklassen der kapitalistischen Gesellschaft.

Diese neue geschichtliche Periode entwickelte sich auf der Grundlage der wichtigsten Bewegungsgesetze der kapitalistischen Gesellschaft. Sie wuchs aus der Entwicklung des Industriekapitalismus als seine historische Fortsetzung hervor. Der Imperialismus ließ die Grundtendenzen und Bewegungsgesetze des Kapitalismus, alle seine Grundwidersprüche und Antagonismen schärfer hervortreten. Das Gesetz der Konzentration und Zentralisation des Kapitals führte zur Bildung mächtiger monopolistischer Verbände (Kartelle, Syndikate, Trusts), zu einer neuen Form kombinierter, durch die Banken zusammengefaßter Riesenunternehmungen. Das Verwachsen des Industriekapitals mit dem Bankkapital, die Einbeziehung des Großgrundbesitzes in das Gesamtsystem der kapitalistischen Organisationen und der monopolistische Charakter dieser Form des Kapitalismus verwandelten die Epoche des Industriekapitals in die Epoche des Finanzkapitals. Die “freie Konkurrenz” der Periode des Industriekapitals, die an die Stelle des feudalen Monopols und des Monopols des Handelskapitals getreten war, verwandelte sich nun in das Monopol des Finanzkapitals. Die kapitalistischen Monopole beseitigen jedoch nicht die freie Konkurrenz, aus der sie hervorgegangen sind, sondern bestehen über und neben ihr, wodurch eine Reihe besonders schwerer und tiefgehender Widersprüche, Reibungen und Konflikte entsteht.

Die zunehmende Anwendung komplizierter Maschinen, chemischer Prozesse und elektrischer Kraft, die Erhöhung der organischen Zusammensetzung des Kapitals auf dieser Grundlage und das daraus folgende Sinken der Profitrate, das nur zeitweilig durch die Politik hoher Kartellpreise zugunsten der größten monopolistischen Vereinigungen aufgehalten wird, rufen eine verschärfte Jagd nach kolonialen Extraprofiten und einen Kampf um die Neuaufteilung der Welt hervor. Die standardisierte Massenproduktion erfordert neue äußere Absatzmärkte. Die steigende Nachfrage nach Roh- und Brennstoffen ruft eine fieberhafte Jagd nach deren Quellen hervor. Die Kapitalausfuhr erhält weiteren Antrieb durch das System der Hochschutzzölle, das die Warenausfuhr erschwert und dem ausgeführten Kapital einen Extraprofit sichert. Daher wird, die Kapitalausfuhr zur wesentlichen, spezifischen Form der wirtschaftlichen Verbindung zwischen den einzelnen Gliedern der kapitalistischen Weltwirtschaft. Schließlich verstärkt die monopolistische Beherrschung der kolonialen Absatzmärkte, der Rohstoffquellen und Sphären für die Kapitalanlage die allgemeine Ungleichmäßigkeit der kapitalistischen Entwicklung aufs äußerste und spitzt die Konflikte zu, in die die “Großmächte” des Finanzkapitals um die Neuaufteilung der Kolonien und Einflußsphären geraten.

Das Wachstum der Produktivkräfte der Weltwirtschaft führt so zu einer weiteren Internationalisierung des Wirtschaftslebens, gleichzeitig aber auch zum Kampf um die Neuaufteilung der unter den mächtigsten finanzkapitalistischen Staaten bereits aufgeteilten Welt. Die Methoden des Ringens zwischen diesen ändern und verschärfen sich, indem an die Stelle der Schleuderpreise mehr und mehr die Methoden des gewaltsamen Drucks (Boykott, Politik der Hochschutzzölle, Zollkriege, Kriege im eigentlichen Sinne des Wortes usw.) treten. Daher begleiten die monopolistische Form des Kapitalismus notwendigerweise imperialistische Kriege, die an Ausmaß und zerstörender Wirkung ihrer Technik beispiellos in der Geschichte dastehen.

3. Die Kräfte des Imperialismus und die Kräfte der Revolution

Die imperialistische Form des Kapitalismus hat die Tendenz, die verschiedenen Fraktionen der herrschenden Klasse zusammenzuschließen und die breite Masse des Proletariats nicht dem einzelnen Unternehmer, sondern mehr und mehr der gesamten Klasse der Kapitalisten und ihrer Staatsgewalt gegenüberzustellen. Diese Form des Kapitalismus sprengt die zu eng gewordenen Schranken des nationalen Staates und dehnt den staatlichen Machtbereich der herrschenden Nation der kapitalistischen Großstaaten aus. Sie stellt diesem Staate die Millionenmassen der national unterdrückten Völker, der sogenannten kleinen Nationen und der Kolonialvölker gegenüber. Schließlich verschärft diese Form des Kapitalismus aufs äußerste die Gegensätze zwischen den imperialistischen Staaten.

Die Staatsmacht, die zur Diktatur der finanzkapitalistischen Oligarchie und zum Ausdruck ihrer konzentrierten Macht wird, erlangt auf diese Weise für die Bourgeoisie besondere Bedeutung. Die Funktionen dieses imperialistischen Nationalitätenstaates breiten sich nach allen Richtungen aus. Es entwickeln sich staatskapitalistische Formen, die den Kampf auf dem Außenmarkt (militärische Mobilisierung der Wirtschaft) wie auch den Kampf gegen die Arbeiterklasse erleichtern; der Militarismus (Heer, See- und Luftflotte, Anwendung von Chemie und Bakteriologie) wächst ins Riesenhafte; der Druck des imperialistischen Staates auf die Arbeiterklasse (Anwachsen der Ausbeutung und direkte Unterdrückung zusammen mit der systematischen Politik der Bestechung der bürokratisch-reformistischen Oberschichten) wird gesteigert, ‑ all das ist der Ausdruck des gewaltigen Anwachsens des spezifischen Gewichts der Staatsmacht. Unter diesen Bedingungen wird jede mehr oder weniger bedeutende Aktion des Proletariats zu einer Aktion gegen die Staatsgewalt, d. h. zu einer politischen Aktion.

Auf diese Weise reproduziert die Entwicklung des Kapitalismus, und vor allem ihre imperialistische Epoche, die fundamentalen Widersprüche des Kapitalismus in immer größerem Ausmaße. Die Konkurrenz zwischen den kleinen Kapitalisten hört nur auf, um der Konkurrenz zwischen den Großkapitalisten Platz zu machen; dort, wo die Konkurrenz zwischen den Großkapitalisten abflaut, entbrennt sie zwischen den gewaltigen Verbänden der Kapitalmagnaten und ihren Staaten; die Krisen werden aus lokalen und nationalen zu Krisen, die mehrere Länder ergreifen, und schließlich zu Weltkrisen; die Kriege lokalen Charakters werden von Koalitionskriegen und Weltkriegen abgelöst; der Klassenkampf streift die Form des isolierten Vorgehens einzelner Arbeitergruppen ab, wird zum nationalen Klassenkampf und schließlich zum internationalen Kampf des Weltproletariats gegen die Weltbourgeoisie. Gegen die machtvoll zusammengefaßten Kräfte des Finanzkapitals sammeln sich schließlich die zwei revolutionären Hauptkräfte: die Arbeiter der kapitalistischen Länder und die vom ausländischen Kapital geknebelten Volksmassen der Kolonien, die unter der Führung und Hegemonie der internationalen revolutionären proletarischen Bewegung marschieren.

Diese revolutionäre Grundtendenz wird jedoch zeitweilig gelähmt durch die Bestechung gewisser Teile des europäischen, nordamerikanischen und japanischen Proletariats von seiten der imperialistischen Bourgeoisie und durch den Verrat der nationalen Bourgeoisie der kolonialen und halbkolonialen Länder, der die revolutionäre Bewegung Angst einjagt. Der Bourgeoisie der imperialistischen Mächte bringt ihre Stellung auf dem Weltmarkt im allgemeinen (entwickeltere Technik, Kapitalexport nach Ländern mit höherer Profitrate usw.) wie auch die Ausplünderung der Kolonien und Halbkolonien Extraprofite ein. Diese verwendet sie zur Erhöhung des Arbeitslohnes eines Teiles “ihrer” Arbeiter, die sie auf diese Weise an der Entwicklung des Kapitalismus “ihres” Vaterlandes, an der Ausplünderung der Kolonien und an der Ergebenheit gegenüber dem imperialistischen Staate interessiert. Diese systematische Bestechung wurde und wird in besonders großem Maße in den stärksten imperialistischen Ländern betrieben; sie kommt am krassesten zum Ausdruck in der Ideologie und Praxis der Arbeiteraristokratie und der bürokratischen Schichten der Arbeiterklasse, d. h. der leitenden Kaders der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften, die sich als direkte Träger des bürgerlichen Einflusses im Proletariat und als beste Stütze der kapitalistischen Ordnung erwiesen haben.

Aber wenn auch der Imperialismus das Wachsen einer bestochenen Oberschicht der Arbeiterklasse hervorruft, so untergräbt er doch letzten Endes den Einfluß dieser Oberschicht auf die Arbeiterklasse. Denn die Verschärfung der Widersprüche des Imperialismus, die Verschlechterung der Lage breiter Arbeitermassen und die Massenarbeitslosigkeit des Proletariats, die riesigen Unkosten der kriegerischen Zusammenstöße, der Verlust der Monopolstellung gewisser Mächte auf dem Weltmarkt, schließlich der Abfall von Kolonien usw. untergraben das Fundament des Sozialimperialismus in den Massen. Gleichermaßen lähmt die systematische Bestechung verschiedener Schichten der Bourgeoisie in den Kolonien und Halbkolonien, ihr Verrat an der nationalrevolutionären Bewegung und ihre Annäherung an die imperialistischen Großmächte die Entwicklung der revolutionären Krise nur zeitweilig. Letzten Endes bewirkt diese Entwicklung eine Steigerung der imperialistischen Unterdrückung, den Rückgang des Einflusses der nationalen Bourgeoisie auf die Volksmassen, die Verschärfung der revolutionären Krise, die Entfesselung der Agrarrevolution breitester Bauernmassen und schafft so die Vorbedingungen für die Hegemonie des Proletariats der Kolonien und abhängigen Länder im Kampfe der Volksmassen um die Unabhängigkeit und die völlige nationale Befreiung.

4. Der Imperialismus und der Sturz des Kapitalismus

Der Imperialismus hat die Produktivkräfte des Weltkapitalismus in hohem Maße entfallet. Er hat die Schaffung aller materiellen Vorbedingungen für die sozialistische Organisierung der Gesellschaft vollendet. Die imperialistischen Kriege beweisen, daß die Produktivkräfte der Weltwirtschaft über die Schranken der imperialistischen Staaten hinausgewachsen sind und eine internationale, weltumfassende Organisierung der Wirtschaft erheischen. Der Imperialismus sucht diesen Widerspruch zu lösen, indem er mit Feuer und Schwert einem einheitlichen staatskapitalistischen Welttrust den Weg bahnt, der die ganze Weltwirtschaft organisieren soll. Die sozialdemokratischen Ideologen verhimmeln diese blutige Utopie als eine friedliche Methode des neuen, “organisierten” Kapitalismus. In der Wirklichkeit stößt aber diese Utopie auf so große, unüberwindliche objektive Hindernisse, daß der Kapitalismus unter der Last seiner eigenen Widersprüche mit eiserner Notwendigkeit zusammenbrechen muß. Das Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung des Kapitalismus, das durch die imperialistische Epoche noch verschärft wird, macht dauernde und feste internationale Vereinigungen imperialistischer Mächte unmöglich. Die zu Weltkriegen werdenden imperialistischen Kriege, die den Weg der Zentralisation des Kapitals zu ihrer Grenze ‑ dem Welttrust ‑ bezeichnen, werden von derartigen Verheerungen begleitet, bürden der Arbeiterklasse und Millionen von Proletariern und Bauern der Kolonien derartige Lasten auf, daß der Kapitalismus unter den Schlägen der proletarischen Revolution unvermeidlich schon viel früher zusammenbrechen muß.

Der Imperialismus, die höchste Phase der kapitalistischen Entwicklung, steigert die Produktivkräfte der Weltwirtschaft ins Riesenhafte, gestaltet die ganze Welt nach seinem Ebenbilde und reißt alle Kolonien, alle Rassen, alle Völker in den Strom der Ausbeutung durch das Finanzkapital. Zugleich entwickelt die monopolistische Form des Kapitals in steigendem Maße Elemente der parasitären Entartung, der Verwesung und des Niederganges des Kapitalismus. Das monopolistische Kapital schaltet bis zu einem gewissen Grade die Triebfeder der Konkurrenz aus, verfolgt die Politik hoher Kartellpreise und verfügt unumschränkt über die Märkte, wobei es die Tendenz hat, die weitere Entfaltung der Produktivkräfte zu hemmen. Der Imperialismus häuft unermeßliche Reichtümer aus den riesigen Extraprofiten auf, die er den Millionen der Arbeiter und Bauern der Kolonien abpreßt. Er schafft dadurch den Typus verwesender, parasitär entartender Rentnerstaaten und ganze Schichten von Schmarotzern, die vom Kuponschneiden leben. Die Epoche des Imperialismus, die den Prozeß der Schaffung der materiellen Vorbedingungen des Sozialismus vollendet (Konzentration der Produktionsmittel, gigantische Vergesellschaftung der Arbeit, Erstarken der Arbeiterorganisationen), verschärft zugleich die Widersprüche zwischen den “Großmächten” und ruft Kriege hervor, die den Zerfall der einheitlichen Weltwirtschaft herbeiführen. Der Imperialismus ist daher der verwesende, sterbende Kapitalismus. Er ist die letzte Etappe der Entwicklung des Kapitalismus überhaupt, er ist der Anbruch der sozialistischen Weltrevolution.

Die internationale proletarische Revolution entspringt so den Entwicklungsbedingungen des Kapitalismus im allgemeinen und seiner imperialistischen Phase im besonderen. Das kapitalistische System als Ganzes nähert sich seinem endgültigen Zusammenbruch. Die Diktatur des Finanzkapitals bricht zusammen und weicht der Diktatur des Proletariats.

II. Die allgemeine Krise des Kapitalismus und die erste Phase der Weltrevolution

1. Der Weltkrieg und der Gang der revolutionären Krise

Der imperialistische Kampf der größten kapitalistischen Staaten um die Neuaufteilung der Welt führte zum ersten imperialistischen Weltkrieg (1914‑1918). Dieser Krieg erschütterte das gesamte System des Weltkapitalismus und leitete damit die Periode seiner allgemeinen Krise ein. Der Krieg zwang die ganze Volkswirtschaft der kriegführenden Länder in seinen Dienst, schuf sich die gepanzerte Faust des Staatskapitalismus, trieb die unproduktiven Ausgaben zu schwindelnder Höhe, vernichtete ungeheure Mengen von Produktionsmitteln und lebendiger Arbeitskraft, ruinierte breite Schichten der Bevölkerung und bürdete Industriearbeitern, Bauern und Kolonialvölkern unermeßliche Lasten auf. Er verschärfte den Klassenkampf, der in offen revolutionäre Massenaktionen und in den Bürgerkrieg umschlug. Die imperialistische Front wurde an ihrem schwächsten Punkte durchbrochen ‑ im zaristischen Rußland. Die Februarrevolution des Jahres 1917 stürzte den feudalen Absolutismus, die Oktoberrevolution stürzte die Bourgeoisie. Diese siegreiche proletarische Revolution expropriierte die Expropriateure, entriß der Bourgeoisie und den Großgrundbesitzern die Produktionsmittel; zum ersten Male in der Geschichte der Menschheit errichtete und verankerte sie die proletarische Diktatur in einem Riesenlande, schuf einen neuen Staatstypus, den Räte-(Sowjet-)Staat, und leitete damit die internationale proletarische Revolution ein.

Die gewaltige Erschütterung des gesamten Weltkapitalismus, die Verschärfung des Klassenkampfes und der unmittelbare Einfluß der proletarischen Oktoberrevolution riefen in Europa wie in den kolonialen und halbkolonialen Ländern eine Reihe von Revolutionen und revolutionären Aktionen hervor: Januar 1918, ‑ Arbeiterrevolution in Finnland; August 1918 ‑ “Reisaufstände” in Japan; November 1918 ‑ Revolutionen in Österreich und Deutschland, die die halbfeudalen Monarchien stürzten; März 1919 ‑ proletarische Revolution in Ungarn, Aufstand in Korea; April 1919 ‑ Rätemacht in Bayern; Januar 1920 ‑ bürgerlich-nationale Revolution in der Türkei; September 1920 ‑ Besetzung der Betriebe durch die Arbeiter in Italien; März 1921 ‑ Aufstand der proletarischen Vorhut in Deutschland; September 1923 ‑ Aufstand in Bulgarien; Herbst 1923 ‑ revolutionäre Krise in Deutschland; Dezember 1924 ‑ Aufstand in Estland; April 1925 ‑ Aufstand in Marokko; August 1925 ‑ Aufstand in Syrien; Mai 1926 ‑ Generalstreik in England; Juli 1927 ‑ Arbeiteraufstand in Wien. All das zusammen mit Ereignissen, wie dem Aufstand in Indonesien, der tiefen Gärung in Indien, der großen chinesischen Revolution, die ganz Asien erschütterte, sind Glieder der Kette der internationalen Revolution, sind Bestandteile der tief aufwühlenden allgemeinen Krise des Kapitalismus. Dieser internationale revolutionäre Prozeß umfaßt den Kampf für die Diktatur des Proletariats wie auch die nationalen Befreiungskriege und die kolonialen Aufstände gegen den Imperialismus, die wiederum untrennbar verbunden sind mit der Agrarrevolution der Millionen zählenden Bauernmasse. So wurden gewaltige Menschenmassen in den Strom der Revolution hineingerissen. Die Weltgeschichte ist in eine neue Phase ihrer Entwicklung getreten: in die Phase einer langwierigen allgemeinen Krise des kapitalistischen Systems. Die Einheit der Weltwirtschaft fand dabei ihren Ausdruck in dem internationalen Charakter der Revolution, die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung der einzelnen Teile der Weltwirtschaft ‑ in der Ungleichzeitigkeit der Revolution in den einzelnen Ländern.

Die ersten Versuche zu einem revolutionären Umsturz, die aus der akuten Krise des Kapitalismus (1918‑1921) hervorwuchsen, endeten mit dem Siege und der Befestigung der Diktatur des Proletariats in der Sowjetunion, aber mit Niederlagen des Proletariats in einer ganzen Reihe anderer Länder. Diese Niederlagen sind in erster Linie das Ergebnis der Verrätertaktik der sozialdemokratischen Führer und der reformistischen Spitzen der Gewerkschaftsbewegung, aber auch die Folge des Umstandes, daß hinter den Kommunisten noch nicht die Mehrheit der Arbeiterklasse stand und in einer Reihe der wichtigsten Staaten überhaupt noch keine kommunistischen Parteien vorhanden waren. Diese Niederlagen ermöglichten der Bourgeoisie eine teilweise Stabilisierung des Kapitalismus durch die verstärkte Ausbeutung der proletarischen Massen und der Kolonialvölker und die schroffe Herabdrückung ihrer Lebenshaltung.

2. Die revolutionäre Krise und die konterrevolutionäre Sozialdemokratie

Als stärkste Kraft der Konterrevolution bewährten sich im Verlaufe der internationalen Revolution durch ihre aktive Bekämpfung und die Förderung der teilweisen Stabilisierung des Kapitalismus die führenden Kaders der sozialdemokratischen Parteien und reformistischen Gewerkschaften sowie auch die kapitalistischen Kampfverbände faschistischer Art.

Die Kriegskrise von 1914 bis 1918 war von dem schmählichen Zusammenbruch der sozialdemokratischen Zweiten Internationale begleitet. Im strikten Gegensatz zur These des "Kommunistischen Manifestes" von Marx und Engels, daß die Proletarier unter dem Kapitalismus kein Vaterland haben, im strikten Gegensatz zu den Beschlüssen der Kongresse von Stuttgart und Basel gegen den Krieg, haben die Führer der sozialdemokratischen Parteien bis auf vereinzelte Ausnahmen für die Kriegskredite gestimmt und sich entschieden für die Verteidigung der imperialistischen “Vaterländer” (d. h. der Staatsorganisationen der imperialistischen Bourgeoisie) ausgesprochen; anstatt gegen den imperialistischen Krieg zu kämpfen, wurden sie zu seinen treuen Soldaten, Predigern und Lobsängern (der Sozialpatriotismus entwickelte sich zum Sozialimperialismus). In der folgenden Etappe unterstützte die Sozialdemokratie die räuberischen Friedensverträge (Brest, Versailles); Schulter an Schulter mit den Generalen war sie eine aktive Kraft bei der blutigen Niederwerfung proletarischer Aufstände (Noske[3]); sie kämpfte mit der Waffe in der Hand gegen die erste proletarische Republik (Sowjetrußland); sie verriet das zur Macht gelangte Proletariat und lieferte es dem Feinde aus (Ungarn); sie trat in den imperialistischen Völkerbund ein (Thomas[4], Paul Boncour[5], Vandervelde[6]); sie stellte sich offen auf die Seite der imperialistischen Sklavenhalter gegen die Kolonialsklaven (englische Arbeiterpartei); sie unterstützte aktiv die reaktionärsten Henker der Arbeiterklasse (Bulgarien, Polen); sie gab den Anstoß zur Schaffung imperialistischer Wehrgesetze (Frankreich); sie half den Streik der Bergarbeiter in England abwürgen, sie half und hilft bei der Knebelung Chinas und Indiens (MacDonald-Regierung[7]); sie ist der Marktschreier des imperialistischen Völkerbundes, der Heerrufer des Kapitals und die organisierende Kraft im Kampfe gegen die Diktatur des Proletariats in der Sowjetunion (Kautsky, Hilferding).

Zur systematischen Durchführung dieser konterrevolutionären Politik bedient sich die Sozialdemokratie ihrer beiden Flügel: der rechte, offen konterrevolutionäre Flügel ist unentbehrlich für Verhandlungen und die unmittelbare Verbindung mit der Bourgeoisie, während der “linke” besonders fein gesponnene Betrugsmanöver an der Arbeiterschaft durchzuführen hat. Die “linke” Sozialdemokratie, die mit pazifistischen und manchmal selbst mit revolutionären Phrasen spielt, wendet sich besonders in kritischen Augenblicken gegen die Arbeiter (die englische "Unabhängige Arbeiterpartei" und die “linken” Führer des Generalrats der englischen Gewerkschaften während des Generalstreiks von 1926, Otto Bauer und Konsorten während des Wiener Aufstandes u. a.); sie ist daher die gefährlichste Fraktion der sozialdemokratischen Parteien. Wenn auch die Sozialdemokratie als Dienerin der Interessen der Bourgeoisie in der Arbeiterklasse vollständig auf dem Boden der Klassengemeinschaft und der Koalition mit der Bourgeoisie steht, wird sie doch in gewissen Perioden genötigt, die Stellung einer oppositionellen Partei zu beziehen; sie spiegelt die Verteidigung der Klasseninteressen des Proletariats in seinem wirtschaftlichen Kampfe vor, um sich so das Vertrauen eines Teiles der Arbeiterklasse zu erschleichen und dann die dauernden Interessen der Arbeiterklasse, vor allem in Zeiten entscheidender Klassenkämpfe, um so schmählicher zu verraten.

Die Hauptrolle der Sozialdemokratie ist heute die Untergrabung der im Kampfe gegen den Imperialismus notwendigen Einheit des Proletariats. Durch die Spaltung und Zerschlagung der Einheitsfront des proletarischen Kampfes gegen das Kapital wird die Sozialdemokratie zur Hauptstütze des Imperialismus in der Arbeiterklasse. Die internationale Sozialdemokratie aller Schattierungen, die Zweite Internationale und ihre gewerkschaftliche Filiale, der Amsterdamer Internationale Gewerkschaftsbund[8], sind so zu Reserven der bürgerlichen Gesellschaft geworden, zu ihren sichersten Stützen.

3. Die Krise des Kapitalismus und der Faschismus

Neben die Sozialdemokratie, die der Bourgeoisie die Arbeiterklasse unterdrücken und die Wachsamkeit der Proletarier einschläfern hilft, tritt der Faschismus.

In der Epoche des Imperialismus führte die Verschärfung des Klassenkampfes und die Zunahme der Elemente des Bürgerkrieges ‑ besonders nach dem imperialistischen Weltkrieg ‑ zum Bankrott des Parlamentarismus. Daher die “neuen” Methoden und Formen des Regierens (z. B. das System der “kleinen Kabinette”, das Wirken oligarchischer Gruppen hinter den Kulissen, der Verfall und die Verfälschung der Rolle der "Volksvertretung", die Beschneidung und Beseitigung der "demokratischen Freiheiten" usw.). Unter besonderen historischen Bedingungen nimmt dieser Prozeß der Offensive der bürgerlich-imperialistischen Reaktion die Form des Faschismus an. Solche Bedingungen sind: die Labilität der kapitalistischen Beziehungen: das Vorhandensein sozial deklassierter Elemente in beträchtlicher Zahl; die Verarmung breiter Schichten des städtischen Kleinbürgertums und der Intelligenz; die Unzufriedenheit der ländlichen Kleinbourgeoisie; schließlich die ständige Gefahr proletarischer Massenaktionen. Um ihrer Macht größere Stetigkeit und Festigkeit zu sichern, ist die Bourgeoisie in steigendem Maße gezwungen, vom parlamentarischen System zu der faschistischen Methode überzugehen, die von Beziehungen und Kombinationen zwischen den Parteien unabhängig ist. Der Faschismus ist eine Methode der unmittelbaren Diktatur der Bourgeoisie, ideologisch verkleidet mit der Idee der “Volkgemeinschaft” und der Vertretung nach “Berufsständen” (d. h. eigentlich der Vertretung verschiedener Gruppen der herrschenden Klasse). Er ist eine Methode, die durch eine eigenartige soziale Demagogie (Antisemitismus, gelegentliche Ausfälle gegen das Wucherkapital, Entrüstung über die parlamentarische “Schwatzbude”) die Unzufriedenheit der Massen des Kleinbürgertums, der Intellektuellen u. a. ausnützt. Er ist eine Methode der Korruption durch den Aufbau einer geschlossenen, besoldeten Hierarchie der faschistischen Kampfverbände, des faschistischen Parteiapparates und der faschistischen Bürokratie. Dabei sucht der Faschismus durch die Gewinnung ihrer rückständigsten Schichten auch in die Reihen der Arbeiterschaft einzudringen, indem er ihre Unzufriedenheit, die Passivität der Sozialdemokratie usw. ausnützt. Die Hauptaufgabe des Faschismus ist die Vernichtung der revolutionären Vorhut der Arbeiterklasse, d. h. der kommunistischen Schichten des Proletariats und ihrer führenden Kaders. Die Verquickung von sozialer Demagogie und Korruption mit dem aktiven weißen Terror sowie die zum äußersten gesteigerte imperialistische Aggressivität der Außenpolitik sind charakteristische Züge des Faschismus. In Zeiten, die für die Bourgeoisie besonders kritisch sind, bedient sich der Faschismus einer antikapitalistischen Phraseologie; sobald er aber seine Macht gesichert sieht, erweist er sich immer mehr als terroristische Diktatur des Großkapitals und wirft den antikapitalistischen Plunder von sich.

Entsprechend der jeweiligen politischen Konjunktur bedient sich die Bourgeoisie sowohl der faschistischen Methoden als auch der Methoden der Koalition mit der Sozialdemokratie, wobei die Sozialdemokratie selbst, besonders in für den Kapitalismus kritischen Zeiten, nicht selten eine faschistische Rolle spielt. Die Sozialdemokratie zeigt im Laufe der Entwicklung faschistische Tendenzen, was sie jedoch nicht hindert, im Falle einer Änderung der politischen Konjunktur gegen die bürgerliche Regierung als oppositionelle Partei aufzutreten. Faschismus und Koalition mit der Sozialdemokratie sind beide für den normalen Kapitalismus ungewöhnliche Methoden. Sie sind Anzeichen für das Bestehen einer allgemeinen Krise des Kapitalismus und werden von der Bourgeoisie benutzt, um den Vormarsch der Revolution zu hemmen.

4. Die Widersprüche der kapitalistischen Stabilisierung und die Notwendigkeit des revolutionären Zusammenbruches des Kapitalismus

Die Erfahrung der ganzen Nachkriegszeit beweist, daß die Stabilisierung des Kapitalismus, die durch die Niederschlagung der Arbeiterklasse und die systematische Herabdrückung ihrer Lebenshaltung erzielt wurde, nur eine teilweise, vorübergehende, morsche Stabilisierung sein kann.

Die sprunghafte, fieberhafte Entwicklung der Technik, die in einigen Ländern an eine neue technische Umwälzung grenzt, der beschleunigte Prozeß der Konzentration und Zentralisation des Kapitals, die Bildung riesiger Trusts, “nationaler” und “internationaler” Monopole, das Verwachsen der Trusts mit der Staatsmacht, das Wachsen der kapitalistischen Weltwirtschaft ‑ all das kann die allgemeine Krise des kapitalistischen Systems nicht überwinden. Der Zerfall der Weltwirtschaft in einen kapitalistischen und einen sozialistischen Teil, die Einengung der Märkte, die antiimperialistische Bewegung in den Kolonien verschärfen aufs äußerste alle Wider­sprüche des Kapitalismus, der sich auf der neuen, nach dem Kriege entstandenen Grundlage entwickelt. Die Kehrseite des technischen Fortschrittes und der Rationalisierung der Industrie sind die Schließung und Liquidierung einer Reihe von Betrieben, die Einschränkung der Produktion, der rücksichtslose Raubbau an der Arbeitskraft, was alles zu einer gewaltigen, bisher noch nicht dagewesenen Dauererwerbslosigkeit führt. Die absolute Verschlechterung der Lage der Arbeiterklasse wird selbst in einer Reihe entwickelter kapitalistischer Länder zur Tatsache. Die Steigerung der Konkurrenz zwischen den imperialistischen Staaten und die ständige Kriegsgefahr, die immer schärfer werdende Spannung der Klassenkonflikte schaffen die Voraussetzungen für eine neue, höhere Entwicklungsstufe der allgemeinen Krise des Kapitalismus und der proletarischen Weltrevolution.

Das Ergebnis der ersten Folge imperialistischer Kriege (Weltkrieg von 1914 bis 1918) und des Oktobersieges der Arbeiterklasse im einstigen Zarenreich war die Spaltung der Welt in zwei einander grundsätzlich feindliche Lager: das Lager der imperialistischen Staaten und jenes der Diktatur des Proletariats in der Sowjetunion. Die Unterschiede in der Klassenstruktur und dem Klassencharakter der Staatsmacht, der prinzipielle Unterschied in den Zielen der Innen- und Außenpolitik, der Wirtschafts- und Kulturpolitik, die grundsätzlich verschiedene Entwicklungsrichtung ‑ all das bringt die kapitalistische Welt in schroffen Gegensatz zum Staate des siegreichen Proletariats. Im Rahmen der einst einheitlichen Weltwirtschaft bekämpfen sich gegenwärtig zwei antagonistische Systeme: Kapitalismus und Sozialismus. Der Klassenkampf, dessen Formen bisher dadurch bestimmt waren, daß das Proletariat noch nirgends die Staatsmacht in Händen hatte, reproduziert sich jetzt, da die Arbeiterklasse der ganzen Welt bereits ihren Staat, das einzige Vaterland des internationalen Proletariats, besitzt, in gewaltigem, wirklich weltumfassendem Ausmaße. Das Bestehen der Sowjetunion mit ihrem Einfluß auf die werktätigen und unterdrückten Massen der ganzen Welt ist schon an und für sich der deutlichste Ausdruck der tiefgehenden Krise des Systems des Weltkapitalismus und einer in der Geschichte noch nie dagewesenen Ausdehnung und Verschärfung des Klassenkampfes.

Unfähig, ihre inneren Widersprüche zu überwinden, sucht die kapitalistische Welt einen Ausweg in der Gründung einer Internationalen Vereinigung (des Völkerbundes), deren Hauptzweck es ist, das unaufhaltsame Wachsen der revolutionären Krise zum Stillstand zu bringen und die Union Proletarischer Republiken durch Blockade oder Krieg zu erdrosseln. Um die Sowjetunion scharen sich indes alle Kräfte des revolutionären Proletariats und der unterdrückten Massen der Kolonien: der unbeständigen, innerlich morschen, doch bis an die Zähne bewaffneten Weltkoalition des Kapitals steht eine einheitliche Weltkoalition der Arbeit gegenüber. So erwuchs aus der ersten Folge imperialistischer Kriege ein neuer Grundwiderspruch, weltgeschichtlich nach Ausmaß und Bedeutung ‑ der Widerspruch zwischen der Sowjetunion und der kapitalistischen Welt.

Auch die inneren Widersprüche des kapitalistischen Teils der Weltwirtschaft erfuhren eine Verschärfung. Die Verlegung des wirtschaftlichen Schwerpunkts der Welt nach den Vereinigten Staaten von Amerika und die Verwandlung der “Dollarrepublik” in einen Weltausbeuter vergrößerten die Spannung zwischen den Vereinigten Staaten und dem europäischen Kapitalismus, vor allem dem englischen. Der Konflikt zwischen dem mächtigsten der alten, konservativen imperialistischen Länder, England, und den Vereinigten Staaten, dem stärksten Lande des jungen Imperialismus, das bereits die Welthegemonie an sich gerissen hat, wird zur Achse der weltumspannenden Konflikte zwischen den finanzkapitalistischen Staaten. Deutschland, das nach seiner Ausplünderung durch den Versailler Friedensvertrag wirtschaftlich wieder erstarkt ist und von neuem den Weg der imperialistischen Politik beschreitet, wird zu einem ernstlichen Konkurrenten auf dem Weltmarkt. Im Stillen Ozean verwickeln sich die Gegensätze, unter denen der Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und Japan im Mittelpunkt steht. Neben diesen Hauptgegensätzen entwickelt sich der Widerstreit zwischen den Interessen der sich ändernden, unbeständigen Mächtegruppierungen, wobei die Staaten zweiten Ranges die Rolle von Werkzeugen der imperialistischen Giganten und ihrer Bündnisse spielen.

Infolge der Einengung der europäischen Innenmärkte durch den Krieg, infolge des Ausscheidens der Sowjetunion aus dem rein kapitalistischen Kreislauf und infolge der weitgehenden Monopolisierung der wichtigsten Roh- und Brennstoffquellen führt die Steigerung der Produktionskapazität des industriellen Apparats des Weltkapitalismus zur Entfesselung der Konflikte zwischen den kapitalistischen Staaten. Der “friedliche” Kampf um Erdöl, Kautschuk, Baumwolle, Kohle, Erze, um die Neuaufteilung der Märkte und der Kapitalanlagesphären treibt unvermeidlich zu einem neuen Weltkrieg, der um so verheerender sein wird, je größer die Fortschritte der sich fieberhaft entwickelnden Kriegstechnik sind.

Zu gleicher Zeit wachsen die Gegensätze zwischen den Mutterländern und den kolonialen und halbkolonialen Ländern. Eine gewisse Schwächung des europäischen Imperialismus durch den Krieg, die Entwicklung des Kapitalismus in den Kolonien, der Einfluß der russischen Revolution, die zentrifugalen Tendenzen innerhalb der ersten See- und Kolonialmacht der Welt, des britischen Weltreichs (Kanada, Australien, Südafrika) erleichterten die Auslösung von Aufständen in den Kolonien und halbkolonialen Ländern. Die große chinesische Revolution, die Hunderte von Millionen des chinesischen Volkes aufgerüttelt hat, schlägt eine gewaltige Bresche in den ganzen Bau des Imperialismus. Die anhaltende revolutionäre Gärung unter den Millionen und aber Millionen indischer Arbeiter und Bauern droht die Herrschaft Englands, der Hochburg des Weltimperialismus, zu brechen. Das Wachsen der Strömungen gegen den mächtigen Imperialismus der Vereinigten Staaten in den Ländern Lateinamerikas ist eine Kraft, die die Expansion des nordamerikanischen Kapitals untergräbt. So erweist sich auch der revolutionäre Prozeß in den Kolonien, welcher die der finanzkapitalistischen Oligarchie einiger “Großmächte” unterworfene überwältigende Mehrheit der Bevölkerung der Erde in den Kampf gegen den Imperialismus einbezieht, als ein Ergebnis der tiefgehenden allgemeinen Krise des Kapitalismus. Auch in Europa, wo der Imperialismus eine ganze Reihe kleiner Nationen unter sein drückendes Joch gebeugt hat, ist die nationale Frage ein Faktor, der die inneren Widersprüche des Kapitalismus verschärft.

Endlich reift die revolutionäre Krise mit zwingender Notwendigkeit auch in den Zentren des Imperialismus selbst heran. Die Offensive der Bourgeoisie gegen die Arbeiterklasse, gegen ihre Lebenshaltung, ihre Organisationen und ihre politischen Rechte sowie der zunehmende weiße Terror rufen den wachsenden Widerstand breiter Massen des Proletariats hervor und verschärfen den Klassenkampf zwischen der Arbeiterklasse und dem Trustkapital. Die Riesenkämpfe zwischen Kapital und Arbeit, der fortschreitende Radikalisierungsprozeß der Massen, das Steigen des Einflusses und des Ansehens der kommunistischen Parteien, die riesige Zunahme der Sympathien breitester Arbeitermassen für das Land der proletarischen Dik­tatur ‑ all das sind deutliche Anzeichen des Herannahens eines neuen revolutionären Aufschwunges in den imperialistischen Zentren.

So wird der Bau des Weltimperialismus und mit ihm die teilweise Stabilisierung des Kapitalismus von verschiedenen Seiten her unterwühlt: durch die Gegensätze und Konflikte zwischen den imperialistischen Mächten, durch die Erhebung der Millionen in den Kolonien, durch den Kampf des revolutionären Proletariats der Mutterländer, schließlich durch die führende Macht der revolutionären Welt­bewegung ‑ die proletarische Diktatur in der Sowjetunion. Die internationale Revolution schreitet vorwärts.

Wider sie sammelt der Imperialismus alle seine Kräfte: Expeditionen gegen die Kolonien, einen neuen Weltkrieg und den Feldzug gegen die Sowjetunion setzt der Imperialismus auf die Tagesordnung. Das führt unvermeidlich zur Auslösung aller Kräfte der internationalen Revolution und mit eherner Notwendigkeit zum Sturze des Kapitalismus.

III. Das Endziel der Kommunistischen Internationale: der Weltkommunismus

Das Endziel, das die Kommunistische Internationale erstrebt, ist die Ersetzung der kapitalistischen Weltwirtschaft durch das Weltsystem des Kommunismus. Die kommunistische Gesellschaftsordnung, die durch den ganzen Ablauf der geschichtlichen Entwicklung vorbereitet wird, ist der einzige Ausweg für die Menschheit, denn nur diese Gesellschaft vermag die fundamentalen Widersprüche des kapitalistischen Systems aufzuheben, die die Menschheit mit Entartung und Untergang bedrohen.

Die kommunistische Ordnung beseitigt die Spaltung der Gesellschaft in Klassen, das heißt, sie beseitigt mit der Anarchie der Produktion alle Arten und Formen der Unterdrückung und Ausbeutung von Menschen durch Menschen. An die Stelle der kämpfenden Klassen treten die Glieder der einheitlichen Weltassoziation der Arbeit. Zum erstenmal in der Geschichte nimmt die Menschheit ihr Schicksal in die eigene Hand. Anstatt in Klassen- und Völkerkriegen ungezählte Menschenleben und unschätzbare Reichtümer zu vernichten, verwendet die Menschheit ihre ganze Energie auf den Kampf mit den Naturkräften, auf die Entwicklung und Hebung ihrer eigenen, kollektiven Macht.

Sobald das Weltsystem des Kommunismus das Privateigentum an den Produktionsmitteln aufgehoben und diese in öffentliches Eigentum verwandelt hat, tritt an die Stelle der elementaren Kräfte des Weltmarkts und des planlosen Waltens der Konkurrenz, des blinden Gangs der gesellschaftlichen Produktion ihre gesellschaftlich-planmäßige Regelung, entsprechend den rasch wachsenden Bedürfnissen der Gesamtheit. Mit der Vernichtung der Anarchie der Produktion und der Konkurrenz verschwinden auch die verheerenden Krisen und die noch verheerenderen Kriege. An die Stelle der gigantischen Vergeudung von Produktivkräften und der krampfhaften Entwicklung der Gesellschaft tritt die geordnete Verfügung über alle materiellen Reichtümer und eine reibungslose Entwicklung der Wirtschaft durch die unbegrenzte, harmonische, rasche Entfaltung der Produktivkräfte.

Die Aufhebung des Privateigentums, das Absterben der Klassen beseitigen die Ausbeutung von Menschen durch Menschen. Die Arbeit hört auf, ein Schaffen für den Klassenfeind zu sein. Aus einem bloßen Mittel zum Leben wird sie zum ersten Lebensbedürfnis. Die Armut verschwindet, es verschwindet die wirtschaftliche Ungleichheit der Menschen, das Elend der geknechteten Klassen, die Armseligkeit ihres materiellen Daseins überhaupt; es verschwindet die Hierarchie der Menschen in der Arbeitsteilung und damit der Gegensatz zwischen Kopf- und Handarbeit; es verschwinden schließlich alle Spuren der sozialen Ungleichheit der Geschlechter. Zu gleicher Zeit verschwinden auch die Organe der Klassenherrschaft, vor allem die Staatsgewalt; als Verkörperung der Klassenherrschaft stirbt sie in dem Maße ab, wie die Klassen verschwinden. Damit stirbt allmählich jegliche Zwangsnorm ab.

Das Verschwinden der Klassen beseitigt jede Art des Bildungsmonopols. Die Kultur wird zum Gemeingut aller und an Stelle der Klassenideologien der Vergangenheit tritt die wissenschaftlich­materialistische Weltbetrachtung. Damit wird jedwede Herrschaft von Menschen über Menschen unmöglich und es eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten der sozialen Auslese und der harmonischen Entwicklung aller Fähigkeiten, die in der Menschheit schlummern.

Die Entfaltung der Produktivkräfte wird durch keinerlei Schranken gesellschaftlichen Charakters gehemmt. Die kommunistische Gesellschaft kennt kein Privateigentum an Produktionsmitteln, kein eigennütziges Streben nach Profit, sie kennt weder die künstlich genährte Unwissenheit noch die Armut der Massen, die in der kapitalistischen Gesellschaft den technischen Fortschritt hemmt, noch die riesenhaften unproduktiven Ausgaben. Die zweckmäßigste Ausnutzung der Naturkräfte und der natürlichen Produktionsbedingungen der einzelnen Weltteile; die Beseitigung des Gegensatzes von Stadt und Land, der die Folge des steten Zurückbleibens der Landwirtschaft und ihres technischen Tiefstandes ist; die weitestgehende Vereinigung von Wissenschaft und Technik, von Forscherarbeit und umfassender Anwendung ihrer Ergebnisse für die Gesellschaft; die planmäßige Organisierung der wissenschaftlichen Arbeit; die Einführung vervollkommneter Methoden statistischer Erfassung und plangemäßer Regelung der Wirtschaft; schließlich das rasche Anwachsen der gesellschaftlichen Bedürfnisse, des stärksten Antriebs des gesamten Systems, ‑ all das sichert der gesellschaftlichen Arbeit ein Höchstmaß an Produktivität und setzt unermeßliche menschliche Energien für eine machtvolle Entfaltung von Kunst und Wissenschaft frei.

Die Entwicklung der Produktivkräfte der kommunistischen Weltgesellschaft macht die Hebung des Wohlstandes der ganzen Menschheit und die stärkste Verkürzung der der materiellen Produktion gewidmeten Zeit möglich und eröffnet damit eine in der Geschichte unerhörte Blütezeit der Kultur. Diese neue Kultur der zum erstenmal geeinten Menschheit, die alle Staatsgrenzen zerstört hat, wird ‑ im Gegensatz zum Kapitalismus ‑ auf klaren und durchsichtigen Beziehungen der Menschen zueinander beruhen. Sie wird daher Mystik und Religion, Vorurteile und Aberglaube für alle Zeiten begraben und damit der Entwicklung siegreicher wissenschaftlicher Erkenntnis einen mächtigen Anstoß geben.

Diese höchste Stufe des Kommunismus, in der die kommunistische Gesellschaft sich bereits auf ihrer eigenen Grundlage entwickelt hat, in der Hand in Hand mit der allseitigen Entwicklung der Menschen auch die gesellschaftlichen Produktivkräfte einen gewaltigen Aufschwung genommen haben und die Gesellschaft bereits auf ihr Banner die Losung geschrieben hat: "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen", setzt als geschichtliche Vorbedingung ein niederes Stadium ihrer Entwicklung voraus ‑ das Stadium des Sozialismus. Hier beginnt die kommunistische Gesellschaft die kapitalistische Hülle erst abzuwerfen, sie ist noch in jeder Beziehung ‑ wirtschaftlich, moralisch und geistig ‑ mit den Muttermalen der alten Gesellschaft behaftet, deren Schoß sie entsprungen. Die Produktivkräfte des Sozialismus sind noch nicht in dem Maße entwickelt, daß eine Verteilung der Erzeugnisse der Arbeit entsprechend den Bedürfnissen eines jeden möglich wäre. Die Verteilung erfolgt vielmehr nach der Leistung. Die Arbeitsteilung, d. h. die Zuweisung bestimmter Arbeitsfunktionen an bestimmte Gruppen von Menschen, ist hier noch nicht überwunden, speziell besteht der Gegensatz von Kopf- und Handarbeit in der Hauptsache noch weiter. Trotz der Aufhebung der Klassen sind noch Überreste der alten Klassenteilung der Gesellschaft vorhanden, folglich auch Überreste der proletarischen Staatsgewalt, des Zwanges, des Rechts. Es bleiben somit noch gewisse Reste der Ungleichheit bestehen, die noch nicht absterben konnten. Unbeseitigt und unüberwunden bleibt auch noch der Gegensatz zwischen Stadt und Land. Allein alle diese Überreste der alten Gesellschaft werden von keiner gesellschaftlichen Kraft mehr geschützt und verteidigt. Da sie an eine bestimmte Entwicklungsstufe der Produktivkräfte gebunden sind, verschwinden sie in dem Maße, wie die von der Fessel der kapitalistischen Ordnung befreite Menschheit sich in raschem Tempo die Naturkräfte unterwirft, sich selbst im Geiste des Kommunismus neu erzieht und vom Sozialismus zum vollendeten Kommunismus fortschreitet.

IV. Die Periode des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus und die Diktatur des Proletariats

1. Die Übergangsperiode und die Eroberung der Macht durch das Proletariat

Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andere. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts anderes sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats. Der Übergang von der Weltdiktatur des Imperialismus zur Weltdiktatur des Proletariats umfaßt eine lange Periode von Kämpfen, Niederlagen und Siegen des Proletariats; eine Periode der Fortdauer der allgemeinen Krise des kapitalistischen Systems und des Heranreifens sozialistischer Revolutionen, d. h. der Bürgerkriege des Proletariats gegen die Bourgeoisie; eine Periode nationaler Kriege und kolonialer Aufstände, die ‑ ohne sozialistische Bewegungen des revolutionären Proletariats zu sein ‑ objektiv zu einem Bestandteil der proletarischen Weltrevolution werden, soweit sie die Herrschaft des Imperialismus erschüttern; eine Periode des Nebeneinanderbestehens kapitalistischer und sozialistischer sozialökonomischer Systeme innerhalb der Weltwirtschaft mit “friedlichen” Beziehungen wie bewaffneten Kämpfen; eine Periode der Bildung des Bundes sozialistischer Rätestaaten, eine Periode der Kriege der imperialistischen Staaten gegen sie, eine Periode des immer engeren Zusammenschlusses dieser Staaten mit den Kolonialvölkern usw.

Die Ungleichmäßigkeit der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung ist ein absolutes Gesetz des Kapitalismus. Sie verschärft sich in der Epoche des Imperialismus in noch höherem Maße. Daher kann die internationale Revolution des Proletariats nicht als ein einmaliger, überall gleichzeitiger Akt betrachtet werden. Daher ist der Sieg des Sozialismus zuerst in wenigen und selbst in einem kapitalistischen Lande allein möglich. Aber jeder derartige Sieg des Proletariats erweitert die Basis der Weltrevolution und verschärft dadurch noch mehr die allgemeine Krise des Kapitalismus. Das kapitalistische System geht auf diese Weise seinem endgültigen Zusammenbruch entgegen. Die Diktatur des Finanzkapitals bricht zusammen und weicht der Diktatur des Proletariats.

Während die bürgerlichen Revolutionen nur die politische Freisetzung eines bereits ausgebildeten und ökonomisch herrschenden Systems von Produktionsverhältnissen und den Übergang der Macht aus den Hunden einer Ausbeuterklasse in die einer anderen bedeuteten, ist die proletarische Revolution ein gewaltsamer Eingriff des Proletariats in die Eigentumsverhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft, die Expropriation der ausbeutenden Klassen und der Übergang der Macht in die Hände der Klasse, die sich die Aufgabe stellt, das ökonomische Fundament der Gesellschaft radikal umzugestalten und jede Ausbeutung von Menschen durch Menschen zu beseitigen. Während die bürgerlichen Revolutionen Jahrhunderte brauchten, um der politischen Herrschaft des Feudaladels, die nur durch eine Kette einzelner Revolutionen gebrochen werden konnte, in der ganzen Welt ein Ende zu setzen, vermag die internationale Revolution des Proletariats, infolge des engeren Zusammenhangs der einzelnen Länder untereinander, ihre Aufgabe in einer kürzeren Frist zu lösen, obwohl auch sie keineswegs ein einmaliger Akt ist, sondern sich über eine ganze Epoche erstreckt. Erst auf den vollen Weltsieg des Proletariats und die Befestigung seiner Macht in der ganzen Welt wird eine lange Epoche rastlosen Aufbaus der sozialistischen Weltwirtschaft folgen.

Die Eroberung der Macht durch das Proletariat ist die Voraussetzung der Entwicklung sozialistischer Wirtschaftsformen und des kulturellen Wachstums des Proletariats. Das Proletariat gestaltet seine eigene Natur um, reift zum Lenker der Gesellschaft auf allen Gebieten menschlicher Betätigung heran, zieht in diesen Umbildungsprozeß auch die übrigen Klassen hinein und schafft damit die Grundlage für die Beseitigung der Klassen überhaupt.

Gegen den Block der Grundbesitzer und Kapitalisten bildet sich im Kampfe für die proletarische Diktatur und die nachfolgende Neugestaltung der Gesellschaft als die Grundlage der proletarischen Diktatur das Bündnis der Arbeiter und Bauern unter der ideellen und politischen Hegemonie der Arbeiterklasse.

Die Übergangsperiode als Ganzes ist gekennzeichnet durch die schonungslose Unterdrückung des Widerstandes der Ausbeuter, die Organisierung des Aufbaues des Sozialismus, die massenhafte Umgestaltung der Menschen im Geiste des Sozialismus und die schrittweise Überwindung der Klassenscheidung. Nur in dem Maße, in dem die Gesellschaft der Übergangsperiode diese großen historischen Aufgaben erfüllt, beginnt sie ihre Verwandlung in die kommunistische Gesellschaft.

Die Diktatur des Weltproletariats ist daher die notwendigste und entscheidende Vorbedingung des Überganges von der kapitalistischen Weltwirtschaft zur sozialistischen. Diese Diktatur kann jedoch nur durch den Sieg des Sozialismus in einzelnen Ländern oder Ländergruppen verwirklicht werden. Sie erfordert, daß die neu entstehenden proletarischen Republiken sich mit den bereits bestehenden verbünden, daß das Netz dieser Föderationen ‑ das auch die das imperialistische Joch abwerfenden Kolonien mit einbezieht ‑ ständig wächst und daß diese Föderationen schließlich zur Union der Sozialistischen Räterepubliken der Welt werden, die den Zusammenschluß der Menschheit unter der Hegemonie des staatlich organisier­ten Weltproletariats verwirklicht.

Die Eroberung der Macht durch das Proletariat ist keine friedliche “Eroberung” der fertigen bürgerlichen Staatsmaschine durch Erreichung der Parlamentsmehrheit. Die Bourgeoisie wendet alle Mittel der Gewalt und des Terrors an, um ihr räuberisches Eigentum und ihre politische Herrschaft zu sichern und zu stärken. Wie einst der feudale Adel, kann auch die Bourgeoisie ihren Platz in der Geschichte der neuen Klasse nicht ohne den verzweifeltsten, erbittertsten Kampf räumen. Deshalb kann die Gewalt der Bourgeoisie nur durch die entschlossene Anwendung der Gewalt des Proletariats gebrochen werden. Die Eroberung der Macht durch das Proletariat ist die gewaltsame Vernichtung der bürgerlichen Macht, die Zerschlagung der kapitalistischen Staatsmaschine (der bürgerlichen Armee, Polizei, Beamtenhierarchie, Gerichte, Parlamente usw.) und ihre Ersetzung durch neue Organe der proletarischen Macht, die vor allem Werkzeuge zur Niederhaltung der Ausbeuter sind.

2. Die Diktatur des Proletariats und ihre Form: die Räte

Die Oktoberrevolution von 1917 und die ungarische Revolution, die die Erfahrungen der Pariser Kommune von 1871 gewaltig erweiterten, haben gelehrt, daß die zweckentsprechendste Form der proletarischen Staatsgewalt ein neuer Typus des Staates ist, der sich vom bürgerlichen Staate nicht nur durch seinen Klasseninhalt, sondern durch seine innere Struktur prinzipiell unterscheidet: der Typus des Räte-(Sowjet-)Staates. Gerade diese der breitesten Massenbewegung der Werktätigen unmittelbar entspringende Form der Staatsgewalt bildet eine Gewähr für die größte Aktivität der Massen und bietet damit die beste Bürgschaft ihres endgültigen Sieges.

Der Rätestaat als höchster Ausdruck der Demokratie, und zwar als die proletarische Demokratie, steht in schroffem Gegensatz zur bürgerlichen Demokratie, dieser verhüllten Form der Diktatur der Bourgeoisie. Der Rätestaat ist die Diktatur des Proletariats, seine Alleinherrschaft als Klasse. Im Gegensatz zu der bürgerlichen Demokratie gibt der Rätestaat seinen Klassencharakter offen zu und stellt sich unverhüllt die Aufgabe der Unterdrückung der Ausbeuter im Interesse der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung. Er entzieht seinen Klassenfeinden die politischen Rechte und kann unter gewissen historischen Bedingungen dem Proletariat zur Stärkung seiner führenden Rolle eine Reihe vorübergehender Vorrechte gegenüber der zersplitterten kleinbürgerlichen Bauernschaft gewähren. Indem der proletarische Staat seine Klassengegner entwaffnet und unterdrückt, betrachtet er gleichzeitig diese Entziehung der politischen Rechte und eine gewisse Einschränkung der Freiheit als vorübergehende Maßnahmen im Kampfe gegen die Versuche der Ausbeuter, ihre Privilegien zu verteidigen oder wiederherzustellen. Der proletarische Staat schreibt auf sein Banner, daß das Proletariat nicht die Macht in seinen Händen hält, um sie zu verewigen, daß es nicht von engen Zunft- und Standesinteressen ausgeht, sondern die rückständigen und zersplitterten Massen der ländlichen Proletarier, der Halbproletarier und der werktätigen Bauern mit den fortgeschrittensten Schichten der Arbeiter fester und fester zusammenschließen will, um so allmählich und systematisch die Klassenteilung überhaupt zu überwinden. Als allumfassende Form des Zusammenschlusses und der Organisation der Massen unter der Führung des Proletariats mobilisieren die Räte in der Tat die breitesten Schichten der Arbeiter, Bauern und aller Werktätigen zum Kampf und zur sozialistischen Aufbauarbeit und ziehen sie praktisch zur Verwaltung des Staates heran. In ihrer ganzen Tätigkeit stützen sie sich auf die Massenorganisationen der Arbeiterklasse, verwirklichen unter den Werktätigen die weitestgehende Demokratie und sind mit den Massen unendlich enger verbunden als alle anderen Staatsformen. Das Recht der Neuwahl und der Abberufung gewählter Vertreter, die Vereinigung der ausführenden und der gesetzgebenden Gewalt, die Ersetzung der Territorialwahl durch die Wahl an der Arbeitsstätte (in Betrieben, Werkstätten usw.) ‑ das alles sichert der Arbeiterklasse und den unter ihrer Hegemonie marschierenden breiten Massen der Werktätigen eine systematische, ununterbrochene und aktive Beteiligung an allen öffentlichen Angelegenheiten ‑ wirtschaftlicher, politischer, militärischer und kultureller Natur. Darin unterscheidet sich die Rätediktatur des Proletariats aufs schärfste von der bürgerlich­parlamentarischen Republik.

Die bürgerliche Demokratie mit ihrer formalen Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz ist aufgebaut auf der schreienden wirtschaftlichen Ungleichheit der Klassen. Die bürgerliche Demokratie läßt das Monopol der Kapitalistenklasse und der Großgrundbesitzer an den entscheidenden Produktionsmitteln völlig unberührt, schützt es und festigt es noch weiter; dadurch verwandelt sie für die ausgebeuteten Klassen und vor allem für das Proletariat die formale Gleichheit vor dem Gesetz, die demokratischen Rechte und Freiheiten ‑ die überdies in der Praxis noch systematisch beschnitten werden ‑ in eine juristische Fiktion und damit in ein Mittel des Betruges und der Knechtung der Massen. Als Ausdruck der politischen Herrschaft der Bourgeoisie ist ihre sogenannte Demokratie eine kapitalistische Demokratie. Der Rätestaat dagegen, der den ausbeutenden Klassen die Produktionsmittel entzieht, die er in den Händen des Proletariats als der herrschenden Klasse monopolisiert, sichert der Arbeiterklasse und den Werktätigen überhaupt die materielle Grundlage der Aus­übung ihrer Rechte, indem er die öffentlichen Gebäude, Druckereien, Transportmittel usw. der Arbeiterklasse zur Verfügung stellt.

Auf dem Gebiete der politischen Rechte beseitigt der Rätestaat, der die Volksfeinde und Ausbeuter dieser Rechte beraubt, zum erstenmal in der Geschichte in vollem Umfange die Ungleichheit der Staatsbürger, die unter der Herrschaft der Ausbeutung durch die Unterschiede des Geschlechts, des Glaubens und der Nationalität begründet ist. Er sichert in dieser Hinsicht ein Maß von Gleichheit, wie es in keinem Lande der bürgerlichen Welt besteht. Zugleich schafft die proletarische Diktatur auch hier die materielle Grundlage, die die tatsächliche Herstellung dieser Gleichheit ermöglicht; hierzu gehören die Maßnahmen zur Befreiung der Frau, zur Industrialisierung einstiger Kolonien usw.

Die Rätedemokratie ist somit die proletarische Demokratie, die Demokratie der werktätigen Massen, die Demokratie gegen die Ausbeuter.

Der Rätestaat entwaffnet die Bourgeoisie vollständig und konzentriert die Waffen in den Händen des Proletariats. Er ist der Staat des Proletariats in Waffen. Die bewaffnete Macht ist hier ‑ entsprechend dem ganzen System der proletarischen Diktatur ‑ auf dem Klassenprinzip aufgebaut, das dem Industrieproletariat die führende Rolle sichert. Gestützt auf die revolutionäre Disziplin, sichert dieses System die engste, ständige Fühlung der Kämpfer der Roten Armee und Flotte mit den werktätigen Massen und ihre Beteiligung an der Verwaltung des Landes und am Aufbau des Sozialismus.

3. Die Diktatur des Proletariats und die Expropriation der Expropriateure

Das siegreiche Proletariat bedient sich der eroberten Macht als Hebel zur wirtschaftlichen Umwälzung, d. h. zur revolutionären Umgestaltung der Eigentumsverhältnisse des Kapitalismus in die Beziehungen der sozialistischen Produktionsweise. Den Ausgangspunkt zu dieser gewaltigen wirtschaftlichen Revolution bildet die Enteignung der Großgrundbesitzer und Kapitalisten, d. h. die Verwandlung des monopolistischen Eigentums der Bourgeoisie in das Eigentum des proletarischen Staates.

In dieser Hinsicht stellt die Kommunistische Internationale der proletarischen Diktatur die folgenden Hauptaufgaben:

A. Industrie, Verkehr und Nachrichtendienst

a) Konfiskation (entschädigungslose Enteignung) und proletarische Nationalisierung aller industriellen Großbetriebe (Fabriken, Bergwerke, Kraftstationen) des Privatkapitals und Übergabe aller Staats­ und Gemeindebetriebe an die Räte.

b) Konfiskation und proletarische Nationalisierung des privatkapitalistischen Eisenbahn-, Automobil-, Schiff- und Flugverkehrs (Handels- und Personenflugverkehr) und Übergabe des staatlichen und kommunalen Eigentums an Transportmitteln jeder Art an die Räte.

c) Konfiskation und proletarische Nationalisierung der privatkapitalistischen Unternehmungen der Nachrichtenübermittlung (Telegraph-, Telephon- und Funkdienst) und Übergabe der staatlichen und kommunalen Nachrichtenübermittlung an die Räte.

d) Organisierung der Verwaltung der Industrie durch die Arbeiter, Schaffung staatlicher Verwaltungsorgane unter engster Beteiligung der Gewerkschaften an der Verwaltung. Sicherstellung der entsprechenden Rolle der Betriebsräte.

e) Umstellung der Industrie auf den Bedarf der breiten werktätigen Massen, Umstellung der Industriezweige, die für den Bedarf der früher herrschenden Klassen arbeiteten (Luxusartikel usw.), Stärkung der Industriezweige, die die Entwicklung der Landwirtschaft fördern, zur Befestigung des Zusammenschlusses mit der Bauernwirtschaft, zur Sicherung der Entwicklung der staatlichen Wirtschaftsbetriebe und zur Beschleunigung des Entwicklungstempos der gesamten Volkswirtschaft.

B. Landwirtschaft

a) Konfiskation und proletarische Nationalisierung des gesamten Großgrundbesitzes in Stadt und Land (des privaten, des Kirchen- und Klosterbesitzes usw.) und Übergabe des gesamten staatlichen und kommunalen Grundeigentums, einschließlich der Forste, Bodenschätze, Gewässer usw., an die Räte mit nachfolgender Nationalisierung des gesamten Grund und Bodens.

b) Konfiskation des gesamten Produktionsapparates des großen Grundbesitzes, als da sind: Gebäude, Maschinen und sonstiges Inventar, Vieh, Betriebe zur Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte (Großmühlen, Käseerzeugung, Molkereien, Dörranlagen usw.).

c) Übergabe großer Güter, insbesondere Mustergüter und Güter von großer wirtschaftlicher Bedeutung, an die Organe der proletarischen Diktatur zur Verwaltung und Einrichtung von Sowjetgütern.

d) Übergabe eines Teils des konfiszierten Bodens der Großgrundbesitzer und anderer Bodenbesitzer an die Bauern (und zwar an deren arme und teilweise auch an ihre mittleren Schichten), vor allem dort, wo diese Ländereien früher von den Bauern in Pacht bearbeitet wurden und ein Mittel ihrer wirtschaftlichen Versklavung waren. Welcher Teil des Bodens den Bauern übergeben werden soll, wird bestimmt durch die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit und durch die Notwendigkeit, die Bauern zu neutralisieren und für die Sache des Proletariats zu gewinnen; dieser Teil des Grund und Bodens muß daher entsprechend den verschiedenen Bedingungen verschieden ausfallen.

e) Verbot des Kaufes und Verkaufes des Bodens, um diesen in den Händen der Bauern zu halten und seinen Übergang in die Hände von Kapitalisten, Bodenspekulanten usw. zu verhindern. Energischer Kampf gegen die Übertretung dieses Verbots.

f) Bekämpfung des Wuchers, Aufhebung wucherischer Schuldverträge, Annullierung der Schulden der ausgebeuteten Schichten der Bauernschaft, Steuerbefreiung der armen Bauern usw.

g) Großzügige staatliche Maßnahmen zur Hebung der Produktivkräfte der Landwirtschaft; Elektrifizierung der Landwirtschaft, Traktorenbau, Produktion chemischer Düngemittel, Züchtung hochwertigen Saatgutes und Rasseviehs auf den Sowjetgütern, großzügige Organisierung des landwirtschaftlichen Meliorationskredits usw.

h) Förderung und Finanzierung der landwirtschaftlichen Genossenschaften und aller Formen der kollektiven Produktion im Dorfe (Produktionsgenossenschaften. Kommunen usw.). Systematische Propaganda des genossenschaftlichen Zusammenschlusses der Bauernschaft (genossenschaftliche Organisierung des Absatzes, des Einkaufs und des Kredits) auf der Grundlage der Selbständigkeit der Bauernmassen; Propagierung des Überganges zu Formen der landwirtschaftlichen Großproduktion, was dank der unbestreitbaren technischen und wirtschaftlichen Überlegenheit des Großbetriebes unmittelbar den größten wirtschaftlichen Nutzen bringt und für die breitesten Massen der werktätigen Bauern den Übergang zum Sozialismus am ehesten ermöglicht.

C. Handel und Kredit

a) Proletarische Nationalisierung der Privatbanken (mit Übergabe des gesamten Goldvorrats, der Wertpapiere, Depositen usw. an den proletarischen Staat) und Übergabe der Staats-, Gemeinde- und ähnlicher Banken an den proletarischen Staat.

b) Zentralisierung des gesamten Bankwesens, Unterordnung aller nationalisierten Großbanken unter eine zentrale Staatsbank.

c) Nationalisierung des Großhandels und der Großunternehmen des Einzelhandels (Lagerhäuser, Getreidespeicher, Magazine, Warenvorräte usw.) und Übergabe an die Organe des Rätestaates.

d) Weitestgehende Förderung der Konsumgenossenschaften als des wichtigsten Bestandteils des Verteilungsapparates unter Vereinheitlichung ihrer Arbeit und Sicherung der selbständigen Anteilnahme der Massen an ihrem Aufbau.

e) Außenhandelsmonopol.

f) Annullierung der an ausländische und inländische Kapitalisten zu zahlenden Staatsschulden.

D. Arbeitsschutz, soziale Gesetzgebung usw.

a) Verkürzung des Arbeitstages auf sieben Stunden und in besonders gesundheitsschädlichen Industriezweigen auf sechs Stunden. Weitere Verkürzung des Arbeitstages und Übergang zu einer Arbeitswoche von fünf Tagen in den Ländern mit entwickelten Produktivkräften. Regelung des Arbeitstages nach Maßgabe des Steigens der Produktivität der Arbeit.

b) Verbot der Nachtarbeit und der Arbeit in besonders schädlichen Industriezweigen für alle Personen weiblichen Geschlechts als Regel, Verbot der Kinderarbeit, Verbot der Überstundenarbeit.

c) Besondere Verkürzung des Arbeitstages Jugendlicher (sechsstündiger Höchstarbeitstag für Jugendliche bis zu 18 Jahren). Sozialistische Reorganisierung der Arbeit der Jugendlichen durch Verbindung der materiellen Produktion mit der allgemeinen und politischen Erziehung.

d) Sozialversicherung jeder Art (Invalidität, Alter, Unfall, Arbeitslosigkeit usw.) auf Kosten des Staates (soweit noch Privatunternehmen bestehen, auf Kosten der Unternehmer) bei völliger Selbstverwaltung durch die Versicherten.

e) Großzügige Regelung des Gesundheitswesens, Organisierung der unentgeltlichen ärztlichen Hilfe, Kampf gegen die sozialen Krankheiten (Alkoholismus, Geschlechtskrankheiten, Tuberkulose).

f) Soziale Gleichstellung von Frau und Mann vor dem Gesetz und im Leben, radikale Umgestaltung des Ehe- und Familienrechtes. Anerkennung der Mutterschaft als soziale Leistung: Mutter- und Säuglingsschutz, Beginn der Verwirklichung der Pflege und Erziehung der Kinder und Jugendlichen durch die Gesellschaft (Kinderkrippen, -gärten, -heime usw.); Schaffung von Einrichtungen, die allmählich die Hauswirtschaft entlasten (öffentliche Küchen und Wäschereien); planmäßiger Kulturkampf gegen die Ideologien und Traditionen der Versklavung der Frau.

E. Wohnungswesen

a) Enteignung des großen Hausbesitzes.

b) Übergabe der enteigneten Häuser in die Verwaltung der örtlichen Räte.

c) Besiedlung der Bourgeoisviertel durch Arbeiter.

d) Übergabe der Schlösser, großer öffentlicher und privater Gebäude an die Arbeiterorganisationen.

e) Durchführung eines großzügigen Wohnbauprogramms.

F. Nationale und koloniale Frage

a) Anerkennung des Rechtes aller Nationen, ohne Rücksicht auf ihre Rassenzugehörigkeit, auf volle Selbstbestimmung, d. h. Selbstbestimmung bis zur staatlichen Lostrennung.

b) Freiwilliger Zusammenschluß und Zentralisierung der militärischen und wirtschaftlichen Kräfte aller vom Kapitalismus befreiten Völker zum Kampfe gegen den Imperialismus und zum Ausbau der sozialistischen Wirtschaft.

c) Durchgreifender, entschlossener Kampf gegen jegliche Beengung und Beschränkung, die gegen irgendwelche Völkerschaften, Nationen oder Rassen gerichtet sind. Völlige Gleichberechtigung aller Nationen und Rassen.

d) Sicherung und Unterstützung der Entwicklung der nationalen Kulturen der vom Kapitalismus befreiten Nationen mit allen Kräften und Mitteln des Rätestaates, bei folgerichtiger proletarischer Gestaltung des Inhalts dieser Kulturen.

e) Allseitige Förderung des wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Aufstiegs der früher unterdrückten “Gebiete”, “Randgebiete” und “Kolonien” zur Schaffung einer festen Grundlage für eine wirkliche, volle nationale Gleichheit.

f) Kampf gegen alle Überreste des Chauvinismus, des nationalen Hasses, der Rassenvorurteile und sonstiger ideologischer Überbleibsel der feudalen und kapitalistischen Barbarei.

G. Mittel zur ideologischen Beeinflussung

a) Nationalisierung der Druckereien.

b) Monopolisierung des Zeitungs- und Verlagswesens.

c) Nationalisierung der großen Kinounternehmungen, Theater usw.

d) Ausnutzung der nationalisierten Mittel der geistigen Produktion für eine großzügige politische und allgemeine Aufklärung der Werktätigen und für den Aufbau einer neuen sozialistischen Kultur auf proletarischer Klassengrundlage.

4. Die Grundzüge der Wirtschaftspolitik der proletarischen Diktatur

Bei der Durchführung aller dieser Maßnahmen muß die proletarische Diktatur folgende Richtlinien beachten:

1. Die volle Beseitigung des privaten Bodeneigentums und die Nationalisierung des gesamten Grund und Bodens kann in den entwickeltsten kapitalistischen Staaten nicht mit einem Schlage durchgeführt werden, da hier das Prinzip des Privateigentums in breiten Schichten der Bauernschaft tiefe Wurzeln geschlagen hat. In diesen Ländern kann die Nationalisierung des gesamten Grund und Bodens nur allmählich durch eine Reihe von Übergangsmaßnahmen vorgenommen werden.

2. Die Nationalisierung der Produktion soll sich in der Regel nicht auf Klein- und Mittelbetriebe (Bauern, Handwerker, selbständige Heimarbeiter, kleine und mittlere Händler, Kleinindustrielle u. ä.) erstrecken, und zwar aus folgenden Gründen:

Erstens, weil das Proletariat streng unterscheiden muß zwischen dem Arbeitseigentum des einfachen Warenproduzenten, der allmählich in den sozialistischen Aufbau einbezogen werden kann und muß, und dem Ausbeutereigentum der Kapitalisten, dessen Aufhebung eine notwendige Vorbedingung des Aufbaus des Sozialismus ist. Zweitens, weil das zur Macht gelangte Proletariat besonders in der ersten Phase der Diktatur nicht über die genügende Zahl organisatorischer Kräfte verfügen wird, um nicht nur den Kapitalismus zu vernichten, sondern, um auch sofort die mittleren und kleinen individuellen Produktionseinheiten auf neuer, auf sozialistischer Grundlage zu organisieren. Diese kleinen Einzelwirtschaften (vor allen Dingen die Bauernwirtschaften) werden nur allmählich bei umfassender gründlicher Unterstützung aller Formen ihrer Kollektivisierung durch den proletarischen Staat in die allgemeine sozialistische Organisation der Produktion und Distribution einbezogen. Jede gewaltsame Zerstörung ihrer Wirtschaftsweise und jede zwangsweise Kollektivisierung würde nur negative Resultate ergehen.

3. Das Vorhandensein einer beträchtlichen Anzahl kleiner Produktionseinheiten (vor allem Bauern- und Farmwirtschaften, Handwerker, Kleinhändler usw.) nicht nur in den Kolonien, Halbkolonien und wirtschaftlich rückständigen Ländern, in denen die kleinbürgerliche Masse die große Mehrheit der Bevölkerung bildet, sondern auch in den Hauptgebieten der kapitalistischen Weltwirtschaft (Vereinigte Staaten, Deutschland und bis zu einem gewissen Grade auch England) erfordert im Anfangsstadium der Entwicklung in größerem oder geringerem Maße die Aufrechterhaltung der Marktbeziehungen der Wirtschaft, die des Geldsystems usw. Die Mannigfaltigkeit der Wirtschaftsformen (von der sozialisierten Großindustrie bis zur Kleinbauern- und Handwerkerwirtschaft), die unvermeidlich von einem Kampf der Wirtschaftsformen untereinander begleitet ist; die dementsprechende Mannigfaltigkeit der Klassen und Klassengruppierungen mit ihren verschiedenen Antrieben zur wirtschaftlichen Tätigkeit; der Kampf der verschiedenen wirtschaftlichen Interessen; schließlich das Vorhandensein von Gewohnheiten und Traditionen auf allen Gebieten des wirtschaftlichen Lebens, die als Erbschaft der bürgerlichen Gesellschaftsordnung nicht auf einmal überwunden werden können; ‑ all das fordert von der Wirtschaftsführung des Proletariats die richtige Verbindung der sozialistischen Großindustrie mit den Kleinwirtschaften einfacher Warenproduzenten auf der Grundlage der Marktverhältnisse, das heißt eine Verbindung, die die führende Rolle der sozialistischen Industrie und gleichzeitig den raschesten Aufschwung der Hauptmasse der Bauernwirtschaften sichert. Je größer mithin das spezifische Gewicht der zersplitterten kleinbäuerlichen Arbeit in der gesamten Wirtschaft eines Landes ist, desto umfangreicher werden die Marktbeziehungen, desto geringer ist die Bedeutung unmittelbarer, planmäßiger Leitung, desto mehr gründet sich der allgemeine Wirtschaftsplan auf die Abschätzung der elementar entstehenden wirtschaftlichen Beziehungen. Und umgekehrt: je geringer das spezifische Gewicht der kleinen Wirtschaften, je größer der Anteil der vergesellschafteten Arbeit, je größer die Menge der konzentrierten und sozialisierten Produktionsmittel an der Gesamtwirtschaft ist, desto geringer der Umfang der Marktbeziehungen, desto größer die Bedeutung des geregelten Wirtschaftsplanes gegenüber der Anarchie, desto bedeutender und umfassender die planmäßige Leitung der Produktion und Distribution.

Die technische und ökonomische Überlegenheit der sozialisierten Großindustrie; die Zusammenfassung aller ausschlaggebenden wirtschaftlichen “Kommandohöhen” (Industrie, Verkehr, Bankwesen, landwirtschaftliche Großbetriebe usw.) in der Hand des proletarischen Staates; die planmäßige Wirtschaftsführung: die Macht des Staatsapparates als Ganzes (Staatshaushalt, Steuern, Verwaltungsgesetzgebung und Gesetzgebung im allgemeinen); ‑ führen bei einer richtigen Klassenpolitik der proletarischen Diktatur, d. h. bei einer richtigen Einschätzung der Klassenbeziehungen, zu einer ständigen, systematischen Verdrängung sowohl der Reste des Privatkapitals als auch der neuen kapitalistischen Keime, die in Stadt und Land (Großbauern, "Kulakentum") mit dem Aufschwung der Wirtschaft der einfachen Warenproduzenten unter den Bedingungen des mehr oder weniger freien Handels und der Marktbeziehungen entstehen. Gleichzeitig wird durch die genossenschaftliche Zusammenfassung der Bauernschaft und das Wachsen der kollektiven Wirtschaftsformen die Hauptmasse der Bauernwirtschaften (d. h. die kleinen und mittleren Bauernwirtschaften) in das Gesamtsystem des sich entwickelnden Sozialismus einbezogen. Die mit den Marktbeziehungen verbundenen, äußerlich kapitalistischen Formen und Methoden der wirtschaftlichen Betätigung (Preisrechnung, Geldlöhne, Kauf und Verkauf, Kredit und Banken usw.) spielen dir Rolle von Hebeln der sozialistischen Umwälzung, sofern sie in steigendem Maße die Entwicklung von Unternehmungen konsequent sozialistischen Typus fördern, d. h. in den Dienst des sozialistischen Teils der Wirtschaft treten.

So tragen die Marktbeziehungen unter der proletarischen Diktatur ‑ die richtige Politik des Rätestaates vorausgesetzt ‑ in ihrer Entwicklung bereits den Keim ihrer Selbstaufhebung. Indem sie zur Verdrängung des Privatkapitals, zur Umgestaltung der Bauernwirtschaft, zur weiteren Zentralisierung und Konzentrierung der Produktionsmittel in den Händen des proletarischen Staates beitragen, fördern sie den Prozeß der Überwindung der Marktbeziehungen überhaupt.

Im Falle der wahrscheinlichen bewaffneten Intervention der Kapitalisten oder eines anhaltenden konterrevolutionären Krieges gegen die proletarische Diktatur muß die Wirtschaftsführung vor allem von den Interessen der Verteidigung der proletarischen Diktatur ausgehen. Dabei kann eine kriegskommunistische Wirtschaftspolitik ("Kriegskommunismus") notwendig werden. Dies ist nichts anderes als eine der militärischen Verteidigung dienende Organisierung des rationellen Verbrauchs, verbunden mit einem System verstärkten Drucks auf die kapitalistischen Gruppen (Konfiskationen, Requisitionen usw.). Dabei werden der freie Handel und die Marktbeziehungen mehr oder weniger liquidiert und die individualistischen Wirtschaftsantriebe der Kleinproduzenten in hohem Maße gestört, was mit einem Sinken der Produktionskräfte des Landes verbunden ist. Diese Politik des "Kriegskommunismus" findet ihre historische Rechtfertigung darin, daß sie die materielle Grundlage der der Arbeiterklasse feindlichen Schichten innerhalb des Landes untergräbt, eine rationelle Verteilung der vorhandenen Vorräte sichert und den bewaffneten Kampf der proletarischen Diktatur erleichtert. Nichtsdestoweniger darf sie nicht als ein “normales” wirtschaftspolitisches System der proletarischen Diktatur gelten.

5. Die Diktatur des Proletariats und die Klassen

Die Diktatur des Proletariats ist die Fortsetzung seines Klassenkampfes unter neuen Bedingungen. Die Diktatur des Proletariats ist ein hartnäckiger, blutiger und unblutiger, gewaltsamer und friedlicher, militärischer und wirtschaftlicher, erzieherischer und administrativer Kampf gegen die Mächte und Überlieferungen der allen Gesellschaft, gegen die kapitalistischen Feinde außerhalb, die Reste der Ausbeuterklassen innerhalb des Landes und gegen die Keime einer neuen Bourgeoisie, die sich auf dem Boden der noch nicht überwundenen Warenproduktion entwickeln.

Nach Beendigung des Bürgerkrieges nimmt der hartnäckige Klassenkampf neue Formen an, vor allem die des Kampfes der sozialistischen Wirtschaftsformen gegen die Überreste der alten Wirtschaftsweisen und ihre neuen Keime. Dabei wechseln notwendigerweise die Formen dieses Kampfes in den verschiedenen Etappen der sozialistischen Entwicklung; in seinen ersten Etappen kann sich dieser Kampf unter gewissen Bedingungen verschärfen.

Im Anfangsstadium der proletarischen Diktatur ist die Politik des Proletariats gegenüber den anderen Klassen und Gesellschaftsgruppen durch die folgenden Richtlinien bestimmt:

1. Die Großbourgeoisie und Großgrundbesitzer, die ihnen ergebenen Teile des Offizierskorps, die Generalität und die höhere Beamtenschaft sind konsequente Feinde der Arbeiterklasse, die erbarmungslos niederzukämpfen sind. Die Ausnutzung der organisatorischen Fähigkeiten eines gewissen Teiles dieser Elemente ist jedoch möglich, allein in der Regel erst nach der Verankerung der Diktatur und nach der entscheidenden Niederwerfung aller Aufstände und Verschwörungen der Ausbeuter.

2. Gegenüber der in bürgerlichen Überlieferungen aufgewachsenen und in ihren oberen Schichten mit dem Kommandoapparat des Kapitals eng verbundenen technischen Intelligenz hat das Proletariat ‑ bei energischster Unterdrückung aller konterrevolutionären Aktionen der ihm feindlichen Schichten der Intelligenz ‑ die Notwendigkeit der Heranziehung dieser qualifizierten gesellschaftlichen Kraft zur sozialistischen Aufbauarbeit im Auge zu behalten und neutrale, besonders aber der Arbeiterrevolution freundlich gesinnte Gruppen unter ihnen in jeder Weise zu begünstigen. Indem das Proletariat das Bild des wirtschaftlichen, technischen und kulturellen Aufbaus des Sozialismus in seiner ganzen sozialen Bedeutung entrollt, muß es die technische Intelligenz systematisch auf seine Seite bringen, sie seinem geistigen Einfluß unterwerfen und sich ihrer regen Mitarbeit an der Umgestaltung der Gesellschaft versichern.

3. Im Verhältnis zur Bauernschaft ist es die Aufgabe der kommunistischen Parteien, gestützt auf das Landproletariat, alle ausgebeuteten und werktätigen Schichten des Dorfes auf ihre Seite zu ziehen. Das siegreiche Proletariat muß die verschiedenartigen Gruppierungen innerhalb der Bauernschaft genau auseinanderhalten und ihre Bedeutung sorgfältig abwägen; es muß die besitzlosen, halbproletarischen Schichten der Bauernschaft in jeder Weise unterstützen, indem es ihnen einen Teil des gutsherrlichen Bodens überläßt, ihnen den Kampf gegen das Wucherkapital erleichtert usw. Ferner muß das Proletariat die Mittelschichten der Bauernschaft neutralisieren und jeden Widerstand der mit den Großgrundbesitzern verbündeten Dorfbourgeoisie schonungslos unterdrücken. In dem Maße, in dem seine Diktatur erstarkt und der Aufbau des Sozialismus fortschreitet, muß das Proletariat von der Politik der Neutralisierung zur Politik des festen Bündnisses mit den Mittelbauern übergehen, ohne indessen auch nur den Gedanken an eine Teilung der Macht aufkommen zu lassen. Denn die Diktatur des Proletariats ist der Ausdruck der Tatsache, daß nur die Industriearbeiterschaft imstande ist, die ganze Masse der Werktätigen zu führen; sie ist aber als Alleinherrschaft des Proletariats doch zugleich eine besondere Form des Klassenbündnisses zwischen dem Proletariat als der Vorhut der Werktätigen und deren zahlreichen nichtproletarischen Schichten oder ihrer Mehrheit; sie ist die Form eines Bündnisses zum endgültigen Sturz des Kapitalismus, zur vollständigen Niederschlagung des Widerstandes der Bourgeoisie und ihrer Restaurationsversuche ‑ zur endgültigen Begründung und Befestigung des Sozialismus.

4. Das städtische Kleinbürgertum, das dauernd zwischen der äußersten Reaktion und Sympathien zum Proletariat hin- und herschwankt, soll ebenfalls neutralisiert und nach Möglichkeit für die Sache des Proletariats gewonnen werden. Dies geschieht dadurch, daß sein Kleineigentum unangetastet, eine gewisse Freiheit des wirtschaftlichen Austausches aufrechterhalten bleibt, daß der Wucherkredit beseitigt wird und das Proletariat ihm Hilfe verschiedener Art im Kampfe gegen alle und jede Form der kapitalistischen Unterdrückung angedeihen läßt.

6. Die Massenorganisationen im System der proletarischen Diktatur

Bei Erfüllung aller dieser Aufgaben der proletarischen Diktatur ändern sich von Grund auf die Aufgaben und Funktionen der Massenorganisationen, in erster Linie der Arbeiterorganisationen. Die Massenorganisationen der Arbeiter, in denen die breiten Schichten des Proletariats erstmals organisatorisch vereinigt und erzogen werden, die Gewerkschaften (Industrieverbände), sind unter der Herrschaft des Kapitalismus die Hauptwaffen der Streikkämpfe und weiter auch der Massenkämpfe gegen das Trustkapital und seinen Staat. Unter der proletarischen Diktatur werden sie zu ihrem wichtigsten Hebel, werden sie zu einer Schule des Kommunismus, die gewaltige Massen des Proletariats in die sozialistische Leitung der Produktion hineinzieht; sie werden zu einer Organisation, die in unmittelbarer Verbindung mit allen Teilen des Staatsapparates steht, alle Zweige seiner Arbeit beeinflußt, sowohl die dauernden als auch die Tagesinteressen der Arbeiterklasse schützt und bürokratische Entartungen der Organe des Rätestaates bekämpft. Die Gewerkschaften werden so zum Rückgrat der wirtschaftlichen und staatlichen Organisationen des Proletariats, da sie aus ihrer Mitte die leitenden Kaders für die Aufbauarbeit stellen, breite Massen des Proletariats zu dieser Arbeit heranziehen und sich besonders die Bekämpfung der bürokratischen Auswüchse zur Aufgabe stellen, die sich infolge des niedrigen kulturellen Niveaus der Massen und der dem Proletariat fremden Klasseneinflüsse unvermeidlich entwickeln.

Die genossenschaftlichen Organisationen der Arbeiterklasse sind unter der Herrschaft des Kapitalismus dazu verurteilt ‑ den reformistischen Utopien zum Trotz ‑, eine recht bescheidene Rolle zu spielen. Infolge der allgemeinen Bedingungen des Kapitalismus und der reformistischen Politik ihrer Leiter entarten sie nicht selten und verwandeln sich in Anhängsel des kapitalistischen Systems. Unter der Diktatur des Proletariats können und müssen sie zu den wichtigsten Bestandteilen des Verteilungsapparates werden.

Schließlich kann und muß das landwirtschaftliche Genossenschaftswesen der Bauernschaft (Absatz-, Einkaufs-, Kredit- und Produktivgenossenschaften) ‑ unter der Bedingung einer entsprechenden Leitung, eines systematischen Kampfes gegen die kapitalistischen Elemente und der Sicherung des tätigen Anteils der dem Proletariat folgenden breiten Massen der Werktätigen ‑ eine der grundlegenden Organisationsformen der Verbindung von Stadt und Land werden. Unter dem Kapitalismus verwandeln sich die genossenschaftlichen Vereinigungen der Bauernwirtschaften, soweit sie überhaupt lebensfähig sind, zumeist unvermeidlich in kapitalistische Unternehmungen, da sie von der kapitalistischen Industrie, von den kapitalistischen Banken und der kapitalistischen Umwelt überhaupt abhängen und von Reformisten, von der Dorfbourgeoisie und manchmal sogar den Gutsbesitzern geleitet werden. Unter der Diktatur des Proletariats entwickeln sie sich in einem System anders gearteter Beziehungen und sind von der proletarischen Industrie, den proletarischen Banken usw. abhängig. Auf diese Weise werden die landwirtschaftlichen Genossenschaften ‑ die richtige Politik des Proletariats, d. h. den systematischen Klassenkampf gegen die kapitalistischen Elemente außerhalb wie innerhalb der Genossenschaftsorganisationen vorausgesetzt ‑ unter Leitung der sozialistischen Industrie zu einem der wichtigsten Hebel der sozialistischen Umgestaltung des Dorfes, zu seiner Kollektivisierung. Das schließt aber die Möglichkeit nicht aus, daß in einigen Ländern die Konsumgenossenschaften, besonders aber die landwirtschaftlichen Genossenschaften, unter der Führung der Bourgeoisie und ihrer sozialdemokratischen Agenten in der ersten Zeit Stützen der konterrevolutionären Tätigkeit und der Sabotage des wirtschaftlichen Aufbaus der Arbeiterrevolution sein werden.

Alle diese Aufgaben des Kampfes und des Aufbaus erfüllt das Proletariat durch die mannigfachsten Organisationen, die die wahren Triebkräfte des Rätestaates werden müssen und seine Verbindung mit den breitesten Massen aller Schichten der Arbeiterklasse herstellen: es sichert die Einheit des Wollens und des Handelns durch die Führerrolle der Kommunistischen Partei im System der Diktatur des Proletariats.

Die Partei des Proletariats stützt sich unmittelbar auf die Gewerkschaften und eine Reihe anderer, die Arbeitermassen und durch diese auch die Bauern erfassenden Organisationen (Räte, Genossenschaften, kommunistischer Jugendverband und ähnliche) und lenkt durch sie das Rätesystem in seiner Gesamtheit. Nur die aufopfernde Unterstützung der Rätemacht durch alle Massenorganisationen, die unerschütterliche Einheit des Klassenwillens und die Führung durch die Partei befähigen das Proletariat, seine Aufgabe zu erfüllen: der Organisator der neuen Gesellschaft zu sein.

7. Die Diktatur des Proletariats und die Kulturrevolution

Diese Rolle des Organisators einer neuen menschlichen Gesellschaft setzt voraus, daß das Proletariat kulturell heranreift, sein eigenes Wesen umgestaltet und fortwährend neue proletarische Kaders aus seiner Mitte aussondert, die fähig sind, sich alle Errungenschaften der Technik, der Wissenschaft und der Verwaltung anzueignen, um den Sozialismus und die neue sozialistische Kultur aufzubauen.

Während die bürgerliche Revolution gegen den Feudalismus voraussetzt, daß im Schoße der feudalen Gesellschaftsordnung eine neue Klasse vorhanden ist, die ihrer kulturellen Reife nach höher steht als die herrschende Klasse und bereits unter dem Feudalismus der Hegemon des Wirtschaftslebens ist, entwickelt sich die proletarische Revolution unter anderen Bedingungen. Die Arbeiterklasse ist in der kapitalistischen Gesellschaft wirtschaftlich ausgebeutet, politisch unterdrückt und in kultureller Beziehung niedergehalten, erst in der Übergangsperiode, erst nachdem sie die Staatsmacht ergriffen hat, kann sie das bürgerliche Bildungsmonopol brechen, sich alles Wissen zu eigen machen und mit Hilfe ihrer Erfahrung bei der gewaltigen Aufbauarbeit ihr eigenes Wesen umgestalten. Um in den Massen kommunistisches Bewußtsein zu entwickeln und um die Sache des Sozialismus selbst durchzusetzen, ist eine die Massen ergreifende Veränderung der Menschen nötig, die nur in der praktischen Bewegung, in der Revolution, vor sich gehen kann. Die Revolution ist also nicht nur nötig, weil die herrschende Klasse auf keine andere Weise gestürzt werden kann, sondern auch, weil die sie stürzende Klasse nur in einer Revolution dahin kommen kann, sich von allem Schmutz der alten Gesellschaft zu reinigen, und so fähig werden kann, eine neue Gesellschaft begründen.

Mit der Vernichtung des kapitalistischen Monopols an den Produktionsmitteln muß die Arbeiterklasse auch das bürgerliche Bildungsmonopol beseitigen, d. h. vom gesamten Schulwesen, die Hochschulen eingeschlossen, Besitz ergreifen. Eine besonders dringende Aufgabe des Proletariats ist die Ausbildung eigener Fachleute aus den Reihen der Arbeiterschaft, sowohl für die Produktion (Ingenieure, Techniker, Organisatoren usw.) als auch für das Kriegswesen, die Kunst und Wissenschaft. Außerdem gilt es, das allgemeine Kulturniveau der breiten proletarischen Massen zu heben, ihre politische Aufklärung zu fördern, ihr Wissen und ihre technische Qualifikation zu vervollkommnen, sie mit der Praxis der öffentlichen Tätigkeit und der Verwaltungsarbeit vertraut zu machen, die Reste bürgerlicher und kleinbürgerlicher Vorurteile zu bekämpfen usw.

Nur in dem Maße, wie das Proletariat seine fortgeschrittensten Schichten zu all den gesellschaftlichen “Kommandopositionen” bestimmt, nur in dem Maße, als diese Schichten immer mehr wachsen, indem sie immer neue Glieder der proletarischen Klasse in den Prozeß der kulturellen Umgestaltung einbeziehen, bis sie schließlich die Teilung in “fortgeschrittene” und “rückständige” Schichten des Proletariats beseitigen, nur in diesem Maße wird das Proletariat den siegreichen Aufbau des Sozialismus sicherstellen und einen Wall gegen bürokratisches Vermodern und klassenmäßige Entartung schaffen.

Das Proletariat gestaltet aber im Laufe der Revolution nicht nur sein eigenes Wesen neu, sondern auch das Wesen der anderen Klassen, vor allem das der zahlreichen kleinbürgerlichen Schichten in Stadt und Land, insbesondere der werktätigen Schichten der Bauernschaft. Die Arbeiterklasse läßt breiteste Massen der Kulturrevolution teilhaftig werden, zieht sie in den Aufbau des Sozialismus hinein, faßt sie zusammen und erzieht sie im Geiste des Kommunismus mit allen Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen, sie kämpft auf das entschiedenste gegen alle antiproletarischen und zünftlerischen Ideologien. Mit besonderem Nachdruck arbeitet das Proletariat systematisch an der Überwindung der allgemeinen und kulturellen Rückständigkeit des Dorfes. Damit schafft es ‑ auf der Grundlage der sich entwickelnden kollektiven Wirtschaftsformen ‑ die Voraussetzungen für die Überwindung der Klassenteilung der Gesellschaft.

Eine besondere Stellung hat unter den Aufgaben der die breiten Massen erfassenden Kulturrevolution der Kampf gegen das “Opium für das Volk”, die Religion. Dieser Kampf muß hartnäckig und systematisch geführt werden. Die proletarische Macht muß jede staatliche Unterstützung der Kirche, die eine Agentur der einst herrschenden Klassen ist, aufheben, jede Einmengung der Kirche in das staatlich organisierte Erziehung- und Bildungswesen unterbinden und die konterrevolutionäre Tätigkeit kirchlicher Organisationen schonungslos unterdrücken. Die proletarische Macht läßt die Freiheit des Bekenntnisses zu, führt aber gleichzeitig mit allen ihr zugänglichen Mitteln eine antireligiöse Propaganda, vernichtet die Vorzugsstellung der früheren Staatsreligion und gestaltet das ganze Erziehung- und Bildungswesen auf der Grundlage der wissenschaftlich-materialistischen Weltanschauung um.

8. Der Kampf für die Weltdiktatur des Proletariats und die Haupttypen der Revolutionen

Die internationale Revolution des Proletariats besteht aus einer Reihe ungleichzeitiger und ungleichartiger Prozesse: rein proletarische Revolutionen; Revolutionen von bürgerlich-demokratischem Typus, die in proletarische Revolutionen umschlagen; nationale Befreiungskriege; koloniale Revolutionen. Erst am Ende seiner Entwicklung führt dieser revolutionäre Prozeß zur Weltdiktatur des Proletariats.

Die in der Epoche des Imperialismus gesteigerte Ungleichmäßigkeit der Entwicklung des Kapitalismus hat eine größere Verschiedenartigkeit seiner Typen, hat Unterschiede im Reifegrad und mannigfaltige, besondere Bedingungen des revolutionären Prozesses in den einzelnen Ländern erzeugt. Eine historisch unbedingt notwendige Folge dieser Umstände sind die Mannigfaltigkeit der Wege und die Unterschiede im Tempo der Machtergreifung des Proletariats wie die Unvermeidlichkeit gewisser Übergangsstadien zur proletarischen Diktatur in einer Reihe von Ländern. Infolgedessen nimmt auch der Aufbau des Sozialismus in einzelnen Ländern verschiedene Formen an.

Die mannigfaltigen Bedingungen und Wege des Überganges zur proletarischen Diktatur in den einzelnen Ländern lassen sich schematisch auf folgende drei Typen zurückführen:

Hochentwickelte kapitalistische Länder (Vereinigte Staaten, Deutschland, England usw.) mit mächtig entfalteten Produktivkräften, weitgehend zentralisierter Produktion, verhältnismäßig geringem spezifischen Gewicht der Kleinbetriebe und mit einem bereits seit langem bestehenden bürgerlich-demokratischen politischen Regime. In diesen Ländern ist die politische Hauptforderung des Programms der unmittelbare Übergang zur Diktatur des Proletariats. Auf wirtschaftlichem Gebiete sind die wesentlichen Forderungen: die Expropriation sämtlicher Großbetriebe, die Schaffung einer beträchtlichen Anzahl staatlicher Sowjetgüter, Übergabe nur eines relativ unerheblichen Teiles des Bodens an die Bauernschaft; verhältnismäßig geringer Umfang der elementaren Marktbeziehungen; rasche sozialistische Entwicklung im allgemeinen und insbesondere rasche Kollektivisierung der Bauernwirtschaft.

Länder auf mittlerer kapitalistischer Entwicklungsstufe (Spanien, Portugal, Polen, Ungarn, die Balkanländer usw.) mit erheblichen Resten halbfeudaler Verhältnisse, in der Landwirtschaft, mit einem gewissen Minimum der materiellen Voraussetzungen zum Aufbau des Sozialismus, Länder, in denen die bürgerlich-demokratische Umwälzung noch nicht abgeschlossen ist. In manchen dieser Länder ist ein mehr oder minder rasches Umschlagen der bürgerlich­demokratischen Revolution in die sozialistische, in anderen sind Typen proletarischer Revolutionen mit umfangreichen Aufgaben bürgerlich-demokratischer Natur möglich. Im ersten Falle ist es daher möglich, daß die Diktatur des Proletariats nicht unmittelbar, sondern erst im Verlaufe des Überganges von der demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft zur sozialistischen Diktatur des Proletariats eintritt, im andern Falle, wo sich die Revolution unmittelbar als proletarische entwickelt, setzt sie die Führung einer breiten Agrar- und Bauernbewegung durch das Proletariat voraus; die Agrarrevolution spielt eine ungeheure, manchmal entscheidende Rolle; im Laufe der Enteignung des großen Grundbesitzes geht ein erheblicher Teil des enteigneten Grund und Bodens in die Hand der Bauernschaft über; das Ausmaß der Marktbeziehungen ist nach dem Siege des Proletariats bedeutend; der genossenschaftliche Zusammenschluß der Bauernschaft und ihre Zusammenfassung in großen Produktionseinheiten gewinnen im Rahmen der verschiedenen Aufgaben des sozialistischen Aufbaues allergrößte Bedeutung. Das Tempo des Aufbaues des Sozialismus ist relativ langsam.

Koloniale und halbkoloniale Länder (China, Indien usw.) und abhängige Länder (Argentinien, Brasilien usw.) mit bestimmten Ansätzen, zuweilen sogar mit einer erheblichen, für einen selbständigen Aufbau des Sozialismus meist jedoch ungenügenden Entwicklung der Industrie; mit vorherrschenden mittelalterlich feudalen Verhältnissen oder der "asiatischen Produktionsweise" sowohl in der Wirtschaft als auch im politischen Überbau; schließlich mit Konzentration der ausschlaggebenden Industrie-, Handels- und Bankunternehmungen, der wichtigsten Transportmittel, der Latifundien, Pflanzungen usw. in der Hand ausländischer imperialistischer Gruppen. In diesen Ländern haben entscheidende Bedeutung der Kampf gegen den Feudalismus, gegen die vorkapitalistischen Formen der Ausbeutung sowie die konsequente Agrarrevolution der Bauernschaft und der Kampf gegen den ausländischen Imperialismus und für die nationale Unabhängigkeit. Der Übergang zur proletarischen Diktatur ist hier in der Regel erst über eine Reihe von Vorbereitungsstufen, erst als Ergebnis einer ganzen Periode des Umschlagens der bürgerlich­demokratischen Revolution in die sozialistische möglich. Der erfolgreiche Aufbau des Sozialismus ist in den meisten dieser Länder nur möglich bei unmittelbarer Unterstützung durch die Länder der proletarischen Diktatur.

In noch rückständigeren Ländern (z. B. in einigen Teilen Afrikas), wo es beinahe keine oder gar keine Lohnarbeiter gibt, wo die Mehrheit der Bevölkerung in einer Stammesverfassung lebt und sich noch Überreste der alten Gentilordnung erhalten haben, wo es an einer nationalen Bourgeoisie fast gänzlich fehlt und der ausländische Imperialismus in erster Linie als bewaffneter Eroberer auftritt, der den Boden raubt, ‑ in diesen Ländern ist der Kampf für die nationale Befreiung die Hauptsache. Die nationale Erhebung und ihr Sieg können in solchen Ländern den Weg zum Sozialismus mit Überspringung des kapitalistischen Stadiums eröffnen, wenn ihnen die Länder der proletarischen Diktatur tatkräftige Hilfe angedeihen lassen.

In einer Epoche, wo in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern die Machteroberung durch das Proletariat auf die Tagesordnung gestellt ist und wo in der Sowjetunion bereits die proletarische Diktatur besteht und einen Faktor von Weltbedeutung darstellt, können die durch das Eindringen des Weltkapitalismus in den kolonialen und halbkolonialen Ländern hervorgerufenen Freiheitsbewegungen ‑ trotz der Unreife der sozialen Verhältnisse dieser Länder, isoliert betrachtet ‑ mit Hilfe und Unterstützung der Diktatur des Proletariats und der internationalen proletarischen Bewegung überhaupt zur Entwicklung zum Sozialismus gelangen.

9. Der Kampf für die Weltdiktatur des Proletariats und die kolonialen Revolutionen

Die eigentümlichen Bedingungen des revolutionären Kampfes in den kolonialen und halbkolonialen Ländern, die Unvermeidlichkeit einer lange währenden Periode des Kampfes um die demokratische Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft und des Hinüberwachsens dieser Diktatur in die Diktatur des Proletariats; schließlich die ausschlaggebende Bedeutung nationaler Momente in diesem Ringen stellen den kommunistischen Parteien dieser Länder eine Reihe von besonderen Aufgaben, deren Lösung eine Voraussetzung für die Bewältigung der allgemeinen Aufgaben der proletarischen Diktatur bildet. Als die wichtigsten dieser besonderen Aufgaben betrachtet die Kommunistische Internationale die folgenden:

1. Sturz des ausländischen Imperialismus, des Feudalismus und der Grundbesitzer-Bürokratie.

2. Errichtung der demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft auf der Grundlage der Räte.

3. Völlige nationale Unabhängigkeit und staatliche Einheit.

4. Annullierung der Staatsschulden.

5. Nationalisierung der den Imperialisten gehörenden Großunter­nehmen (der Industrie, des Transportes, der Danken u. a.).

6. Enteignung des Großgrundbesitzes, der Kirchen- und Klosterländereien. Nationalisierung des gesamten Grund und Bodens.

7. Einführung des Achtstundentages.

8. Schaffung einer revolutionären Arbeiter- und Bauernarmee.

Mit der fortschreitenden Entwicklung und Verschärfung des weiteren Kampfes (Sabotage der Bourgeoisie, Konfiskation der den sabotierenden Teilen der Bourgeoisie gehörenden Betriebe, die unvermeidlich zur Nationalisierung der Großindustrie wird) wird in jenen Kolonien und Halbkolonien, wo das Proletariat die Rolle des Führers und Hegemons spielt, die konsequente bürgerlich-demokratische Revolution in die proletarische hinüberwachsen. In Kolonien, in denen kein Proletariat vorhanden ist, muß der Sturz der imperialistischen Macht begleitet sein von der Organisierung der Macht der Volks-(Bauern-) Räte, von der Konfiskation der Betriebe und des Bodens der Ausländer und der Übergabe dieser Besitztümer an den Staat.

Vom Standpunkt des Kampfes gegen den Imperialismus und der Erkämpfung der Macht durch die Arbeiterklasse spielen die kolonialen Revolutionen und nationalen Freiheitsbewegungen die allergrößte Rolle. In der Übergangsperiode sind die Kolonien und Halbkolonien auch deshalb von Bedeutung, weil sie gegenüber den Industrieländern, die in der Weltwirtschaft die Rolle der Weltstadt spielen, das Weltdorf darstellen. Dabei wird die Frage der Organisierung der sozialistischen Weltwirtschaft, der richtigen Verbindung von Industrie und Landwirtschaft in hohem Maße zur Frage des Verhältnisses zu den ehemaligen Kolonien des Imperialismus. Ein brüderliches Kampfbündnis mit den werktätigen Massen der Kolonien herzustellen, ist daher eine der Hauptaufgaben des industriellen Weltproletariats als des Hegemons und Führers im Kampfe gegen den Imperialismus.

Der Gang der Weltrevolution treibt die Arbeiter der imperialistischen Staaten in den Kampf für die proletarische Diktatur und rüttelt zugleich Hunderte von Millionen kolonialer Arbeiter und Bauern zum Kampfe gegen den ausländischen Imperialismus auf. Sobald Zentren des Sozialismus in Gestalt der sozialistischen Räterepubliken mit ihrer zunehmenden wirtschaftlichen Macht bestehen, vollzieht sich die wirtschaftliche Annäherung und schrittweise Vereinigung der vom Imperialismus abgefallenen Kolonien mit den industriellen Zentren des Weltsozialismus. Damit werden sie in den Aufbau des Sozialismus hineingezogen, überspringen die Stufe der Entwicklung des Kapitalismus als herrschendes System und erhalten die Möglichkeit raschen wirtschaftlichen und kulturellen Fortschritts. Die Bauernräte der rückständigen und die Arbeiter- und Bauernräte der fortgeschritteneren ehemaligen Kolonien gruppieren sich politisch um die Zentren der proletarischen Diktatur und werden so in das allgemeine System der stets wachsenden Föderation der Räterepubliken und damit in das System der Weltdiktatur des Proletariats einbezogen.

So erhält die Entwicklung des Sozialismus als neue Produktionsweise Weltausmaß.

V. Die Diktatur des Proletariats in der Sowjetunion und die internationale sozialistische Revolution

1. Der Aufbau des Sozialismus in der Sowjetunion und der Klassenkampf

Der klarste Ausdruck der tiefgehenden Krise des kapitalistischen Systems ist die Spaltung der Weltwirtschaft in kapitalistische Länder und in Länder des sozialistischen Aufbaus. Das innere Erstarken der proletarischen Diktatur in der Sowjetunion, die Erfolge des sozialistischen Aufbaus, der wachsende Einfluß und das steigende Ansehen der Sowjetunion bei den proletarischen Massen und den unterdrückten Kolonialvölkern bedeuten darum die Fortführung, das Erstarken und die Entfaltung der internationalen sozialistischen Revolution. Die Arbeiter der Sowjetrepubliken verfügen in ihrem Lande über die notwendigen und hinreichenden materiellen Voraussetzungen nicht nur für den Sturz der Großgrundbesitzer und der Bourgeoisie, sondern auch für den Aufbau des vollkommenen Sozialismus. Sie haben mit Hilfe des internationalen Proletariats den Angriff der bewaffneten Kräfte der inneren und äußeren Konterrevolution heldenmütig zurückgeschlagen. Sie haben ihr Bündnis mit der Hauptmasse der Bauernschaft gefestigt und große Erfolge auf dem Gebiete, des sozialistischen Aufbaus errungen.

Die Verbindung der proletarischen sozialistischen Industrie mit der kleinbäuerlichen Wirtschaft, die der Landwirtschaft die Entwicklung ihrer Produktivkräfte und der sozialistischen Industrie die führende Rolle sichert; der Zusammenschluß dieser Industrie mit der Landwirtschaft, an Stelle der kapitalistischen Befriedigung des unproduktiven Verbrauchs parasitärer Klassen; Produktion nicht um des kapitalistischen Profites willen, sondern zur Befriedigung des rasch wachsenden Massenbedarfs ‑ eine Entwicklung, die letzten Endes in hohem Maße die Entfaltung des gesamten Produktionsprozesses fördert; endlich die höchste Konzentration der wirtschaftlichen Machtpositionen in den Händen des proletarischen Staates, die Zunahme der Elemente planmäßiger Wirtschaftsführung und die damit verbundenen Ersparnisse und die zweckmäßigste Verteilung der Produktionsmittel ‑ all das gibt dem Proletariat die Möglichkeit, auf dem Wege des sozialistischen Aufbaus rasch fortzuschreiten.

Durch die Hebung der Produktivkräfte der gesamten Volkswirtschaft, durch den festen Kurs auf die Industrialisierung, deren rasches Tempo von der internationalen wie von der inneren Lage diktiert wird, erhöht das Proletariat der Sowjetunion, ungeachtet aller planmäßig wiederkehrenden finanziellen und wirtschaftlichen Boykottversuche der kapitalistischen Mächte, das spezifische Gewicht des vergesellschafteten (sozialistischen) Teiles der Volkswirtschaft sowohl in bezug auf seinen Anteil an den Produktionsmitteln wie auch an der Gesamtproduktion und am Warenumsatz des ganzen Landes. Infolge der Nationalisierung des Bodens und der steigenden Industrialisierung des Landes führen die sozialistische Staatsindustrie, das staatliche Verkehrs- und Bankwesen vermittelst des staatlichen­ Handels und der rasch wachsenden Genossenschaften die kleinen und kleinsten Bauernwirtschaften mehr und mehr hinter sich her.

In der Landwirtschaft vollzieht sich der Aufschwung der Produktivkräfte unter Bedingungen, die der Differenzierung innerhalb der Bauernschaft Schranken ziehen (Nationalisierung des Bodens und damit Verbot des Kaufes und Verkaufes von Grund und Boden, scharf progressive Besteuerung, Finanzierung der Genossenschaften und Produktionsgemeinschaften der Masse der armen und mittleren Bauern, gesetzliche Regelung der Verwendung von Lohnarbeit, Beschränkung der politischen und sozialen Rechte der Großbauern, besondere Organisationen der Dorfarmut usw.). Insoweit jedoch die Produktivkräfte der sozialistischen Industrie noch nicht jene Entwicklungshöhe erreicht haben, die eine umfassende Reorganisierung der Landwirtschaft auf der Grundlage der neuen landwirtschaftlichen Technik und damit unmittelbar den raschen Zusammenschluß der Bauernwirtschaften zu großen Gemeinschaften (Kollektivwirtschaften) ermöglicht, entwickelt sich bis zu einem bestimmten Grade auch das Großbauerntum, das sich wirtschaftlich, nach und nach aber auch politisch mit der sogenannten “neuen Bourgeoisie” zusammenschließt.

Das Proletariat der Sowjetunion hat alle entscheidenden wirtschaftlichen Kommandohöhen inne; es verdrängt systematisch die Überreste des städtischen Privatkapitals, dessen Anteil an der Gesamtwirtschaft in der letzten Periode der "Neuen Ökonomischen Politik" sehr stark gesunken ist; es hemmt auf jede Weise das Wachstum der ländlichen Ausbeuterschichten, die aus der Entwicklung der Waren- und Geldwirtschaft entstehen; es unterstützt die bestehenden Sowjetwirtschaften auf dem Dorfe und fördert dir Gründung neuer; es fügt die Hauptmasse der bäuerlichen einfachen Warenproduzenten dem Gesamtsystem seiner Wirtschaft und damit auch dem sozialistischen Aufbau ein, auf dem Wege des rasch fortschreitenden genossenschaftlichen Zusammenschlusses, der unter der proletarischen Diktatur dank der führenden wirtschaftlichen Rolle der sozialistischen Industrie mit der Entwicklung des Sozialismus identisch ist. Das Proletariat der Sowjetunion stellt sich mit dem Übergang vom Prozeß des Wiederaufbaus zur erweiterten Reproduktion der gesamten technischen Produktionsgrundlage des Landes neue Aufgaben, anderen Erfüllung es bereits gegangen ist: die Schaffung neuer Produktionsanlagen (Produktion von Produktionsmitteln schlechthin, Aufbau der Schwerindustrie, besonders Elektrifizierung) und neben der weiteren Förderung der Absatz-, Einkaufs- und Kreditgenossenschaften die unmittelbare und immer breitere Massen erfassende Organisierung der Bauernschaft in Produktivgenossenschaften auf der Grundlage des Kollektivismus, eine Aufgabe, die umfassende materielle Hilfe seitens des proletarischen Staates erfordert.

So schreitet der Sozialismus, der bereits in der Sowjetunion zur entscheidenden ökonomischen Macht geworden ist und der der Entwicklung ihrer Wirtschaft seinen Stempel aufdrückt, mehr und mehr seiner Vollendung entgegen, indem er systematisch die Schwierigkeiten überwindet, die dem kleinbürgerlichen Charakter des Landes entspringen und mit Perioden vorübergehender Verschärfung der Klassengegensätze verbunden sind.

Die Notwendigkeit der technischen Neueinrichtung der Industrie und großzügiger Neuanlagen rufen auf den Wege der sozialistischen Entwicklung eine Reihe erheblicher Schwierigkeiten hervor, die letzten Endes der technischen und wirtschaftlichen Rückständigkeit des Landes, seiner Zerrüttung durch Weltkrieg und Bürgerkrieg entspringen. Dessen ungeachtet bessert sich die Lebenshaltung der Arbeiterklasse und der breiten Massen der Werktätigen fortgesetzt. Hand in Hand mit der fortschreitenden sozialistischen Rationalisierung und wissenschaftlichen Organisierung der Industrie wird schrittweise der siebenstündige Arbeitstag eingeführt, der weitere Perspektiven für die Besserung der Arbeits- und Lebensbedingungen des Proletariats erschließt.

Gestützt auf die ökonomische Erstarkung der Sowjetunion, auf die ununterbrochen wachsende Bedeutung des sozialistischen Teiles der Wirtschaft, zieht die Arbeiterklasse, unter der Führung der in den revolutionären Kämpfen gestählten Kommunistischen Partei, immer neue Millionenmassen der Werktätigen in die sozialistische Aufbauarbeit hinein. Sie stützt sich dabei im Dorfe auf die Dorfarmut und verbindet sich fest mit der Hauptmasse der Bauernschaft, den Mittelbauern, ohne auch nur einen Augenblick lang den Kampf gegen den Großbauer einzustellen. Die Hauptmittel dazu sind: Entwicklung breiter Massenorganisationen (die Partei als leitende Kraft, die Gewerkschaften als Rückgrat des ganzen Systems der proletarischen Diktatur, der Kommunistische Jugendverband, Genossenschaften jeder Art, die Organisationen der werktätigen Frauen, Arbeiterinnen und Bäuerinnen, verschiedene Vereine, Arbeiter- und Bauernkorrespondenten, Sportorganisationen, wissenschaftliche Gesellschaften, Kultur- und Bildungsorganisationen) und weitgehende Förderung der Initiative der Massen, Heranziehung und Auslese immer neuer Arbeitskräfte zu leitenden Funktionen auf allen Gebieten der Wirtschaft und Verwaltung. Die dauernde Einbeziehung der Massen in die sozialistische Aufbauarbeit; die fortgesetzte Auffrischung des ganzen Staats-, Wirtschafts-, Gewerkschafts- und Parteiapparates durch neue Funktionäre aus dem Proletariat; die systematische Heranbildung neuer sozialistischer Kaders aus den Reihen der Arbeiterschaft, insbesondere der Arbeiterjugend, durch Hochschulen, Spezialkurse usw. für alle Zweige der Aufbauarbeit ‑ das sind die wichtigsten Garantien gegen bürokratische Verknöcherung und soziale Entartung der leitenden Kaders des Proletariats.

2. Die Sowjetunion und ihre Pflichten gegenüber der internationalen Revolution

Die proletarische Diktatur in der Sowjetunion hat den russischen Imperialismus gestürzt, alle einstigen Kolonien und unterdrückten Nationen des Zarenreiches befreit und durch die Industrialisierung dieser Gebiete eine feste Grundlage für ihre kulturelle und politische Entwicklung geschaffen, sie hat die rechtliche Stellung der autonomen Gebiete, der autonomen Republiken und der Bundesrepubliken in der Verfassung der Union verankert und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen in vollem Umfange verwirklicht. Damit sichert sie den verschiedenen Nationalitäten der Union nicht nur die formale, sondern auch die wirkliche Gleichheit.

Als Land der proletarischen Diktatur und des sozialistischen Aufbaus, als Land gewaltigster Errungenschaften der Arbeiterklasse, als Land des Bündnisses des Proletariats mit der Bauernschaft, als Land einer neuen, unter dem Banner des Marxismus fortschreitenden Kultur wird die Sowjetunion notwendigerweise zur Basis der internationalen Bewegung aller unterdrückten Klassen, zum Hauptherd der internationalen Revolution, zum bedeutsamsten Faktor der Weltgeschichte. In der Sowjetunion erkämpft sich das Proletariat zum erstenmal in der Geschichte sein Vaterland. Für den Freiheitskampf der Kolonialvölker wird die Sowjetunion zum mächtigsten Anziehungspunkt.

So wird die Sowjetunion in der allgemeinen Krise des Kapitalismus zum bedeutsamen Faktor, und das nicht nur deshalb, weil sie die Grundlagen eines neuen, sozialistischen Wirtschaftssystems geschaffen hat und damit aus dem kapitalistischen Weltsystem ausgeschieden ist, sondern auch, weil sie eine revolutionäre Rolle ohnegleichen spielt: die Rolle eines Motors der internationalen proletarischen Revolution, der die Proletarier aller Länder zur Machteroberung antreibt; die Rolle des lebendigen Beispiels dafür, daß die Arbeiterklasse nicht nur fähig ist, den Kapitalismus zu zerstören, daß sie vielmehr auch fähig ist, den Sozialismus aufzubauen; die Rolle des Vorbildes der brüderlichen Beziehungen zwischen allen Völkern der Erde in der Union der sozialistischen Räterepubliken der Welt und des wirtschaftlichen Zusammenschlusses der Werktätigen aller Länder in der einheitlichen Weltwirtschaft des Sozialismus, die das Weltproletariat nach der Eroberung der Staatsmacht verwirklichen muß.

Aus dem Nebeneinanderbestehen zweier Wirtschaftssysteme ‑ des sozialistischen der Sowjetunion und des kapitalistischen der übrigen Länder ‑ erwächst dem Arbeiterstaat die Aufgabe, die Angriffe der kapitalistischen Welt (Boykott, Blockade usw.) abzuwehren. Gleichzeitig hat er aber auch die Aufgabe, wirtschaftlich zu manövrieren und seine ökonomischen Verbindungen mit den kapitalistischen Ländern (mit Hilfe des Außenhandelsmonopols, einer der Grundvoraussetzungen des erfolgreichen sozialistischen Aufbaus, in der Form von Krediten, Anleihen, Konzessionen usw.) auszunützen. Dabei muß die Leitlinie sein, die Verbindungen mit dem Ausland möglichst umfassend zu gestalten, aber nur, soweit sie der Sowjetunion zum Nutzen gereichen, d. h. soweit sie der Stärkung der Industrie der Sowjetunion selbst dienen, indem sie die Basis für die Schwerindustrie, die Elektrifizierung und schließlich für den sozialistischen Maschinenbau schaffen. Nur in dem Maße, in dem diese wirtschaftliche Selbständigkeit gegenüber ihrer kapitalistischen Umgebung gesichert wird, schafft die Sowjetunion eine feste Bürgschaft gegen die Gefahr der Vernichtung ihres sozialistischen Aufbaus und ihrer Verwandlung in ein Anhängsel des kapitalistischen Weltsystems.

Die kapitalistischen Staaten schwanken, trotz der Bedeutung des Sowjetmarktes für sie, dauernd zwischen ihren Handelsinteressen und der Angst vor dem Erstarken der Sowjetunion, das gleichzeitig das Wachsen der Weltrevolution bedeutet. Die ausschlaggebende Haupttendenz in der Politik der imperialistischen Staaten ist jedoch das Bestreben, die Sowjetunion einzukreisen und einen konterrevolutionären Krieg gegen sie anzuzetteln, dessen Ziel die Vernichtung der Sowjetunion und die Aufrichtung des Terrorregimes der Bourgeoisie in der ganzen Welt ist.

Allein weder die beharrlichen Versuche der politischen Einkrei­sung der Sowjetunion durch den Imperialismus noch die wachsende Gefahr eines kriegerischen Überfalls hindern die Kommunistische Partei der Sowjetunion als die Sektion der Kommunistischen Internationale, die an der Spitze der proletarischen Diktatur steht, daran, ihre internationalen Pflichten zu erfüllen und allen Unterdrückten ‑ der Arbeiterbewegung der kapitalistischen Länder wie den Kolonialvölkern im Kampfe gegen den Imperialismus, im Kampfe gegen jede Form nationaler Unterdrückung ‑ beizustehen.

3. Die Pflichten des internationalen Proletariats gegenüber der Sowjetunion

Die Sowjetunion ist das wahre Vaterland des Proletariats, die festeste Stütze seiner Errungenschaften und der Hauptfaktor seiner internationalen Befreiung; das verpflichtet das internationale Proletariat, dem sozialistischen Aufbau in der Sowjetunion zum Erfolge zu verhelfen und das Land der proletarischen Diktatur mit allen Mitteln gegen die Angriffe der kapitalistischen Mächte zu verteidigen.

Die weltpolitische Situation hat jetzt die proletarische Diktatur auf die Tagesordnung gestellt, und unvermeidlich konzentrieren sich alle Vorgänge der Weltpolitik um den einen Zentralpunkt: den Kampf der Weltbourgeoisie gegen die russische Sowjetrepublik, die beharrlich alle Rätebewegungen der fortgeschrittenen Arbeiter aller Länder und alle nationalen Freiheitsbewegungen der Kolonien und unterdrückten Völker um sich scharen muß. (Lenin)

Im Falle eines Überfalles der imperialistischen Staaten auf die Sowjetunion und eines Krieges gegen sie muß die Antwort des internationalen Proletariats sein: kühne, entschlossene Massenaktionen und Kampf zum Sturze der imperialistischen Regierungen, unter der Losung der Diktatur des Proletariats und des Bündnisses mit der Sowjetunion.

Die Kolonien, vor allem die eines imperialistischen Staates, der die Sowjetunion überfällt, müssen die Ablenkung der bewaffneten Kräfte des Imperialismus dazu ausnutzen, den Kampf gegen diesen mit aller Kraft zu entfesseln, revolutionäre Aktionen zu organisieren und so die imperialistische Herrschaft zu stürzen und sich die volle Unabhängigkeit zu erkämpfen.

Der Aufstieg des Sozialismus in der Sowjetunion und das Wachsen ihres internationalen Einflusses entfachen jedoch nicht nur den Haß der imperialistischen Mächte und ihrer sozialdemokratischen Agenten, sondern sie erwecken gleichzeitig auch die größten Sympathien breiter Massen der Werktätigen der ganzen Welt und die Bereitschaft der Unterdrückten aller Länder, mit allen Mitteln für das Land der proletarischen Diktatur zu kämpfen, wenn es vom Imperialismus überfallen wird.

So führen die Entfaltung der Widersprüche der Weltwirtschaft der Gegenwart, die Vertiefung der allgemeinen Krise des Kapitalismus und der bewaffnete Überfall der Imperialisten auf die Sowjetunion mit eiserner Notwendigkeit zu einer gewaltigen revolutionären Explosion. Diese Explosion wird unter ihren Trümmern den Kapitalismus in einer Reihe der sogenannten zivilisierten Länder begraben, sie wird in den Kolonien die siegreiche Revolution entfesseln, die Basis der proletarischen Diktatur gewaltig erweitern und damit ein Riesenschritt zum endgültigen Sieg des Sozialismus in der ganzen Welt sein.

VI. Die Strategie und Taktik der Kommunistischen Internationale im Kampf um die Diktatur des Proletariats

1. Die dem Kommunismus feindlichen Ideologien in der Arbeiterklasse

In seinem Kampf für die Diktatur des Proletariats gegen den Kapitalismus stößt der revolutionäre Kommunismus innerhalb der Arbeiterklasse auf zahlreiche Strömungen: die einen drücken in höherem oder geringerem Maße die ideologische Unterwerfung unter die imperialistische Bourgeoisie aus, während die anderen den ideologischen Druck des Kleinbürgertums widerspiegeln, das von Zeit zu Zeit gegen die Sklavenketten des Finanzkapitals rebelliert, aber unfähig ist, im Kampfe eine folgerichtige, wissenschaftlich begründete Strategie und Taktik zu verfolgen und diesen Kampf in organisierter Weise auf der Grundlage der strengen Disziplin durchzuführen, die dem Proletariat eigen ist.

Die gewaltige soziale Macht des imperialistischen Staates mit allen seinen Hilfsapparaten ‑ Schule, Presse, Theater, Kirche ‑ äußert sich vor allem in dem Bestehen von konfessionellen und reformistischen Strömungen innerhalb der Arbeiterklasse, die das größte Hindernis auf dem Wege zur sozialistischen Revolution des Proletariats sind.

Die konfessionellen, religiös gefärbten Strömungen innerhalb der Arbeiterklasse finden ihren Ausdruck in erster Linie im Bestehen konfessioneller Gewerkschaften, die sich meist in unmittelbarer Verbindung mit den gleichgerichteten politischen Organisationen der Bourgeoisie an die eine oder andere kirchliche Organisation der herrschenden Klasse anlehnen (katholische Gewerkschaften, Christliche Vereine Junger Männer, zionistische Organisationen und dergleichen). Diese Strömungen sind der klarste Ausdruck der ideologischen Befangenheit mancher Schichten des Proletariats; sie tragen zum größten Teil ein romantisch-feudales Gewand. Indem die Leiter dieser Organisationen mit dem Weihwasser der Religion die ganze Niedertracht des kapitalistischen Regimes heiligen und ihre Schäflein durch die Drohung der Höllenqualen terrorisieren, sind sie die reaktionärsten Kolonnen des Klassenfeindes im Lager des Proletariats.

Die zynisch-kommerzielle und weltlich-imperialistische Form der Unterwerfung unter den ideologischen Einfluß der Bourgeoisie ist der moderne “sozialistische” Reformismus. Er entlehnt alle seine Grundlehren den Gesetzestafeln der imperialistischen Politik und nimmt sich gegenwärtig die bewußt antisozialistische und offen konterrevolutionäre "Amerikanische Föderation der Arbeit" zum Muster. Die “ideelle” Diktatur der amerikanischen Gewerkschaftsbonzen, dieser Lakaien der Bourgeoisie, ist nur der Ausdruck der “ideellen” Diktatur des amerikanischen Dollars: mit Hilfe des englischen Reformismus und seiner “königlichen” Sozialisten aus der Arbeiterpartei ist so der amerikanische Reformismus zum Hauptbestandteil der Theorie und Praxis der gesamten internationalen Sozialdemokratie und der Führer der Amsterdamer Internationale geworden. Die Führer der deutschen und österreichischen Sozialdemokratie übertünchen diese Theorie mit einer marxistischen Phraseologie und verschleiern so ihren schnöden Verrat am Marxismus. Als Hauptfeind des revolutionären Kommunismus in der Arbeiterbewegung ist der “sozialistische” Reformismus, der eine breite organisatorische Basis in den sozialdemokratischen Parteien und durch diese in den reformistischen Gewerkschaften hat, in seiner ganzen Politik und Theorie eine Kraft, die der proletarischen Revolution entgegenwirkt.

In der Außenpolitik haben die sozialdemokratischen Parteien unter der Flagge der “Vaterlandsverteidigung” den imperialistischen Krieg aktiv gefördert. Die Expansion des imperialistischen Staates und die “Kolonialpolitik” finden bei ihnen allseitige Unterstützung; die Orientierung auf die konterrevolutionäre “heilige Allianz” der imperialistischen Staaten ("Völkerbund"), das Predigen des “Ultraimperialismus”, die Mobilisierung der Massen unter pseudo-pazifistischen Losungen und die gleichzeitige aktive Unterstützung des Imperialismus bei seinen Angriffen auf die Sowjetunion und bei seiner Vorbereitung des Krieges gegen diese ‑ das sind die Grundzüge der Außenpolitik des Reformismus.

Auf dem Gebiete der inneren Politik hat sich die Sozialdemokratie die unmittelbare Förderung und Unterstützung des kapitalistischen Regimes zur Aufgabe gemacht. Die rückhaltlose Unterstützung der kapitalistischen Rationalisierung und der Stabilisierung des Kapitalismus; die Sicherung des Klassenfriedens, des “Wirtschaftsfriedens”; die Politik des Verwachsens der Arbeiterorganisationen mit den Organisationen der Unternehmer und des imperialistischen Raubstaates; die Praxis der sogenannte “Wirtschaftsdemokratie”, die in Wirklichkeit einer Praxis der völligen Unterwerfung unter das Trustkapital gleichkommt; die Liebedienerei für den imperialistischen Staat und insbesondere sein pseudo-demokratisches Aushängeschild; die aktive Beteiligung am Aufbau der Organe dieses Staates, seiner Polizei, Armee, Gendarmerie, seiner Klassenjustiz, die Verteidigung dieses Staates gegen jeden Angriff des revolutionären kommunistischen Proletariats und die Henkerrolle der Sozialdemokratie in Zeiten revolutionärer Krisen ‑ das ist die Linie der inneren Politik des Reformismus. Der Reformismus führt zum Schein den gewerkschaftlichen Kampf gegen die Bourgeoisie, wobei er als seine Hauptaufgabe betrachtet, auch auf diesem Gebiete den Kampf in einer Weise zu führen, die die Kapitalistenklasse vor Erschütterungen jeder Art bewahrt und in jedem Fall die völlige Unversehrtheit der Grundfesten des kapitalistischen Eigentums sichert.

Auf theoretischem Gebiet hat die Sozialdemokratie den Marxismus völlig preisgegeben. Über die Etappe des Revisionismus gelangte sie zur vollendeten bürgerlich-liberalen Sozialreform und zum offenen Sozialimperialismus. Marxens Lehre von den Widersprüchen des Kapitalismus ersetzte sie durch die bürgerliche Lehre von seiner harmonischen Entwicklung; die Lehre von den Krisen und der Verelendung des Proletariats legte sie zu den Akten; die kriegerische, flammende Theorie des Klassenkampfes hat sie in die abgeschmackte Predigt vom Klassenfrieden verwandelt; die Lehre von der Verschärfung der Klassengegensätze hat sie gegen das Spießbürgermärchen von der “Demokratisierung” des Kapitalismus vertauscht; der Theorie von der Unvermeidlichkeit der Kriege im Kapitalismus hat sie den bürgerlichen Schwindel des Pazifismus und die lügnerische Psalmodei des “Ultraimperialismus” entgegengestellt; die Theorie von dem revolutionären Zusammenbruch des Kapitalismus hat sie in die billige Münze des “gesunden” Kapitalismus umgefälscht, der auf friedlichem Wege zum Sozialismus werden soll; die Revolution hat sie durch die Evolution ersetzt; die Zerstörung des bürgerlichen Staates ‑ durch die aktive Aufbauarbeit an ihm; die Lehre von der proletarischen Diktatur ‑ durch die Theorie von der Koalition mit der Bourgeoisie; die Lehre von der internationalen proletarischen Solidarität ‑ durch das Evangelium von der Verteidigung der imperialistischen Vaterländer; den dialektischen Materialismus von Marx ‑ durch die idealistische Philosophie und das Kokettieren mit den religiösen Abfällen vom Tische der Bourgeoisie.

Innerhalb dieses sozialdemokratischen Reformismus sind einige Richtungen zu unterscheiden, die für die bourgeoise Entartung der Sozialdemokratie ganz besonders kennzeichnend sind.

Der konstruktive Sozialismus (MacDonald und Co.), dessen Name bereits die Idee der Bekämpfung der proletarischen Revolution und die positive Einstellung zur kapitalistischen Ordnung enthält, setzt die liberal-philantropischen, antirevolutionären bürgerlichen Traditionen der "Gesellschaft der Fabier" fort (S. und B. Webb, Bernhard Shaw, Lord Olivier u. a.) Durch seine prinzipielle Ablehnung der Diktatur des Proletariats und der Gewaltanwendung im Kampf gegen die Bourgeoisie unterstützt er den gewaltsamen Kampf gegen das Proletariat und die Kolonialvölker. Als Apologet des kapitalistischen Staates preist er unter der Maske des Sozialismus den Staatskapitalismus an und ist mit den vulgärsten Ideologen des Imperialismus beider Hemisphären eins in der Verurteilung der Lehre vom Klassenkampf als “vorwissenschaftliche” Theorie. Als Mittel zur Beseitigung des Kapitalismus predigt der “konstruktive Sozialismus” ein gemäßigtes Programm der Nationalisierung gegen Entschädigung, der Besteuerung der Grundrente, der Erbschafts- und Gewinnsteuer. Als entschiedener Gegner der proletarischen Diktatur in der Sowjetunion ist der “konstruktive Sozialismus” im engsten Bündnis mit der Bourgeoisie ein aktiver Feind der kommunistischen Bewegung des Proletariats und der kolonialen Revolution.

Eine besondere Abart des “konstruktiven Sozialismus” ist der “Kooperatismus” oder “Genossenschafts-Sozialismus” (Charles Gide, Totomianz und Co.). Auch er lehnt den Klassenkampf entschieden ab und preist die genossenschaftliche Organisierung der Verbraucher als friedliches Mittel der Überwindung des Kapitalismus an, dessen Festigung er in Wirklichkeit mit allen Kräften fördert. Der “Genossenschafts-Sozialismus”, der in den Massenorganisationen der Konsumgenossenschaften einen weitverzweigten Propagandaapparat zur tagtäglichen systematischen Beeinflussung breiter Massen besitzt, führt einen erbitterten Kampf gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung. Er hemmt die Verwirklichung ihrer Ziele und ist gegenwärtig einer der aktivsten Faktoren im Lager der reformistischen Konterrevolution.

Der sogenannte “Gildensozialismus” (Penty, Orage, Hobson u. a.) ist ein eklektischer Versuch, den “revolutionären” Syndikalismus mit dem bürgerlich-liberalen Fabiertum, die anarchistische Dezentralisierung (“nationale Industriegilden”) mit staatskapitalistischer Zentralisierung, die zunftmäßig-handwerkliche Beschränktheit des Mittelalters mit dem modernen Kapitalismus zu vereinigen. Der Gildensozialismus geht in Worten von der Forderung der Aufhebung des “Lohnsystems” als einer “unmoralischen” Einrichtung aus, die durch die Arbeiterkontrolle über die Industrie beseitigt werden soll, und übergeht so völlig die wichtigste Frage, die Frage der Macht. Indem er die Arbeiter, Intellektuellen und Techniker in einer Föderation nationaler “Industriegilden” zusammenfassen und diese Gilden auf friedlichem Wege (“Kontrolle von innen”) in Verwaltungsorgane der Industrie im Rahmen des bürgerlichen Staates verwandeln will, verteidigt der Gildensozialismus in Wirklichkeit diesen Staat und vertuscht seinen imperialistischen antiproletarischen Klassencharakter. Er weist ihm die Rolle eines “über den Klassen stehenden” Vertreters der Interessen der “Konsumenten” im Gegensatz zu den in den Gilden organisierten “Produzenten” zu. Durch sein Predigen der “funktionellen Demokratie” (d. h. eines Systems der Vertretung der Klassen der kapitalistischen Gesellschaft, als Berufe mit ihren bestimmten Funktionen in der gesellschaftlichen Produktion) bereitet der Gildensozialismus dem “Korporationsstaat” des Faschismus den Weg. Die Mehrheit der Gildensozialisten lehnt sowohl den Parlamentarismus als auch die “direkte Aktion” ab und verurteilt so die Arbeiterklasse zu vollständiger Untätigkeit und passiver Unterwerfung unter die Bourgeoisie. Der Gildensozialismus ist mithin ein trade-unionistisch-utopistischer Opportunismus besonderer Art und kann unmöglich eine andere als antirevolutionäre Rolle spielen.

Eine besondere Form des sozialdemokratischen Reformismus ist endlich der Austromarxismus. Als Bestandteil der Ideologie des “linken” Flügels der Sozialdemokratie ist der Austromarxismus eine besonders fein gesponnene Art des Betruges an den Arbeitermassen. Er prostituiert die marxistische Terminologie und bricht gleichzeitig mit den Grundlagen des revolutionären Marxismus (durch den Kantianismus, Machismus usw. der Austromarxisten auf dem Gebiete der Philosophie); er liebäugelt mit der Religion, entlehnt bei den englischen Reformisten die Theorie der “funktionellen Demokratie” und tritt für den “Aufbau der Republik”, d. h. für den Aufbau des bürgerlichen Staates ein. Der Austromarxismus empfiehlt die “Zusammenarbeit der Klassen” in den Perioden des sogenannten “Gleichgewichts der Klassenkräfte”, d. h. gerade dann, wenn eine revolutionäre Krise heranreift. Diese Theorie ist die Rechtfertigung der Koalition mit der Bourgeoisie zur Vernichtung der proletarischen Revolution unter der Maske der Verteidigung der “Demokratie” gegen die Angriffe der Reaktion. Objektiv und in der Praxis wird die Gewaltanwendung, die der Austromarxismus im Falle von Angriffen der Reaktion für zulässig erklärt, zur Gewalt der Reaktion gegen die proletarische Revolution. Die “funktionelle Rolle” des Austromarxismus ist, die dem Kommunismus bereits zustrebenden Arbeiter zu betrügen; deshalb ist er ein ganz besonders gefährlicher Feind des Proletariats, gefährlicher als die offenen Anhänger des räuberischen Sozialimperialismus.

Wenn alle diese Strömungen als Bestandteile des “sozialistischen” Reformismus Agenturen der imperialistischen Bourgeoisie im Lager der Arbeiterklasse darstellen, so stößt der Kommunismus auch auf eine Reihe kleinbürgerlicher Strömungen, die die Schwankungen der unbeständigen Gesellschaftsschichten zum Ausdruck bringen (in Zersetzung begriffenes städtisches Kleinbürgertum, Lumpenproletariat, deklassierte Intelligenz und Boheme, verarmte Handwerker, gewisse Schichten des Bauerntums usw.). Diese Strömungen zeichnen sich durch äußerste politische Unbeständigkeit aus, sie verschleiern nicht selten durch eine “linke” Phraseologie ihre rechte Politik oder verfallen dem Abenteurertum, indem sie die objektive Einschätzung der Kräfte durch prahlerische politische Gestikulation ersetzen; dabei ist bei ihnen das Umschlagen von haltloser revolutionärer Prahlerei zum tiefsten Pessimismus und voller Kapitulation vor dem Feind nicht selten. Diese Strömungen können unter gewissen Bedingungen ‑ insbesondere bei scharfen Änderungen der politischen Lage und der Notwendigkeit zeitweiliger Rückzüge ‑ zu den gefährlichsten Desorganisatoren der proletarischen Reihen und damit zu Hemmnissen der revolutionären Bewegung des Proletariats werden.

Der Anarchismus, dessen hervorragendste Vertreter (Kropotkin, Jean Grave u. a.) während des Krieges 1914/1918 verräterisch in das Lager der imperialistischen Bourgeoisie übergegangen sind, leugnet die Notwendigkeit umfassender, zentralisierter und disziplinierter Organisation des Proletariats und macht es damit den mächtigen kapitalistischen Organisationen gegenüber wehrlos. Durch die Propagierung des individuellen Terrors lenkt er das Proletariat von den Methoden der Massenorganisation und des Massenkampfes ab. Durch die Ablehnung der proletarischen Diktatur vom Standpunkt eines abstrakten “Freiheits”begriffs raubt der Anarchismus dem Proletariat seine wichtigste und schärfste Waffe gegen die Bourgeoisie, gegen ihre Armeen und alle ihre Unterdrückungsorgane. Weit davon entfernt, in den Zentren des proletarischen Kampfes irgendeine Massenbewegung darzustellen, verwandelt sich der Anarchismus immer mehr in eine Sekte, die sich durch ihre ganze Taktik und alle ihre Aktionen ‑ darunter auch ihr Auftreten gegen die Diktatur der Arbeiterklasse in der Sowjetunion ‑ objektiv der Einheitsfront der antirevolutionären Kräfte einreiht.

Der “revolutionäre” Syndikalismus, dessen Ideologen in der kritischen Periode des Krieges in nicht geringer Zahl in das Lager der “antiparlamentarischen” Konterrevolution faschistischer Art übergingen oder zu friedlichen Reformisten nach sozialdemokratischem Muster wurden, stört überall, wo er Einfluß hat, die Revolutionierung der Massen: wie der Anarchismus lehnt er den politischen Kampf (insbesondere den revolutionären Parlamentarismus) und die revolutionäre Diktatur des Proletariats ab. Er predigt die zunftmäßige Dezentralisierung der Arbeiterbewegung und besonders der Gewerkschaftsbewegung, er lehnt die Partei des Proletariats ab, leugnet die Notwendigkeit des Aufstandes und überschätzt den Generalstreik (die “Taktik der verschränkten Arme”). Seine Angriffe gegen die Sowjetunion, die mit seiner Ablehnung der proletarischen Diktatur verbunden sind, stellen ihn in dieser Hinsicht in eine Front mit der Sozialdemokratie.

Alle die gekennzeichneten Strömungen und Richtungen stimmen mit der Sozialdemokratie, dem Hauptfeind der proletarischen Revolution in der Arbeiterbewegung, in der Grundfrage der Politik überein, in der Stellung zur proletarischen Diktatur. Daher treten sie alle mehr oder weniger entschieden in einer Front mit der Sozialdemokratie gegen die Sowjetunion auf. Die Sozialdemokratie, die den Marxismus völlig verraten hat, stützt sich in immer steigendem Maße auf die Ideologie der Fabier, der konstruktiven Sozialisten und der Gildensozialisten. Diese Strömungen werden zur offiziellen liberal­reformistischen Ideologie des bürgerlichen “Sozialismus” der Zweiten Internationale.

In den kolonialen Ländern wie unter den unterdrückten Völkern und Rassen überhaupt stößt der Kommunismus auf den Einfluß eigenartiger Strömungen in der Arbeiterbewegung, auf Strömungen, die bis zu einer bestimmten Stufe der Entwicklung eine gewisse positive Rolle gespielt haben, die aber in der neuen Etappe der Entwicklung zu reaktionären Kräften werden.

Der Sun‑Yat‑Senismus[9] war in China die Ideologie des kleinbürgerlichen nationalen “Sozialismus”. In der Lehre von den “drei Prinzipien” (Nationalismus, Demokratie, Sozialismus) überdeckte der Begriff des Volkes den Begriff der Klasse; der Sozialismus wurde nicht als eine besondere Produktionsweise dargestellt, die von einer besonderen Klasse, dem Proletariat, verwirklicht wird, sondern als eine verschwommene Vorstellung gesellschaftlichen Wohlergehens; den Kampf gegen den Imperialismus verband er nicht mit den Perspektiven der Entwicklung des Klassenkampfes in China. Deswegen wurde der Sun‑Yat‑Senismus, der in dem ersten Stadium der chinesischen Revolution eine gewaltige positive Rolle gespielt hat, mit der fortschreitenden Klassendifferenzierung im weiteren Verlauf der chinesischen Revolution aus einer ideologischen Form ihrer Entwicklung zu ihrer Fessel. Die Epigonen des Sun‑Yat‑Senismus unterstrichen in übertriebener Weise gerade die Züge seiner Ideologie, die objektiv reaktionär geworden sind, und machten ihn dadurch zur offiziellen Ideologie der Kuo Min Tang nach ihrer Verwandlung in eine offen konterrevolutionäre Macht. Die ideologische Entwicklung der Massen des chinesischen Proletariats und der werktätigen Bauernschaft muß daher begleitet sein von einem entschiedenen Kampf gegen den Betrug der Kuo Min Tang und der Überwindung dessen, was von der Ideologie des Sun‑Yat‑Senismus geblieben ist.

Solche Richtungen, wie der Ghandismus[10] in Indien, die, durch und durch von religiösen Vorstellungen erfüllt, die rückständigsten und wirtschaftlich reaktionären Lebensformen idealisieren, die den Ausweg nicht im proletarischen Sozialismus, sondern in der Rückkehr zu diesen rückständigen Formen erblicken, passive Duldung predigen und den Klassenkampf verneinen, verwandeln sich im Prozeß der Entwicklung der Revolution offen in reaktionäre Mächte. Der Ghandismus wird immer mehr und mehr zu einer Ideologie, die sich gegen die Revolution der Volksmassen richtet. Er muß vom Kommunismus rücksichtslos bekämpft werden.

Der Garvayismus[11], der die Ideologie der Negerkleinbourgeoisie und der Negerarbeiter Amerikas war und der auch heute noch einen gewissen Einfluß auf die Negermassen hat, ist gegenwärtig ebenfalls ein Hemmnis der Revolutionierung dieser Massen geworden. Während er anfänglich für die volle soziale Gleichberechtigung der Neger eintrat, wurde er zu einer Art “Negerzionismus”, der statt des Kampfes gegen den amerikanischen Imperialismus die Losung aufstellt: "Zurück nach Afrika". Diese gefährliche Ideologie, die jedes echt demokratischen Zuges bar ist und mit den aristokratischen Attributen eines nicht existierenden “Negerreiches” spielt, muß auf das schärfste bekämpft werden, da sie den Befreiungskampf der Negermassen gegen den amerikanischen Imperialismus nicht fördert, sondern hemmt.

Allen diesen Tendenzen steht der proletarische Kommunismus gegenüber. Als machtvolle Ideologie der revolutionären Arbeiterklasse der ganzen Welt unterscheidet er sich von allen diesen Strömungen und vor allem von der Sozialdemokratie dadurch, daß er in voller Übereinstimmung mit der Lehre von Marx und Engels in Theorie und Praxis den revolutionären Kampf für die Diktatur des Proletariats führt und hierbei alle Formen der proletarischen Massenaktionen anwendet.

2. Die Hauptaufgaben der kommunistischen Strategie und Taktik

Der siegreiche Kampf der Kommunistischen Internationale um die proletarische Diktatur setzt in jedem Lande das Bestehen einer geschlossenen, kampfgestählten, disziplinierten und zentralisierten Kommunistischen Partei voraus, die aufs engste mit den Massen verbunden ist.

Die Partei ist die Vorhut der Arbeiterklasse, zusammengesetzt aus den besten, bewußtesten, aktivsten und tapfersten ihrer Angehörigen. Sie verkörpert die Zusammenfassung der Erfahrungen des gesamten Kampfes des Proletariats. Gestützt auf die revolutionäre Theorie, den Marxismus, verkörpert die Partei durch die tägliche Vertretung der dauernden, allgemeinen Interessen der ganzen Klasse die Einheit der proletarischen Grundsätze, des proletarischen Wollens und des proletarischen revolutionären Handelns. Sie ist die revolutionäre Organisation, die durch eiserne Disziplin und die strengste revolutionäre Ordnung des demokratischen Zentralismus zusammengehalten wird; sie wird zu dieser Organisation durch das Klassenbewußtsein der proletarischen Avantgarde, durch ihre Hingabe an die Revolution, durch ihre Fähigkeit, ununterbrochen mit den proletarischen Massen verbunden zu sein, und durch die Richtigkeit der politischen Führung, die durch die Erfahrungen der Massen selbst immer wieder überprüft und klargestellt wird.

Um ihre historische Aufgabe ‑ die proletarische Diktatur zu erringen ‑ erfüllen zu können, muß sich die Kommunistische Partei folgende strategische Ziele stellen und sie erreichen.

Die Eroberung der Mehrheit der eigenen Klasse, die Proletarierinnen und die Arbeiterjugend inbegriffen. Um dies zu erreichen, ist es notwendig, den entscheidenden Einfluß der Kommunistischen Partei auf die großen Massenorganisationen des Proletariats zu sichern (Räte, Gewerkschaften, Betriebsräte, Genossenschaften, Sport- und Kulturorganisationen usw.). Besonders große Bedeutung für die Gewinnung der Mehrheit des Proletariats hat die systematische Arbeit zur Eroberung der Gewerkschaften, dieser umfassenden Massenorganisation des Proletariats, die mit seinen Tageskämpfen eng verbunden sind. Das Wirken in reaktionären Gewerkschaften ‑ ihre geschickte Eroberung, die Gewinnung des Vertrauens der breiten gewerkschaftlich organisierten Massen, die Absetzung und Verdrängung der reformistischen Führer aus ihren Positionen ‑ darin besteht eine der wichtigsten Aufgaben der Vorbereitungsperiode der Revolution.

Die Erkämpfung der proletarischen Diktatur hat auch die Verwirklichung der Hegemonie des Proletariats über die breiten Schichten der werktätigen Massen zur Voraussetzung. Um das zu erreichen, muß die Kommunistische Partei die Massen der armen Schichten in Stadt und Land, der unteren Schichten der Intellektuellen und der sogenannten “kleinen Leute”, d. h. der kleinbürgerlichen Schichten überhaupt unter ihren Einfluß bringen. Besondere Bedeutung hat die Arbeit zur Wahrung des Einflusses der Partei unter der Bauernschaft. Die Kommunistische Partei muß sich der vollen Unterstüt­zung der dem Proletariat am nächsten stehenden Schichten der Landbevölkerung versichern, d. h. vor allem der Landarbeiter und der Dorfarmut. Dazu sind besondere Organisationen der Landarbeiter erforderlich, die allseitige Unterstützung ihres Kampfes gegen die Dorfbourgeoisie und energische Arbeit unter den Klein- und Zwergbauern. Was die mittleren Schichten der Bauernschaft betrifft, so soll die Kommunistische Partei (in Ländern mit entwickeltem Kapitalismus) die Politik ihrer Neutralisierung verfolgen. Die Lösung all dieser Aufgaben durch das Proletariat, das zum Träger der Interessen des ganzen Volkes und zum Führer der breitesten Volksmassen im Kampfe gegen das finanzkapitalistische Joch wird, ist die unbedingte Voraussetzung der siegreichen kommunistischen Revolution.

Vom Standpunkte des Weltkampfes des Proletariats aus sind die wichtigsten strategischen Aufgaben der Kommunistischen Internationale die Aufgaben des revolutionären Kampfes in den Kolonien, Halbkolonien und abhängigen Ländern. Dieser Kampf hat die Sammlung der breitesten Massen der Arbeiterklasse und der Bauernschaft der Kolonien unter der Fahne der Revolution zur Voraussetzung, die nur durch die engste brüderliche Zusammenarbeit des Proletariats der unterdrückenden Nationen mit den werktätigen Massen der unterdrückten Völker erreicht werden kann.

Indem die Kommunistische Internationale unter der Fahne der proletarischen Diktatur in den Ländern der sogenannten “zivilisierten Mächte” die Revolution gegen den Imperialismus organisiert, unterstützt sie zugleich jede Bewegung gegen die imperialistische Vergewaltigung in den Kolonien, Halbkolonien und abhängigen Ländern (z. B, in Lateinamerika); sie entfaltet eine rege Propaganda gegen jede Art von Chauvinismus und imperialistischer Mißhandlung der großen und kleinen geknechteten Völker und Rassen (Stellung zu den Negern, den Arbeitern der “gelben Rasse”, Antisemitismus usw.) und unterstützt deren Kampf gegen die Bourgeoisie der unterdrückenden Nation. Besonders energisch bekämpft die Kommunistische Internationale den Chauvinismus in den Ländern der Großmächte, den die imperialistische Bourgeoisie und ihre sozialdemokratische Agentur, die Zweite Internationale, nährt, und stellt der Praxis der imperialistischen Bourgeoisie die Praxis der Sowjetunion gegenüber, die auf ihrem Gebiete die brüderlichen Beziehungen gleichberechtigter Völker verwirklicht hat.

In den imperialistischen Ländern müssen die kommunistischen Parteien den revolutionären Freiheitsbewegungen der Kolonien und den Bewegungen der unterdrückten Völker überhaupt systematisch Hilfe leisten. In erster Linie ist die aktivste Hilfe Pflicht der Arbeiter jenes Landes, von dem die unterdrückte Nation in finanzieller, wirtschaftlicher oder politischer Hinsicht abhängig ist. Die kommunistischen Parteien müssen offen das Recht auf Lostrennung der Kolonien anerkennen und dafür Propaganda entfalten, d. h. Propaganda für die Unabhängigkeit der Kolonien vom imperialistischen Staat. Sie müssen das Recht der Kolonien auf bewaffnete Abwehr des Imperialismus (d. h. auf Aufstand und revolutionären Krieg) anerkennen, diese Abwehr propagieren und mit allen zu Gebote stehenden Mitteln aktiv unterstützen. Die gleiche Politik müssen die kommunistischen Parteien allen unterdrückten Völkern gegenüber verfolgen.

In den kolonialen und halbkolonialen Ländern selbst müssen die kommunistischen Parteien einen kühnen und konsequenten Kampf gegen den ausländischen Imperialismus führen und dabei unablässig für die Idee der Annäherung an das Proletariat der imperialistischen Länder und des Bündnisses mit ihm werben; sie müssen die Losung der Agrarrevolution offen aufstellen, propagieren und in die Tat umsetzen, um so die breiten Massen der Bauern aufzurufen, das feudale Joch von sich zu werfen; sie müssen dem reaktionären mittelalterlichen Einfluß der Geistlichkeit, der Missionen usw. den Krieg erklären.

Die Hauptaufgabe ist hier die selbständige Organisierung der Arbeiter und Bauern (in der kommunistischen Klassenpartei des Proletariats, den Gewerkschaften, Bauernbünden, Bauernkomitees und im Fall revolutionärer Situationen in den Räten) und ihre Befreiung von dem Einfluß der nationalen Bourgeoisie. Zeitweise Kompromisse mit der nationalen Bourgeoisie sind nur insoweit zulässig, als diese den revolutionären Zusammenschluß der Arbeiter und Bauern nicht behindert und wirklich den Imperialismus bekämpft.

Bei der Festlegung ihrer taktischen Linie muß jede kommunistische Partei die gegebene innere und äußere Lage, das Verhältnis der Klassenkräfte, den Grad der Festigkeit und der Stärke der Bourgeoisie, den Grad der Kampfbereitschaft des Proletariats, die Haltung der Mittelschichten usw. in Rechnung stellen. Diesen Verhältnissen entsprechend bestimmt die Partei ihre Losungen und Kampfmethoden, wobei sie von der Notwendigkeit der Mobilisierung und Organisierung möglichst breiter Massen auf einer möglichst hohen Stufe dieses Kampfes ausgeht. Beim Heranreifen einer revolutionären Situation stellt die Partei eine Reihe von Übergangslosungen auf und erhebt entsprechend den gegebenen Verhältnissen Teilforderungen, die sie ihrem revolutionären Hauptziel, der Eroberung der Macht und dem Sturz der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaftsordnung unterordnen muß. Die Tagesforderungen und Tageskämpfe der Arbeiterklasse zu vornachlässigen, ist ebenso unzulässig wie die Beschränkung der Tätigkeit der Partei auf diese allein. Aufgabe der Partei ist es, ausgehend von den Tagesnöten, die Arbeiterklasse in den revolutionären Kampf um die Macht zu führen. Im Falle eines revolutionären Aufschwunges, wenn die herrschenden Klassen desorganisiert, die Massen im Zustande revolutionärer Gärung sind, wenn die Mittelschichten dem Proletariat zuneigen und die Massen sich kämpf- und opferbereit erweisen, hat die proletarische Partei die Aufgabe, die Massen zum Frontalangriff gegen den bürgerlichen Staat zu führen. Erreicht wird dies durch die Propagierung stufenweise gesteigerter Übergangslosungen (Arbeiterräte, Arbeiterkontrolle der Produktion, Bauernkomitees zur gewaltsamen Aneignung des grundherrlichen Bodens, Entwaffnung der Bourgeoisie und Bewaffnung des Proletariats usw.) und durch die Organisierung von Massenaktionen, denen alle Zweige der Agitation und Propaganda der Partei unterordnet werden müssen, die Parlamentstätigkeit mit eingeschlossen. Solche Massenaktionen sind: Streiks, Streiks in Verbindung mit Demonstrationen, Streiks in Verbindung mit bewaffneten Demonstrationen und schließlich der Generalstreik, vereint mit dem bewaffneten Aufstand gegen die Staatsgewalt der Bourgeoisie. Diese höchste Form des Kampfes folgt den Regeln der Kriegskunst, setzt einen Feldzugsplan, einen Offensivcharakter der Kampfhandlungen, unbegrenzte Hingabe und Heldenmut des Proletariats voraus. Aktionen dieser Art haben als absolute Vorbedingung die Organisierung der breiten Massen in Kampfformationen, die schon durch ihre Form die größten Massen der Werktätigen erfassen und in Bewegung setzen müssen (Arbeiter- und Bauernräte, Soldatenräte usw.), und die Steigerung der revolutionären Arbeit in Heer und Flotte.

Beim Übergang zu neuen, schärferen Losungen muß die folgende Grundregel der politischen Taktik des Leninismus die Richtschnur sein: die Partei muß es verstehen, die Massen an die revolutionären Positionen so heranzuführen, daß sie sich durch ihre eigene Erfahrung von der Richtigkeit der Parteilinie überzeugen. Wird diese Regel nicht befolgt, so führt das unausbleiblich zur Trennung von den Massen, zum Putschismus und zur ideologischen Entartung des Kommunismus in “linken” Doktrinarismus, in kleinbürgerliches “revolutionäres” Abenteurertum. Nicht weniger verderblich ist es, wenn die Partei des Proletariats den Höhepunkt der revolutionären Entwicklung, der kühnen und entschlossenen Angriff auf den Feind erheischt, ungenützt läßt. Eine solche Gelegenheit verstreichen lassen, ohne zum Aufstand überzugehen, heißt, die Initiative dem Gegner überlassen und die Revolution der Niederlage entgegenzuführen.

Wenn kein revolutionärer Aufschwung vorhanden ist, müssen die kommunistischen Parteien, ausgehend von den Tagesnöten der Werktätigen, Teillosungen und Teilforderungen aufstellen und sie mit den Hauptzielen der Kommunistischen Internationale verknüpfen. Hierbei dürfen aber die Parteien nicht solche Übergangslosungen aufstellen, die das Vorhandensein einer revolutionären Situation zur Voraussetzung haben und in einer anderen Situation zur Losung des Verwachsens mit dem System kapitalistischer Organisationen werden (z. B. die Losung der Produktionskontrolle und ähnliche). Teilforderungen und Teillosungen sind die absolute Bedingung einer richtigen Taktik, während eine Reihe von Übergangslosungen untrennbar an das Vorhandensein einer revolutionären Situation gebunden sind. “Prinzipiell” die Aufstellung von Teilforderungen und Übergangslosungen abzulehnen, ist jedoch ebenfalls mit den Grundsätzen des Kommunismus unvereinbar, da eine Taktik dieser Art die Partei praktisch zur Passivität verurteilt und von, den Massen isoliert. Die Taktik der Einheitsfront als Mittel des erfolgreichen Kampfes gegen das Kapital, der Klassenmobilisierung der Massen und der Entlarvung und Isolierung der reformistischen Führer ist so ein wesentlicher Bestandteil der Taktik der Kommunistischen Internationale während der ganzen vorrevolutionären Periode.

Die richtige Anwendung der Einheitsfronttaktik und die Gewinnung der Massen im allgemeinen hat die systematische, beharrliche Arbeit in den Gewerkschaften und in den anderen Massenorganisationen des Proletariats zur Voraussetzung. Die Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft, selbst zur reaktionärsten, ‑ wenn sie nur Massencharakter hat ‑ ist die unmittelbare Pflicht jedes Kommunisten. Nur durch stete, konsequente Arbeit in Gewerkschaft und Betrieb zur standhaften und energischen Verteidigung der Arbeiterinteressen und durch rücksichtslosen Kampf gegen die reformistische Bürokratie kann die Führung des Kampfes der Arbeiter erobert, können die gewerkschaftlich organisierten Arbeitermassen für die Partei gewonnen werden. Im Gegensatz zu den Spaltungsversuchen der Reformisten vertreten die Kommunisten die Einheit der Gewerkschaften in den einzelnen Ländern und in der ganzen Welt auf der Grundlage des Klassenkampfes und unterstützen allseits die Arbeit der Roten Gewerkschaftsinternationale.

Indem die kommunistischen Parteien überall die täglichen Bedürf­nisse der Arbeitermassen und der gesamten Werktätigen verteidigen, die Tribüne der bürgerlichen Parlamente für die Zwecke der revolutionären Propaganda und Agitation ausnützen und alle Teilaufgaben dem Ziel, dem Kampf um die Diktatur des Proletariats unterordnen, stellen die Parteien der Kommunistischen Internationale auf folgenden Hauptgebieten Teilforderungen und Teillosungen auf:

Zur Verteidigung der Interessen der Arbeiter im engeren Sinne ‑ Fragen des wirtschaftlichen Kampfes (Abwehr der Angriffe des Trustkapitals, Lohn- und Arbeitszeitfragen, Zwangsschlichtungswesen, Arbeitslosigkeit), die in Fragen des politischen Kampfes übergehen (große Industriekonflikte, Gewerkschafts- und Streikrecht usw.); Fragen unmittelbar politischen Charakters (Steuer, Teuerung, Faschismus, Verfolgung revolutionärer Parteien, weißer Terror, Politik der Regierung überhaupt); schließlich die Fragen der Weltpolitik: Verhalten zur Sowjetunion und den kolonialen Revolutionen, Kampf für die Einheit der internationalen Gewerkschaftsbewegung, Kampf gegen Imperialismus und Kriegsgefahr und systematische Vorbereitung des Kampfes gegen den imperialistischen Krieg.

Für die Bauernschaft betreffen die Teilforderungen: die Steuerpolitik, die hypothekarische Verschuldung der Bauernschaft, Bekämpfung des Wucherkapitals, Bodenmangel der Dorfarmut, Pachtzins und Nutzungsrechte usw. Von diesen Teilforderungen ausgehend, muß die Kommunistische Partei ihre Losungen entsprechend steigern bis zur Zusammenfassung in der Losung: Konfiskation des Großgrundbesitzes und der Losung: Arbeiter- und Bauernregierung (in den entwickelten kapitalistischen Ländern als Synonym der proletarischen Diktatur, in den rückständigen Ländern und einer Anzahl von Kolonien als Synonym der demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft).

In gleicher Weise ist eine systematische Arbeit unter der Arbeiter­ und Bauernjugend (vor allem durch die Kommunistische Jugendinternationale und ihre Sektionen) und unter den Frauen, den Proletarierinnen und Bäuerinnen, zu entfalten. Diese Arbeit muß, ausgehend von den besonderen Bedingungen des Lebens und des Kampfes dieser Schichten, ihre Forderungen mit den allgemeinen Forderungen und Kampflosungen des Proletariats verbinden.

Im Kampfe gegen die Unterdrückung der Kolonialvölker müssen die kommunistischen Parteien in den Kolonien selbst Teilforderungen aufstellen, die den besonderen Verhältnissen entsprechen, wie: volle Gleichberechtigung aller Nationen und Rassen, Abschaffung aller Privilegien der Ausländer, Freiheit der Arbeiter- und Bauernorganisationen, Verkürzung des Arbeitstages, Verbot der Kinderarbeit, Annullierung der wucherischen Schuldverträge, Senkung und Abschaffung des Pachtzinses, Erleichterung der Steuerlast, Steuerstreik usw. Alle diese Teilforderungen müssen folgenden Grundforderungen der Kommunistischen Partei untergeordnet werden: völlige politische Unabhängigkeit des Landes und Vertreibung der Imperialisten, Arbeiter- und Bauernregierung, den Boden dem ganzen Volke, Achtstundentag usw. In den Ländern des Imperialismus müssen die kommunistischen Parteien Kampagnen für die Zurückziehung der imperialistischen Truppen aus den Kolonien führen, in Heer und Flotte rege Propaganda zur Verteidigung der unterdrückten Völker in ihrem Freiheitskampfe entfalten, die Massen zur Verhinderung der Waffen- und Truppentransporte mobilisieren, Streiks und andere Formen des Massenprotestes organisieren usw.

Ganz besondere Aufmerksamkeit muß die Kommunistische Internationale der zielbewußten Vorbereitung des Kampfes gegen die Gefahr imperialistischer Kriege widmen. Schonungslose Entlarvung des Sozialchauvinismus, des Sozialimperialismus und der pazifistischen Phrasen, die nur die imperialistischen Pläne der Bourgeoisie verschleiern; Propagierung der Hauptlosungen der Kommunistischen Internationale; unablässige organisatorische Arbeit zur Verwirklichung dieser Aufgaben, wobei die Verbindung der legalen mit den illegalen Arbeitsmethoden unbedingt notwendig ist; organisierte Arbeit in Heer und Flotte ‑ das muß die Tätigkeit der kommunistischen Partei auf diesem Gebiete sein. Die Hauptlosungen der Kommunistischen Internationale im Kampfe gegen die Kriegsgefahr sind: Umwandlung des imperialistischen Krieges in den Bürgerkrieg, Niederlage der “eigenen” imperialistischen Regierung, Verteidigung der Sowjetunion und der Kolonien im Falle eines imperialistischen Krieges gegen sie, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln. Die Propagierung dieser Losungen, die Entlarvung der “sozialistischen” Sophismen und der “sozialistischen” Verschleierungen des Völkerbundes, das stete Wachhalten der Erinnerung an die Lehren des Weltkrieges von 1914 ‑ all das ist unabweisbare Pflicht aller Sektionen und aller Mitglieder der Kommunistischen Internationale.

Zur Koordinierung der revolutionären Tätigkeit und der revolutionären Aktionen wie zu ihrer zweckmäßigen Leitung bedarf das internationale Proletariat der internationalen Klassendisziplin, deren wichtigste Voraussetzung die strengste internationale Disziplin der kommunistischen Parteien ist. Diese internationale kommunistische Disziplin muß ihren Ausdruck finden in der Unterordnung der Lokal- und Sonderinteressen der Bewegung unter die gemeinsamen und dauernden Interessen und in der vorbehaltlosen Durchführung aller Beschlüsse der leitenden Organe der Kommunistischen Internationale.

Im Gegensatz zur sozialdemokratischen Zweiten Internationale, deren Parteien sich lediglich der Disziplin “ihrer” nationalen Bourgeoisie und ihres “Vaterlandes” unterwerfen, kennen die Sektionen der Kommunistischen Internationale nur eine Disziplin: die Disziplin des Weltproletariats, die dem Kampf der Arbeiter aller Länder für die Weltdiktatur des Proletariats den Sieg sichert. Im Gegensatz zur Zweiten Internationale, die die Gewerkschaftsbewegung spaltet, wider die Kolonialvölker kämpft und die die Einheit mit der Bourgeoisie pflegt, ist die Kommunistische Internationale die Organisation, die auf der Wacht steht für die Einheit der Proletarier aller Länder, der Werktätigen aller Rassen und Völker in dem Kampf gegen das Joch des Imperialismus.

Kühn und unerschrocken führen die Kommunisten diesen Kampf auf allen Abschnitten der internationalen Klassenfront, dem blutigen Terror der Bourgeoisie trotzend, des notwendigen, unausbleiblichen Sieges des Proletariats gewiß.

"Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. Sie erklären es offen, daß ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung.

Mögen die herrschenden Klassen vor einer kommunistischen Revolution zittern. Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als die Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen.

Proletarier aller Länder, vereinigt euch!"


Fußnoten



[1].       [321ignition] Die Fußnoten sind von uns, unter Verwendung von eventuellen in der Quelle enthaltenen Fußnoten, formuliert.

[2].       Sozialistische Internationale.

1864 wird in London die “Internationale Arbeiter-Assoziation” gegründet, an der Karl Marx und Friedrich Engels aktiv teilnehmen; sie wird 1876 durch Entschluss ihrer in Philadelphia abgehaltenen Generalversammlung aufgelöst. 1889 wird in Paris ein internationaler Arbeiterkongress abgehalten. Die so eingerichtete Koordinierung zwischen Parteien marxistischer Orientierung wird geläufig “Zweite Internationale” genannt. In einer ersten Phase wird, abgesehen von der Einberufung von Kongressen, keine besondere organisatorische Struktur eingerichtet. 1900 wird ein Internationales sozialistisches Büro gebildet, sowie ein mit den laufenden Angelegenheiten beauftragtes Exekutivkomitee mit Sitz in Brüssel.

Am 14. und 15. Februar 1915 wird in London eine Konferenz der sozialistischen Parteien der alliierten Länder abgehalten. Die Zahl der Delegierten beläuft sich auf 46. Frankreich ist folgendermaßen vertreten: für die Sozialistische Partei SFIO (Parti socialiste Section française de l'Internationale ouvrière, SFIO) Alexandre Desrousseaux genannt Bracke, Adéodat Compère-Morel, Marcel Cachin, Jean Longuet, Marcel Sembat, Pierre Renaudel, Edouard Vaillant, Louis Dubreuilh, Ernest Poisson, Braemer; für die Allgemeine Konföderation der Arbeit (Confédération générale du travail, CGT) Léon Jouhaux, Alexandre Luquet, Moulinier, Albert Bourderon, Alphonse Merrheim. Großbritannien ist unter anderem vertreten durch Arthur Henderson, Ramsay Macdonald, Keir Hardie, William Anderson, Bruce Glasier; Belgien ist insbesondere durch Émile Vandervelde und Camille Huysmans vertreten; für Russland nehmen unter anderen Teil Ivan M. Maisky von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands - Menschewiki, sowie Viktor M. Černov und Ilja A. Rubanovič von der Partei der Sozialrevolutionäre, etc.

Nach dem 1. Weltkrieg wird zunächst im Februar 1919 eine Konferenz in Bern abgehalten, danach wird im August 1920 in Genf die 2. Internationale wiedergebildet, unter Beteiligung einer reduzierten Zahl von Parteien. Sie richtet ihren Sitz in London ein.

Eine Anzahl anderer Parteien gründet im Februar 1921 in Wien die “Internationale Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Parteien”; Friedrich Adler und Otto Bauer spielen eine wichtige Rolle. Offiziell wird die Organisation auch “Wiener Internationale” bezeichnet, geläufig wird sie aber “2 ½. (Zweieinhalbte) Internationale” genannt.

Im Mai 1923 auf einem in Hamburg abgehaltenen Kongress gründen diese Internationale und die 2. Internationale gemeinsam die “Sozialistische Arbeiterinternationale”.

[3].       Gustav Noske.

1884 tritt Noske der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) bei, die 1890 den Namen Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) annimmt. Von 1906 bis 1918 ist er Abgeordneter für die SPD. 1914 veröffentlicht er ein Buch "Kolonialpolitik und Sozialdemokratie", das die Kolonialpolitik Deutschlands positiv beurteilt. Während des 1. Weltkrieges unterstützt er die Position der Vaterlandsverteidigung. Im Dezember 1918 wird er Mitglied des Rates der Volksbeauftragten, der die Funktion einer provisorischen Regierung ausübt. Im Januar 1919 führt er die mit Hilfe der Freikorps durchgesetzte Niederwerfung des Versuchs eines revolutionären Aufstandes an. Im Februar wird er zum Verteidigungsminister [Reichswehrminister] ernannt und führt die Neuschaffung der Streitkräfte durch. Im März 1920, zum Zeitpunkt des Lüttwitz-Kapp-Putsches, wird er unter Druck der kämpfenden Arbeiter gezwungen, zurückzutreten. Von 1920 bis 1933 hat er den Posten des Oberpräsidenten der Provinz Hannover inne.

[4].       Albert Thomas.

1904 ist Thomas für die gewerkschaftliche Rubrik der Tageszeitung L'Humanité verantwortlich und wird in Champigny-sur-Marne zum Gemeinderat gewählt, wo er acht Jahre später Bürgermeister wird. Als Journalist schreibt er für die Zeitschriften L'Information und Revue socialiste, er gründet die Revue syndicaliste und danach L'Information ouvrière et sociale. 1910 wird er als Abgeordneter eines der Wahlbereiche des Departements der Seine gewählt, und er wird in 1914 wiedergewählt. Im Mai 1915 wird er zum Unterstaatssekretär für Artillerie und militärische Ausrüstung ernannt. Im Jahr darauf wird er Rüstungsminister. Im November 1919, auf der ersten Sitzung der Internationalen Arbeitskonferenz in Washington (der er nicht beiwohnt), ernennt ihn der Verwaltungsrat der so konstituierten Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) zum Direktor des Internationalen Arbeitsbüros (IAB), welches Organ als Sekretariat der IAO fungiert.

Im Mai 1928 unternimmt Thomas, in seiner Qualität als Beobachter und Direktor des BIT, eine Reise nach Italien. Er wird von verschiedenen Vertretern des Regimes empfangen, und bei diesen Anlässen macht er Erklärungen, darunter eine am 3. Mai, in Antwort auf die Rede von Giuseppe Bottai, Unterstaatssekretär des Ministeriums der Korporationen. Daraus hier ein Auszug:

Die Hohen Vertragsparteien, die 1919 die Friedensverträge abgeschlossen haben, versprachen den Arbeitern der Welt gewisse Reformen in Übereinstimmung mit gewissen anerkannten Rechten und Prinzipien. Die Carta del Lavoro des faschistischen Italiens hat auch den Arbeitern Italiens eine Zahl bestimmter Reformen versprochen. Ich habe zahlreiche Ähnlichkeiten zwischen diesen beiden wichtigen Dokumenten wahrgenommen. Ich habe jedoch auch eine Auslassung wahrgenommen. Die Carta del Lavoro erwähnt nicht ausdrücklich den Acht‑Stundentag. Wenn ich auch wohl etwas Besorgnis in Bezug auf diesen Punkt empfand, stellt die Erklärung, die das Oberhaupt der Regierung vor einigen Tagen abgab, diese Angelegenheit klar. "Wir", sagte er, "waren die Ersten, die eine Gesetzgebung über den Acht‑Stundentag einführten, obwohl wohlhabendere Länder, die als demokratisch gelten, noch dabei sind, diese Angelegenheit zu diskutieren." Die Ähnlichkeit, die zwischen der Carta del Lavoro und dem Vertrag besteht, ist es, was ohne Zweifel Italien in Stand gesetzt hat, eine beträchtliche Zahl von Übereinkommen zu ratifizieren. [...] Auf der kürzlich abgehaltenen Weltkonferenz über Bevölkerung waren wir, dank unserer Besorgnis für internationale Gerechtigkeit, in völligem Einverständnis mit den Erklärungen der italienischen Vertreter. Die Faschistische Regierung wünscht jedoch, weiter zu gehen. Sie wünscht nicht nur, den Arbeitern den Nutzen von gerechten Reformen zu garantieren, sondern, wie sie selbst es formuliert haben, sie wünscht, die italienische Gesellschaft von Grund auf umzuorganisieren. Die Carta del Lavoro verspricht nicht nur diese und jene bestimmten Reformen, sondern führt auch gewisse Regeln und Prinzipien ein, und ein Versuch wird unternommen, die Gesellschaft auf Grund dieser Prinzipien zu organisieren. [...] Auf der anderen Hand bin ich sicher, dass sie mit mir einverstanden sein werden, dass, wenn die werktätigen Klassen einer Gemeinschaft im Genuss gewisser Rechte stehen, wenn sie wohlhabend sind, und vor allem wenn die Verbesserung ihrer Stellung mit einem Anstieg der Produktion einhergeht, dann besteht das sicherste Mittel, die Produktion beizubehalten und zu fördern, darin, dass soziale Gerechtigkeit gegenüber den Arbeitern gezeigt wird. Ich fühle in höchstem Ausmaße Vertrauen in unsere Zusammenarbeiten gemäß diesen Leitlinien. [...] Italien und Frankreich, und in der Tat die lateinischen Länder im Allgemeinen, sind beschuldigt worden, sie hätten große Prinzipien, ohne sie vollständig in Anwendung zu bringen. Je mehr ich von den Tatsachen sehe, desto sicherer bin ich, dass dies ein voreiliges und ungerechtes Urteil ist. Vor einem Jahr haben sie ihre Carta del Lavoro verkündet. Ich habe mit Befriedigung ihre Erklärung vermerkt, dass sie sich bemühen, allmählich und in zunehmendem Maße die Prinzipien der Charta der Arbeit durchzuführen, und dass schon substanzielle Fortschritte gemacht wurden.]

[The High Contracting Parties who concluded the Treaties of Peace in 1919 promised certain reforms to the workers of the world in accordance with certain recognised rights and principles. The Carta del Lavoro of Fascist Italy also promised a number of definite reforms to the workers of Italy. I have observed numerous similarities between these two important documents. I have, however, also observed one omission. The Carta del Lavoro does not explicitly mention the 8‑hour day. Although I may have felt some uneasiness on this point, the statement which the Head of the Government made some days ago clears up the matter. "We", he said, "were the first to establish legislation on the 8‑hour day, although wealthier countries, which are said to be democratic, are still discussing the matter." The similarity which exists between the Carta del Lavoro and the Treaty is no doubt what has enabled Italy to ratify a considerable number of Conventions. [...] At the recent World Population Conference we found ourselves, owing to our anxiety for international justice, in full agreement with the declarations of the Italian representatives. The Fascist Government, however, desires to go further. It does not merely wish to secure the benefit of just reforms for the workers, but as you yourself have put it, it desires to reorganise Italian society from its foundations. The Carta del Lavoro does not merely promise certain definite reforms, but also establishes certain rules and principles, and an attempt is being made to organise society on the basis of those principles. [...] On the other hand, I am sure you will agree with me that when the working classes of a community enjoy certain rights, when they are prosperous, and above all when the improvement in their position is parallel with an increase in production, the surest means of maintaining and promoting production is to show social justice towards the workers. I feel the utmost confidence in our collaboration on these lines [...] Italy and France, and indeed the Latin countries in general, have been accused of having great principles but not applying them completely. The more I see of the facts, the more sure I am that that is a hasty and unjust judgment. A year ago you promulgated your Carta del Lavoro. I noted with satisfaction your statement that you are gradually and progressively endeavouring to carry out the principles of your Labour Charter, and that substantial progress has already been made.]

[Industrial and Labour Information, Volume 26, International Labour Office, 1928.]

Und hier, was Thomas in seinem Reise-Tagebuch notiert:

Und wenn auch, auf faschistischer Seiten, es nicht angebracht ist, zu denken, dass man alles erfunden und alles geschaffen hat, es nicht angebracht ist, zu denken, dass man das Beispiel gegeben hat, da sich überall dieselben Phänomene äußern, so wäre es andrerseits dumm, aufgrund der politischen Umstände und der diktatorischen Methode die Tatsache zu leugnen, dass Italien für alle diese notwendigen Konstruktionen neue und systematischere Formeln als anderswo gegeben hat.

[http://www.cedias.org/pdf/guerin_thomas.pdf]

[5].       Joseph Paul‑Boncour.

Französischer Politiker. Er tritt zunächst der Republikanisch-sozialistischen Partei (Parti républicain-socialiste) bei, und geht dann 1916 zur SFIO über. 1927, in der Abgeordnetenkammer, ist er Berichterstatter über einen Gesetzesentwurf "über die allgemeine Organisierung der Nation für die Kriegszeit", der durch die Kammer am 7. März 1927 angenommen wird.

[6].       Émile Vandervelde.

1885 wird in Brüssel die Belgische Arbeiterpartei (Parti ouvrier belge, POB) gegründet. Vandervelde tritt der POB kurz nach ihrer Gründung bei, und ab 1894 wird er einer ihrer wichtigsten Leiter. Er ist Vorsitzender des Büros der 2. Internationale (cf. Fußnote 2 ) von 1900 bis 1914. Er ist Justizminister von 1918 bis 1921, Außenminister von 1925 bis 1927, Minister der öffentlichen Gesundheit von 1936 bis 1937.

[7].       Ramsay MacDonald.

Britischer Politiker. Im November 1922 wird MacDonald zum Vorsitzenden der Labour Party ernannt. Bei den Wahlen von 1923 erhält die Labour Party 191 Sitze, die Konservative Partei 258, jedoch wird im Januar 1924 eine Minderheitsregierung mit MacDonald als Ministerpräsident gebildet. Diese Regierung muss aber im folgenden Oktober zurücktreten, bei den Neuwahlen erhält die Konservative Partei 412 Sitze, die Labour Party 151.

[8].       Internationaler Gewerkschaftsbund (genannt “Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale”).

1901 wird in Kopenhagen eine Versammlung von Vertretern der Gewerkschaftszentralen von Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark, Deutschland, Frankreich und Belgien abgehalten. Ein weiteres Treffen folgt 1903, und es wird ein internationales Sekretariat mit Carl Legien als Sekretär gegründet. 1913 wird die Bezeichnung Internationaler Gewerkschaftsbund (IGB) angenommen. Der 1. Weltkrieg führt zu der den kriegerischen Bündnissen entsprechenden Spaltung. 1919 wird der IGB wiedergebildet. Eine erste Versammlung wird im Februar 1919 in Bern abgehalten, mit Juli-August wird der Sitz in Amsterdam eingerichtet. Der IGB wird von der neuen Internationalen Arbeitsorganisation anerkannt. Die Aufnahme der Gewerkschaften der Sowjetunion zum IGB wird verweigert. Die amerikanische AFL tritt schließlich 1937 in den IGB ein.

[9].       Guomindang oder Kuomintang ("Nationalistische Partei").

Im Laufe des Jahres 1911 greift die 1905 durch Sun Yìxian (Sun Yat‑sen) gegründete Revolutionäre Allianz (Zhongguo geming Tongmenghui, d. h. Vereinigte revolutionäre Liga Chinas, kurz Tongmenghui) aktif in die Entfaltung der Agitation ein, die sich gegen das kaiserliche Regime richtet und zu dessen Zusammensturz führt. Am 29. Dezember wählen Vertreter der verschiedenen Provinzen Sun Yìxian als Präsidenten der Republik. Im Februar 1912 gelingt es Yuan Shikai, der vom Kaiserhof beauftragt ist, die Revolten zu unterdrücken, den jungen Kaiser Puyi zur Abdankung zu bewegen; eine in Nanjing (Nanking) stattfindende Versammlung ernennt Yuan Shikai zum Präsidenten der Republik. Die Tongmenghui gestaltet sich zur Guomindang um, die als Programm die “Drei Prinzipien des Volkes” formuliert: Nationalismus, Volksrecht, Volkswohl *. Jedoch bewirken 1913 Aufstände die Auflösung der Guomindang durch das Regime. 1914 bemächtigt sich Japan der deutschen Konzessionen in China (Qingdao, in der Provinz Shandong) und zwingt China 1915 sein Protektorat auf. Yuan Shikai stirbt 1916, für China beginnt eine lange Periode von Kämpfen zwischen den republikanischen Oberhäuptern und den Generalen. Im nördlichen China stehen sich die Dujun ("Kriegsherren") als Rivalen in bewaffneten Konflikten, die bis 1927 andauern, gegenüber: Zhang Zuolin, Gouverneur der Mandschurei, Cao Kun, Gouverneur der Provinz Zhili (heute ungefähr Hebei entsprechend), usw.

1921 wird in Shanghai die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) gegründet, die im darauffolgenden Jahr sich der Kommunistischen Internationale anschließt. 1922 wird Sun Yìxian in Guangzhou (Kanton) zum Präsidenten der Republik ernannt. Er setzt sich das Ziel, angesichts der zwei feindlichen Faktionen, deren eine von Japan, die andere von Großbritannien unterstützt wird, das ganze südliche China wiederzuerobern und Beijing (Peking) einzunehmen. Ab 1923‑1924 erhält er die Unterstützung durch die UdSSR, und die Guaomindang akzeptiert das Prinzip der Einheitsfront, das die Eingliederung der Kommunisten in die Guaomindang mit sich bringt. Nach dem Tode von Sun Yìxian 1925 findet eine Spaltung innerhalb der Guaomindang statt zwischen einerseits einer Fraktion um Wang Jingwei und Song Qingling (Witwe von Sun Yìxian) und andrerseits der von Jiang Jieshi (Chiang Kai‑shek) geführten. 1926 gewinnt Jiang Jieshi die Oberhand und schließt die Kommunisten aus den führenden Organen aus. Er organisiert eine “Nordexpedition” mit dem Ziel, die von verschieden Gouverneuren beherrschten Provinzen zurückzugewinnen. Am 12. April 1927 wird eine von der KPCh angetriebene Erhebung der Arbeiter von Shanghai durch die Armee Jiang Jieshis unterdrückt, das Massaker verursacht Tausende Opfer. Nanjing wird Sitz der Regierung der Guomintang unter Jiang Jieshi. Die Kommunisten verlieren ihre städtischen Basen, Mao Zedong, Zhou Enlai und Zhu De bilden eine Volksbefreiungsarmee, die sich in den Bergen der Provinz Hunan und später Jiangxi sammelt. 1928 marschiert Jiang Jieshi nach Norden und zieht im Juni in Beijing ein, das zur Hauptstadt bestimmt wird.

          * “Drei Prinzipien des Volkes” (chinesisch “Sanmin zhuyi”, “min” bedeutet Volk, Bürger): Nation (minzu), Demokratie (minquan), Wohlfahrt (minsheng).

[10].     Mohandas Karamchand Gandhi, genannt “Mahatma”.

Ab 1919 tritt Gandhi als einer der wichtigsten Leiter der Kongresspartei (gegründet 1885 als politische Bewegung unter dem Namen “Indischer Nationalkongress”) auf. Am 6. Februar 1919 proklamiert die britische Verwaltung in Indien mit unmittelbarem Inkrafttreten die Rowlatt‑Akte, die der Regierung die Macht verleiht, jedweden aufgrund politischer Injurie ohne Verfahren zu inhaftieren. Am 24. versammeln sich Gandhi und eine Zahl seiner Anhänger in Ahmedabad (Staat Gujarat), in einem Sabarmati Ashram genannten Ort (auch unter dem Namen Satyagraha Ashram bekannt); ein Dokument über Verpflichtung zum zivilen Ungehorsam wird angenommen. Der hauptsächliche mit dieser Kampagne verbundene Begriff ist “Satyagraha”, was etymologisch die Umarmung (graha) der Wahrheit (satya) bedeutet. Am 30. März finden tätliche Protestzusammenstöße in Delhi statt, die Polizei eröffnet das Feuer. Gandhi verkündet einen Aufruf zur Ruhe und gegen Gewalt. Am 10 April wird er verhaftet. Es erfolgen daraus tätliche Zusammenstöße in Ahmedabad, Amritsar, Lahore, die Polizei eröffnet das Feuer, die Demonstranten schlagen mit tätlichen Angriffen gegen mit der britischen Kolonialmacht verbundene Plätze zurück. Gandhi wird am 11. freigelassen, er wiederholt seinen Aufruf zur Gewaltlosigkeit. Die Zusammenstöße dauern an, à Ahmedabad, Lahore, Bombay, Viramgam, Nadiad, Amritsar, Calcutta, Gujranwala. Am 13. wird durch die Briten während einer öffentlichen Massenversammlung in Amritsar, in einem Jallianwala Bagh genannten Garten, ein Massaker begangen. Im Pendjab wird das Kriegsrecht verhängt. Am 14. rügt Gandhi die Bevölkerung wegen des gewaltsamen Verhaltens und kündigt seinerseits ein dreitägiges Fasten als Sühne an. Am 16. versichert er, in einem an den Kommissar der Norddivision (Bombay) gerichteten Brief, der Regierung seine Unterstützung. Die Zusammenstöße setzen sich fort, à Gujranwala, Delhi, im Pendjab, Führer werden deportiert. Schließlich, am 18., verkündet Gandhi eine vorläufige Einstellung des zivilen Ungehorsams.

Im Januar 1922 setzt Gandhi neuerlich den zivilen Ungehorsam an die Tagesordnung, wobei er damit die an die britische Verwaltung gerichtete Forderung verbindet, dass absolute Nichteinmischung bezüglich nicht gewalttätiger Aktionen sowie die Pressefreiheit ohne jegliche behördliche Kontrolle erklärt werde. Er übermittelt dieses Verlangen dem Vizekönig, indem er ihm einen Brief sendet, den er unterschreibt mit: "Ich verbleibe Euer Exzellenz treuer Diener und Freund. M. K. Gandhi" ["I remain, Your Excellency's faithful servant and friend."] Am 4. Februar, in Chauri Chaura (in der "United Provinces" genannten Region), finden Zusammenstöße statt, ein Polizeiposten wird angegriffen, 21 Polizisten und Schutzmänner werden getötet. Am 10. kündigt Gandhi seinen Beschluss an, die Bewegung des zivilen Ungehorsams unverzüglich zum Halt zu bringen. Am 12. unternimmt er seinerseits ein fünftägiges Fasten als Sühne.

Am 15. Februar 1930 ermächtigt das in Ahmedabad zusammengetretene Arbeitskomitee der Kongresspartei Gandhi und alle, die an Gewaltlosigkeit glauben, eine Ungehorsamkeitsbewegung in Gang zu bringen. Am 27. ermahnt Gandhi in einem Artikel der Zeitschrift, die er herausgibt, Young India, insbesondere in folgendem Wortlaut:

Dieses Mal, darf es bei meiner Verhaftung keine stumme, passive Gewaltlosigkeit geben, sondern eine Gewaltlosigkeit der aktivsten Art soll in Gang gebracht werden, so dass kein einziger jener, die an Gewaltlosigkeit als Glaubensgebot zum Zweck der Erreichung des Ziels Indiens festhalten, sich frei oder lebend finde, am Ende des Bestrebens, nicht länger sich der bestehenden Sklaverei zu unterwerfen.

[This time on my arrest there is to be no mute, passive non-violence, but non-violence of the activest type should be set in motion, so that not a single believer in non-violence as an article of faith for the purpose of achieving India's goal should find himself free or alive at the end of the effort to submit any longer to the existing slavery.]

Der darauffolgende Zeitabschnitt, 1930‑1931, ist durch eine Zuspitzung des Kampfes der indischen Massen gegen die koloniale Besetzung geprägt. Was Gandhi betrifft, so überzeugt er sich letztlich von der Vergeblichkeit der Zurechtweisungen, die er vielfach an die gerichtet hat, die spontan oder auf organsierte Weise Gewalt anwenden; er verzichtet aber durchaus nicht deswegen auf seine hartnäckig auf Klassenzusammenarbeit orientierte Einstellung, die durch die Interessen der indischen Bourgeoisie geleitet ist.

[11].     Marcus Mosiah Garvey.

Garvey wurde in Jamaica geboren. 1914 gründet er die “Allumfassende Vereinigung zur Besserstellung der Neger” (“Universal Negro Improvement Association”, UNIA). 1920 findet in New York ein internationaler Kongress der UNIA statt; er nimmt eine “Erklärung der Rechte der Bevölkerungen schwarzer Hautfarbe in der Welt” (“Declaration of Rights of the Negro Peoples of the World”) an, die alle Schwarzen als freie Bürger Afrikas betrachtet und für sie volle Gleichberechtigung als Menschenwesen verlangt. Im selben Jahr gründet Garvey die Negro Factories Corporation und bietet Aktien zum Ankauf durch Afro-Amerikaner an; andere Unternehmen werden im selben Geist gegründet, wie das Universal Printing House und die Black Star Line. Das Projekt Garveys besteht darin, die Unabhängigkeit aller Länder Afrikas zu erreichen und die Vereinigten Staaten Afrikas zu gründen; die UNIA arbeitet einen Plan aus, um Schwarze nach Afrika zu bringen. Die Konzeptionen Garveys nehmen Bezug auf Rassenunterschiede, und 1922 trifft er einen Führer des Ku Klux Klan, Edward Young Clarke. Der Verlauf dieses Gesprächs ist charakteristisch für die Haltung Garveys: er war bestrebt, den Ausdehnungsbereich seiner wirtschaftlichen Projekte zu erweitern, Clarke war interessiert an der Tatsache, dass die UNIA im Gegensatz stand zu einer anderen Organisation von Afro-Amerikanern, der Nationalen Vereinigung für den Fortschritt der Farbigen (National Association for the Advancement of Colored People, NAACP). Letztere, gegründet 1909, war in ihrer Mitgliedschaft nicht auf Schwarze beschränkt und hatte nicht als Ziel die Trennung der Afro-Amerikaner von den USA.

Er behauptet insbesondere:

Der Kapitalismus ist für den Fortschritt der Welt notwendig, und die, die sich unvernünftigerweise und ohne Begründung ihn ablehnen oder bekämpfen, sind Feinde der Förderung der Menschheit.

[Capitalism is necessary to the progress of the world, and those who unreasonably and wantonly oppose or fight against it are enemies to human advancement.]

[Marcus Garvey: The Philosophy and Opinions of Marcus Garvey, Or, Africa for the Africans, Volume 1; New York, Universal Pub. House, 1923; p. 72.]